Oberlandesgericht München Beschluss, 29. Okt. 2014 - 20 W 2094/14

bei uns veröffentlicht am29.10.2014

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

Die Beschwerden der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 2) und der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3) gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 6.10.2014, Az. 35 O 20909/13, werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Klägerin machte gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche geltend. Sie beantragte, die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 12.904,08 Euro zu verurteilen (Klageantrag zu 1.) und festzustellen, dass diese Zahlungsverpflichtung auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten beruht (Klageantrag zu 2.).

Mit Urteil vom 6.10.2014 wies das Landgericht die Klage ab. Mit Beschluss vom selben Tag setzte es den Streitwert auf 12.904,08 Euro fest, da dem Feststellungsantrag neben dem Leistungsantrag kein eigener Wert zukomme.

Hiergegen legten sowohl die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 2) (Schriftsatz vom 17.10.2014) als auch die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3) (Schriftsatz vom 22.10.2014) Beschwerde ein. Sie sind der Auffassung, dass der Feststellungsantrag mit mindestens 25% des Leistungsantrags zu bemessen sei.

Das Landgericht hat der Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 2) mit Beschluss vom 21.10.2014 nicht abgeholfen.

II.

Der Durchführung eines Abhilfeverfahrens im Hinblick auf die nach dem Beschluss vom 21.10.2014 eingelegte Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3) bedarf es nicht, weil das Landgericht seine Meinung zu der auf dasselbe Ziel gerichteten Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 2) bereits im Beschluss vom 21.10.2014 deutlich gemacht hat. Die Durchführung des weiteren Abhilfeverfahrens wäre daher reiner Formalismus.

Die Beschwerden sind zulässig. Dabei geht der Senat davon aus, dass auch die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3) die Beschwerde im eigenen Namen aus eigenem Recht eingelegt haben, so wie dies die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 2) ausdrücklich getan haben, da eine Beschwerde des Beklagten zu 3) gegen eine zu niedrige Streitwertfestsetzung unzulässig wäre (BGH, NJW-RR 1986, 737).

Die Beschwerden sind aber unbegründet. Ob dem Antrag auf Feststellung, dass eine Zahlungsverpflichtung auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruhe, neben dem Leistungsantrag auf Zahlung ein eigener Wert zukommt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. Nachweise bei Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 3 Rn. 16 „Feststellungsklage“). Im Fall einer Klage analog § 184 InsO, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, bemisst der BGH (Az. IX ZR 235/08) den Streitwert nach den späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers. Diese Rechtsprechung betrifft aber nicht den vorliegenden Fall einer Feststellungsklage außerhalb eines Insolvenzverfahrens, die mit der Leistungsklage kombiniert ist, und ist auf diesen Fall auch nicht übertragbar.

Der Senat schließt sich der Auffassung des Landgerichts an, dass der mit der Leistungsklage kombinierten Feststellungsklage kein eigener Wert zukommt. Der Streitwert des Leistungsantrags (Klageantrag zu 1.) bemisst sich - wie auch sonst bei Leistungsklagen -unabhängig von den Vollstreckungsaussichten nach dem Nominalwert der Forderung. Es wird also im Rahmen der Streitwertfestsetzung der Leistungsklage ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse davon ausgegangen, dass der Gläubiger im Falle eines stattgebenden Urteils den Gesamtbetrag seiner Forderung eintreiben kann. Ziel des Feststellungsantrags ist es, für den Fall der Insolvenz des Schuldners sicherzustellen, dass tatsächlich die Forderung möglichst vollständig beglichen wird. Mehr als die Summe, die mit dem Leistungsantrag eingeklagt wird, kann der Gläubiger aber auch im besten Fall nicht erreichen, allenfalls weniger. Leistungs- und Feststellungsklage sind somit auf dasselbe wirtschaftliche Ziel gerichtet, hier darauf, dass die Klägerin von den Beklagten 12.904,08 Euro erhält. Da sich die Vollstreckungsaussichten, um die es bei dem Feststellungsantrag im Ergebnis geht, auf den Leistungsantrag nicht mindernd auswirken, können sich diese auf den Gesamtstreitwert beider Anträge auch nicht erhöhend auswirken.

III.

Das Verfahren über die Streitwertbeschwerden ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

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Oberlandesgericht München Beschluss, 29. Okt. 2014 - 20 W 2094/14 zitiert 2 §§.

Insolvenzordnung - InsO | § 184 Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners


(1) Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2009 - IX ZR 235/08

bei uns veröffentlicht am 22.01.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 235/08 vom 22. Januar 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 184; ZPO § 3 Der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung
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Oberlandesgericht München Beschluss, 09. Jan. 2015 - 20 W 30/15

bei uns veröffentlicht am 09.01.2015

Tenor Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 24.11.2014, Az. 35 O 28438/13, wird zurückgewiesen. Gründe I. Der Kläger und Beschwerdegegner (im Folgenden: Beschwerd

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(1) Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so kann der Gläubiger diesen Rechtsstreit gegen den Schuldner aufnehmen.

(2) Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Schuldner binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt, den Widerspruch zu verfolgen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gilt ein Widerspruch als nicht erhoben. Das Insolvenzgericht erteilt dem Schuldner und dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle und weist den Schuldner auf die Folgen einer Fristversäumung hin. Der Schuldner hat dem Gericht die Verfolgung des Anspruchs nachzuweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 235/08
vom
22. Januar 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete
Forderung beruhe auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, bemisst
sich nicht nach dem Nennwert der Forderung. Maßgeblich sind vielmehr die späteren
Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens
und Erteilung der Restschuldbefreiung. Wenn diese als nur zu gering anzusehen
sind, kann ein Abschlag von 75 Prozent des Nennwerts der Forderung angemessen
sein.
BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009 - IX ZR 235/08 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 22. Januar 2009

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. April 2008 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 11.481,19 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Klägerin begehrt gegenüber dem beklagten Schuldner die Feststellung, ihre zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Schuldners. Ihre Beschwer beträgt, wie vom Berufungsgericht in tatrichterlich vertretbarer Würdigung angenommen , 11.481,19 € und erreicht nicht den für die Zulässigkeit der Beschwerde maßgeblichen Wert von über 20.000 € (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Der Heraufsetzungsantrag der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
2
1. Die Frage, nach welchen Maßstäben der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (§ 184 InsO), zu bestimmen ist, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Einhelligkeit besteht nur darin, dass die Bestimmung des § 182 InsO, nach der für den Wert der Insolvenzfeststellungsklage gegen den Insolvenzverwalter oder einen bestreitenden Gläubiger ausschließlich die zu erwartende Insolvenzquote maßgeblich ist, auf die Klage nach § 184 InsO nicht anzuwenden ist (FK-InsO/Kießner, 5. Aufl. § 182 Rn. 11; MünchKomm-InsO/ Schumacher, 2. Aufl. § 182 Rn. 4; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 182 Rn. 10; Graf-Schlicker, InsO § 182 Rn. 6; HmbKomm-InsO/Herchen, 2. Aufl. § 182 Rn. 3; Braun/Specovius, InsO 3. Aufl. § 182 Rn. 11).
3
a) Eine Ansicht geht davon aus, der Streitwert bemesse sich nach dem Nominalwert der geltend gemachten Forderung abzüglich einer etwaigen Insolvenzquote. Das Interesse des Feststellungsklägers bestehe in erster Linie darin zu verhindern, dass der Insolvenzschuldner nach Abschluss der Wohlverhaltensperiode von der - bereits titulierten - Schuld befreit wird. Dieses Interesse, den titulierten Anspruch materiell zu erhalten, werde unabhängig von den konkreten Befriedigungsmöglichkeiten durch dessen Höhe bestimmt. Der Streitwert sei daher nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 2, 3 ZPO) zu bestimmen (OLG Hamm NZI 2007, 249; OLG Karlsruhe JurBüro 2007, 648; LG Mühlhausen ZVI 2004, 504; FK-InsO/Kießner, aaO § 182 Rn. 11a; MünchKomm-InsO/ Schumacher, aaO § 184 Rn. 3; HmbKomm-InsO/Herchen, aaO; Braun/ Specovius, aaO; Musielak/Heinrich, ZPO 6. Aufl. § 3 Rn. 30 Stichwort Insolvenzverfahren ).
4
b) Nach anderer Auffassung ist nicht der Nominalwert der Insolvenzforderung maßgeblich, sondern auf die späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung abzustellen. Auch müsse berücksichtigt werden, dass es sich lediglich um eine Feststellungsklage handele und der Schuldner nicht die Forderung an sich bestreite, sondern nur die geltend gemachte vorsätzliche Begehungsweise. Müssten die künftigen Vollstreckungsaussichten "eher zurückhaltend" beurteilt werden, so sei ein deutlicher Abschlag von 75 % gerechtfertigt (OLG Celle ZInsO 2007, 42 [4. ZS]; NZI 2007, 473 [7. ZS]). Diesem Ansatz folgt auch das OLG Rostock (NZI 2007, 358). Es hat jedoch aus einzelfallbezogenen Erwägungen in der angeführten Entscheidung die späteren Vollstreckungsaussichten als sehr günstig angesehen und deshalb nur einen Abschlag von 20 % für gerechtfertigt angesehen. Das LG Kempten (ZInsO 2006, 888) hat den Abschlag auf 80 % bemessen. Auch im Schrifttum wird diese Beurteilung geteilt (HK-InsO/Depré, 5. Aufl. § 182 Rn. 1; Pape, in Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 184 Rn. 113 f).
5
2. Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.
6
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass sich bei einer Feststellungsklage die Beschwer des Beklagten danach bemisst, wie hoch oder gering das Risiko einer tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Feststellungskläger ist (vgl. BGH, Urt. v. 14. Februar 1958 - VI ZR 43/57, VersR 1958, 318; Beschl. v. 28. November 1990 - VIII ZB 27/90, AnwBl 1992, 451; Urt. v. 13. Dezember 2000 - IV ZR 279/99, NJW-RR 2001, 316, 317). Die zweifelhafte Realisierbarkeit des festzustellenden Anspruchs ist auch für die Festsetzung des Streitwerts maßgeblich (Hk-ZPO/Kayser, 2. Aufl. § 3 Rn. 15 Feststellungsklage ; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl. Stichwort Feststellungsklagen). Dies gilt ebenfalls für die hier in Rede stehende Feststellungsklage nach § 184 InsO. Bei der Mehrzahl der insolventen Verbraucher wird dann, wenn ein Vollstreckungstitel von der Restschuldbefreiung ausgenommen wird, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens eine Vollstreckung gegen den Schuldner nicht möglich sein, so dass das wirtschaftliche Interesse an der Feststellung des Anspruchsgrundes als auf unerlaubter Handlung beruhend nicht allzu hoch ist. Dieser allgemein bekannten Erfahrung muss bei der Bemessung des Streitwerts einer Feststellungsklage angemessen Rechnung getragen werden, indem die späteren Vollstreckungsaussichten des Feststellungsklägers nach Erteilung der Restschuldbefreiung für den Schuldner konkret bewertet werden. Können diese anhand der voraussichtlichen wirtschaftlichen Lage des Schuldners auch für die Zeit nach Erteilung der Restschuld nicht als günstig angesehen werden, sind deutliche Abschläge vom Nominalwert der Deliktsforderung sachlich gerechtfertigt.
7
Diesen 3. Maßstäben entspricht die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts. Sie beruht offensichtlich auf den aus dem Prozessstoff erkennbaren wirtschaftlichen Gegebenheiten des Schuldners. Der Umstand, dass diese, den landgerichtlichen Beschluss abändernde Entscheidung verfahrensfehlerhaft erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung getroffen wurde, hat sich nicht zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt. Sie hat weder in ihrer Streitwertbeschwerde noch in der Nichtzulassungsbeschwerde Anknüpfungstatsachen vorgetragen oder Gesichtspunkte aufgezeigt, nach denen die Vollstreckungsaus- sichten gegenüber dem Beklagten günstiger beurteilt werden könnten. Es besteht mithin keine Veranlassung, ihr Feststellungsinteresse abweichend von der berufungsgerichtlichen Wertfestsetzung zu beurteilen.
Ganter Gehrlein Vill
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 13.07.2007 - 10 O 537/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 23.04.2008 - 7 U 180/07 -