Sozialgericht Nürnberg Endurteil, 05. Nov. 2014 - S 15 R 86/13

05.11.2014

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.

Der 1969 geborene Kläger beantragte am 03.05.2012 bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin durch den Orthopäden Dr. N. untersuchen und begutachten. Dieser stellte folgende Diagnosen:

1. Rezidivierende Lumbalgien bei geringgradig degenerativen Lendenwirbelsäulenveränderungen ohne radikuläre Symptomatik.

2. Rezidivierende Cervicalgien ohne Nachweis höhergradiger degenerativer Veränderungen, keine radikuläre Symptomatik.

Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich verrichten könne.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 08.10.2012 ab, weil die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Rente nicht erfüllt seien.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2013 zurück.

Mit seiner am 24.01.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren nach Erwerbsminderungsrente weiter.

Das Gericht hat die Akte des Zentrums Bayern Familie und Soziales beigezogen und Befundberichte der Ärzte Dr. I., Dr. H. und Dr. G. eingeholt. Zur Bestimmung von Art und Ausmaß der vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Chirurgen Dr. D. In seinem Gutachten vom 25.09.2013 nannte Dr. D. folgende Diagnosen:

1. Fehlhaltungen und Verbiegungen der Wirbelsäule, leichtgradige Funktionsstörung-en mit Schmerzausstrahlung auch in den linken Kopf hinein. Fehlende radikuläre Symptomatik.

2. Radiale Epicondylopathie am linken Ellbogengelenk.

3. Belastungsbedingte Beschwerden in beiden Kniegelenken, Fußfehlform beidseits. Leicht- bis mäßiggradige Bewegungsstörung im rechten Fußgelenk ohne sichtbare Beeinträchtigung des Gangbildes.

4. Seelische Störung, derzeit nicht behandlungsbedürftig.

5. Verdacht auf Restless-Legs-Syndrom.

In der Leistungsbeurteilung gelangte Dr. D. zu dem Ergebnis, dass der Kläger unter Beachtung gewisser Leistungseinschränkungen, welche in dem Gutachten beschrieben wurden, noch regelmäßig leichte, gelegentlich auch mittelschwere körperliche Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.

Am 07.02.2014 erstellte der auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Sachverständige gehörte Neurologe und Nervenarzt Dr. L. ein Gutachten. Nach Untersuchung des Klägers stellte Dr. L. folgende Gesundheitsstörungen fest:

1. Sensibles Wurzelkompressionssyndrom und Wurzelreizsyndrom S1 links

2. Somatoforme Schmerzstörung

3. Leichte depressive Episode

4. Insomnie.

Auch Dr. L. kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger unter Beachtung qualitativer Einsatzbeschränkungen, welche Dr. L. in seinem Gutachten näher beschrieb, noch regelmäßig mindestens sechs Stunden und mehr arbeitstäglich leistungsfähig sei.

Im weiteren Verlauf legte der Kläger weitere ärztliche Berichte vor, insbesondere vom Klinikum B-Stadt, zu denen Dr. L. am 04.08.2014 ergänzend Stellung nahm.

Der Kläger beantragt,

  • 1.Der Bescheid der Beklagten vom 08.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2013 wird aufgehoben.

  • 2.Die Beklagte wird verurteilt, auf den Antrag vom 03.05.2012 dem Kläger Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

  • 3.Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte, der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte, insbesondere auf die eingeholten Gutachten, ärztlichen Stellungnahmen und eingereichten Schriftsätze, verwiesen.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig.

Sie erweist sich jedoch als unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Nach § 43 Abs. 2 S. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind Versicherte voll erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI).

Bei dem Kläger liegt weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vor. Seine Erwerbsfähigkeit ist noch nicht in einem solchen Maße eingeschränkt, dass er seit der Rentenantragstellung im Mai 2012 bis jetzt nicht mehr fähig wäre, eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Der Sachverhalt ist in medizinscher Hinsicht insbesondere aufgrund der im Klageverfahren eingeholten ärztlichen Gutachten hinreichend geklärt. Demnach wird die Erwerbsfähigkeit des Klägers im Wesentlichen eingeschränkt durch Schmerzen und leichtgradige Funktionsstörungen an der Wirbelsäule, belastungsbedingte Beschwerden in beiden Kniegelenken, Insomnie und eine leichte depressive Episode.

Bei zusammenfassender Würdigung des bei dem Kläger vorliegenden Beschwerdebildes ist das erkennende Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers zwar beeinträchtigt ist, jedoch die vorhandenen Leistungseinbußen noch keine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens bedingen. Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit kann unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses angemessen und ausreichend durch Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen Rechnung getragen werden. Qualitativ ergeben sich die Einschränkungen insofern, als der Kläger schwere Tätigkeiten nicht mehr und mittelschwere Tätigkeiten nur mehr in geringem Umfange verrichten kann. Zu vermeiden sind auch Tätigkeiten, welche mit Zwangshaltungen, häufigem Bücken, häufigem Knien, schwerem Heben und Tragen von Lasten und besonderer nervlicher Belastung verbunden sind.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer überzeugt, dass der Kläger unter Berücksichtigung der oben genannten qualitativen Leistungseinschränkungen noch zumindest leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten kann. Bezüglich dieser Leistungseinschätzung hat das Gericht keine Bedenken, sich den Ausführungen in den Gutachten der Sachverständigen Dr. D. und Dr. L. anzuschließen. Die Gutachter haben es verstanden, die erhobenen Befunde überzeugend auszuwerten und plausibel darzulegen, dass der Kläger aufgrund der festgestellten Gesundheitsstörungen zwar durchaus qualitativ, jedoch zeitlich in seinem Leistungsvermögen noch nicht eingeschränkt ist.

Insbesondere Dr. L. hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die vom Kläger geltend gemachten psychischen Beschwerden keine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt begründen. Zum Zeitpunkt der von ihm durchgeführten Begutachtung erfolgte keine antidepressive oder schmerzdistanzierende Medikation und auch keine Psychotherapie. Im direkten Kontakt mit dem Kläger sei ihm keine relevante depressive Symptomatik aufgefallen. Auch die später vorgelegte Stellungnahme des Klinikums B-Stadt vom 14.05.2014 änderte an der Sichtweise des Dr. L. nichts. Die hierzu abgegebene Stellungnahme des Dr. L. erachtet das Gericht als schlüssig.

Nach alledem ist der Kläger weder voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 SGB VI noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 1 SGB VI.

Da sich somit die angefochtenen Bescheide der Beklagten als rechtmäßig erwiesen, musste die Klage als unbegründet abgewiesen werden.

Die sich aus der Klageabweisung ergebene Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Sozialgericht Nürnberg Endurteil, 05. Nov. 2014 - S 15 R 86/13 zitiert 4 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Referenzen

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.