Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 12. Apr. 2007 - 4 Ss 163/2007; 4 Ss 163/07

bei uns veröffentlicht am12.04.2007

Gericht

Oberlandesgericht Stuttgart

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 22. Januar 2007 mit den Feststellungen

a u f g e h o b e n .

2. Die Sache wird zur neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Heilbronn

z u r ü c k v e r w i e s e n .

Gründe

 
Das Amtsgericht Heilbronn hat durch das angefochtene Urteil in Anwendung von § 74 Abs. 2 OWiG den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe - Zentrale Bußgeldstelle Bretten - vom 24. Mai 2006 verworfen.
Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde ist begründet und führt in der Sache zur Aufhebung des Urteils sowie zur Zurückverweisung des Verfahrens.
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene in zulässiger Form, dass das Amtsgericht seinen rechtzeitig gestellten Antrag, ihn von der Verpflichtung, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, zu entbinden, fehlerhaft abgelehnt habe. Nachdem er über seinen Verteidiger seine Täterschaft eingeräumt und darüber hinaus erklärt habe, dass er in der Hauptverhandlung keine Angaben machen werde, hätte das Amtsgericht ihn von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbinden müssen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart hat hierzu ausgeführt:
"Das Gericht hat sich im Urteil mit der Frage auseinanderzusetzen, warum es einem Antrag des Betroffenen, ihn von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, nicht entsprochen hat (Göhler, OWiG, 14. Auflage, § 74 Rn. 34, 35). Das angefochtene Urteil befasst sich mit den Gründen, die der Betroffene für seinen Antrag geltend gemacht hat, nicht in ausreichender Weise. Aus welchen konkreten Gründen es die Anwesenheit des Betroffenen trotz der erfolgten Einlassung für erforderlich gehalten hat, geht aus dem Urteil nicht hervor.
Unabhängig davon hat das Amtsgericht - wie in der Begründung der Rechtsbeschwerde zutreffend ausgeführt - die rechtlichen Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG, unter denen der Betroffene von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden ist, verkannt. Eine solche Entbindung muss erfolgen, wenn der Betroffene sich zur Sache geäußert hat        und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist; sie liegt dann nicht mehr im Ermessen des Gerichts (vgl. Göhler, OWiG, 14. Auflage, § 37 Rn. 5; OLG Dresden, DAR 2005, 460).
So liegt der Fall hier. Wesentliche Gesichtspunkte, zu deren Aufklärung es der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung bedurft hätte, sind nicht erkennbar. Er hatte sich zum Sachverhalt über seinen - mit entsprechender Vollmacht ausgestatteten - Verteidiger geäußert und mitgeteilt, dass er nicht bereit sei, weitere Angaben zu machen. Seine Fahrereigenschaft zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung hat der Betroffene bereits mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 07.11.2006 eingeräumt. Eine besondere Fallgestaltung, in der auch in dieser Lage die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung der Sachaufklärung dienen kann, ist ersichtlich nicht gegeben. Zur Aufklärung der einzig streitigen Frage einer ordnungsgemäßen Geschwindigkeitsmessung kann der Betroffene naturgemäß nichts beitragen. Schließlich kommt es auch bei der Frage, ob ein Fahrverbot zu verhängen ist oder nicht, grundsätzlich nicht auf den persönlichen Eindruck von dem Betroffenen an (OLG Stuttgart, ZfSch 2003, 210 f). Gründe, weshalb es im vorliegenden Fall insoweit ausnahmsweise auf den persönlichen Eindruck vom Betroffenen ankommen sollte, sind nicht ersichtlich."
Dem tritt der Senat vollumfänglich bei.
Die Zurückverweisung erfolgt ausdrücklich an eine andere Abteilung des Amtsgerichts . Der erkennende Richter hält sich  - wie der Senat aus gleichgelagerten Verfahren weiß,  den vorliegenden Punkt betreffend nicht an die Rechtssprechung des Oberlandesgerichts. Dann besteht aber die Gefahr, dass er, wenn sein Urteil aus Gründen, die allein diesen Punkt betreffen, aufgehoben wird, bei einer Neuverhandlung dem Betroffenen nicht vollkommen unvoreingenommen gegenübertritt. Zumindest liegt eine solche Befürchtung aus Sicht des Betroffenen nahe.

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 12. Apr. 2007 - 4 Ss 163/2007; 4 Ss 163/07 zitiert 3 §§.

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 74 Verfahren bei Abwesenheit


(1) Die Hauptverhandlung wird in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt, wenn er nicht erschienen ist und von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war. Frühere Vernehmungen des Betroffenen und seine protokollierten und sonstigen

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 73 Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung


(1) Der Betroffene ist zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet. (2) Das Gericht entbindet ihn auf seinen Antrag von dieser Verpflichtung, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, daß er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sac

Referenzen

(1) Die Hauptverhandlung wird in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt, wenn er nicht erschienen ist und von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war. Frühere Vernehmungen des Betroffenen und seine protokollierten und sonstigen Erklärungen sind durch Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts oder durch Verlesung in die Hauptverhandlung einzuführen. Es genügt, wenn die nach § 265 Abs. 1 und 2 der Strafprozeßordnung erforderlichen Hinweise dem Verteidiger gegeben werden.

(2) Bleibt der Betroffene ohne genügende Entschuldigung aus, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war, hat das Gericht den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen.

(3) Der Betroffene ist in der Ladung über die Absätze 1 und 2 und die §§ 73 und 77b Abs. 1 Satz 1 und 3 zu belehren.

(4) Hat die Hauptverhandlung nach Absatz 1 oder Absatz 2 ohne den Betroffenen stattgefunden, so kann er gegen das Urteil binnen einer Woche nach Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den gleichen Voraussetzungen wie gegen die Versäumung einer Frist nachsuchen. Hierüber ist er bei der Zustellung des Urteils zu belehren.

(1) Der Betroffene ist zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet.

(2) Das Gericht entbindet ihn auf seinen Antrag von dieser Verpflichtung, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, daß er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.

(3) Hat das Gericht den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden, so kann er sich durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen.