Oberlandesgericht München Beschluss, 01. Okt. 2014 - 31 Wx 314/14

published on 01.10.2014 00:00
Oberlandesgericht München Beschluss, 01. Okt. 2014 - 31 Wx 314/14
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Amtsgericht Kaufbeuren, VI 828/03, 06.06.2014
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Tenor

I.

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts Kaufbeuren -Nachlassgericht - vom 06.06.2014 aufgehoben.

II.

Das Amtsgericht Kaufbeuren - Nachlassgericht - wird angewiesen, den Erbschein vom 13.11.2013 einzuziehen.

III.

Das Amtsgericht Kaufbeuren - Nachlassgericht - wird angewiesen, folgenden Erbschein zu erteilen:

Erbschein

J. A. geboren am ... gestorben am ... zuletzt wohnhaft: ... ist mit dem infolge Todes der Vorerbin Ma. Al., geb. L., gestorben eingetretenen Nacherbfall beerbt worden von:

1. Mo A geboren am ... zu 1/2 - ein Halb

2. H. A., zu 1/2 - ein Halb

Das Erbrecht erstreckt sich nur auf das Anwesen H... (Grundbuch von Band Blatt Flst. ...).

IV.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Gegenstand der Beschwerde ist die Frage, wie der Erbschein nach Eintritt der Nacherbfolge zu fassen ist.

Der nach dem Tod des Erblassers erteilte Erbschein vom 10.12.2003 lautet: „J. A. (=Erblasser) ... ist beerbt worden von Ma. A. (=Ehefrau) allein.

Nacherbfolge ist angeordnet bezüglich 7/10 des Nachlasses. Das Recht der Nacherben erstreckt sich nur auf das Anwesen H. Die Nacherbfolge tritt ein beim Tode des Vorerben. Nacherben sind: Mo. A. (=Tochter, Beteiligte zu 2), H. A. (=Sohn, Beteiligter zu 3) ...“.

Nach dem Tod der Vorerbin hat das Nachlassgericht am 13.11.2013 folgenden Erbschein erteilt: „J. A. ist mit dem infolge Todes der Vorerbin Ma. A. eingetretenen Nacherbfall beerbt worden von

1. Ma. A. (= Ehefrau) zu 3/10

2. Mo. A. (= Tochter) zu 7/20

3. H. A. (= Sohn) zu 7/20“.

Mit Beschluss vom 6.6.2014 hat das Nachlassgericht den Erbschein dahin berichtigt, dass es hinsichtlich der 3/10 bei der Alleinerbenstellung der Ma. A. aus dem Erbschein vom 10.12.2003 bleibe.

Der Beschwerdeführer beanstandet, dass die Quoten im Erbschein nicht nachvollziehbar seien. Lege man die Werte zugrunde, die eine Sachverständige 2004 im Hinblick auf Pflichtteilsansprüche ermittelt habe, mache der Wert des Anwesens H. nur 44% aus. Nur auf dieses Grundstück erstrecke sich das Recht der Nacherben.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Erbschein vom 13.11.2013 bringt auch in der berichtigten Fassung die Erbrechtslage nach Eintritt des Nacherbfalls nicht zutreffend zum Ausdruck.

1. Das Recht der Nacherben bezieht sich nicht auf den gesamten Nachlass. Aus dem Testament vom 28.10.1997 ergibt sich, dass sich das Recht der Nacherben auf das Hausgrundstück H. beschränken soll. Das heißt, die Nacherbfolge erstreckt sich nicht auf das bewegliche Vermögen und nicht auf die übrigen Grundstücke.

Der Erbschein vom 10.12.2003 hat diese Beschränkung der Nacherbenrechte richtig wiedergegeben mit dem Zusatz: „Das Recht der Nacherben erstreckt sich nur auf das Anwesen H.“ Damit ist zugleich zum Ausdruck gebracht, dass die als Alleinerbin eingesetzte Ehefrau das gesamte übrige Vermögen (im Wege des Vorausvermächtnisses) unbeschwert durch die Nacherbfolge erworben hat.

In gleicher Weise muss der nach Eintritt des Nacherbfalls zu erteilende Erbschein eindeutig zum Ausdruck bringen, wer jetzt zu welchem Anteil (Nach-)Erbe ist und inwieweit das (Nach-)Erbrecht beschränkt ist. Nacherben sind hier nur die Beteiligten zu 2 und 3 zu gleichen Teilen; ihr Erbrecht als Nacherben beschränkt sich auf das Anwesen H.

2. Das geht aus dem Erbschein vom 13.11.2013 auch nach Berichtigung nicht hervor: Er weist als Erbin nach eingetretenem Nacherbfall die inzwischen nachverstorbene Vorerbin zu 3/10 aus mit dem Hinweis, dass es insoweit an ihrer Alleinerbenstellung aus dem Erbschein vom 10.12.2003 verbleibe, daneben als Miterben die Beteiligten zu 2 und 3 zu je 7/20. Die Quoten ergeben sich offenbar daraus, dass bei Erteilung des Erbscheins vom 10.12.2003 der anteilige Wert des Anwesens H. im Verhältnis zu den nicht der Nacherbfolge unterliegenden Nachlassbestandteilen berechnet und in den Erbschein aufgenommen wurde („Nacherfolge ist angeordnet bezüglich 7/10 des Nachlasses. Das Recht der Nacherben erstreckt sich nur auf das Anwesen H. ...“). Dabei ist das vereinfachte Sachwertverfahren angewendet worden, das zu anderen Werten geführt hat als das Gutachten der Sachverständigen.

3. Die zusätzliche Angabe des anteiligen Wertverhältnisses ist hier überflüssig und irreführend, denn der Erblasser hat für die Nacherbfolge bzw. die Ausnahme davon nur auf bestimmte Vermögensgegenstände abgestellt und nicht auf deren anteiligen Wert am Gesamtvermögen. Der Umfang der Nacherbfolge kann durch Angabe des betreffenden Vermögensgegenstandes im Erbschein eindeutig bestimmt und abgegrenzt werden.

a) Die gegenteilige Auffassung (vgl. Graf, Nachlassrecht, 10. Aufl. 2014, Rdnr. 4.283 ohne nähere Begründung) orientiert sich offenbar an der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 17.12.1965 (BayObLGZ 1965, 458/465). Diese Entscheidung befasst sich im Wesentlichen mit der Auslegung eines Testaments und gibt unter Ziffer IV. Hinweise zur weiteren Sachbehandlung durch das Landgericht, unter anderem zur Fassung des Erbscheins. Bei der angegebenen Formulierung handelt es sich um einen Vorschlag für eine mögliche Fassung („der Passus ... hätte also etwa zu lauten gehabt“). In diesem Zusammenhang wird die Formulierung vorgeschlagen „Bezüglich eines x-tels des Nachlasses ist Nacherbfolge angeordnet. Das Recht der Nacherben erstreckt sich nur auf das Anwesen Aus dieser Anregung zur Fassung des Erbscheins im damals entschiedenen Fall lässt sich nicht herleiten, dass bei einer Beschränkung der Rechte des Nacherben auf einen bestimmten Nachlassgegenstand im Erbschein stets sowohl der Gegenstand als auch dessen quotaler Anteil am Nachlasswert anzugeben ist.

b) Nichts anderes ergibt sich aus der vom Bayerischen Obersten Landesgericht zitierten Entscheidung des Kammergerichts vom 25.01.1940 (JFG 21, 122/125). Danach muss die unmittelbare erbrechtliche Wirkung des Vorausvermächtnisses auf den Umfang der nach § 2363 BGB im Erbschein anzugebenden Nacherbfolge im Erbschein ebenso bezeugt werden wie wenn der Erbe hinsichtlich eines Bruchteils mit der im Übrigen angeordneten Nacherbschaft nicht beschwert ist. Diese Ausführungen machen deutlich, dass Vorausvermächtnis einerseits und Beschränkung der Nacherbfolge auf einen Bruchteil andererseits zwei unterschiedliche Fallgestaltungen sind, die jeweils die Angabe im Erbschein erfordern, dass sich darauf das Recht des Nacherben nicht erstreckt. Die Umrechnung des Vorausvermächtnisses in einen Bruchteil des Nachlasswerts vermengt die beiden Fallgestaltungen.

Es besteht folglich regelmäßig kein Anlass, für die Gegenstände eines Vorausvermächtnisses, auf die sich das Recht des Nacherben nicht erstreckt, zusätzlich deren wertmäßigen Anteil am Gesamtnachlass zu berechnen und im Erbschein auszuweisen. Es genügt, den Umfang des Vorausvermächtnisses - positiv oder negativ - zu bezeichnen (vgl. Fröhler BWNotZ 2005, 1/6).

4. Das Nachlassgericht hat deshalb den Erbschein vom 13.11.2013 einzuziehen und entsprechend dem geänderten Antrag der Beteiligten einen Erbschein entsprechend Ziffer III des Tenors zu erteilen:

„J. A. ist mit dem infolge Todes der Vorerbin Ma. A. eingetretenen Nacherbfall beerbt worden von

1. Mo. A. (= Tochter) zu 1/2

2. H. A. (= Sohn) zu 1/2

Das Erbrecht erstreckt sich nur auf das Anwesen H. in ... (Grundbuch ... Bd. ... Bl. ...)“

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten für die erfolgreiche Beschwerde sind nicht zu erheben (§ 25 Abs. 1 GNotKG). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Regelwert (§ 36 Abs. 3 GNotKG). Ziel der Beschwerde war die zutreffende Fassung des Erbscheins; der Inhalt der testamentarischen Regelungen als solcher ist nicht streitig.

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3 Referenzen - Gesetze

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(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. (2) Soweit sich in einer nichtvermögensrec

(1) Die nach § 22 Absatz 1 begründete Haftung für die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens erlischt, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise mit Erfolg eingelegt worden ist und das Gericht nicht über die Kosten entschieden hat oder die Kosten nicht

Dem Nacherben sowie dem Testamentsvollstrecker steht das in § 2362 Absatz 1 bestimmte Recht zu.

Annotations

(1) Die nach § 22 Absatz 1 begründete Haftung für die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens erlischt, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise mit Erfolg eingelegt worden ist und das Gericht nicht über die Kosten entschieden hat oder die Kosten nicht von einem anderen Beteiligten übernommen worden sind.

(2) Richtet sich eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Betreuungsgerichts und ist sie von dem Betreuten oder dem Pflegling oder im Interesse dieser Personen eingelegt, so schuldet die Kosten nur derjenige, dem das Gericht die Kosten auferlegt hat. Entsprechendes gilt für ein sich anschließendes Rechtsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren über die Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

(3) Die §§ 23 und 24 gelten nicht im Rechtsmittelverfahren.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.