Oberlandesgericht Köln Urteil, 3. März 2022 - 18 U 12/20
Gericht
Submitted by
Oberlandesgericht Köln
Im Namen des Volkes
Urteil
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 20.12.2019, Az. 8 O 99/18, abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz fallen der Klägerin zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
In dem Rechtsstreit
hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 20.01.2022 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht E., den Richter am Oberlandesgericht G. und den Richter am Oberlandesgericht I.
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 20.12.2019, Az. 8 O 99/18, abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz fallen der Klägerin zur Last.
9Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin macht – z.T. aus abgetretenem Recht – gegen die Beklagte zu 1) als Haftpflichtversicherung des früheren Rechtsanwalts W. Schadensersatzansprüche wegen einer angeblich fehlerhaften Beratung in einer Krisensituation geltend.
Die Familie C. war im Fleischhandel aktiv. Diesen betrieb sie über die C. V. (künftig: KG). Im Handelsregister eingetragener Geschäftsführer der Komplementärin war bis 2009 Herr A. C. sen. und seitdem sein Sohn A. F. C. jun., der im Jahre 2009 auch die Kommanditeinlage der alleinigen Kommanditistin P. C., seiner Mutter, übernahm. Mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 01.08.2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt U. bestellt. Der Betrieb der KG wurde auf einem Grundstück geführt, das diese von der Klägerin, deren einzige Kommanditistin Frau C. ist, gemietet hatte.
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der KG hat in einem vor dem Landgericht Aachen geführten Rechtsstreit (10 O 204/16) die Klägerin auf Zahlung von 186.646,25 € in Anspruch genommen. Diesen Betrag sollte die KG in den letzten vier Jahren vor Beantragung der Insolvenz zum Teil ohne Rechtsgrund bzw. als Miete für das Betriebsgrundstück an die Klägerin geleistet haben. Daneben hat er Vater und Sohn C. auf Zahlung von 279.729,44 € wegen nach Eintritt der Insolvenzreife der KG im Zeitraum vom 02.01.-01.06.2012 geleisteter bzw. auf ein debitorisch geführtes Konto eingenommener Zahlungen in Anspruch genommen. Die Klage des Insolvenzverwalters gegen die Klägerin wurde zurückgenommen, nachdem es zwischen der Klägerin, ihrer Komplementärin und den beiden Herren C. auf der einen und dem Insolvenzverwalter auf der anderen Seite am 06.04/20.05.2018 zu einem außergerichtlichen Vergleich mit im Wesentlichen folgenden Inhalt gekommen war:
„1. Herr A. C. und Herr A. F. C. verpflichten sich, als Gesamtschuldner an Herrn Rechtsanwalt Y. U. in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C. V. … 85.000,00 EUR zu zahlen.
2. Mit der Zahlung dieses Vergleichsbetrages sind sämtliche Ansprüche der Insolvenzmasse gegen die Herren A. C. und A. F. C. … abgegolten und erledigt. Ebenfalls abgegolten und erledigt sind alle … Ansprüche der Masse gegenüber der N. (haftungsbeschränkt) & Co. KG sowie der N. (haftungsbeschränkt).“ (Anl. I/82)
Der Vergleich wurde erfüllt.
Die Beklagte zu 1) ist die Haftpflichtversicherung von Rechtsanwalt W., über dessen Vermögen am 18.04.2017 ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Rechtsanwalt W. war seit Sommer 2009 mit der Umorganisation und Restrukturierung der Vorgängerfirma der Klägerin, der N. T. Produktions GmbH & Co. KG, und der KG befasst. Daneben war er mit der Abwehr von Forderungen gegen die KG und Verhandlungen mit der Aachener Bank eG, bei der das Geschäftskonto der KG geführt wurde, beauftragt. Dabei erfolgte kein Hinweis auf eine möglicherweise bestehende Insolvenzreife der KG und die daraus erwachsenden Folgen, die sich u. a. aus § 130a HGB (a.F.) ergeben. Die Herren C. haben etwaige ihnen deswegen zustehende Ansprüche gegen Rechtsanwalt W. am 22.05.2018 an die Klägerin abgetreten (Anl I/86). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie der in erster Instanz gestellten Anträge, mit denen die Klägerin neben der Beklagten zu 1) zusätzlich auch die damaligen Steuerberater der KG in Anspruch genommen hat, wird auf das angefochtene Urteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 04.02.2020 verwiesen.
Mit Urteil vom 20.12.2019 hat das Landgericht die Beklagte zu 1) zur Zahlung des Vergleichsbetrags sowie der den Herren C. entstandenen Anwaltskosten verurteilt. Diese hafte der Klägerin aus abgetretenem Recht der Herren C. gemäß § 115 Abs. 1 S. 2 VVG i. V. m. § 280 Abs. 1, §§ 675, 611 BGB. Der Versicherungsnehmer der Beklagten zu 1), Rechtsanwalt W., habe gegen die Verpflichtung aus einem mit der KG bestehenden Anwaltsvertrag, und zwar aus einem im Februar 2011 geschlossenen Sanierungsauftrag hinsichtlich der Beratung zu einer weiteren Darlehenshingabe durch Frau C., verstoßen, die KG auf deren zumindest seit Ende 2011 bestehende Insolvenzreife und die Pflicht zur Insolvenzantragstellung sowie zur Masseerhaltung hinzuweisen. Die Herren C. seien als Geschäftsführer (Herr C. jun.) bzw. faktischer Geschäftsführer (Herr C. sen.) in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages einbezogen gewesen. Die Vergleichssumme in Höhe von 85.000 € sowie die den Herren C. entstanden Rechtsanwaltskosten in Höhe von 11.766,66 € seien der hierdurch adäquat kausal verursachte Schaden.
Hiergegen wendet sich die Beklagte zu 1) mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Rechtsanwalt W. sei zu keinem Zeitpunkt von der KG mit einer Sanierungsberatung beauftragt gewesen. Insbesondere am 17.02.2011 habe es nur eine Beratung für Frau C. gegeben, ob sie der KG noch 100.000 € als Darlehen überlassen sollte. Die Herren C. seien auch nicht in den Schutzbereich eines solchen Vertrages einbezogen gewesen, wobei eine solche Einbeziehung für Herrn A. C. sen. als bloß faktischem Geschäftsführer ohnehin ausscheide und zudem auch die Voraussetzungen für dessen Stellung als faktischer Geschäftsführer nicht hinreichend festgestellt worden seien. Im Übrigen habe Rechtsanwalt W. von einer – weiterhin bestrittenen – Insolvenzreife der KG seit Ende 2011 keine Kenntnis gehabt. Auch sei nicht festgestellt, inwiefern die Herren C. zu Recht von dem Insolvenzverwalter der KG in Anspruch genommen wurden und inwiefern derartige Ansprüche letztlich in die Vergleichssumme – die zur Abgeltung unterschiedlicher Ansprüche gedient habe – eingeflossen seien. Jedenfalls treffe die Herren C. ein Mitverschulden, das anspruchsmindernd zu berücksichtigen sei. Schließlich seien etwaige Ansprüche verjährt.
Die Beklagte zu 1) beantragt,das Urteil des Landgerichts Aachen vom 20.12.2019, 8 O 99/18, abzuändern und die Klage gegen die Beklagte zu 1) abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und hält daran fest, dass sich abweichend von den Feststellungen des Landgerichts eine Pflicht des Rechtsanwalts W. zur Prüfung der Insolvenzreife bereits aufgrund des seit 2009 bestehenden Restrukturierungsmandats (im Sinne einer Sanierungsberatung) ergeben habe, wobei sie ergänzend behauptet, dass Rechtsanwalt W. bereits im Rahmen des begründeten Sanierungsmandats ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 02.09.2021 (Bl. 234 ff. eA), ergänzt durch Beschluss vom 18.10.2021 (Bl. 270 f. eA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.01.2022 (Bl. 381 ff. eA) Bezug genommen.
II.
1. Die Berufung der Beklagten zu 1) ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des von den Herren C. im Vergleichswege übernommenen Betrags von 85.000 € und der von den Herren C. getragenen Anwaltskosten in Höhe von 11.766,66 €, den die Klägerin hier aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers der Beklagten zu 1), Rechtsanwalt W., gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG unmittelbar ggü. der Beklagten zu 1) geltend machen könnte, steht ihr weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht der Herren C. zu.
a) Soweit die Klägerin einen entsprechenden Anspruch (erstinstanzlich) auch auf Pflichtverletzungen des Rechtsanwalts W. im Rahmen eines zwischen ihr selbst und Rechtsanwalt W. geschlossenen Anwaltsvertrags stützt, kann dahinstehen, ob die Klägerin das Bestehen eines entsprechenden Vertrages mit ihr selbst angesichts des Bestreitens der Beklagten zu 1) – wonach eine Beauftragung von Rechtsanwalt W. durchweg allein durch die KG erfolgt sei – überhaupt hinreichend dargelegt hat, nachdem auch die von der Klägerin hierzu vorgelegten Unterlagen (insbesondere das Schreiben Anlage K1, Bl. 7 GA, nebst mitübersandter Vergütungs- und Mandatsvereinbarung, Bl. 8ff. GA, sowie die Kostenrechnungen Anlagen K13-K22) durchweg an die KG adressiert waren. Denn jedenfalls ist der Klägerin durch die allein von den Herren C. im Vergleich übernommene Zahlungsverpflichtung und durch die bei den Herren C. angefallenen Anwaltskosten kein eigener Schaden entstanden.
Soweit ein eigener Schaden der Klägerin im Zusammenhang mit den vom Insolvenzverwalter der KG im Verfahren vor dem Landgericht Aachen, 10 O 204/16, gegen sie geltend gemachten Ansprüchen denkbar gewesen wäre, ist die Klage nach Vergleichsschluss unstreitig zurückgenommen worden und sind derartige Ansprüche infolge des Vergleichs inzwischen auch erloschen, ohne dass die Klägerin selbst eine Zahlung hierauf leisten musste. Aus dem Vergleich waren vielmehr allein die Herren C. verpflichtet, die dann auch in erster Linie auf die gegen sie selbst gerichtete Forderung gezahlt haben. Die „Miterledigung“ der gegen die Klägerin gerichteten Forderung in dem Vergleich ist lediglich Teil einer Gesamtbereinigung, ohne dass deswegen in der Leistung der Herren C. ein eigener Schaden der Klägerin gesehen werden könnte.
Soweit ein eigener Schaden der Klägerin hiernach allenfalls durch die bei dieser selbst angefallenen Anwaltskosten in dem Verfahren vor dem Landgericht Aachen, 10 O 204/16, wie sie erstinstanzlich mit dem Antrag auf Zahlung weiterer 8.393,95 € von der Klägerin auch geltend gemacht wurden, entstanden sein könnte, ist diese Position nach Abweisung durch das Landgericht nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.
b) Auch ein von der Klägerin aus abgetretenem Recht verfolgter Schadensersatzanspruch der Herren C. wegen anwaltlicher Falschberatung gemäß § 280 Abs. 1, §§ 675, 611 ff. BGB aus einem zwischen der KG und Rechtsanwalt W. geschlossenen anwaltlichen Beratungsvertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter besteht nicht. Denn selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgehen würde, dass Rechtsanwalt W. im Rahmen der seit 2009 erbrachten Beratungsleistungen eine Pflichtverletzung dergestalt vorzuwerfen wäre, dass er es trotz erkennbarer Insolvenzreife der Schuldnerin unterlassen hat, auf eine Insolvenzprüfung hinzuwirken und die Geschäftsführer auf deren Insolvenzantragspflicht und die Haftungsfolgen des § 130a HGB (a.F.) hinzuweisen, so würde eine derartige Pflichtverletzung hier nicht zu einem Anspruch der Herren C. geführt haben, weil diese nicht in den Schutzbereich der Verträge einbezogen waren.
aa) Ein Anwaltsvertrag hat auch ohne ausdrückliche Regelung Schutzwirkungen zu Gunsten eines Dritten, sofern sich dies aus einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben geprägten ergänzenden Auslegung des Beratervertrags ergibt (BGH, Urteil vom 10.12.2015 – IX ZR 56/15, Rn. 26 m.w.N. nach beck-online). Hierzu müssen nach ständiger Rechtsprechung folgende Kriterien erfüllt sein: Der Dritte muss mit der Hauptleistung des Rechtsanwalts bestimmungsgemäß in Berührung kommen. Der Gläubiger muss ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Beratungsvertrags haben. Die Einbeziehung Dritter muss dem schutzpflichtigen Berater bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein. Ausgeschlossen ist ein zusätzlicher Drittschutz regelmäßig dann, wenn der Dritte wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfügt. Voraussetzung für die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages ist deshalb, dass der Anwalt, in dem Zeitpunkt, in dem er sich vertraglich bindet, das Haftungsrisiko übersehen, berechnen und versichern kann. Nur dann kann der vertragliche Schutz eines Dritten auch auf den Vertragswillen des Schuldners zurückgeführt werden (G. Fischer in D. Fischer/Vill/G. Fischer/Pape/Czub, Hdb. der Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2020, § 10 Rn. 10). Für die Bejahung der Einbeziehung eines Geschäftsführers in den Schutzbereich des Vertrages wird deshalb darauf abgestellt, dass ein Vertrag bestehen muss, „in dessen Rahmen es um die Warnung vor einer möglichen Insolvenzreife und die damit verbundene Prüfung der Zahlungsfähigkeit und Schuldendeckung der Gesellschaft geht“ (Pape, NZI 2019, 260, 265).
Eine generelle Haftung des Anwalts für Vermögensschäden von Vertretungsorganen des vom Anwalt beratenen Mandanten, die auf die rechtliche Beratung zurückzuführen sind, ist mit dem engen Anwendungsbereich des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht vereinbar. Vielmehr müssen, wenn Dritte in die Schutzwirkungen eines Vertrags einbezogen werden sollen, diese bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommen, der Gläubiger muss an deren Schutz ein besonderes Interesse haben und Inhalt und Zweck des Vertrags müssen erkennen lassen, dass diesen Interessen Rechnung getragen werden soll (s. BGH, Urteil vom 21.07.2016 – IX ZR 252/15, Rn. 19 m.w.N. nach beck-online). Für die vorliegende Fallkonstellation ist dabei zu berücksichtigen, dass die Verhinderung einer Haftung der Organwalter nach §§ 130a, 177a HGB (a.F.) – auf die sich die Klägerin zur Begründung eines durch die Vergleichszahlung entstandenen Schadens der Herren C. hier maßgeblich stützt – formal als reine Binnenhaftung gegenüber der Gesellschaft das Interesse der Gesellschaft (als Gläubigerin im Vertragsverhältnis mit dem Berater) primär gar nicht tangiert, sondern es sich materiell um eine Haftung im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger der Gesellschaft handelt, um die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft zu erhalten. Dennoch ist die drittschützende Wirkung aber jedenfalls dann zu bejahen, wenn etwa der Auftrag auf ein Gutachten zur Insolvenzreife der Gesellschaft gerichtet ist (s. BGH, ebd., Rn. 23 m.w.N.). In diesem Fall ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch der Geschäftsführer einer GmbH für eine Haftungserstreckung schutzwürdig, da das Risiko der Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH eine typische Begleiterscheinung einer verspäteten Insolvenzantragstellung ist (§ 64 GmbHG a. F. bzw. § 15b InsO). Denn ist der Auftrag auf die Prüfung des Vorliegens etwaiger Insolvenzreife gerichtet, ist das Ergebnis – wie der damit Beauftragte weiß – nicht zuletzt für den Gebrauch des Geschäftsführers bestimmt. Die Stellungnahme des insolvenzspezifischen Beraters wird zur Grundlage einer Entscheidung über Vermögensdispositionen gemacht (s. BGH, Urteil vom 14.06.2012 – IX ZR 145/11, Rn. 28ff. nach beck-online).
Die vorgenannten Erwägungen betreffen jedoch die Konstellation, dass die vertraglich geschuldete Hauptleistung auf eine insolvenzspezifische Beratung gerichtet ist. Wenn demgegenüber im Rahmen eines nicht auf eine derartige Hauptleistung gerichteten anwaltlichen Vertragsverhältnisses bloß nebenvertragliche Hinweis- und Warnpflichten bestehen, etwa wenn sich im Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit entsprechende Anhaltspunkte für die Gefahr einer Insolvenz des Mandanten ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2018 – IX ZR 80/17, NJW 2018, 2476), würde es zu weit führen, den Geschäftsführer in den haftungsrechtlich relevanten Schutzbereich des Vertrages zwischen der Gesellschaft und dem Rechtsanwalt auch hinsichtlich der Verletzung solcher bloßer nebenvertraglicher Pflichten einzubeziehen. Denn grundsätzlich ist ein enger Anwendungsbereich des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter geboten, da ansonsten die Grenze zwischen deliktischer und vertraglicher Haftung zu verwischen droht. Die Haftung des Schuldners – dessen Interessen im Rahmen einer Haftungserweiterung nach den Grundsätzen dieses Rechtskonstrukts genauso zu berücksichtigen sind – wird letztendlich ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage erweitert. Daher muss der Kreis der geschützten Dritten für den Schuldner subjektiv erkennbar und vorhersehbar sein und das Vertrags- und Haftungsrisiko muss für den Schuldner bei Abschluss des Vertrages übersehbar, kalkulierbar und ggf. versicherbar sein (s. auch MüKoBGB/Gottwald, 8. Aufl. 2019, § 328 Rn. 190 m.w.N.). Nur dann kann ihm ein vertragliches Haftungsrisiko zugemutet werden (s. ebenso bereits OLG Köln, Urteil vom 12.08.2021 – 18 U 197/20 - NZG 2021, 1642 Rn. 67ff.).
Die von der Klägerin für ihre hiervon abweichende Auffassung angeführten Entscheidungen stehen dem nicht entgegen. So hat bspw. der BGH in seinem Urteil vom 07.03.2013 (IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829) schon eine Aufklärungspflicht gegenüber der Auftraggeberin verneint, sodass bereits deshalb eine Einbeziehung des Geschäftsführers in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages nicht in Betracht kam, weil die Pflichten gegenüber dem Geschäftsführer als Dritten nicht weiter gehen können als diejenigen, die gegenüber der Gesellschaft als Auftraggeberin bestehen. Soweit das OLG Hamm in seinem Urteil vom 13.04.2010 (21 U 94/09, MedR 2011, 812) die Einbeziehung einer als Erbe vorgesehenen Person in den Schutzbereich des Krankenhausaufnahmevertrages, der auch die Unterstützung bei der Abfassung eines wirksamen Testaments umfasste, angenommen hat, steht das nicht in Widerspruch zur Rechtsauffassung des Senats, weil der Patient im Rahmen der Behandlung ausdrücklich um Unterstützung bei der Abfassung eines Testaments gebeten und der Mitarbeiter des Krankenhauses sich hierauf durch Fertigung eines Testamentsentwurfs eingelassen hatte. Von daher war die Erweiterung des Haftungsrisikos in dieser Konstellation für den Krankenhausträger zumindest seit der ausdrücklichen Bitte um Unterstützung bei der Abfassung des Testaments offensichtlich. Gleiches gilt schließlich für das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.03.2021 (28 U 279/19, ZInsO 2021, 962). Denn dort war der Auftrag ausweislich des Tatbestands der Entscheidung gerade auf die insolvenzrechtliche Beratung gerichtet. Und auch in der zuletzt von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des OLG Köln vom 13.10.2021 (2 U 23/21, BeckRS 2021, 36066) ging es um einen ausdrücklich als solchen vereinbarten Sanierungsberatervertrag.
bb) Ein Mandat, in dessen Rahmen es Rechtsanwalt W. im Sinne einer Hauptpflicht oblegen hätte, die KG – und damit drittschützend auch die Herren C. als Geschäftsführer (bzw. faktischen Geschäftsführer) ihrer Komplementär-GmbH – zumindest zu einer Insolvenzprüfung anzuhalten und die Geschäftsführer auf deren Insolvenzantragspflicht und die Haftungsfolgen des § 130a HGB (a.F.) hinzuweisen, ließ sich jedoch letztlich weder aufgrund des Parteivortrags noch nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme feststellen.
(1) Zum prozessualen Nachteil der insoweit beweisbelasteten Klägerin war insbesondere deren erst im Rahmen des Berufungsverfahrens aufgestellte Behauptung, Rechtsanwalt W. sei im Rahmen des „Sanierungsmandats“ ausdrücklich auch mit der Prüfung der Insolvenzreife der KG beauftragt worden (Schriftsatz vom 19.07.2021, Bl. 172 eA), nicht erweislich. Die Angaben der hierzu vernommenen Zeugen waren durchweg unergiebig. Der Zeuge C. jun. hatte nach eigenen Angaben ohnehin keine Wahrnehmungen zum Inhalt der mit Rechtsanwalt W. geschlossenen Verträge; auch die Zeugen S. und X. wusste nichts über einen Auftrag an Rechtsanwalt W., die Insolvenzreife der KG zu prüfen. Gleiches gilt schließlich für den Zeugen Q., der angab, keine konkreten Vorstellungen über den Auftrag von Rechtsanwalt W. gehabt zu haben, und der auch keine Erinnerung daran hatte, dass Rechtsanwalt W. den Auftrag gehabt hätte, die Insolvenzreife festzustellen.
(2) Ebenso wenig feststellbar war letztlich, ob das im Zusammenhang mit der Re-strukturierung im Jahr 2009 erteilte, von der Klägerin so bezeichnete „Sanierungsmandat“, darüber hinaus wenigstens seinem Inhalt nach – entsprechend der Bewertung der Klägerin – als „Sanierungsberatung“ auch ohne ausdrücklichen Auftrag die Prüfung der Insolvenzreife als Hauptpflicht erfasst hat, weil eine Analyse einer möglichen Insolvenzantragspflicht zwingende Voraussetzung jedweder Restrukturierungsüberlegungen gewesen sei.
Die Bestimmung des Gegenstands der anwaltlichen Beratung ist in erster Linie Sache der Parteien, zumal sich auch der Vergütungsanspruch des Anwalts und dessen Haftungsrisiko danach richten. Insofern mag es – auch mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der KG, die sich zum damaligen Zeitpunkt u.a. Forderungen im Zusammenhang mit der Kündigung der Verträge ihres vormaligen Steuerberaters, diversen offenen Verbindlichkeiten und hierzu eingeleiteter Zwangsvollstreckungsmaßnahme sowie auch einem Wunsch der Aachener Bank auf Neuordnung der Unternehmensstruktur ausgesetzt sah – sinnvoll erscheinen, wenn die KG Herrn Rechtsanwalt W. damals mit einer „Sanierungsberatung“ im Sinne der Vorstellung der Klägerin beauftragt hätte, also insbesondere mit einer Hauptpflicht auf Prüfung der insolvenzrechtlichen Lage der Gesellschaft. Dass ein derartiges Mandat erteilt worden wäre, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch nicht zur Überzeugung des Senats fest. Vielmehr erscheint es ebenso gut möglich, wenn nicht gar wahrscheinlicher, dass Rechtsanwalt W. diverse Einzelaufträge zur Beratung hinsichtlich der jeweiligen einzelnen Angelegenheiten erteilt wurden, die dann auch jeweils als Einzelmandate bearbeitet wurden. Soweit Rechtsanwalt W. im Rahmen der Bearbeitung dieser Einzelmandate aufgrund der ihm erteilten und zugänglichen Informationen zu der Erkenntnis hätte gelangen müssen, dass eine Prüfung der insolvenzrechtlichen Situation der KG angezeigt gewesen wäre, so hätte auch dies zwar durchaus eine dahingehende Hinweispflicht begründen können – eine solche Hinweispflicht wäre dann aber eine bloße Nebenpflicht im Rahmen der erteilten Einzelmandate geblieben; zu einer Änderung der den Einzelmandaten jeweils zugrunde liegenden Hauptleistungspflicht hätte dies nicht geführt. Im Einzelnen:
Anlass für das – bei Rechtsanwalt W. in erster Linie unter dem Az. 254/09 geführte – „Sanierungsmandat“ war nach dem Vortrag der Beklagten zu 1), auf den sich auch die Klägerin letztlich bezieht (vgl. Schriftsatz vom 17.06.2021, Bl. 203 eA), das Erscheinen des Herrn C. sen. mit einem Stapel ungeöffneter Post, die im Wesentlichen laufende Vollstreckungsmaßnahmen betraf. Wie die weiteren vorgelegten Unterlagen zeigen, wurde unter diesem Aktenzeichen dann auch tatsächlich mit dem zuständigen Obergerichtsvollzieher zu den Vollstreckungsaufträgen korrespondiert (vgl. Anlage SK1) und u.a. auch die Wahrnehmung eines Termins mit dem OGV abgerechnet (vgl. Anlage K13). Die diesen Vollstreckungsmaßnahmen zugrundeliegenden Verbindlichkeiten sowie auch weitere Verbindlichkeiten, wie sie auf S. 3f. des angefochtenen Urteils näher dargestellt sind, wurden im Rahmen der Tätigkeit von Rechtsanwalt W. durch Frau C. im August bzw. September 2009 beglichen. Irgendein Anhaltspunkt, der dafür sprechen könnte, dass diese Tätigkeit von Rechtsanwalt W. zur Abwehr laufender Vollstreckungsmaßnahmen und zur Regelung bestimmter Einzelverbindlichkeiten hierüber hinaus auch – als Hauptpflicht – die Prüfung der Insolvenzsituation der KG beinhaltet hätte, bestehen nicht und ergaben sich auch im Rahmen der Beweisaufnahme nicht. Vielmehr ging es auch nach den Angaben des Zeugen Q. darum, dass die – durchaus erheblichen – Forderungen in 2009 durch einen Zuschuss von Frau C. beseitigt werden sollten, was unstreitig auch geschehen ist und was auch Herr C. sen. im Rahmen seiner Anhörung für die Forderung der Firma „J.“, die mit einem knapp sechsstelligen Betrag die weitaus höchste Position ausmachte, auch noch einmal bestätigt hat.
Soweit im Rahmen dieses Mandats darüber hinaus auch seit dem 27.07.2009 die Restrukturierung und Umorganisation der Vorgängerfirma der Klägerin und der KG von Rechtsanwalt W. begleitet worden ist, wie dies bspw. im Schreiben der Rechtsanwälte W. & Kollegen vom 08.01.2010 ausgeführt ist und was auch dadurch bestätigt wird, dass – insbesondere unter dem Az. 324/09 – diverse Korrespondenz zu dieser Restrukturierung geführt worden ist (vgl. Anlagen SK10-13), vermochte der Senat auch im Rahmen der Beweisaufnahme nichts festzustellen, was die Überzeugung rechtfertigen könnte, dass dieser Auftrag über die gesellschaftsrechtliche Neuorganisation der verschiedenen Unternehmen hinaus als Hauptpflicht auch die Prüfung der insolvenzrechtlichen Situation der KG umfasst hätte. Sowohl Herr C. sen. als auch der Zeuge C. jun. konnten zum Hintergrund des Auftrags zur Begleitung der Restrukturierung nicht mehr sagen, dass diese konkret von der KG als Sanierungsmaßnahme oder gar mit dem Ziel der Begutachtung der Insolvenzreife der KG beauftragt worden war; vielmehr meinte Herr C. sen., sich an steuerliche Gründe zu erinnern, und lt. dem Zeugen C. jun. ging es wohl um die Absicherung von Frau C. vor etwaigen Risiken. Die weiteren Angaben der Herren C., bspw. dass auch über eine „grundlegende Sanierung“ bzw. „allgemein“ über Risiken der persönlichen Haftung oder darüber gesprochen worden sei, was passiere, „wenn der schlimmste Fall einträte“, blieben zu unkonkret, um daraus einen – auch entsprechend zu vergütenden – Auftrag zu einer umfassenden Sanierungsberatung (incl. einer insolvenzspezifischen Prüfung als Hauptpflicht) herzuleiten. Gleiches gilt, soweit der vormalige Steuerberater damals einen unstreitig als unzulässig zurückgewiesenen Insolvenzantrag gestellt hatte, für den offenbleibt, inwiefern Rechtsanwalt W. überhaupt – über die aus dem Anwaltsschreiben vom 28.04.2009 (Anlage SK4) ersichtliche Einschaltung in die Auseinandersetzung zwischen dem Steuerberater und den C.-Unternehmen über wechselseitige Ansprüche aus den Steuerberatungsverträgen hinaus – im Hinblick auf diesen Insolvenzantrag mandatiert war. Etwas anderes folgt auch nicht aus den Angaben des Zeugen X., der als Mitarbeiter der Aachener Bank nach eigenen Angaben ohnehin keine Kenntnis vom Inhalt des an Rechtsanwalt W. damals erteilten Auftrags hatte. Soweit der Zeuge bekundet hat, dass die Bank damals tatsächlich wirtschaftliche Probleme bei der KG – im Vorfeld einer Insolvenz – gesehen habe, die letztlich zu einer engen Begleitung des Engagements durch die Bank geführt hätten, führt dies nicht dazu, dass aufgrund dieser Ausgangsumstände, wie sie Grundlage für die durch die Bank angestoßene Restrukturierung gewesen sein mögen, hier davon auszugehen wäre, dass der gegenüber Rechtsanwalt W. erteilte Auftrag auch auf eine insolvenzrechtliche Prüfung gerichtet gewesen wäre. Vielmehr ging es, wie der Zeuge weiter dargestellt hat, auch der Bank um eine „Zukunftsplanung“ unter Einbeziehung von Herrn C. jun. zur Verbesserung der Einnahmesituation durch einen Neuanfang mit der Gründung der jetzigen Klägerin, der – wie der Zeuge Q. angegeben hat – dadurch erreicht werden sollte, dass die bestehenden Verbindlichkeiten durch einen Zuschuss von Frau C. beseitigt werden sollten. Genau in diese Richtung ist Rechtsanwalt W. unstreitig auch tätig geworden, indem die Umstrukturierung durchgeführt wurde, die Verbindlichkeiten getilgt wurden und auch ein Vertriebsmitarbeiter zur Verbesserung der Einnahmesituation eingestellt wurde.
(3) Dieses Restrukturierungsmandat war hiernach entsprechend der Feststellungen des Landgerichts auch beendet und hat insbesondere nicht als Dauermandat im Sinne einer „Begleitung der KG in der Krise“ fortbestanden. Insofern hat auch die Beweisaufnahme vor dem Senat nichts ergeben, was eine von den Feststellungen des Landgerichts abweichende Überzeugung hätte begründen können. So hatte selbst Herr C. sen. keine Erinnerung daran, dass in der Folge bspw. pauschale Honorare (monatlich oder quartalsmäßig) für eine laufende Beratung abgerechnet worden wären; vielmehr bezeichnete er die ihm vorgehaltenen Einzelabrechnungen (Anlage K12ff.) als die übliche Art der Abrechnung. Auch der Eindruck der übrigen Zeugen sprach dafür, dass nach Durchführung der Restrukturierung das hierauf bezogene Mandat beendet war bzw. vermochte jedenfalls nicht ein fortdauerndes Mandat im Sinne einer Begleitung in der Krise zu bestätigen. So hat bspw. die Zeugin S. angegeben, dass es zur Zeit der Umstrukturierung häufiger Kontakt mit Rechtsanwalt W. gegeben habe, ansonsten aber nur unregelmäßig. Auch nach den Angaben des Zeugen Q. müssen die Gespräche nach 2009/2010 deutlich abgenommen haben; eine Beauftragung seiner Person (als Steuerberater) – und in vergleichbarer Weise auch eine Beauftragung von Rechtsanwalt W. – erfolgte nach den Angaben des Zeugen dann nur noch, um „Feuer zu löschen“, „wenn es brannte“, also zur Lösung jeweils konkret auftretender Einzelprobleme.
(4) Dass die insofern neben der Restrukturierung oder danach begründeten Einzelmandate (vgl. etwa die Abrechnungen in den Anlagen K14-20) keine Sanierungsberatung zum Gegenstand hatten, sieht auch die Klägerin nicht anders (vgl. Schriftsatz vom 15.04.2020, Bl. 119 eA).
(5) Schließlich sieht der Senat auch in der Heranziehung von Rechtsanwalt W. im Zusammenhang mit Planungen über eine erneute Darlehensvergabe durch Frau C. in Höhe von 100.000 € ab Februar 2011 jedenfalls keinen anwaltlichen Beratungsvertrag, der als Hauptpflicht die Prüfung und Entscheidung, ob eine Insolvenzreife der KG vorlag, umfasst hätte. Auch hier gilt, dass es in erster Linie darauf ankommt, was die Vertragsparteien zum Gegenstand des Mandats gemacht haben. Insofern ließ sich jedenfalls auch nach der Beweisaufnahme durch den Senat nicht feststellen, dass zwischen der KG und Rechtsanwalt W. in diesem Zusammenhang ein Beratungsvertrag geschlossen wurde, der als Hauptpflicht eine insolvenzrechtliche Bewertung der Situation der KG umfasst hätte. So hatte insbesondere der Zeuge C. jun. nach seinen Angaben gar keine Erinnerung an ein Beratungsgespräch im Februar 2011 und auch der Zeuge Q., der nach seinen Angaben an keinem Beratungsgespräch mit Frau C. teilgenommen hat, konnte diesbezüglich nichts Definitives bekunden. Soweit aufgrund der vom Landgericht festgestellten Umstände (insbesondere der auch Rechtsanwalt W. bekannten, nicht den Erwartung entsprechenden Entwicklung nach den im Jahr 2009 eingeleiteten Maßnahmen) durchaus im Rahmen eines auf die Beratung im Zusammenhang mit einer erneuten Darlehensvergabe durch Frau C. gerichteten Mandats ein Hinwirken des Rechtsanwalts auf eine insolvenzrechtliche Prüfung sinnvoll gewesen wäre und ggf. sogar ein Hinweis des Rechtsanwalts rechtlich geboten gewesen sein mag, verbleibt es im Ausgangspunkt aber dabei, dass dies allenfalls eine Nebenpflicht im Rahmen eines in erster Linie auf die Beratung im Zusammenhang mit einer Darlehensvergabe gerichteten Beratungsauftrags gewesen wäre. Dass ein Rechtsanwalt ein ggf. sanierungsbedürftiges Unternehmen im Hinblick auf den Erhalt eines Darlehens berät, macht aus der Beratung über die Darlehensangelegenheit keine Sanierungsberatung.
(6) Abgesehen davon, dass der Senat aus den vorstehend dargestellten Gründen ohnehin aus der Erklärung des als Partei angehörten Herrn A. C. sen. sowie den Aussagen der vernommenen Zeugen nicht die Überzeugung gewinnen konnte, dass Rechtsanwalt W. mit einer insolvenzspezifischen Beratung beauftragt gewesen ist, ist im Rahmen der Beweiswürdigung auch noch zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch ihre nicht näher begründete Verweigerung der Entbindung des gegenbeweislich benannten Zeugen Rechtsanwalt W. von seiner anwaltlichen Schweigepflicht eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts und insbesondere der Beklagten zu 1) die Führung des Gegenbeweises vereitelt hat. Da zum gesamten Inhalt der Verhandlung, die Grundlage der Beweiswürdigung ist (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO), auch die Versagung der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht gehört, muss auch die Weigerung, Aussagegenehmigung zu erteilen, bei der Tatsachenfeststellung berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 20. April 1983 – VIII ZR 46/82, Rn. 25 - 27 nach juris; Schneider in: Schneider, Die Klage im Zivilprozess, 3. Aufl. 2007, § 58 Zeuge, Rn. 2229 m.w.N.). Aufgrund der auch im Prozessrecht geltende Grundsätze von Treu und Glauben, nach denen Rechtspositionen nicht missbraucht werden dürfen, kommt es auch im Falle der Verweigerung eines Beweises, bei dem die Partei zur Verschaffung des Beweismittels nicht verpflichtet ist, darauf an, ob die Partei stichhaltige Weigerungsgründe vorbringt, wie bspw. höherwertige, über den Rechtsstreit hinausgehende Interessen (BGH, ebd. m.w.N.). Macht sich eine Partei die Schweigepflicht eines Zeugen hingegen ohne stichhaltige Gründe nur aus prozesstaktischen Gründen zunutze, stellt dies einen Missbrauch dar (BGH, Urteil vom 20. Juni 1967 – VI ZR 201/65, Rn. 6 nach juris; BGH, Beschluss vom 01. Juli 1980 – VI ZR 261/79, Rn. 3 nach juris; vgl. auch Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 385 Rn. 13). Diese zur Beweisvereitelung aufgestellten Grundsätze beanspruchen auch dann Geltung, wenn durch die Verweigerung der Erteilung einer Aussagegenehmigung die Führung des Gegenbeweises verhindert werden soll (vgl. Ahrens in: Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 1. Aufl. 2015, Kapitel 16: Der Anscheinsbeweis, Rn. 39; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, Vorbemerkungen zu § 284 Rn. 29, zum Spezialfall der Vereitelung der Erschütterung eines Anscheinsbeweises; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Juni 1997 – X ZR 119/94 –, Rn. 14 - 15 nach juris).
Irgendwelche Gründe, Rechtsanwalt W. nicht von seiner Schweigepflicht zu entbinden, hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht dargetan; vielmehr zeigte die ausdrückliche Mitteilung über die Verweigerung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Rahmen der Erörterung über das noch offene Beweisprogramm am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass die Weigerung, den beklagtenseits benannten Zeugen Rechtsanwalt W. von der Pflicht zur Verschwiegenheit zu entbinden, allein prozesstaktische Gründe hatte.
Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 07.02.2022 nachträglich ausführt, die Verweigerung der Entbindung dürfe nicht zu ihren Lasten berücksichtigt werden, weil sie selbst gar nicht für die Entbindung zuständig gewesen wäre, verkennt sie, dass die Annahme des Senats im Hinweisbeschluss vom 02.09.2021 (Bl. 234ff. eA), dass sich die Zuständigkeit für die Erteilung der Schweigepflichtsentbindung nach § 74 Abs. 2 GmbHG richte, auf die KG bezog und keine Aussage dazu enthielt, inwieweit eine Schweigepflichtsentbindung daneben ggf. auch durch die Klägerin selbst erforderlich war. Da die Klägerin durchweg vorgetragen hat, auch selbst eine Mandatsbeziehung zu Rechtsanwalt W. gehabt zu haben, die Klägerin selbst bzw. ihre Vorgängerfirma auch gerade Gegenstand der von Rechtsanwalt W. in 2009 begleiteten Restrukturierung war und ausweislich des von der Klägerin selbst in Bezug genommenen Schreibens der Kanzlei W. vom 28.04.2009 (Anlage SK4) auch dort offenbar von einer Vertretung (auch) der Klägerin ausgegangen wurde, war für eine Aussage des Rechtsanwalts W. zu Umfang und Inhalt der Mandatierungen ab 2009 jedenfalls auch eine Entbindung durch die Klägerin erforderlich. Insofern hat die Klägerin bei Erklärung der Verweigerung im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch keinen Zweifel daran gelassen, dass sie in ihrer Verweigerung einen Hinderungsgrund für eine Aussage des Zeugen W. sah, sie sich selbst also zumindest auch für zuständig zur (Verweigerung der) Schweigepflichtsentbindung hielt.
Der von der Klägerin im Schriftsatz vom 07.02.2022 für die Verweigerung der Schweigepflichtsentbindung nachgeschobene Grund, dass sie Anlass zu der Besorgnis habe, dass der Zeuge dazu neigen werde, einseitig den Standpunkt der Beklagten zu untermauern, ist auch kein stichhaltiger Weigerungsgrund. Die Beurteilung, ob eine etwaige Aussage des Zeugen – ggf. gar wahrheitswidrig – einseitig zu Gunsten einer Partei erfolgt, und die Würdigung der Glaubhaftigkeit einer solchen Aussage ist Aufgabe des Gerichts, die die Klägerin dem Gericht nicht durch Zurückhaltung ihrer Zustimmung zur Aussage des Zeugen vorenthalten darf (BGH, Beschluss vom 01. Juli 1980 – VI ZR 261/79 –, Rn. 3 nach juris).
c) Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.10.2021 (Bl. 253 eA) in den Raum stellt, dass ein anwaltlicher Beratungsvertrag unmittelbar auch zwischen Herrn C. sen. und Rechtsanwalt W. bestanden habe, kann sie auch hieraus keinen (im Wege der Abtretung auf sie übergegangenen) Anspruch herleiten. Selbst wenn sich aus dem beklagtenseits vorgelegten Schreiben der Kanzlei W. vom 28.04.2009 (Anlage SK4) ergeben mag, dass u.a. auch Herr C. sen. von der Kanzlei vertreten wurde, so ergibt sich bei Betrachtung des Gesamtinhalts des Schreibens, dass es darin um die Auseinandersetzung mit dem früheren Steuerberater über Ansprüche im Zusammenhang mit der Steuerberatung der C.-Unternehmen ging. Welchen Inhalt die Vertretung von Herrn C. sen. in diesem Zusammenhang gehabt haben soll, ist bereits nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht vorgetragen, so dass auch kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass für Rechtsanwalt W. in diesem Zusammenhang die Pflicht erwachsen wäre, Herrn C. sen. auf etwaige Haftungsfolgen im Falle einer Insolvenz der KG hinzuweisen. Gleiches gilt, soweit die Herren C. in der Verhandlung vor dem Senat angegeben haben, dass Rechtsanwalt W. schon vor 2009 für die Familie bzw. Herrn C. sen. tätig gewesen sei. Denn auch diesbezüglich ist nicht ersichtlich, was Inhalt derartiger Mandate gewesen sein soll und inwieweit sich daraus insolvenzspezifische Hinweispflichten im Hinblick auf die KG ergeben haben könnten.
Entgegen der Wertung der Klägerin im Schriftsatz vom 07.02.2022 lässt sich ein „konkludenter Auskunftsvertrag“ zwischen Rechtsanwalt W. und den Herren C. auch nicht in deren unkonkret gebliebenen Angaben, es sei auch „über Fragen der Insolvenz“ bzw. „allgemein über [Haftungs-] Risiken“ gesprochen worden, hineindeuten.
d) Der als Nebenforderung geltend gemachte Zinsanspruch teilt das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.
563. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, erfolgte vor dem Hintergrund, dass der Senat die hier entscheidungserhebliche Frage, ob die Einbeziehung eines Organwalters in den Schutzbereich eines anwaltlichen Beratungsvertrags ausscheidet, wenn der Vertrag lediglich eine Nebenpflicht begründet, auf das Bestehen einer Insolvenzreife oder zumindest auf das Erfordernis einer insolvenzrechtlichen Prüfung und die mit einer Insolvenz einhergehenden Haftungsfolgen des Organwalters hinzuweisen, noch nicht für abschließend geklärt erachtet. Gegen seine eigene diesbezügliche Entscheidung in dem Verfahren 18 U 197/20, für die die dargelegte Rechtsauffassung allerdings keine tragende Bedeutung hatte, wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (IX ZR 141/21)
Streitwert des Berufungsverfahrens: 96.766,66 €