Sozialgericht Würzburg Beschluss, 04. Juli 2016 - S 9 AS 268/16 ER

bei uns veröffentlicht am04.07.2016

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form der Übernahme der Kosten für die Beschaffung von Brennholz sowie in Form der Übernahme der Kosten für die Reparatur der Ofenplatte seines Kachelofens.

Der am 26.07.1958 geborene Antragsteller erhält seit längerer Zeit vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er bewohnt ein in seinem Eigentum stehendes Haus, das mit Brennholz beheizt wird.

Mit Schreiben vom 23.02.2016, beim Antragsgegner eingegangen am 24.02.2016, beantragte der Antragsteller unter anderem sinngemäß die Gewährung von Heizkosten in Form der Übernahme der Kosten für die Beschaffung von Brennholz für die Zeit ab April 2016 sowie die Übernahme der Kosten in Höhe von „ca. 100,- Euro“ für die Reparatur einer defekten Ofenplatte in seinem Kachelofen.

Mit Bescheid vom 16.03.2016 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller einen Heizkostenzuschuss für die Beschaffung von vier Ster Laubholz. In der Begründung dieses Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, dass der Antragsteller diese Menge bestellen könne und die Rechnung anschließend beim Antragsgegner einreichen solle. Es werde davon ausgegangen, dass die genannte Menge Brennholz bis zum Dezember 2016 ausreichend sei.

Mit Schreiben vom 20.04.2016, beim Antragsgegner eingegangen am 21.04.2016, legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.03.2016 ein. Dieser Widerspruch wurde vom Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2016 als unzulässig verworfen, weil der Widerspruch vom 20.04.2016 erst am 21.04.2016 und damit nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist beim Antragsgegner eingegangen sei.

Mit Schreiben vom 06.06.2016 führte der Antragsteller unter anderem aus, dass ihm der genehmigte Betrag für die Beschaffung von vier Ster Brennholz vorab auszuzahlen sei, damit er das Brennholz bestellen und auch gleich bezahlen könne. Darüber hinaus erwähnte der Antragsteller auch in diesem Schreiben „Reparatur Kosten 100,- Euro“.

Mit Schreiben vom 17.06.2016 übersandte der Antragsgegner dem Antragsteller ein Informationsblatt zum Brennholzlieferanten Thomas Heinrich. In diesem Schreiben wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass dieser Lieferant auch auf Rechnung liefere und dass der Antragsteller die ihm zugesicherte Menge Brennholz natürlich auch bei jedem anderen Anbieter bestellen könne.

Mit Schreiben vom 20.06.2016, beim Sozialgericht Würzburg eingegangen am 21.06.2016, erhob der Antragsteller im Verfahren S 9 AS 273/16 sinngemäß Klage gegen den Bescheid vom 16.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2016. Der Klageschrift war unter anderem eine Kopie der Seite 1 des Bescheids vom 16.03.2016 mit der handschriftlichen Notiz „Erhalten am 18.03.2016“ beigefügt.

Mit demselben Schreiben vom 20.06.2016 beantragte der Antragsteller im vorliegenden Verfahren die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Der Antragsteller führt zur Begründung seines Antrags sinngemäß aus, dass ihm für die Zeit vom April 2016 bis Dezember 2016 neun Ster Brennholz zu einem Preis von „ca. bis 85,00 Euro“ zu gewähren seien. Er könne die Kosten für das Brennholz nicht vorab tragen. Deshalb könne er erst dann einen Auftrag zur Lieferung des Brennholzes erteilen, wenn er den entsprechenden Betrag vorab vom Antragsgegner erhalten habe. Auch habe er schon mit Schreiben vom 23.02.2016 gemeldet, dass die Ofenplatte in seinem Kachelofen kaputt sei; der von ihm beantragte Betrag in Höhe von 100,00 Euro für die Reparatur sei bisher aber nicht bezahlt worden.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß:

Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Heizkosten für die Beschaffung von Brennholz in einem Umfang von neun Ster zu je ca. 85,00 Euro zu gewähren sowie dem Antragsteller vorläufig einen Betrag in Höhe von 100,00 Euro für die Reparatur seines Kachelofens zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner führt aus, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vorliege. Der Antragsteller könne die bewilligte Holzmenge kaufen und zu sich nachhause liefern lassen. Ob die bewilligte Holzmenge von vier Ster für den Zeitraum vom April 2016 bis Dezember 2016 ausreichend sei, könne derzeit nicht beurteilt werden. Zumindest aber reiche die Menge für die nächsten Sommer- und Herbstmonate. Es liege an dem Antragsteller selbst, die Beschaffung des Brennholzes zu organisieren. Hinsichtlich der vom Antragsteller beantragten Reparatur der Ofenplatte sei vom zuständigen Kaminkehrermeister mitgeteilt worden, dass der Austausch nicht sofort notwendig sei. Ein Kostenvoranschlag sei vom Antragsteller bisher nicht vorgelegt worden. Die Forderung des Antragstellers sei auf die Auszahlung des Betrags in Höhe von 100,00 Euro an ihn selbst gerichtet. Die Übernahme der notwendigen Kosten werde vom Antragsgegner nicht bestritten. Die notwendigen Kosten für die Reparatur würden nach Durchführung der fachmännischen Reparatur und bei Vorlage der Rechnung durch den Antragsgegner übernommen. Nach der telefonisch eingeholten Auskunft der Firma Kachelöfen Flöth sei mit Kosten in Höhe von 80,00 Euro bis 100,00 Euro zu rechnen.

Der Antragsgegner legte einen Auszug aus seiner Verwaltungsakte vor, weil die Akten vom Bayerischen Landessozialgericht in einem dort anhängigen Verfahren angefordert worden seien.

Ausweislich einer Gesprächsnotiz vom 23.07.2016 hat der Kaminkehrermeister dem Antragsgegner auf telefonische Anfrage die Auskunft erteilt, dass der Austausch der defekten Ofenplatte im Kachelofen des Antragstellers zwar nicht sofort notwendig sei, aber in der nächsten Zeit erfolgen sollte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf den vom Antragsgegner vorgelegten Aktenauszug verwiesen.

II.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig, aber unbegründet.

Statthafter Rechtsbehelf ist vorliegend der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Form einer Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, weil der Antragsteller nicht die Sicherung einer bestehenden Rechtsposition, sondern die Erweiterung seiner Rechtsposition begehrt.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das vom Antragsteller geltend gemachte Recht (sog. Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit, d.h. die Dringlichkeit, die Angelegenheit sofort vor einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu regeln (sog. Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG, B. v.12.05.2005, 1 BvR 569/05). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss eine umfassende Interessenabwägung erfolgen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 86 b, Rn. 29, 29a). Die besondere Eilbedürftigkeit, die den Anordnungsgrund kennzeichnet, ist zu bejahen, wenn dem Antragsteller unter Berücksichtigung auch der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann (Meyer-Ladewig, SGG, § 86 b, Rn.28, 29a).

Für die Glaubhaftmachung ist es erforderlich, dass die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (BSG, B. v. 08.08.2001, B 9 V 23/01 B). Glaubhaftmachung bedeutet, dass das Gericht die Wahrheit der behaupteten Tatsache für überwiegend wahrscheinlich halten muss und hierauf seine freie, richterliche Überzeugung nach den §§ 128 Abs. 1, 142 Abs. 1 SGG stützt (BayLSG, B. v. 02.11.2011, L 8 SO 164/11 B ER).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unbegründet, weil vom Antragsteller die erforderliche Eilbedürftigkeit im Sinne des oben dargestellten Anordnungsgrunds nicht glaubhaft gemacht werden konnte.

Hinsichtlich der vom Antragsteller beanspruchten Übernahme der Kosten für die Beschaffung von Brennholz ergibt sich dies aus der Tatsache, dass es der Antragsteller aufgrund der mit Bescheid vom 16.03.2016 gewährten Übernahme der Kosten für die Beschaffung von vier Ster Brennholz selbst in der Hand hat, sich die genehmigte Menge Brennholz zu beschaffen, indem er die Lieferung bei dem vom Antragsgegner genannten Lieferanten in Auftrag gibt und anschließend die Rechnung beim Antragsgegner einreicht. Es wurde weder vom Antragsteller vorgetragen noch sind anderweitig Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass dem Antragsteller dieser Beschaffungs Weg nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Der Antragsteller kann sich somit unproblematisch die genehmigten vier Ster Brennholz, die für die Beheizung seines Hauses jedenfalls für die nächsten Sommer-Monate ausreichen, selbst beschaffen. Eine besondere Eilbedürftigkeit, die die begehrte einstweilige Anordnung rechtfertigen könnte, besteht hinsichtlich der Beschaffung von Brennholz somit nicht.

Dies gilt auch für die geltend gemachte Übernahme der Kosten für die Reparatur des Kachelofens des Antragstellers. Insoweit bestehen Zweifel an der Eilbedürftigkeit des Begehrens des Antragstellers schon aus dem Grund, dass der zuständige Kaminkehrermeister dem Antragsgegner gegenüber auf telefonische Anfrage mitgeteilt hat, dass der sofortige Austausch der Ofenplatte nicht notwendig sei. Unabhängig davon hat der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren mit Schreiben vom 29.06.2016 ausdrücklich mitgeteilt, dass er die notwendigen Kosten für die fachmännische Reparatur der Ofenplatte nach Vorlage der Rechnung übernehmen werde. Der Antragsteller hat es somit auch hier selbst in der Hand, die notwendigen Reparaturarbeiten durchführen zu lassen und anschließend die angefallenen Kosten unter Vorlage der Rechnung beim Antragsgegner zu beantragen. Auch hier ist festzuhalten, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dem Antragsteller diese Vorgehensweise nicht zumutbar oder nicht möglich wäre.

Nach alledem war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Anordnungsgrundes abzulehnen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und aus der Erwägung, dass der Antragsteller mit seinem Begehren erfolglos blieb.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

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(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.