Oberlandesgericht München Beschluss, 16. Jan. 2019 - 1 AR 442/18

published on 16/01/2019 00:00
Oberlandesgericht München Beschluss, 16. Jan. 2019 - 1 AR 442/18
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Gericht

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Tenor

1. Die Fortdauer der Auslieferungshaft des Verfolgten wird angeordnet.

2. Die Auslieferung des Verfolgten an die rumänischen Behörden zur Strafvollstreckung wegen der im Europäischen Haftbefehl des Strafgerichts B. vom 06.07.2018, Gz.: aufgeführten Straftat wird für zulässig erklärt.

Gründe

I.

Hinsichtlich des bisherigen Verfahrensgangs wird auf die Senatsentscheidung vom 12.12.2018 Bezug genommen. Durch diese hat der Senat gegen den am 06.12.2018 bei Füssen zur Sicherung der Auslieferung vorläufig festgenommen Verfolgten Auslieferungshaft angeordnet, dem Auslieferungshaftbefehl den im Tenor unter Ziffer 2 aufgeführten Europäischen Haftbefehl zugrunde gelegt und die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zurückgestellt.

Nachdem die Haftbedingungen in Rumänien bekanntermaßen problematisch sind, hatte die Generalstaatsanwaltschaft München mit Faxschreiben vom 06.12.2018 bei den rumänischen Behörden ergänzende Informationen in Bezug auf die Haftbedingungen, die den Verfolgten im Falle einer Auslieferung nach Rumänien erwarten würden, angefordert und für den Eingang dieser ergänzenden Informationen eine Frist bis 15.01.2019 gesetzt. Bis zum Eingang dieser ergänzenden Informationen zu den Haftbedingungen war die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zurückzustellen.

Mit Schreiben vom 07.01.2019 haben die rumänischen Behörden die erforderlichen ergänzenden Angaben zu den Haftbedingungen, die der Verfolgte im Falle der Auslieferung zu erwarten hat, gemacht. Demnach wird der Verfolgte sich zunächst in Quarantäne befinden, wo ihm eine persönliche Mindestfläche von 3 qm zur Verfügung steht. Danach wird er die verfahrensgegenständliche Freiheitsstrafe im geschlossenen Vollzug, vermutlich in der Haftanstalt Iasi, verbüßen, wo ihm ein persönlicher Mindesthaftraum von ebenfalls 3 qm zur Verfügung steht. Mit Schreiben vom 11.01.2019, beim Senat eingegangen am 15.01.2019, hat die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt, die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen und die Auslieferung für zulässig zu erklären.

II.

Die Fortdauer der Auslieferungshaft war anzuordnen, weil die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 und 2 IRG nach wie vor erfüllt sind und die Auslieferungshaft auch weiterhin verhältnismäßig ist. Es haben sich in der Zwischenzeit keine Umstände ergeben, die eine Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls rechtfertigen könnten.

Die für die Zulässigkeitsentscheidung erforderlichen Unterlagen liegen vor, die SIS-Ausschreibung gilt insoweit als Europäischer Haftbefehl (§ 83 a Abs. 2 IRG). Die Unterlagen wurden dem Verfolgten bei seiner richterlichen Anhörung am 06.12.2018 eröffnet.

Grundsätzliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Auslieferung bestehen weiterhin nicht, § 15 Abs. 2 IRG. Das dem Verfolgten angelastete Verhalten ist auch nach deutschem Recht mit Strafe bedroht gem. § 177 des deutschen Strafgesetzbuchs. Die Auslieferungsfähigkeit folgt aus § 81 Nr. 2 IRG. Der Zulässigkeit der Auslieferung stehen keine Hindernisse nach §§ 2 ff., 80, 81, 83 IRG entgegen. Zwar handelt es sich bei dem gegen den Verfolgten ergangenen Urteil um ein Abwesenheitsurteil; ein Auslieferungshindernis gem. § 83 Abs. 1 Ziffer 3 IRG besteht jedoch gleichwohl nicht aufgrund der Angaben der rumänischen Behörden unter lit. d) des Europäischen Haftbefehls bzw. Nr. 244 der SIS-Ausschreibung.

Zur Frage der Haftbedingungen liegt nunmehr die o.g. Antwort der rumänischen Behörden vor. Danach wird dem Verfolgten während der Quarantänezeit von 3 Wochen und für die sich anschließende Haftzeit im geschlossenen Vollzug eine persönliche Mindestfläche von 3 qm zur Verfügung stehen.

Die Prüfung, ob die Haftbedingungen im ersuchenden Mitgliedsstaat Art. 3 EMRK genügen, hat anhand der vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung vom 20.10.2016 (EGMR, Urteil der großen Kammer vom 20. Oktober 2016 - 7334/13, Mursic/Kroatien) aufgestellten Kriterien zu erfolgen (vgl. die Senatsentscheidung vom 13.04.2017 - 1 AR 126/17 in: NJW-Spezial 2017, 378). In seiner Grundsatzentscheidung vom 20.10.2016 führte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof auf der Grundlage seiner zahlreichen bisherigen Entscheidungen zu der Frage des Vorliegens noch hinnehmbarer Haftbedingen aus, dass eine starke Vermutung für eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch erniedrigende Haftbedingungen besteht, wenn einem Gefangenen in einem Gemeinschaftshaftraum weniger als 3 qm als persönliche Fläche zur Verfügung stehen (vgl. bereits EGMR, NVwZ-RR 2013, 284, 288). Dass in diese 3 qm Raum, der mit Möbeln belegt ist, miteinbezogen ist, ist danach unerheblich.

Der Senat erachtet seither in ständiger Rechtsprechung eine persönliche Mindestfläche von 3 qm in Sammelhaftzellen als ausreichend, um nicht schon aufgrund der Größe der persönlichen Mindestfläche Haftbedingungen, die gegen Art. 3 EMRK verstoßen, anzunehmen.

Vorliegend ist von einer persönlichen Mindestfläche von 3 qm während der Quarantänezeit und während des sich anschließenden geschlossenen Vollzugs auszugehen. Auch unter Berücksichtigung der übrigen, im Schreiben vom 07.01.2019 geschilderten Haftbedingungen erwarten den Verfolgten in Rumänien nach der Auslieferung keine Haftbedingungen, die gegen Art. 3 EMRK verstoßen.

Soweit die rumänischen Behörden mitgeteilt haben, dass der Verfolgte zu einem späteren Zeitpunkt ggfs. aus dem geschlossenen in den halboffenen Vollzug verlegt werden könnte, waren die dann zu erwartenden Vollzugsbedingungen vom Senat nicht zu prüfen. Denn der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 25.07.2018 - C-220/18 PPU klargestellt, dass Art. 1 Abs. 3, Art. 5 und Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung dahingehend auszulegen ist, dass das Gericht, wenn es über Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer oder allgemeiner Mängel der Haftbedingungen in den Haftanstalten des Ausstellungsmitgliedstaats verfügt, deren Richtigkeit unter Berücksichtigung sämtlicher verfügbarer aktualisierter Angaben zu überprüfen hat, wobei das Gericht nur die Haftbedingungen in den Haftanstalten prüfen muss, in denen die auszuliefernde Person nach den dem Gericht vorliegenden Informationen wahrscheinlich - und sei es auch nur vorübergehend oder zu Übergangszwecken - inhaftiert sein wird.

Es besteht demnach keine Verpflichtung des ersuchten Staates, die Haftbedingungen in sämtlichen Haftanstalten des Ausstellungsmitgliedsstaats zu überprüfen, sondern nur die Verpflichtung, die Haftbedingungen in den Haftanstalten zu überprüfen, in die der Verfolgte nach seiner Auslieferung wahrscheinlich aufgenommen wird.

Unter Zugrundelegung der vom Europäischen Gerichtshof im Urteil vom 25. Juli 2018, C-220/18 PPU dargestellten Grundsätze überprüft der Senat seither bei Auslieferungen nach Rumänien in ständiger Rechtsprechung nur die Haftbedingungen in der sog. Quarantäne-Haftanstalt sowie in der Haftanstalt, in die der Verfolgte im Anschluss an die Quarantänezeit aufgenommen werden wird (vgl. OLG München, Beschluss vom 06. August 2018 - 1 AR 296/18 -, juris).

Allein der Umstand, dass der Verfolgte zu einem späteren Zeitpunkt in eine andere Haftanstalt verlegt werden bzw. in einem anderen Vollzugsregime seine Strafe verbüßen könnte, führt daher nicht zu einer weitergehenden Überprüfung der dann ggfs. vorliegenden Haftbedingungen durch den Senat im Rahmen der Zulässigkeitsentscheidung.

Da aufgrund der ergänzenden Informationen der rumänischen Behörden vom 07.01.2019 auch § 73 IRG, Art. 6 EUV, Art. 3 EMRK der Auslieferung nicht entgegenstehen, war die Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären.

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published on 06/08/2018 00:00

Tenor 1. Gegen den rumänischen Staatsangehörigen A. P., geboren am . . in C., wird zur Sicherung der Auslieferung an die rumänischen Behörden zur Strafvollstreckung Auslieferungshaft angeordnet. 2. Dem Auslieferungshaftbefehl wir
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Annotations

(1) Nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens kann gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft angeordnet werden, wenn

1.
die Gefahr besteht, daß er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde, oder
2.
auf Grund bestimmter Tatsachen der dringende Verdacht begründet ist, daß der Verfolgte die Ermittlung der Wahrheit in dem ausländischen Verfahren oder im Auslieferungsverfahren erschweren werde.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Auslieferung von vornherein unzulässig erscheint.

§ 3 findet mit den Maßgaben Anwendung, dass

1.
die Auslieferung zur Verfolgung nur zulässig ist, wenn die Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates mit einer Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht ist,
2.
die Auslieferung zur Vollstreckung nur zulässig ist, wenn nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates eine freiheitsentziehende Sanktion zu vollstrecken ist, deren Maß mindestens vier Monate beträgt,
3.
die Auslieferung in Steuer-, Zoll- und Währungsangelegenheiten auch zulässig ist, wenn das deutsche Recht keine gleichartigen Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des ersuchenden Mitgliedstaates,
4.
die beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen ist, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates mit einer freiheitsentziehenden Sanktion im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht ist und den in Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190 vom 18. 7. 2002, S. 1), der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI (ABl. L 81 vom 27.3.2009, S. 24) geändert worden ist, (Rahmenbeschluss Europäischer Haftbefehl) aufgeführten Deliktsgruppen zugehörig ist.

Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.