Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 06. Dez. 2017 - Au 4 K 17.953

06.12.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt zuletzt, die Beklagte zu verpflichten, über einen Antrag der Klägerin auf Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke Fl.Nr. ... sowie ... Gemarkung ... (...). Sie beabsichtigt dort die Errichtung eines ...-Verbrauchermarktes, eines Hotels sowie eines Büro-Centers. Mit Datum vom 11. März 2016 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans (ggf. mit Änderung des Flächennutzungsplans zur Schaffung der planungsrechtlichen Zulässigkeit) gemäß § 12 Abs. 2 BauGB. Das Vorhaben wurde dabei als „... Verbrauchermarkt – Hotel – Office-Center, ... in …Gemarkung ...“ bezeichnet. Beigefügt war eine als „Konzeptstudie/Bauvoranfrage“ überschriebene Broschüre sowie eine gutachterliche Stellungnahme zur Klärung der Verträglichkeit der Umsiedlung des bestehenden ...-Marktes in das neue „...“, ... vom 6. November 2015 des Büros, Standort- und Wirtschaftsberatungs GmbH. Es soll sich dabei um die Errichtung eines städtebaulich integrierten Gebäudekomplexes mit Tiefgarage handeln. Das Gutachten kommt zusammenfassend zum Ergebnis, dass die geplante Umsiedlung des bestehenden und seit langer Zeit eingeführten ... in ... (...) in der geplanten Größenordnung und dem geplanten Standort sowohl städtebaulich als auch unter überörtlichen Aspekten als verträglich bewertet werden könne.

Mit Schreiben vom 27. April 2016 an das Stadtbauamt der Beklagten teilte die ... Beratung + Management GmbH mit, dass sie die Verträglichkeitsanalyse des Büros ... geprüft habe. Man komme zu einer grundlegend anderen fachlichen Einschätzung. So lägen beim Verträglichkeitsgutachten erhebliche Sachmängel bei den zu Grunde gelegten Ausgangsbedingungen und bei der Bewertung vor, die zu falschen Einschätzungen hinsichtlich der Verträglichkeit führen würden. Der Vorhabenstandort erfülle darüber hinaus keine der maßgeblichen Leitlinien der künftigen angestrebten Einzelhandelsentwicklung, speziell der Nahversorgungsentwicklung in .... Das Areal sei auf Basis des Einzelhandelskonzepts für die Stadt ... vom November 2015 nicht als Standort für nahversorgungs- oder zentrenrelevanten Einzelhandel zu empfehlen.

Mit Schreiben vom 17. Mai 2016 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass nun über den Antrag auf Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans entschieden werden möge. Das Gesetz räume in § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB dem Vorhabenträger das Recht ein, von der Stadt eine Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens auf Grundlage des von ihm vorgelegten Vorhaben- und Erschließungsplanes zu erhalten.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2016 teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten der Klägerin mit, dass der Antrag zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes in der Sitzung des Stadtrates am 22. Juni 2016 in nicht-öffentlicher Sitzung behandelt werde. Die Klägerin werde schriftlich über den Beschluss des Stadtrates zum Antrag informiert.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2016 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin der Beklagten mit, dass die Entscheidung über die Einleitung eines Bebauungsplansverfahrens nach seiner Einschätzung in einer öffentlichen Sitzung behandelt werden müsse. Gründe für eine nicht öffentliche Sitzung seien nicht erkennbar. Ein in nicht-öffentlicher Sitzung gefasster Beschluss sei nach aktueller Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes unwirksam.

Mit Schreiben vom 27. Juni 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Stadtrat am 22. Juni 2016 in nicht-öffentlicher Sitzung über den Antrag beraten habe. Das Vorhaben sei vom Stadtrat abgelehnt worden. Insbesondere werde die Ansiedlung des Lebensmittel-Vollsortimenters in nicht integrierter Lage abgelehnt. Neuansiedlungen von Einzelhandel müssten grundsätzlich den Vorgaben des Einzelhandelskonzeptes aus dem Jahre 2015 entsprechen. Bei weiteren Fragen zur Bebaubarkeit der Grundstücke stehe man gerne zur Verfügung. Diesem Schreiben war eine Niederschrift über die siebte Sitzung des Stadtrates vom 22. Juni 2016 beigefügt. Danach gab der Leiter der Abteilung Stadtplanung bekannt, dass der Stadtrat in nicht-öffentlicher Sitzung einstimmig die Ansiedlung eines Lebensmittel-Vollsortimenters auf dem ehemaligen ... abgelehnt habe.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2016 teilte die Klägerin der Beklagten ihr Bedauern zum Schreiben vom 27. Juni 2016 mit. Es sei unverständlich, warum der Stadtrat über den Antrag sowohl in nicht-öffentlicher Sitzung als auch ohne mehrfach angebotene und erbetene Rücksprache entschieden habe. Ebenso sei nicht verständlich, dass der Antrag wegen einer „nicht integrierten Lage“ abgewiesen worden sei. Mit dem dem Antrag beigefügten Gutachten sei man auf die Lage der angedachten Ansiedlung des Lebensmittel-Vollsortimenters gründlich eingegangen. Das Einzelhandelskonzept aus dem Jahre 2015 sei zudem zwar dem Stadtrat präsentiert und dort auch diskutiert worden, jedoch nicht verabschiedet worden. Es werde daher um ein Gespräch ersucht mit dem Ziel, ein gemeinsam abgestimmtes und allen dienendes Konzept bezüglich der weiteren Vorgehensweise zu entwickeln.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Antrag einstimmig abgelehnt worden sei. Während die Büronutzung als unkritisch beurteilt worden sei, bestünden beim Business-Hotel und insbesondere beim großflächigen Lebensmittel-Vollsortimenter erhebliche Bedenken gegen die geplante Ansiedlung. In der Analyse des Beherbergungsmarktes und des Hotelbedarfes für den Standort ... – Kurzbericht für das ISEK vom November 2015, werde ein dringlicher Bedarf für ein Tagungs- und Business-Hotel mit rund 100-120 Zimmern gesehen. Im vorliegenden Planungskonzept sei ein Business-Hotel mit 99 Zimmern vorgesehen. In der ...-Straße bestehe jedoch bereits ein im Bau befindliches Business-Hotel mit ebenfalls 99 Zimmern, das sich zudem in unmittelbarer Nähe zum Planstandort befinde. Durch die Lage sei der Standort insbesondere für die Besucher der umliegenden Gewerbebetriebe interessant. Für das Angebot der Tagungsgäste, welche auf eine vorläufige Nähe zur Insel-Halle und zur Insel im Allgemeinen angewiesen seien, sei der Planstandort jedoch ungeeignet. Mit hier vorliegender Planung für ein zusätzliches Business-Hotel würde sich dieses Angebot am Standort konzentrieren. Aus planerischer Sicht stehe zur Befürchtung, dass mit dem von der Klägerin geplanten zusätzlichen Business-Hotel ein Überangebot vor Ort geschaffen werde, welches die Ansiedlung eines Tagungshotel in inselnaher Lage verhindern könnte. Die Errichtung eines zusätzlichen Business-Hotels werde daher nicht befürwortet. Der großflächige Lebensmittel-Vollsortimenter sei vom Stadtrat ebenfalls abgelehnt worden. Dem Antrag sei eine Verträglichkeitsuntersuchung beigelegen, die dem Vorhaben eine Verträglichkeit hinsichtlich der bestehenden Versorgungsbereiche ... bestätigt habe. Dieses Gutachten sei im Auftrag der Beklagten durch einen unabhängigen Gutachter auf Plausibilität geprüft worden. Im Ergebnis habe die Prüfung gezeigt, dass das eingereichte Gutachten an erheblichen Sachmängeln leide. Aus diesem Grund sei der Antrag auch nicht öffentlich behandelt worden. Die zugrunde gelegten Ausgangsbedingungen seien nicht realistisch und führten zu falschen Einschätzungen hinsichtlich der Verträglichkeit des Vorhabens. Auch sei der Planstandort nicht integriert, sodass der geplante Lebensmittel-Vollsortimenter erwartungsgemäß vorwiegend mit dem PKW angefahren werde. Das Vorhaben erfülle damit keine der maßgeblichen Leitlinien der künftig angestrebten Einzelhandelsentwicklung, speziell der Nahversorgungsentwicklung. Auf Basis des Einzelhandelskonzeptes aus dem Jahre 2015, welches der Stadtrat in seiner Sitzung am 25. November 2015 beschlossen habe, sei das Areal nicht als Standort für den nahversorgungs- und zentrenrelevanten Einzelhandel zu empfehlen. Die Entwicklung eines Business-Hotels sowie eines großflächigen Lebensmittel-Vollsortimenters sein auf dem Standard damit nicht möglich. Eine gewerbliche Entwicklung der Flächen werde von der Beklagten jedoch begrüßt. Daher stünde man diesbezüglich auch gerne für weitere Gespräche zur Verfügung.

Am 27. Juni 2017 erhob die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg und ließ beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 27.6.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans vom 11.3.2016 positiv zu verbescheiden, hilfsweise über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Zur Begründung wurde zunächst nur mitgeteilt, dass das Schreiben mit keiner Rechtsbehelfsbelehrung:versehen sei, sodass für die Klage allenfalls die Jahresfrist ab Kenntnis gelte. Die Klage erfolge insofern fristwahrend.

Mit Schriftsatz vom 2. August 2017 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die eingereichte Klage sei bereits unzulässig. Eine Versagungsgegenklage sei unstatthaft, da kein Verwaltungsakt vorliege. Bei dem Schreiben der Beklagten vom 27. Juni 2016 handele es sich nicht um die Ablehnung des Antrages eines Vorhabenträgers auf Einleitung eines Bebauungsplansverfahrens gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Voraussetzung hierfür wäre nämlich ein mit der Gemeinde abgestimmter Vorhaben- und Erschließungsplan. Ein solcher habe nicht vorgelegen, geschweige denn ein Durchführungsvertrag. Diese Punkte seien auch nicht Gegenstand der Stadtratsbefassung gewesen. Vielmehr sei dem Stadtratbeschluss lediglich eine von der Klägerin in eigener Regie und ohne vorausgegangene Absprache veranlasste, mit „Konzeptstudie/Bauvoranfrage“ überschriebene Ausarbeitung zu Grunde gelegt worden. Die Klägerin habe die von ihr eingereichten Unterlagen selber als „Antrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB“ bezeichnet. Alleine der Umstand, dass die Klägerin diese Bezeichnung gewählt habe, führe nicht schon dazu, dass es sich auch materiell-rechtlich um einen solchen Antrag handele. Aus rechtlicher Sicht, nämlich mangels des notwendigerweise vorausgegangenen Abstimmungsprozesses mit der Gemeinde sei dies gar nicht möglich. Ein Durchführungsvertrag sei nur verzichtbar, wenn Einvernehmen zwischen Gemeinde und Vorhabenträger über den Inhalt und Abschluss des Vertrages bestehe. Dieses Einvernehmen sei vorliegend nicht gegeben gewesen. Die ablehnende Haltung der Verwaltung sei der Klägerin auch mehrfach mitgeteilt worden, sodass ein entsprechendes Vertrauen auf einen gemeinsamen Abstimmungsprozess hier nicht begründet worden sei. Auf ein mögliches Vertrauen käme es jedoch nicht einmal an, da rechtliche Voraussetzung für einen möglichen Antrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB ausschließlich sei, dass faktisch gemeinsam erarbeitete und abgestimmte Ergebnisse vorliegen. Die Gemeinde habe es auch bei Anwendung des § 12 BauGB in der Hand, ob sie beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 BauGB vorbereiten lassen wolle oder nicht. Entspreche ein Vorhaben nicht ihrer entwicklungspolitischen Konzeption, so bestehe für sie keine Notwendigkeit, auf entsprechende Absichten von potentiellen Vorhabenträgern einzugehen. Sie nehme an der „Abstimmung“ im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht teil. Der Weg zur Erarbeitung eines Vorhaben- und Erschließungsplans sei damit nicht eröffnet. Die Gemeinde müsse sich nur mit solchen Vorhaben- und Erschließungsplänen auseinandersetzen, die mit ihr umfassend abgestimmt seien. Dies gelte für die Frage des „ob überhaupt“ ebenso wie für die Fragen des „wann“ und „wie“. Die Befassung des Stadtrates in der Sitzung vom 22. Juni 2016 habe lediglich der Abfrage gedient, ob überhaupt eine Mehrheit dafür bestehe, sich in die Abstimmungsphase zu begeben, an deren Ende nach gemeinsamer Erarbeitung eines Vorhabens- und Erschließungsplanes der Antrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB stehen könne. Dies sei in nicht-öffentlicher Sitzung besprochen worden. Der Beschluss sei in öffentlicher Sitzung bekannt gegeben worden, ohne den Namen der Klägerin zu nennen. Der Klägerin seien zuletzt mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 auch die wesentlichen Gründe bekannt gegeben worden für die Entscheidung des Stadtrates, dass ein Abstimmungsverfahren zur Vorbereitung eines Vorhaben- und Erschließungsplanes und eines Durchführungsvertrages als Voraussetzung für den Antrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht eingeleitet werden solle. Die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB gebe dem Vorhabenträger die Möglichkeit, seine Interessen im Hinblick auf seine Vorleistungen durch ein „Recht auf Verbescheidung“ zu wahren. Voraussetzung sei aber, dass die Vorleistungen auf Grundlage eines gemeinsamen Abstimmungsprozesses erbracht worden sein, was hier nicht der Fall sei. Andernfalls wäre der Vorhabenträger durch die „eigeninitiierte“ Stellung eines Antrages nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB in der Lage, die Gemeinde jeder gemeindlichen Planungshoheit zu berauben und sie faktisch in einen Planungsprozess zu zwingen. Im jetzigen Verfahrensstadium sei allenfalls eine Anfrage des Vorhabenträgers bei der Gemeinde, ob sie das Vorhaben einleiten und in den Abstimmungsprozess einsteigen würde, zulässig. Da es sich hier wie bereits ausgeführt nicht um einen Antrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB handele, habe die Beschlussfassung über diesen Antrag auch keine Verbescheidung der Antragstellerin durch Verwaltungsakt zur Folge. Eine allgemeine Leistungsklage mit dem Ziel, dass die Beklagte sich bereit erklärt, in den Abstimmungsprozess mit dem Vorhabenträger einzusteigen, sei unstatthaft. Es bestehe keine Klagebefugnis mangels dahingehend möglichen Anspruches. Die Klage sei zudem zumindest unbegründet, da kein Anspruch auf Einleitung des Abstimmungsprozesses bestehe. Die materiellen Voraussetzungen würden nicht vorliegen. Eine Beteiligung des Kommunalparlamentes sei in allen diesen Verfahrensschritten unerlässlich. Weitergehende Unterlagen würden nicht vorgelegt. Es habe sich bei der Stadtratbefassung vom 22. Juni 2016 um eine nicht-öffentliche Stadtratssitzung gehandelt, in der die wesentlichen Gründe für die ablehnende Entscheidung bereits bekannt gegeben worden seien.

Mit Schriftsatz vom 28. November 2017 begründete der Bevollmächtigte der Klägerin die Klage. Über die Rechtsnatur des § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB bestünden unterschiedliche Rechtsauffassungen in Literatur und Rechtsprechung. Lediglich der Verwaltungsgerichtshof Mannheim vertrete die Rechtsauffassung, es handele sich nicht um einen Verwaltungsakt. Die Literatur sehe dies überwiegend anders. Hilfsweise sei eine allgemeine Leistungsklage statthaft und zulässig. Es sei zudem strittig, ob ein vorausgegangener Abstimmungsprozess erforderlich sei. Die Vorschrift diene dem Interesse des Vorhabenträgers, um abzuschätzen, ob weitere kostspielige Vorarbeiten sinnvoll seien. Er solle über das Vorgehen der Gemeinde nicht im Unklaren gelassen werden, ob sie das Bebauungsplanverfahren einleitet. Der Abstimmungsprozess werde in aller Regel parallel zum bereits in Aufstellung befindlichen vorhabenbezogenen Bebauungsplan ablaufen und den Abschluss des Durchführungsvertrages erst vor Satzungsbeschluss beinhalten. Die Kommentarliteratur blende die Praxisrealität aus und sei nicht nachvollziehbar. Zum Zeitpunkt der Antragstellung seien bereits sämtliche kostspielige Gutachten und Planungen durch den Vorhabenträger erarbeitet worden, da er anderenfalls den Durchführungsvertrag nicht abschließen könne. Bei der Entscheidung über den Antrag sei die Gemeinde an das Rechtsstaatsprinzip gebunden. Vorliegend habe die Gemeinde formell falsch gehandelt, weil sie eine nicht-öffentliche Beschlussfassung getätigt habe. Der Beschluss sei daher unwirksam.

Am 6. Dezember 2017 fand die mündliche Verhandlung statt. Dort beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin zuletzt,

über den Antrag auf Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplan vom 11. März 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Auf das Protokoll der Sitzung wird entsprechend Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Gründe

Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag auf Neuverbescheidung eines Antrags nach § 12 Abs. 2 BauGB.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Verbescheidung bezüglich der von ihr bei der Beklagten vorgelegten Antragsunterlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob vorliegend eine Versagungsgegenklage statthaft ist (so etwa Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 12 Rn. 165; Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Auflage 2016, § 12 Rn. 44) oder eine Leistungsklage hätte erhoben werden müssen (so VGH Mannheim, B.v. 22.3.2000 – 5 S 444/00 – juris Rn. 2 ff; Jäde in Jäde/Dirnberger/Weis, BauGB/BauNVO, 7. Auflage 2013, § 12 Rn. 64 m.w.N.).

Denn jedenfalls mangelt es nach Auffassung der Kammer bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 BauGB (i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Nach dieser Vorschrift hat die Gemeinde auf Antrag des Vorhabenträgers über die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Eine Form ist für den Antrag des Vorhabenträgers zwar nicht vorgeschrieben. Allerdings ergibt sich sein Inhalt nach systematischer Auslegung aus § 12 Abs. 1 BauGB. Danach kann die Gemeinde durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben- und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach § 10 Abs. 1 verpflichtet (Durchführungsvertrag). Damit hat der Gesetzgeber ein zusätzliches Planungsinstrument geschaffen, das im Kern auf die Initiative und Planausarbeitung durch den Vorhabenträger für ein bestimmtes Vorhaben sowie auf die Sicherung der Planverwirklichung zielt. Dabei kommt dem Erfordernis des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB, dass der vom Vorhabenträger erstellte Vorhaben- und Erschließungsplan ein mit der Gemeinde abgestimmter Plan ist, besondere Bedeutung zu. Gleichwohl bleibt es bei dem Grundsatz, dass - unbeschadet der vom Gesetzgeber erwünschten und unterstützten privaten Initiative - die „Verfahrensherrschaft“ uneingeschränkt bei der Gemeinde liegt. Die Gemeinde hat es daher auch bei Anwendung des § 12 BauGB letztlich in der Hand, ob sie das Vorhaben eines Investors vorbereiten lassen will oder nicht. Entspricht ein Vorhaben nicht ihrer Konzeption und ihrem Planungswillen, so besteht für sie keine Notwendigkeit, auf entsprechende Absichten von potentiellen Vorhabenträgern einzugehen. Sie nimmt dann an der Abstimmung i. S. des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht teil, so dass der Weg zur Erarbeitung eines Vorhaben- und Erschließungsplans nicht eröffnet ist (vgl. VGH Mannheim, B.v. 22.3.2000 – 5 S 444/00 – juris Rn. 3). Der Vorhabenträger darf die Gemeinde nicht mit einem Plan „überfallen“ bzw. ihr für das gegebenenfalls bereits über den Antrag eines Konkurrenten eröffnete Einleitungsverfahren den Plan eines Konkurrenzprojekts aufdrängen, an dem die Gemeinde niemals ein Interesse gezeigt hat. Das beruht auf dem der Regelung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans zu Grunde liegenden Gedanken kooperativer Planung: so wenig die Gemeinde ein vorhabenbezogenes Bebauungsplanverfahren ohne vorausgehende Kooperation mit einem Projektträger „von Amts wegen“ einleiten und diesem gleichsam aufzwingen kann, so wenig kann ein Projektträger ohne vorausgehenden Grundkonsens mit der Gemeinde einen statthaften Einleitungsantrag im Sinne des § 12 Abs. 1 BauGB stellen (vgl. Dolderer, Die Einleitung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens: Rechtsgrundsätze und Rechtsschutz, UPR 2/2001, S. 41 (44)).

Die bei der Beklagten eingereichten Unterlagen und weitere Kontaktversuche seitens der Klägerin führten hier nie so weit, dass sich die Beklagte in irgendeiner Art und Weise bereit erklärte, in einen weiteren Abstimmungsprozess einzutreten. Das Verfahren ist damit in einem „informellen“ Stadium im Vorfeld steckengeblieben. Es kam somit schon nicht zur „Regel-Abfolge“ von „Vorverfahren“ (frühzeitige Erörterung mit der Gemeinde, Verhandlungen über den Durchführungsvertrag bzw. Einvernehmen zwischen Gemeinde und Vorhabenträger über Inhalt und Abschluss des Vertrages) und Bebauungsplanverfahren, da ein solches Signal von keinem Gemeindeorgan gegeben wurde. Erst danach hätte ein Antrag aus § 12 Abs. 2 BauGB gestellt werden können. Er bildet damit gerade nicht die Einleitung, sondern (nur) den Abschluss von Abstimmungsbemühungen zwischen den Beteiligten im Vorfeld (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2017, § 12 Rn. 103 f.). Das Antragsrecht des Vorhabenträgers bezieht sich nämlich in der Regel auf die Verfahrenssituation, nachdem sich die Gemeinde mit einem Vorhabenträger hinsichtlich des Ob, Wann und Wie abgestimmt hat, also zumindest ein vorläufiger Plan und ein ausgehandelter Entwurf eines Durchführungsvertrages vorliegt und nunmehr darüber zu befinden ist, ob das Bebauungsplanverfahren eingeleitet wird. Die Regelung dient somit dem Interesse des Vorhabenträgers, der die Planung mit der Gemeinde abgestimmt und Vorarbeiten geleistet hat oder noch kostspielige Gutachten beibringen muss. Ihm wird das Recht eingeräumt, dass die Gemeinde ihn nicht über das weitere Vorgehen im Unklaren lässt, sondern sich entscheidet, ob sie das Bebauungsplanverfahren einleitet. Dadurch wird die gewünschte Privatinitiative gegenüber einer möglichen – angesichts bereits stattgefundener Abstimmungen und Vorverhandlungen unvertretbaren – „Entscheidungsunfreundlichkeit“ der Gemeinde geschützt (vgl. VGH Mannheim, B.v. 22.3.2000 – 5 S 444/00 – juris Rn. 4). Dabei ist dem Bevollmächtigten der Klägerin zwar zuzugestehen, dass es das Gesetz nicht generell ausschließt, dass ein Vorhabenträger einen Plan noch ohne nähere Abstimmung mit der Gemeinde erarbeitet und ihn gegebenenfalls zu einer solchen inhaltlichen und formellen Reife entwickelt, dass die Gemeinde bereits kurzfristig in das Satzungsverfahren eintreten kann. Die Phase der Abstimmung kann dann zeitlich verkürzt werden. Im Laufe der Abstimmungsphase wird der Vorhabenträger den Planentwurf vorlegen und diesen nach weiterer Abstimmung gegebenenfalls fortschreiben (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 12 Rn. 103). Die eingereichten Unterlagen waren allerdings zum einen noch nicht ausreichend, da weder ein Vorhaben- und Erschließungsplan, noch ein Entwurf des Durchführungsvertrages im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthalten waren. Es fehlte zum anderen auch – wie eben erörtert – an einem voranschreitenden kooperativen Abstimmungsprozess, der durch irgendwie geartete Signale der Gemeinde bzw. ihrer Verwaltung genährt wurde. Gerade im Gegenteil teilte die Beklagte mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 die einstimmige Ablehnung des Antrags durch den Stadtrat mit und begründete die Entscheidung mit einem ausführlichen Schreiben. Hinzu kommt, dass ein Vorhabenträger auch keinen Anspruch darauf hat, vor einem gemeindlichen Beschlussgremium sein Projekt erläutern zu können, mag dies im Einzelfall auch durchaus zweckdienlich und sinnvoll sein (Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB/BauNVO, 7. Auflage 2013, § 12 Rn. 54). Aus diesen Gründen kommt es auf die weiter aufgeworfenen Fragen bezüglich Art. 52 GO bei der Stadtratsentscheidung vom 22. Juni 2016 nicht mehr an, da es bereits an den Tatbestandsmerkmalen einer „Abstimmung“ und zumindest vorläufigen Planung mit Durchführungsvertragsentwurf fehlt, welche den Weg für eine Entscheidung nach § 12 Abs. 2 BauGB eröffnet hätten.

Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Baugesetzbuch - BBauG | § 12 Vorhaben- und Erschließungsplan


(1) Die Gemeinde kann durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahme

Referenzen

(1) Die Gemeinde kann durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach § 10 Absatz 1 verpflichtet (Durchführungsvertrag). Die Begründung des Planentwurfs hat die nach § 2a erforderlichen Angaben zu enthalten. Für die grenzüberschreitende Beteiligung ist eine Übersetzung der Angaben vorzulegen, soweit dies nach den Vorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist. Für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach Satz 1 gelten ergänzend die Absätze 2 bis 6.

(2) Die Gemeinde hat auf Antrag des Vorhabenträgers über die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Auf Antrag des Vorhabenträgers oder sofern die Gemeinde es nach Einleitung des Bebauungsplanverfahrens für erforderlich hält, informiert die Gemeinde diesen über den voraussichtlich erforderlichen Untersuchungsrahmen der Umweltprüfung nach § 2 Absatz 4 unter Beteiligung der Behörden nach § 4 Absatz 1.

(3) Der Vorhaben- und Erschließungsplan wird Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans ist die Gemeinde bei der Bestimmung der Zulässigkeit der Vorhaben nicht an die Festsetzungen nach § 9 und nach der auf Grund von § 9a erlassenen Verordnung gebunden; die §§ 14 bis 18, 22 bis 28, 39 bis 79, 127 bis 135c sind nicht anzuwenden. Soweit der vorhabenbezogene Bebauungsplan auch im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans Festsetzungen nach § 9 für öffentliche Zwecke trifft, kann gemäß § 85 Absatz 1 Nummer 1 enteignet werden.

(3a) Wird in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan für den Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans durch Festsetzung eines Baugebiets auf Grund der Baunutzungsverordnung oder auf sonstige Weise eine bauliche oder sonstige Nutzung allgemein festgesetzt, ist unter entsprechender Anwendung des § 9 Absatz 2 festzusetzen, dass im Rahmen der festgesetzten Nutzungen nur solche Vorhaben zulässig sind, zu deren Durchführung sich der Vorhabenträger im Durchführungsvertrag verpflichtet. Änderungen des Durchführungsvertrags oder der Abschluss eines neuen Durchführungsvertrags sind zulässig.

(4) Einzelne Flächen außerhalb des Bereichs des Vorhaben- und Erschließungsplans können in den vorhabenbezogenen Bebauungsplan einbezogen werden.

(5) Ein Wechsel des Vorhabenträgers bedarf der Zustimmung der Gemeinde. Die Zustimmung darf nur dann verweigert werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Durchführung des Vorhaben- und Erschließungsplans innerhalb der Frist nach Absatz 1 gefährdet ist.

(6) Wird der Vorhaben- und Erschließungsplan nicht innerhalb der Frist nach Absatz 1 durchgeführt, soll die Gemeinde den Bebauungsplan aufheben. Aus der Aufhebung können Ansprüche des Vorhabenträgers gegen die Gemeinde nicht geltend gemacht werden. Bei der Aufhebung kann das vereinfachte Verfahren nach § 13 angewendet werden.

(7) Soll in bisherigen Erholungssondergebieten nach § 10 der Baunutzungsverordnung auch Wohnnutzung zugelassen werden, kann die Gemeinde nach Maßgabe der Absätze 1 bis 6 einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufstellen, der insbesondere die Zulässigkeit von baulichen Anlagen zu Wohnzwecken in diesen Gebieten regelt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.