Sozialgericht Nürnberg Urteil, 07. Mai 2018 - S 5 KR 700/16

published on 07/05/2018 00:00
Sozialgericht Nürnberg Urteil, 07. Mai 2018 - S 5 KR 700/16
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Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 03.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016 wird abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin zwei postbariatrische Operationen an den Oberarmen und der Brust als Sachleistung zu gewähren.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch über die Kostenübernahme von zwei postbariatrischen Operationen an den Oberarmen und der Brust der Klägerin (sogenannte postbariatrische plastische Eingriffe).

Die 1952 geborene Klägerin erhielt von der Beklagten im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Sachleistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Möglichkeit, eine Magenbypass-Operation durchführen zu lassen; die Operation fand am 26.06.2014 statt. Die Klägerin wog zum damaligen Zeitpunkt etwa 125 kg und konnte ihr Gewicht auf 77 kg reduzieren; zwischenzeitlich hat sich das Körpergewicht der Klägerin bei ca. 80 kg stabilisiert.

Am 19.10.2015 gingen - von der Klägerin veranlasst - medizinische Unterlagen bei der Beklagten ein: In dem Bericht des Universitätsklinikums E. (Plastisch- und Handchirurgische Klinik) vom 09.10.2015 wurde als Therapieempfehlung ein mehrzeitiges Vorgehen vorgeschlagen, zunächst eine Abdominoplastik in inverser T-Schnitt-Technik mit Nabeltransposition, eine Oberarmstraffung beidseits, eine Oberschenkelstraffung beidseits, eine modifizierte Bruststraffung mit Autoaugmentation nach Rubin beidseits sowie eine Gesäßstraffung. Aufgrund der massiven Gewichtsreduktion bei einem Maximalgewicht von ca. 125 kg bestehe nun eine generalisierte Lipomatose mit ausgeprägten Haut-/Weichteilüberschüssen, insbesondere im Bereich des Abdomens, der Oberarme beidseits, der Oberschenkel beidseits sowie des Gesäßes. Zudem bestehe eine ausgeprägte Ptosis beider Brüste. Die Klägerin berichte, aufgrund dieser Haut-/Weichteilüberschüsse unter rezidivierenden Hautausschlägen zu leiden. Zudem bestehe eine ausgeprägte Schweißneigung sowie ein Jucken und Reiben in den vorgenannten Arealen, wodurch die Patientin funktionell sowie in ihrem Alltag stark eingeschränkt sei. Aus plastisch-chirurgischer Sicht sei die medizinische Indikation für vorgenannten Therapieempfehlungen gegeben, um eine möglichst dauerhafte Behebung der Beschwerden zu erzielen. Vorgelegt wurde ferner ein Arztbericht des Facharztes für plastische und ästhetische Chirurgie Dr. H. vom 25.06.2015, in dem als Therapievorschlag eine Abdominalplastik konventionell, Fasziendoppelung, Nabelneuformung und Schamhügellift empfohlen wurde sowie eine Bruststraffung beidseits, eine Oberarmstraffung beidseits, eine Oberschenkelstraffung beidseits sowie ein Gesäßlifting beidseitig zur Komplettierung. Die Operationen würden im B.-Krankenhaus in S. erfolgen und mit einer Liegezeit zwischen fünf bis sieben Tagen unter stationären Bedingungen erfolgen. Vorgelegt wurde auch ein Arztbericht des Facharztes für plastische und ästhetische Chirurgie Dr. R. vom 25.06.2015.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern kam in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 29.10.2015 zu dem Ergebnis, unter Berücksichtigung der Unterlagen und der Fotodokumentation könne eine zwingende medizinische Indikation für eine Abdominalplastik und Oberschenkelstraffung gesehen werden, die geplante Straffung an den Oberarmen, Gesäß und den Mammae erfolge aus kosmetisch-ästhetischen Gründen. Der Krankenkasse werde die Kostenübernahme für eine Abdominalplastik und Oberschenkelstraffung empfohlen, nicht jedoch für eine Oberarmstraffung, Gesäßstraffung und Brustkorrektur.

Mit Bescheid vom 03.11.2015 (Bl. 12 der Beklagtenakte) wurde die Kostenübernahme für eine Krankenhausbehandlung zur Abdominalplastik und beidseitiger Oberschenkelstraffung in der plastisch- und handchirurgischen Klinik des Universitätsklinikums E. gemäß der ärztlichen Verordnung vom 09.10.2015 bewilligt. Eine Kostenübernahme für die geplante beidseitige Oberarmstraffung, die Gesäßstraffung und die modifizierte Bruststraffung mit Autoaugmentation nach Rubin wurde abgelehnt.

Dagegen erhob die Klägerin mit einem am 19.11.2015 der Beklagten eingegangen Schreiben Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, sie sei unter den Brüsten wund bzw. offen. Hautveränderungen lägen auch vor. Unter den Armen (Achselbereich) sei es genauso wie bei der Brust: Wundstellen, Rötungen sowie Hautveränderungen. Am rechten Gesäßteil befänden sich große Flächen von Wundstellen. Es könne nicht angehen, dass sie sich alle zwei Stunden waschen, pudern und eincremen müsse, um keine Schmerzen zu haben. Zur Begründung des Widerspruches teilte die Klägerin mit einem am 15.02.2016 eingegangenen Schreiben ferner mit, in den warmen Monaten habe sie offene Stellen, an der Brust noch stärker. Ohne ständiges Pudern und ohne Mulleinlagen sei es ihr nicht möglich, dies zu ertragen. An den Unterarmen sei es dasselbe Problem wie mit der Brust. Es handele sich um keine Schönheitsoperationen, es gehe um ihre Gesundheit. Es könne nicht angehen, dass sie den Rest ihres Lebens - derzeit sei sie 63 Jahre - sich stündlich mit Puder, Mullbinden und Salben versorgen müsse. Beigefügt war ein Schreiben des Universitätsklinikums E. vom 18.01.2016; zum Zeitpunkt der Wiedervorstellung der Klägerin am 08.12.2015 bestehe eine eindeutige medizinische Indikation für sämtliche Therapieempfehlungen. Dabei ergebe sich die Indikation vor allem auch durch die chronischen, konservativ nicht ausreichend behandelbaren Entzündungsreaktionen. Im Bereich der oberen Arme bestehe beidseits eine ausgeprägte Lipomastose mit deutlichen Haut-/Weichteilüberschuss mit Hautfältelung und sogenannten „BAT-Wings“ von 6 cm beidseits. Es zeigen sich seitlich an der Thoraxwand Zeichen abgelaufener Entzündungsreaktionen durch das Reiben von Haut-auf-Haut beim Bewegen der Oberarme. Im Bereich der Brust zeige sich eine deutliche Ptose beidseits Grad 3 nach Regnault. Die Auflagefläche zeige sich deutlich vergrößert mit rechts 15 x 11 cm und links 15 x 10 cm. Bei erneuter Vorstellung am 08.12.2015 zeige sich eine deutliche Rötung des Integuments im Bereich der Unterbrustfalten als Zeichen von aktiven und abgelaufenen Entzündungsreaktionen. Vorgelegt wurde ein Attest des M.C. N. vom 20.12.2015, wonach bei der Klägerin eine Mykose unter der rechten Brust, in der rechten Achselhöhle und in den Gesäßfalten beidseits bestehe. Vorgelegt wurde ein Schreiben des Facharztes für Plastische und Ästhetische Chirurgie Dr. H. vom 19.11.2015; die Klägerin beklage weiterhin die feuchte Kammerbildung in der Unterbrustfalte mit rezidivierenden Entzündungen und die dadurch schwer durchführbare Körperhygiene sowie die deutliche Funktions- und Aktivitätseinschränkung durch das schmerzhafte Einklemmen der Hautüberschüsse an den Flanken beidseits, den Oberarmen beidseits und am Gesäß.

Der MDK nahm unter dem 03.03.2016 ablehnend Stellung. Es lägen keine dermatologischen Verlaufsbefunde vor, die tatsächlich chronisch rezidivierende, nicht therapierbare Ekzeme bestätigen würden. Es ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen kein Hinweis auf tatsächlich ausgeschöpfte konservative Therapieansätze bezüglich des vorliegenden Intertrigo, wie z.B. die Applikation von dermatologischen Externa, wie Salben oder Lotionen, Hautschutzpasten oder die Einlage von mechanisch sitzenden Leinenläppchen. Zur Kostenübernahme der avisierten Straffung beider Oberarme, des Gesäßes und der Brust könne nicht geraten werden. Weiterhin schienen kosmetische Aspekte im Vordergrund zu stehen.

Mit Schreiben vom 08.03.2016 bat die Klägerin darum, die genehmigten Operationen in der Klinik in S. durchführen zu dürfen. Dies wurde von der Beklagten unter dem 08.03.2016 für die genehmigten Operationen bewilligt.

Auf ein Aufklärungsschreiben der Beklagten vom 30.06.2016 teilte die Klägerin mit Telefax vom 21.04.2016 mit, sie halte den Widerspruch vom 15.11.2016 aufrecht. In der Folgezeit legte die Klägerin noch den Arztbericht des M.C. Nürnberg vom 05.06.2016 vor, wonach es zu rezidivierenden Pilzinfektionen unter den Brüsten und im Achselbereich komme. Die Klägerin selbst teilte mit, sie habe schon dreimal einen Pilz unter der Brust sowie an den Unterarmen gehabt und sie frage sich, ob das wirklich so sein müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Notwendigkeit der beantragten Kostenübernahme für eine Gewebestraffung der Brüste, Oberarme und Gesäß sei nicht erkennbar, es ergäben sich keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen, chronisch rezidivierende, nicht therapierbare Ekzeme seien nicht nachgewiesen, konservative Therapieansätze bezüglich der vorliegen Intertrigo (entzündliche Hauterkrankung) wie z.B. das Aufbringen von dermatologischen Salben und Hautschutzpasten seien nicht nachweislich ausgeschöpft; ferner werde eine fachärztliche Mitbehandlung durch einen Dermatologen angeraten.

Dagegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 06.11.2016, das beim Sozialgericht Nürnberg am 07.11.2016 eingegangen ist, Klage erhoben. Mit Schreiben vom 24.06.2017 hat sich der Prozessbevollmächtige der Klägerin gegenüber dem Sozialgericht Nürnberg angezeigt. Das Gericht hat Akteneinsicht gewährt. Das Gericht hat am 04.09.2017 den Rechtsstreit mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung erörtert.

Der vom Sozialgericht Nürnberg beauftragte ärztliche Sachverständige Dr. E. ist in seinem Gutachten vom 15.12.2017 zu folgenden Ergebnissen gekommen: Die Klägerin habe nach der Magenbypass-Operation im Jahr 2014 ihr Körpergewicht von 130 kg aktuell auf um die 80 kg stabilisieren können. Sämtliche Nebenerkrankungen seien nach der Magenbypass-Operation verschwunden oder seinen zumindest deutlich gebessert. Die Klägerin habe sich an das Leben mit dem Magenbypass sehr gut gewöhnen können und komme mit der Ernährung und Substitution auch gut klar. Nach der ausgeprägten Gewichtsreduktion habe man ihr die Vorstellung beim plastischen Chirurgen empfohlen, da es aufgrund der Gewichtsreduktion von ca. 50 kg zu massiv überschüssiger Haut gekommen sei. Die Bauchdecke und die Oberschenkel seien im September 2015 bzw. September 2016 mit Genehmigung der Beklagten erfolgreich operiert worden. Nun leide sie noch an überschüssiger Haut vor allem im Bereich der Brüste, jedoch auch im Bereich der Oberarme. An die Situation mit den Hautfalten im Gesäßbereich habe sie sich gewöhnt, dies sei jetzt nicht mehr Gegenstand der Rechtsstreitigkeiten. Eine psychiatrische Therapie sei aktuell nicht und in der Vergangenheit ebenfalls nie notwendig gewesen.

Im Bereich der Oberarme zeigten sich auf beiden Seiten ausgeprägte Hautfalten. Diese mäßen rechts 7 cm und links 6,5 cm. Beim Schwingen der Arme reiben die Hautfalten der Oberarme an den Hautfalten des lateralen Thorax und es zeige sich bei der Abduktion des Armes und bei der Bewegung ein deutliches Pendeln der Haut. Im Bereich der Brust trage die Klägerin aktuell einen größeren BH, da sie ständig Läppchen unterlegen müsse, um das Nässen zu vermeiden. Ohne diese Läppchen komme es sofort zu einem Nässen und Reiben durch die aufeinanderliegende Haut und in der Folge dann immer wieder zu Pilzinfektionen. Beidseits lägen deutlich ptotische Mammae vor. Im Submammaebereich finde sich im Bereich des Haut-Hautkontaktes aktuell kein Nässen, zum Untersuchungszeitpunkt keine Rötung, jedoch eine leichte Pigmentierungsveränderung als Hinweis auf die stattgehabten rezidivierenden entzündlichen Veränderungen. Die Hautfaltenbildung im Bereich der Oberarme und der Brüste bei vorliegendem ausgeprägten Hautweichteilmantelüberschuss stelle eine deutliche Abweichung vom Normalbefund des Körpers dar und habe für die Klägerin relevanten Krankheitswert. Bei der überschüssigen Haut mit dem Haut-Haut-Kontakt handle es sich keinen physiologischen Zustand, sondern um einen pathologischen Befund. Zwar sei die Gewichtsreduktion einerseits gewünscht gewesen und sei sie eines der Ziele der Magenbypass-Operation gewesen. Pathogenetisch betrachtet handele es sich hierbei um einen physiologischen Ablauf, der durch eine Veränderung der Körperzusammensetzung mit Rückgang des überschüssigen Fettanteils des Körpers im Abdomen nur subkutan bedingt sei. Dennoch liege mit der überschüssigen Haut und dem Haut-Haut-Kontakt ein Ergebnis vor, dass keinen physiologischen Zustand mehr darstelle, sondern einen regelwidrigen Körperzustand. Massive, überschüssige Hautareale mit Faltenbildung stellten keinen normalen Körperzustand des Menschen dar. Der vorliegende Befund sei als pathologisch zu werten. Die überschüssige Haut führe durch den Haut-Haut-Kontakt zu vermehrter Schweißbildung mit Geruchsbildung und intermittierender Hautreizung. Wenngleich das Kriterium der „Entstellung bei flüchtigem Anblick“, wie es in der Rechtsprechung in der Regel definiert werde, hierdurch nicht erfüllt sei, handele es sich dennoch um einen regelwidrigen Befund mit Entwicklung eines hohen Leidensdruckes bei der Klägerin. Direkte mechanische Einschränkungen der Gelenkbeweglichkeit liege im konkreten Fall nicht vor, allerdings entstünden dennoch funktionelle Beeinträchtigungen der Bewegungsabläufe in der Folge von Fehlhaltung, um die Reibung der Hautfalten oder Pendeln zu vermeiden. Trotz der gesellschaftlichen Stigmatisierung von Adipositas ignorierten die Gutachter beim MDK regelmäßig diese psychische Belastung durch die Erkrankung und leiteten sowohl für die primären bariatrischen Operationen als auch für die Folgeoperationen im plastisch-rekonstruktiven Bereich keine Rechtfertigung für eine Operation ab. Diese Stigmatisierung erlebe auch die Klägerin. Bei der Begutachtung bzw. der Indikationsstellung zu einem korrigierenden Eingriff müsse immer auch der subjektive Leidensdruck der Patienten Berücksichtigung finden. So sei im Fall der postbariatrischen Chirurgie aufgrund bislang schlecht objektivierbarer Kriterien eine leichtfertige Ablehnung einer Kostenübernahme nicht zu rechtfertigen.

Die Klägerin habe die Möglichkeit, durch permanente Einlage von Mullkompressen der Entstehung von nässenden Arealen und dadurch Hautwunden und Geruchsbildungen sowie Pilzinfektionen entgegen zu wirken. Bei Auftreten von Hautmazerationen und Pilzinfektion sei die Anwendung von dermatologischen Salben möglich. Diese Maßnahmen stellten aber lediglich symptomatische Therapien dar und könnten - wie der Verlauf bei der Klägerin zeige - die Probleme nicht dauerhaft vermeiden. Die Pigmentierungsveränderung im Bereich der submammaeren Haut belege die bereits stattgehabten Entzündungen. Im Bereich der pendelnden Hautlappen der Oberarme existiere keine Möglichkeit der konservativen Therapie, abstützende Bandagen o.ä. seien nicht sinnvoll. Im Ergebnis könne eine erfolgreiche Behandlung überschüssiger Haut in der vorliegenden Ausprägung konservativ nicht erreicht werden. Die aktuell eher hypotone Körperhaltung der Klägerin könne durch mäßiges Muskelaufbautraining zwar verbessert werden, dadurch sei jedoch die Operation nicht zu vermeiden. Die operative Therapie sei erforderlich. Die operative Behandlung, wie sie angestrebt sei, sei in ihrer Wirksamkeit sicher beurteilbar und belegt. Bei der Klägerin lägen keine Erkrankungen vor, die ein besonderes Operationsrisiko darstellen würden. Insgesamt sei von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis auszugehen. Dass es im Bereich der Haut-Haut-Kontaktzonen zu vermehrtem Schwitzen und damit zu Geruchsbildung und Hautmazerationen komme, sei unbestritten. Bei der Klägerin liege eine entsprechende Fotodokumentation vor. Durch überdurchschnittlich gute Hygiene und Körperpflege seien diese Probleme bei der Klägerin aktuell kontrollierbar, jedoch nicht dauerhaft heilbar.

Der Prozessbevollmächtige der Klägerin hat unter dem 20.02.2018 Stellung genommen.

Die Beklagte hat unter dem 01.03.2018 eine Stellungnahme des MDK Bayern vom 06.02.2018 vorgelegt. Der MDK kommt in dieser Stellungnahme zu dem Ergebnis, die Adipositas sei unstrittig als Erkrankung im Sinne des SGB V bewertet worden. Daraus habe sich die Konsequenz ergeben, dass die Kosten einer Magenbypass-Operation zu Lasten der Solidargemeinschaft von der Beklagten übernommen worden seien. Im vorliegenden Falle gehe es jedoch nicht um die bereits operativ angegangene Adipositas, sondern um die Klärung der Frage, ob der durch die Bypass-Operation erschlafften „Bauchdecke“ ein Krankheitswert im Sinne des SGB V zuzurechnen sei. Dies sei weiter klar zu verneinen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016 aufzuheben und die Beklagten zu verpflichten, zwei postbariatrische Operationen an den Oberarmen und der Brust als Sachleistung zu gewähren.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Beklagtenakten beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Beklagtenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 03.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2016 hält einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand, soweit er die mit der Klage noch begehrten Operationen ablehnt. Die Klägerin hat Anspruch auf die Kostenübernahme für eine beidseitige Oberarme- und eine beidseitige Bruststraffung durch operative Maßnahmen. Derartige postbariatrische Operationen können in Einzelfällen bei dermatologischer Indikation zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehören (vgl. etwa SG C-Stadt, Urteil vom 01.09.2016 - S 3 KR 381/15 - unter Hinweis auf SG Hamburg, Urteil vom 27.03.2015 - S 33 KR 1376/12 -; SG Mannheim, Urteil vom 21.01.2014 - S 9 KR 2546/12 -; SG Wiesbaden, Urteil vom 25.09.2013 - S 1 KR 295/10 -)

Auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. E. vom 15.12.2017 hat die Kammer die volle Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin Anspruch auf Krankenhausbehandlung und eine Kostenübernahme der Operationen zur Oberarmstraffung beidseits und Bruststraffung beidseits hat. Das Gutachten von Dr. E. vom 15.12.2017 belegt, dass die -von allen behandelnden Ärzten der Klägerin und dem Universitätsklinikum E. - empfohlene mehrseitige Operation zur Oberarmstraffung beidseits und Bruststraffung beidseits eine geeignete Maßnahme ist, um die Gesundheit der Klägerin zu erhalten, wiederherzustellen oder den Gesundheitszustand der Klägerin zu bessern (vgl. § 1 Satz 1 SGB V). Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Gesundheitsstörungen der Klägerin - denn um solche handelt es sich nach dem Gutachten von Dr. E. vom 15.12.2017 bei den Hautüberschüssen im Oberarm- und Brustbereich - mit ambulanten Maßnahmen und ggf. psychiatrischen Maßnahmen behandelt werden kann. Diese Auffassung teilt die Kammer nicht. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den beantragten postbariatrischen Operationen auch nicht um Schönheitsoperationen, sondern um Operationen, die die Funktionsfähigkeit der Oberarme der Klägerin und die funktionalen Beschwerden der Klägerin im Brustbereich beheben werden, während die Beklagte die Klägerin auf eine dauerhafte -möglicherweise lebenslange - Symptombehandlung verweist.

Die Kammer vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Behebung der Dysfunktionen Vorrang hat vor einer dauerhaften Symptombehandlung. Die Entscheidung der Kammer widerspricht auch nicht der Vorschrift des § 2 Abs. 4 SGB V, wonach Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte darauf zu achten haben, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden. Mit den Operationen werden die Dysfunktionen (Haut-/Weichteilüberschuss) dauerhaft beseitigt mit der Folge, dass für die Beklagte künftig keine Kosten für die Symptombehandlung (Hautarzttermine, ggf. Arzneimittel) anfallen werden.

Dementsprechend war die zu der Übernahme der Kosten für die beantragten Operationen zu verpflichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Annotations

Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Das umfasst auch die Förderung der gesundheitlichen Eigenkompetenz und Eigenverantwortung der Versicherten. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewußte Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden. Die Krankenkassen haben den Versicherten dabei durch Aufklärung, Beratung und Leistungen zu helfen und unter Berücksichtigung von geschlechts-, alters- und behinderungsspezifischen Besonderheiten auf gesunde Lebensverhältnisse hinzuwirken.

(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfaßt im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams; die tagesstationäre Behandlung umfasst einen täglich mindestens sechsstündigen Aufenthalt der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus, währenddessen überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlung erbracht wird, ohne Übernachtung im Krankenhaus. Die stationsäquivalente Behandlung und die tagesstationäre Behandlung entsprechen hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.

(1a) Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung. § 11 Absatz 4 Satz 4 gilt. Das Krankenhaus kann mit Leistungserbringern nach § 95 Absatz 1 Satz 1 vereinbaren, dass diese Aufgaben des Entlassmanagements wahrnehmen. § 11 des Apothekengesetzes bleibt unberührt. Der Versicherte hat gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung des Entlassmanagements nach Satz 1; soweit Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander. Das Entlassmanagement umfasst alle Leistungen, die für die Versorgung nach Krankenhausbehandlung erforderlich sind, insbesondere die Leistungen nach den §§ 37b, 38, 39c sowie alle dafür erforderlichen Leistungen nach dem Elften Buch. Das Entlassmanagement umfasst auch die Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung durch Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus. Soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können die Krankenhäuser Leistungen nach § 33a und die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 und 12 genannten Leistungen verordnen und die Arbeitsunfähigkeit feststellen; hierfür gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung mit der Maßgabe, dass bis zur Verwendung der Arztnummer nach § 293 Absatz 7 Satz 3 Nummer 1 eine im Rahmenvertrag nach Satz 9 erster Halbsatz zu vereinbarende alternative Kennzeichnung zu verwenden ist. Bei der Verordnung von Arzneimitteln können Krankenhäuser eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen; im Übrigen können die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 genannten Leistungen für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden (§ 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7). Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 7 und 12 die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts nach Satz 7. Die weiteren Einzelheiten zu den Sätzen 1 bis 8, insbesondere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkassen, regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in einem Rahmenvertrag. Wird der Rahmenvertrag ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Rahmenvertrag zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Vor Abschluss des Rahmenvertrages ist der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Die Information sowie die Einwilligung müssen schriftlich oder elektronisch erfolgen.

(2) Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.

(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemeinsam erstellen unter Mitwirkung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region und passen es der Entwicklung an (Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte). Dabei sind die Entgelte so zusammenzustellen, daß sie miteinander verglichen werden können. Die Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, daß Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung beachten.

(4) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete Zahlung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches sowie die nach § 40 Abs. 6 Satz 1 geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach Satz 1 anzurechnen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.