Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 21. Mai 2014 - 4 K 13.01802

bei uns veröffentlicht am21.05.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Der Bescheid des Landratsamts ... vom 26. September 2013 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, den Vornamen des Klägers von „...“ in „...“ zu ändern.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Änderung seiner Vornamen „...“ in „...“. Der Kläger wurde ... in ... in Argentinien geboren, hat in ... studiert, promoviert und sich habilitiert. Am 21. August 2013 erwarb er die deutsche Staatsangehörigkeit neben seiner argentinischen.

Mit Schreiben vom 11. September 2013 beantragte der Kläger, seinen Vornamen in „...“ ändern zu lassen, nachdem er am 16. August eingebürgert worden sei und bevor er einen deutschen Ausweis beantrage. Er wolle durch die Namensänderung eine schon längst existierende Tatsache offiziell machen. Seit etwa 30 Jahren lasse er sich „...“ nennen und zwar so, dass seine Familie, alle seine Freunde und Arbeitskollegen ihn so kennen würden. Dies könne er auf mehrere Arten nachweisen. Es dürfe verständlich sein, welch psychische Belastung seine gegenwärtige Situation für ihn bedeute. Bisher habe er diese Änderung nicht offiziell machen können, weil dies nach argentinischem Recht, bei dem im Unterschied zum deutschen nicht der Mensch im Vordergrund zu stehen scheine, nicht möglich sei.

Im Rahmen der Anhörung äußerte der Kläger mit Schreiben vom 22. September 2013, bei einer Änderung seines Namens entstehe für das öffentliche Interesse kein Nachteil. Es treffe nicht zu, dass der gewünschte Vorname nicht als Vorname würde identifiziert werden können, wofür er auf seine E-Mail vom 3. September 2013 an den zuständigen Bediensteten des Landratsamts verweise. Seit etwa 30 Jahren sei er bei Familie und Freunden nur als „...“ bekannt und seit dem Jahr 1996, als er seinen ersten Aufsatz veröffentlicht habe, auch bei Fachkollegen.

Mit Bescheid vom 26. September 2013 lehnte das Landratsamt ... den Antrag des Klägers auf Änderung seiner Vornamen „...“ in „...“ ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, zwar habe der Vorname, anders als der Nachname, im sozialen Verkehr eine geringere soziale Ordnungsfunktion, jedoch müsse auch wegen der Kennzeichnungsfunktion des Vornamens der Ausnahmecharakter einer Namensänderung gewahrt bleiben. Im vorliegenden Fall sei das öffentliche Interesse an der Beibehaltung der seit etwa 50 Jahren geführten Vornamen höher zu gewichten als das private Interesse. Die rechtliche Bedeutung einer Namensänderung, die als Ausnahmetatbestand ausgestaltet sei, erfordere eine vertiefte plausible und nachvollziehbare Begründung des Antragstellers. Die bisher dargelegten Gründe seien so unbestimmt, dass daraus kein wichtiger Grund abgeleitet werden könne. Erfolglos sei der Antragsteller auf die Notwendigkeit der weiteren Mitwirkung an der Sachaufklärung schriftlich hingewiesen worden. Insbesondere sei ein psychologisches Gutachten gefordert worden. Da die Gründe für die Namensänderung aus dem persönlichen Bereich des Antragstellers kämen, könnten und müssten sich auch nicht anderweitig durch die Behörde aufgeklärt werden, so dass ein Ausbleiben der Begründung im Ergebnis zulasten des Antragstellers gehe.

Das private Interesse der Änderung des Vornamens, den der Kläger selbst eingeführt habe, sei im Rahmen des Persönlichkeitsrechts nicht schutzwürdig. Er habe diesen Namen nicht gutgläubig geführt und es sei zum anderen eine weit über das Übliche hinausgehende Bekanntheit des Klägers unter diesem Namen („Künstlername“) nicht gegeben. Allein durch die eigenwillige Führung eines Namens könne das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Namens „...“ nicht entkräftet werden. Sonst könnte durch die eigenmächtige Führung des gewünschten Namens die Änderung erzwungen werden. Dabei sei auch nicht ausreichend, dass der Kläger unter dem Namen „...“ zeitweilig in Medien firmiere und es Schriftstücke gebe, die diese Namensführung aufwiesen. Von einem Zuwachsen bzw. Verfestigen eines schutzwürdigen Künstlernamens könne nicht gesprochen werden.

Soweit der Kläger durch die Namensdifferenz eine psychische Belastung spüre, stelle er diese aber im Blick auf die Entstehung und die Stärke nicht dar. Dass sich aufgrund einer Namensdifferenz zwischen der tatsächlichen Namensführung und dem Namen laut Geburtsurkunde zwangsläufig eine bestimmte Belastung zeigen müsse, sei abhängig von der Persönlichkeit des Namensträgers und könne daher gerade nicht als offensichtlich gewertet werden. Um diese inneren Vorgänge objektiv nachvollziehen zu können, sei der Kläger bereits darauf hingewiesen worden, dass die Vorlage eines psychischen Fachgutachtens sachdienlich wäre. Es entspreche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil die Namensänderungsbehörde durch eigene Ermittlungen diese inneren Vorgänge nicht feststellen könne (§ 3 Abs. 2 Namensänderungsgesetz - NÄG -).

Dass der Kläger nach argentinischem Recht bisher gehindert gewesen sei, überhaupt einen solchen Antrag zu stellen, könne nicht dazu führen, dass nach einer Einbürgerung regelmäßig das private Interesse höher zu gewichten wäre.

Mit der fristgerecht am 11. Oktober 2013 erhobenen Klage machte der Kläger geltend, er benütze den gewünschten Namen seit über 30 Jahren. Alle Familienmitglieder, Bekannte und Freunde würden ihn so nennen. Im Schriftverkehr, bei seiner E-Mail-Adresse und bei seinem Facebook-Account benutze er ebenfalls den Vornamen ... Er gehe davon aus, dass die meisten Freunde und Bekannten nicht wüssten, dass er von Geburt an einen anderen Vornamen führe. Er sei geschieden und habe keine Abkömmlinge. Seine Mutter lebe in Argentinien. Drei Geschwister lebten ebenfalls dort, eine Schwester in Indien. In der gesamten Familie werde der Kläger mit dem Vornamen ... angesprochen. Der Kläger sei der Überzeugung, dass der Name ein Attribut seiner Persönlichkeit sei und infolgedessen auch ein Teil des Rechts auf seine persönliche Identität. Er sehe seinen Antrag auf Änderung des Vornamens als einen Schritt zur Verbesserung seiner Lebensqualität an, weil er sich mit seinem offiziellen Namen nicht identifizieren könne. Er sähe daher keine Nachteile für die Öffentlichkeit, die durch die Namensänderung entstehen könnten und die sein eigenes Interesse an der Namensänderung überwiegen könnten. Aus seinem persönlichen Umfeld seien ihm auch zwei Fälle bekannt, in denen den Anträgen auf Namensänderung stattgegeben worden sei. Es sei auch so, dass keine ausreichende Interessenabwägung vorliege. Vielmehr ergäbe sich aus dem vorgerichtlichen Schriftverkehr, dass die Entscheidung zu seinen Ungunsten hier von vorneherein festgestanden habe und dass er zudem auf die Vorlage eines psychologischen Gutachtens gedrängt worden sei. Im konkreten Fall dies zu verlangen sei jedoch unverhältnismäßig.

Der Grund, weshalb er sich mit 17 Jahren entschieden habe, sich „...“ zu nennen, liege darin, dass sein Vater ausweislich der Geburtsurkunde des Klägers ebenfalls den Namen „...“ getragen habe. Zu seinem Vater, der vor einigen Jahren verstorben sei, habe er eine sehr schlechte Beziehung gehabt. Daraus sei eine psychologische Belastung des Klägers hervorgegangen, die er so nicht habe ertragen wollen. Bewusst habe er mit dem gewählten Namen den Namen eines Evangelisten gewählt. Diese Entscheidung sei von Familie und Freunden akzeptiert worden und habe nunmehr seit über 30 Jahren Bestand. Zwar habe sich der Kläger nie grundsätzlich geweigert, ein psychologisches Gutachten erstellen zu lassen, halte dies aber im konkreten Fall für unverhältnismäßig, weil die bisherige Darlegung der Argumente ausreichend sei, um die Änderung des Vornamens herbeizuführen. Die Behörde gehe zu Unrecht davon aus, dass kein milderes Mittel als die Vorlage eines fachpsychologischen Gutachtens vorhanden wäre.

Der Kläger stellt sinngemäß den Antrag,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 26. September 2013 zu verpflichten, seinen Vornamen „...“ in „...“ zu ändern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die im Verwaltungsverfahren angegebenen Gründe für die Namensänderung seien trotz Aufforderung zur näheren Darlegung zu vage und unbestimmt geblieben und ein fachpsychologisches Gutachten sei nicht vorgelegt worden. Damit sei ein wichtiger Grund nicht ausreichend erkennbar. Eine ernsthafte psychische Belastung durch das Auseinanderfallen von Rufnamen und echten Vornamen sei weder allgemein, also für jedermann, noch konkret in seinem Fall offensichtlich, sondern müsste vom Kläger näher dargelegt werden. Gründe aus dem persönlichen Bereich einer Person, wozu insbesondere die psychische Befindlichkeit gehöre, könnten und müssten durch die Behörde anderweitig nicht aufgeklärt werden.

Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Sitzungsniederschrift und die beigezogene Behördenakte des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Landratsamtes ... vom 26. September 2013, mit dem die Vornamensänderung abgelehnt wurde, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Änderung seines Vornamens dahingehend, dass die Vornamen „...“ durch den Vornamen „...“ ersetzt werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Das Namensrecht ist durch die entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Rechts umfassend und - im Grundsatz - abschließend geregelt. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung gemäß den Vorschriften des Namensänderungsgesetzes (NÄG) dient dazu, Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung hat daher Ausnahmecharakter, was bei der Anwendung der Vorschriften des NÄG zu berücksichtigen ist.

Aus diesem Grund darf gemäß § 11 i. V. m. § 3 Abs. 1 NÄG ein Vorname nur dann geändert werden, wenn ein „wichtiger Grund“ die Änderung rechtfertigt. Ob ein die Namensänderung rechtfertigender Grund im Sinne der genannten Vorschriften vorliegt, ist durch die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden Interessen zu bestimmen. Die schutzwürdigen Interessen dessen, der die Namensänderung anstrebt, müssen die schutzwürdigen Interessen Dritter und die in der sozialen Ordnungsfunktion des Namens zusammengefassten Interessen der Allgemeinheit einschließlich ihrer sicherheitspolizeilichen Belange überwiegen (vgl. BVerwG, U. v. 5.9.1985, Buchholz 402.10, § 3 NÄG Nr. 53, S. 33). Das Ergebnis der gebotenen Abwägung muss die Voraussetzungen eines die Namensänderung rechtfertigenden wichtigen Grundes erfüllen. Dies gilt für die Änderung eines Familiennamens genauso wie für die Änderung eines Vornamens. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung unterscheidet sich die Änderung des Vornamens von der Änderung eines Familiennamens nur dadurch, dass den öffentlichen Interessen, auf die bei der Änderung eines Vornamens Bedacht zu nehmen ist, ein geringeres Gewicht zukommt als dem öffentlichen Interesse am unveränderten Fortbestand eines Familiennamens (vgl. hierzu BVerwG 7 B 14.89, B. v. 1.2.1989, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 3). Die obergerichtliche Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, lässt dabei einen lediglich „vernünftigen“, also einsehbaren Grund, auch für die Änderung eines Vornamens nicht genügen. Der Vorname ist der freien Disposition seines Trägers vielmehr entzogen. Allein der Wunsch, einen anderen Namen zu führen, reicht für die Änderung nicht aus, vielmehr müssen gewichtige Umstände vorliegen (BVerwG, B. v. 24.3.1981 - 7 B 44/81 -, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr.1; B. v. 27.9.1993 - 6 B 58/93 -, Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 3). Ein die Änderung eines Vornamens rechtfertigender wichtiger Grund liegt daher vor, wenn das schutzwürdige Interesse des Antragstellers bzw. des Betroffenen an der Namensänderung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Vornamens überwiegt (BVerwG, U. v. 26.3.2003, -6 C 26/02- juris -).

Diese Anforderungen stehen mit höherrangigem Recht in Einklang. Zwar ist zwar der Vorname Bestandteil der grundrechtlichen Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts der freien Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Es ist aber in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass auch diese Grundrechtsverbürgung der gesetzlichen Forderung, Vornamen nur aus wichtigem Grund zu ändern, nicht entgegensteht (vgl. B. v.1.2.1989 - 7 B 14/89 - Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 3). Auch das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn bei der Auslegung des „wichtigen Grundes“ in §§ 11, 3 NÄG eine Abwägung zwischen privatem und öffentlichen Interesse stattfindet und ein bloß vernünftiger Grund für eine Namensänderung nicht als ausreichend angesehen wird, wenn in Bezug auf Vornamen dem öffentlichen Interesse weniger Gewicht als bei der Änderung von Familiennamen gegeben wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.10.1989 - 1 BvR 358/89 - juris).

Im vorliegenden Fall ist das Gericht zum Ergebnis gelangt, dass das schutzwürdige Interesse des Klägers an der Namensänderung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Vornamens überwiegt.

Da es hier lediglich um eine Vornamensänderung geht, sind im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung von vornherein die in der sozialen Ordnungsfunktion des Namens zusammengefassten Interessen der Allgemeinheit einschließlich ihrer sicherheitspolizeilichen Belange an der Beibehaltung der beiden bisherigen Vornamen, auch wenn der Kläger diese schon lange trägt, geringer zu bewerten als bei der Änderung des Familiennamens, der in weitergehendem Umfang als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal dient. Dies wiederum folgt daraus, dass die soziale Ordnungsfunktion des Nachnamens stärker hervortritt als diejenige des Vornamens. Denn der Vorname dient der Unterscheidung mehrerer Träger desselben Nachnamens - insbesondere in der Familie - und hat eine stärker auf die Individualität der Person bezogene Bedeutung (so BVerwG, U. v. 26.3.2003, - 6 C 26/02 - juris -). Ein öffentliches Interesse an der Namenskontinuität ist jedoch dem Personenstandsrecht auch im Hinblick auf den Vornamen zu entnehmen. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG sind die Vornamen in das Geburtenbuch einzutragen, womit der Vorname grundsätzlich unabänderlich geworden ist und nur nach Maßgabe des öffentlich-rechtlichen Namensänderungsrechts geändert werden kann. Das Interesse an der Namenskontinuität besteht im Wesentlichen darin, den Namensträger zu kennzeichnen und ihm sein Verhalten auch in Zukunft ohne weitere Nachforschung zurechnen zu können. Allerdings kann verwaltungspraktischen Interessen an einer möglichst durchgängigen Beibehaltung einmal gegebener Vornamen zur Vermeidung von Registeränderungen und von Mitteilungen an ebenfalls Personendaten registrierende Behörden grundsätzlich kein erhebliches Gewicht beigemessen werden (so BVerwG, U. v. 26.3.2003 a. a. O.). Die Problematik, dass eine „hinkende Namensführung, die als solche wiederum einen Grund für eine Namensänderung darstellen kann (Nr. 49 NamÄndVwV), herbeigeführt würde, vermag dem öffentlichen Interesse kein größeres Gewicht als sonst bei einer Vornamensänderung zu geben. Zum einen ist eine doppelte Staatsangehörigkeit kein Hindernis für die beantragte Namensführung. Zum anderen bezieht sich die hinkende Namensführung nach Nr. 49 NamÄndVwV und ihre Beseitigung durch die Anpassung an den nach dem Recht des anderen Staats zu führenden Namen als wichtiger Grund für eine Namensänderung nur auf den Familiennamen. Im vorliegenden Fall ist das öffentliche Interesse zusätzlich dadurch gemindert, dass keine Strafverfolgungsinteressen bestehen (hierzu BVerwG, U. v. 26.3.2003 a. a. O.). Weiter behauptet auch der Beklagte nicht, dass der Kläger im Schuldnerverzeichnis eingetragen wäre, so dass eine Verschleierung bestimmter Umstände durch die Vornamensänderung nicht zu erwarten ist.

Demgegenüber überwiegen die Interessen des Klägers an einer Änderung des bisherigen Vornamens aufgrund der mit diesen verbundenen seelischen Belastung des Klägers.

Eine seelische Belastung ist dann ein wichtiger Grund für eine Namensänderung, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach der allgemeinen Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist. Eine individuelle besondere Empfindlichkeit ist unerheblich (vgl. BVerwG, U. v. 2.10.1970, Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 30). Andererseits ist eine seelische Belastung nicht nur in Fällen mit Krankheitswert anzunehmen. Vielmehr kommt es auf die Einzelfallumstände an. Wirkt sich die Führung des bisherigen Namens als eine seelische Belastung aus, die über eine übertriebene Empfindlichkeit hinausgeht und nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist, muss mit der Anerkennung eines wichtigen Grundes für eine Namensänderung nicht zugewartet werden, bis die seelische Belastung den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit oder Krise erreicht hat. Den Namensträger gerade vor diesen Folgen zu bewahren, kann die Änderung des Namens rechtfertigen (BVerwG, B. v. 11.1.2011, - 6 B 65/10 - juris).

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung in nachvollziehbarer Weise deutlich gemacht, dass er durch das Tragen der beiden bisherigen Vornamen seines Vaters einer seelischen Belastung ausgesetzt ist. Er hat dargelegt, dass das familiäre Verhältnis zu seinem Vater wegen der langjährigen von diesem angewandten „Erziehungsmethoden“, nämlich die über einen sehr langen Zeitraum ohne Grund verhängten und vom Kläger näher bezeichneten Sanktionen des Vaters, die auch im Umfeld außerhalb der Familie bekannt wurden und vom Kläger als psychische Misshandlung erfahren wurden, zerrüttet war. Deshalb entschloss er sich im Alter von 17 Jahren, seinen jetzigen Vornamen anzunehmen, um sich von seinem Vater nicht nur zu unterscheiden, sondern sich zu distanzieren und er wählte deshalb den Namen eines Evangelisten, weil dessen damaliges Studium für ihn mit einer befreienden Wirkung verbunden war. Weiter hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung näher ausgeführt, dass es auch in den späteren Jahren nie zu einer Aussöhnung, Verständigung oder wenigstens Aussprache mit seinem Vater, einem Offizier in der Zeit der Militärjunta, über dessen Art der Erziehung des Klägers kam. Es ist daher ohne weiteres verständlich und nachvollziehbar begründet, wenn der Kläger, der auch in seinen politischen Ansichten eine konträre Auffassung zu seinem Vater entwickelte, heute, wie von ihm dargelegt, noch eine innere Belastung spürt, wenn er mit seinen rechtlichen Vornamen konfrontiert wird und wenn er auch heute noch ein Bedürfnis nach Distanzierung von seinem Vater hat, was für ihn auch mit einem anderen, nämlich dem von ihm benutzten Vornamen verbunden ist.

In einem derart gelagerten Fall ist es rechtlich zulässig, die Zumutbarkeit der weiteren Namensführung, die auch ohne Einschaltung eines psychologischen Gutachters dem Erkenntnisbereich des Gerichts zugänglich ist (vgl. BVerwG, B. v. 17.3.1987 NJW 1987, 2454 = Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 59) zu verneinen.

Soweit dem Beklagten bei der Entscheidung über die Namensänderung überhaupt noch ein Ermessensspielraum zugekommen sollte, ist dieser bei Vorliegen des wichtigen Grundes jedenfalls sehr eng (vgl. BVerwG, U. v. 14.12.1962, Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 15). In einem Fall wie hier jedenfalls reduziert sich ein etwaiges Ermessen der Behörde dahingehend, dass der gewünschten Namensänderung nachzukommen ist, zumal nicht erkennbar ist, weshalb der gewählte Vorname, in der spanischen Sprache die männliche Namensform eines Evangelisten, anders als etwa die im Bundesgebiet häufig verwendete Namensform in der italienischen Sprache, zu Problemen führen könnte. Insbesondere ist, wie die deutsche Namensform zeigt, der Endkonsonant auch bei typisch inländischen männlichen Vornamen nicht ungewöhnlich.

Der Beklagte war daher unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheids zu verpflichten, den Vornamen wie beantragt abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 21. Mai 2014 - 4 K 13.01802

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 21. Mai 2014 - 4 K 13.01802

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 21. Mai 2014 - 4 K 13.01802 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Personenstandsgesetz - PStG | § 21 Eintragung in das Geburtenregister


(1) Im Geburtenregister werden beurkundet1.die Vornamen und der Geburtsname des Kindes,2.Ort sowie Tag, Stunde und Minute der Geburt,3.das Geschlecht des Kindes,4.die Vornamen und die Familiennamen der Eltern, ihr Geschlecht. (2) Ist ein Kind tot

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Im Geburtenregister werden beurkundet

1.
die Vornamen und der Geburtsname des Kindes,
2.
Ort sowie Tag, Stunde und Minute der Geburt,
3.
das Geschlecht des Kindes,
4.
die Vornamen und die Familiennamen der Eltern, ihr Geschlecht.

(2) Ist ein Kind tot geboren, so werden nur die in Absatz 1 Nr. 2 bis 4 vorgeschriebenen Angaben mit dem Zusatz aufgenommen, dass das Kind tot geboren ist. Auf Wunsch einer Person, der bei Lebendgeburt des Kindes die Personensorge zugestanden hätte, sind auch Angaben nach Absatz 1 Nr. 1 einzutragen. Hätte die Personensorge bei Lebendgeburt des Kindes beiden Elternteilen zugestanden und führen sie keinen gemeinsamen Familiennamen, so kann ein Familienname für das Kind nur eingetragen werden, wenn sich die Eltern auf den Namen eines Elternteils einigen.

(2a) Bei einer vertraulichen Geburt nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes werden nur die in Absatz 1 Nummer 1 bis 3 vorgeschriebenen Angaben aufgenommen. Die zuständige Verwaltungsbehörde bestimmt die Vornamen und den Familiennamen des Kindes.

(3) Zum Geburtseintrag wird hingewiesen

1.
auf die Staatsangehörigkeit der Eltern, wenn sie nicht Deutsche sind und ihre ausländische Staatsangehörigkeit nachgewiesen ist,
2.
bei einem Kind, dessen Eltern miteinander verheiratet sind, auf deren Eheschließung,
3.
auf die Beurkundung der Geburt der Mutter und des Vaters,
4.
auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes nach § 4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes,
5.
auf das Sachrecht, dem die Namensführung des Kindes unterliegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.