Oberlandesgericht Köln Urteil, 3. März 2022 - 18 U 12/20
Oberlandesgericht Köln
Im Namen des Volkes
Urteil
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 20.12.2019, Az. 8 O 99/18, abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz fallen der Klägerin zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
In dem Rechtsstreit
hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 20.01.2022 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht E., den Richter am Oberlandesgericht G. und den Richter am Oberlandesgericht I.
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 20.12.2019, Az. 8 O 99/18, abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz fallen der Klägerin zur Last.
9Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin macht – z.T. aus abgetretenem Recht – gegen die Beklagte zu 1) als Haftpflichtversicherung des früheren Rechtsanwalts W. Schadensersatzansprüche wegen einer angeblich fehlerhaften Beratung in einer Krisensituation geltend.
Die Familie C. war im Fleischhandel aktiv. Diesen betrieb sie über die C. V. (künftig: KG). Im Handelsregister eingetragener Geschäftsführer der Komplementärin war bis 2009 Herr A. C. sen. und seitdem sein Sohn A. F. C. jun., der im Jahre 2009 auch die Kommanditeinlage der alleinigen Kommanditistin P. C., seiner Mutter, übernahm. Mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 01.08.2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt U. bestellt. Der Betrieb der KG wurde auf einem Grundstück geführt, das diese von der Klägerin, deren einzige Kommanditistin Frau C. ist, gemietet hatte.
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der KG hat in einem vor dem Landgericht Aachen geführten Rechtsstreit (10 O 204/16) die Klägerin auf Zahlung von 186.646,25 € in Anspruch genommen. Diesen Betrag sollte die KG in den letzten vier Jahren vor Beantragung der Insolvenz zum Teil ohne Rechtsgrund bzw. als Miete für das Betriebsgrundstück an die Klägerin geleistet haben. Daneben hat er Vater und Sohn C. auf Zahlung von 279.729,44 € wegen nach Eintritt der Insolvenzreife der KG im Zeitraum vom 02.01.-01.06.2012 geleisteter bzw. auf ein debitorisch geführtes Konto eingenommener Zahlungen in Anspruch genommen. Die Klage des Insolvenzverwalters gegen die Klägerin wurde zurückgenommen, nachdem es zwischen der Klägerin, ihrer Komplementärin und den beiden Herren C. auf der einen und dem Insolvenzverwalter auf der anderen Seite am 06.04/20.05.2018 zu einem außergerichtlichen Vergleich mit im Wesentlichen folgenden Inhalt gekommen war:
„1. Herr A. C. und Herr A. F. C. verpflichten sich, als Gesamtschuldner an Herrn Rechtsanwalt Y. U. in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C. V. … 85.000,00 EUR zu zahlen.
2. Mit der Zahlung dieses Vergleichsbetrages sind sämtliche Ansprüche der Insolvenzmasse gegen die Herren A. C. und A. F. C. … abgegolten und erledigt. Ebenfalls abgegolten und erledigt sind alle … Ansprüche der Masse gegenüber der N. (haftungsbeschränkt) & Co. KG sowie der N. (haftungsbeschränkt).“ (Anl. I/82)
Der Vergleich wurde erfüllt.
Die Beklagte zu 1) ist die Haftpflichtversicherung von Rechtsanwalt W., über dessen Vermögen am 18.04.2017 ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Rechtsanwalt W. war seit Sommer 2009 mit der Umorganisation und Restrukturierung der Vorgängerfirma der Klägerin, der N. T. Produktions GmbH & Co. KG, und der KG befasst. Daneben war er mit der Abwehr von Forderungen gegen die KG und Verhandlungen mit der Aachener Bank eG, bei der das Geschäftskonto der KG geführt wurde, beauftragt. Dabei erfolgte kein Hinweis auf eine möglicherweise bestehende Insolvenzreife der KG und die daraus erwachsenden Folgen, die sich u. a. aus § 130a HGB (a.F.) ergeben. Die Herren C. haben etwaige ihnen deswegen zustehende Ansprüche gegen Rechtsanwalt W. am 22.05.2018 an die Klägerin abgetreten (Anl I/86). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie der in erster Instanz gestellten Anträge, mit denen die Klägerin neben der Beklagten zu 1) zusätzlich auch die damaligen Steuerberater der KG in Anspruch genommen hat, wird auf das angefochtene Urteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 04.02.2020 verwiesen.
Mit Urteil vom 20.12.2019 hat das Landgericht die Beklagte zu 1) zur Zahlung des Vergleichsbetrags sowie der den Herren C. entstandenen Anwaltskosten verurteilt. Diese hafte der Klägerin aus abgetretenem Recht der Herren C. gemäß § 115 Abs. 1 S. 2 VVG i. V. m. § 280 Abs. 1, §§ 675, 611 BGB. Der Versicherungsnehmer der Beklagten zu 1), Rechtsanwalt W., habe gegen die Verpflichtung aus einem mit der KG bestehenden Anwaltsvertrag, und zwar aus einem im Februar 2011 geschlossenen Sanierungsauftrag hinsichtlich der Beratung zu einer weiteren Darlehenshingabe durch Frau C., verstoßen, die KG auf deren zumindest seit Ende 2011 bestehende Insolvenzreife und die Pflicht zur Insolvenzantragstellung sowie zur Masseerhaltung hinzuweisen. Die Herren C. seien als Geschäftsführer (Herr C. jun.) bzw. faktischer Geschäftsführer (Herr C. sen.) in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages einbezogen gewesen. Die Vergleichssumme in Höhe von 85.000 € sowie die den Herren C. entstanden Rechtsanwaltskosten in Höhe von 11.766,66 € seien der hierdurch adäquat kausal verursachte Schaden.
Hiergegen wendet sich die Beklagte zu 1) mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Rechtsanwalt W. sei zu keinem Zeitpunkt von der KG mit einer Sanierungsberatung beauftragt gewesen. Insbesondere am 17.02.2011 habe es nur eine Beratung für Frau C. gegeben, ob sie der KG noch 100.000 € als Darlehen überlassen sollte. Die Herren C. seien auch nicht in den Schutzbereich eines solchen Vertrages einbezogen gewesen, wobei eine solche Einbeziehung für Herrn A. C. sen. als bloß faktischem Geschäftsführer ohnehin ausscheide und zudem auch die Voraussetzungen für dessen Stellung als faktischer Geschäftsführer nicht hinreichend festgestellt worden seien. Im Übrigen habe Rechtsanwalt W. von einer – weiterhin bestrittenen – Insolvenzreife der KG seit Ende 2011 keine Kenntnis gehabt. Auch sei nicht festgestellt, inwiefern die Herren C. zu Recht von dem Insolvenzverwalter der KG in Anspruch genommen wurden und inwiefern derartige Ansprüche letztlich in die Vergleichssumme – die zur Abgeltung unterschiedlicher Ansprüche gedient habe – eingeflossen seien. Jedenfalls treffe die Herren C. ein Mitverschulden, das anspruchsmindernd zu berücksichtigen sei. Schließlich seien etwaige Ansprüche verjährt.
Die Beklagte zu 1) beantragt,das Urteil des Landgerichts Aachen vom 20.12.2019, 8 O 99/18, abzuändern und die Klage gegen die Beklagte zu 1) abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und hält daran fest, dass sich abweichend von den Feststellungen des Landgerichts eine Pflicht des Rechtsanwalts W. zur Prüfung der Insolvenzreife bereits aufgrund des seit 2009 bestehenden Restrukturierungsmandats (im Sinne einer Sanierungsberatung) ergeben habe, wobei sie ergänzend behauptet, dass Rechtsanwalt W. bereits im Rahmen des begründeten Sanierungsmandats ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 02.09.2021 (Bl. 234 ff. eA), ergänzt durch Beschluss vom 18.10.2021 (Bl. 270 f. eA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.01.2022 (Bl. 381 ff. eA) Bezug genommen.
II.
1. Die Berufung der Beklagten zu 1) ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des von den Herren C. im Vergleichswege übernommenen Betrags von 85.000 € und der von den Herren C. getragenen Anwaltskosten in Höhe von 11.766,66 €, den die Klägerin hier aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers der Beklagten zu 1), Rechtsanwalt W., gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG unmittelbar ggü. der Beklagten zu 1) geltend machen könnte, steht ihr weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht der Herren C. zu.
a) Soweit die Klägerin einen entsprechenden Anspruch (erstinstanzlich) auch auf Pflichtverletzungen des Rechtsanwalts W. im Rahmen eines zwischen ihr selbst und Rechtsanwalt W. geschlossenen Anwaltsvertrags stützt, kann dahinstehen, ob die Klägerin das Bestehen eines entsprechenden Vertrages mit ihr selbst angesichts des Bestreitens der Beklagten zu 1) – wonach eine Beauftragung von Rechtsanwalt W. durchweg allein durch die KG erfolgt sei – überhaupt hinreichend dargelegt hat, nachdem auch die von der Klägerin hierzu vorgelegten Unterlagen (insbesondere das Schreiben Anlage K1, Bl. 7 GA, nebst mitübersandter Vergütungs- und Mandatsvereinbarung, Bl. 8ff. GA, sowie die Kostenrechnungen Anlagen K13-K22) durchweg an die KG adressiert waren. Denn jedenfalls ist der Klägerin durch die allein von den Herren C. im Vergleich übernommene Zahlungsverpflichtung und durch die bei den Herren C. angefallenen Anwaltskosten kein eigener Schaden entstanden.
Soweit ein eigener Schaden der Klägerin im Zusammenhang mit den vom Insolvenzverwalter der KG im Verfahren vor dem Landgericht Aachen, 10 O 204/16, gegen sie geltend gemachten Ansprüchen denkbar gewesen wäre, ist die Klage nach Vergleichsschluss unstreitig zurückgenommen worden und sind derartige Ansprüche infolge des Vergleichs inzwischen auch erloschen, ohne dass die Klägerin selbst eine Zahlung hierauf leisten musste. Aus dem Vergleich waren vielmehr allein die Herren C. verpflichtet, die dann auch in erster Linie auf die gegen sie selbst gerichtete Forderung gezahlt haben. Die „Miterledigung“ der gegen die Klägerin gerichteten Forderung in dem Vergleich ist lediglich Teil einer Gesamtbereinigung, ohne dass deswegen in der Leistung der Herren C. ein eigener Schaden der Klägerin gesehen werden könnte.
Soweit ein eigener Schaden der Klägerin hiernach allenfalls durch die bei dieser selbst angefallenen Anwaltskosten in dem Verfahren vor dem Landgericht Aachen, 10 O 204/16, wie sie erstinstanzlich mit dem Antrag auf Zahlung weiterer 8.393,95 € von der Klägerin auch geltend gemacht wurden, entstanden sein könnte, ist diese Position nach Abweisung durch das Landgericht nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.
b) Auch ein von der Klägerin aus abgetretenem Recht verfolgter Schadensersatzanspruch der Herren C. wegen anwaltlicher Falschberatung gemäß § 280 Abs. 1, §§ 675, 611 ff. BGB aus einem zwischen der KG und Rechtsanwalt W. geschlossenen anwaltlichen Beratungsvertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter besteht nicht. Denn selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgehen würde, dass Rechtsanwalt W. im Rahmen der seit 2009 erbrachten Beratungsleistungen eine Pflichtverletzung dergestalt vorzuwerfen wäre, dass er es trotz erkennbarer Insolvenzreife der Schuldnerin unterlassen hat, auf eine Insolvenzprüfung hinzuwirken und die Geschäftsführer auf deren Insolvenzantragspflicht und die Haftungsfolgen des § 130a HGB (a.F.) hinzuweisen, so würde eine derartige Pflichtverletzung hier nicht zu einem Anspruch der Herren C. geführt haben, weil diese nicht in den Schutzbereich der Verträge einbezogen waren.
aa) Ein Anwaltsvertrag hat auch ohne ausdrückliche Regelung Schutzwirkungen zu Gunsten eines Dritten, sofern sich dies aus einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben geprägten ergänzenden Auslegung des Beratervertrags ergibt (BGH, Urteil vom 10.12.2015 – IX ZR 56/15, Rn. 26 m.w.N. nach beck-online). Hierzu müssen nach ständiger Rechtsprechung folgende Kriterien erfüllt sein: Der Dritte muss mit der Hauptleistung des Rechtsanwalts bestimmungsgemäß in Berührung kommen. Der Gläubiger muss ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Beratungsvertrags haben. Die Einbeziehung Dritter muss dem schutzpflichtigen Berater bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein. Ausgeschlossen ist ein zusätzlicher Drittschutz regelmäßig dann, wenn der Dritte wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfügt. Voraussetzung für die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages ist deshalb, dass der Anwalt, in dem Zeitpunkt, in dem er sich vertraglich bindet, das Haftungsrisiko übersehen, berechnen und versichern kann. Nur dann kann der vertragliche Schutz eines Dritten auch auf den Vertragswillen des Schuldners zurückgeführt werden (G. Fischer in D. Fischer/Vill/G. Fischer/Pape/Czub, Hdb. der Anwaltshaftung, 5. Aufl. 2020, § 10 Rn. 10). Für die Bejahung der Einbeziehung eines Geschäftsführers in den Schutzbereich des Vertrages wird deshalb darauf abgestellt, dass ein Vertrag bestehen muss, „in dessen Rahmen es um die Warnung vor einer möglichen Insolvenzreife und die damit verbundene Prüfung der Zahlungsfähigkeit und Schuldendeckung der Gesellschaft geht“ (Pape, NZI 2019, 260, 265).
Eine generelle Haftung des Anwalts für Vermögensschäden von Vertretungsorganen des vom Anwalt beratenen Mandanten, die auf die rechtliche Beratung zurückzuführen sind, ist mit dem engen Anwendungsbereich des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht vereinbar. Vielmehr müssen, wenn Dritte in die Schutzwirkungen eines Vertrags einbezogen werden sollen, diese bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommen, der Gläubiger muss an deren Schutz ein besonderes Interesse haben und Inhalt und Zweck des Vertrags müssen erkennen lassen, dass diesen Interessen Rechnung getragen werden soll (s. BGH, Urteil vom 21.07.2016 – IX ZR 252/15, Rn. 19 m.w.N. nach beck-online). Für die vorliegende Fallkonstellation ist dabei zu berücksichtigen, dass die Verhinderung einer Haftung der Organwalter nach §§ 130a, 177a HGB (a.F.) – auf die sich die Klägerin zur Begründung eines durch die Vergleichszahlung entstandenen Schadens der Herren C. hier maßgeblich stützt – formal als reine Binnenhaftung gegenüber der Gesellschaft das Interesse der Gesellschaft (als Gläubigerin im Vertragsverhältnis mit dem Berater) primär gar nicht tangiert, sondern es sich materiell um eine Haftung im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger der Gesellschaft handelt, um die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft zu erhalten. Dennoch ist die drittschützende Wirkung aber jedenfalls dann zu bejahen, wenn etwa der Auftrag auf ein Gutachten zur Insolvenzreife der Gesellschaft gerichtet ist (s. BGH, ebd., Rn. 23 m.w.N.). In diesem Fall ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch der Geschäftsführer einer GmbH für eine Haftungserstreckung schutzwürdig, da das Risiko der Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH eine typische Begleiterscheinung einer verspäteten Insolvenzantragstellung ist (§ 64 GmbHG a. F. bzw. § 15b InsO). Denn ist der Auftrag auf die Prüfung des Vorliegens etwaiger Insolvenzreife gerichtet, ist das Ergebnis – wie der damit Beauftragte weiß – nicht zuletzt für den Gebrauch des Geschäftsführers bestimmt. Die Stellungnahme des insolvenzspezifischen Beraters wird zur Grundlage einer Entscheidung über Vermögensdispositionen gemacht (s. BGH, Urteil vom 14.06.2012 – IX ZR 145/11, Rn. 28ff. nach beck-online).
Die vorgenannten Erwägungen betreffen jedoch die Konstellation, dass die vertraglich geschuldete Hauptleistung auf eine insolvenzspezifische Beratung gerichtet ist. Wenn demgegenüber im Rahmen eines nicht auf eine derartige Hauptleistung gerichteten anwaltlichen Vertragsverhältnisses bloß nebenvertragliche Hinweis- und Warnpflichten bestehen, etwa wenn sich im Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit entsprechende Anhaltspunkte für die Gefahr einer Insolvenz des Mandanten ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2018 – IX ZR 80/17, NJW 2018, 2476), würde es zu weit führen, den Geschäftsführer in den haftungsrechtlich relevanten Schutzbereich des Vertrages zwischen der Gesellschaft und dem Rechtsanwalt auch hinsichtlich der Verletzung solcher bloßer nebenvertraglicher Pflichten einzubeziehen. Denn grundsätzlich ist ein enger Anwendungsbereich des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter geboten, da ansonsten die Grenze zwischen deliktischer und vertraglicher Haftung zu verwischen droht. Die Haftung des Schuldners – dessen Interessen im Rahmen einer Haftungserweiterung nach den Grundsätzen dieses Rechtskonstrukts genauso zu berücksichtigen sind – wird letztendlich ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage erweitert. Daher muss der Kreis der geschützten Dritten für den Schuldner subjektiv erkennbar und vorhersehbar sein und das Vertrags- und Haftungsrisiko muss für den Schuldner bei Abschluss des Vertrages übersehbar, kalkulierbar und ggf. versicherbar sein (s. auch MüKoBGB/Gottwald, 8. Aufl. 2019, § 328 Rn. 190 m.w.N.). Nur dann kann ihm ein vertragliches Haftungsrisiko zugemutet werden (s. ebenso bereits OLG Köln, Urteil vom 12.08.2021 – 18 U 197/20 - NZG 2021, 1642 Rn. 67ff.).
Die von der Klägerin für ihre hiervon abweichende Auffassung angeführten Entscheidungen stehen dem nicht entgegen. So hat bspw. der BGH in seinem Urteil vom 07.03.2013 (IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829) schon eine Aufklärungspflicht gegenüber der Auftraggeberin verneint, sodass bereits deshalb eine Einbeziehung des Geschäftsführers in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages nicht in Betracht kam, weil die Pflichten gegenüber dem Geschäftsführer als Dritten nicht weiter gehen können als diejenigen, die gegenüber der Gesellschaft als Auftraggeberin bestehen. Soweit das OLG Hamm in seinem Urteil vom 13.04.2010 (21 U 94/09, MedR 2011, 812) die Einbeziehung einer als Erbe vorgesehenen Person in den Schutzbereich des Krankenhausaufnahmevertrages, der auch die Unterstützung bei der Abfassung eines wirksamen Testaments umfasste, angenommen hat, steht das nicht in Widerspruch zur Rechtsauffassung des Senats, weil der Patient im Rahmen der Behandlung ausdrücklich um Unterstützung bei der Abfassung eines Testaments gebeten und der Mitarbeiter des Krankenhauses sich hierauf durch Fertigung eines Testamentsentwurfs eingelassen hatte. Von daher war die Erweiterung des Haftungsrisikos in dieser Konstellation für den Krankenhausträger zumindest seit der ausdrücklichen Bitte um Unterstützung bei der Abfassung des Testaments offensichtlich. Gleiches gilt schließlich für das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.03.2021 (28 U 279/19, ZInsO 2021, 962). Denn dort war der Auftrag ausweislich des Tatbestands der Entscheidung gerade auf die insolvenzrechtliche Beratung gerichtet. Und auch in der zuletzt von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des OLG Köln vom 13.10.2021 (2 U 23/21, BeckRS 2021, 36066) ging es um einen ausdrücklich als solchen vereinbarten Sanierungsberatervertrag.
bb) Ein Mandat, in dessen Rahmen es Rechtsanwalt W. im Sinne einer Hauptpflicht oblegen hätte, die KG – und damit drittschützend auch die Herren C. als Geschäftsführer (bzw. faktischen Geschäftsführer) ihrer Komplementär-GmbH – zumindest zu einer Insolvenzprüfung anzuhalten und die Geschäftsführer auf deren Insolvenzantragspflicht und die Haftungsfolgen des § 130a HGB (a.F.) hinzuweisen, ließ sich jedoch letztlich weder aufgrund des Parteivortrags noch nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme feststellen.
(1) Zum prozessualen Nachteil der insoweit beweisbelasteten Klägerin war insbesondere deren erst im Rahmen des Berufungsverfahrens aufgestellte Behauptung, Rechtsanwalt W. sei im Rahmen des „Sanierungsmandats“ ausdrücklich auch mit der Prüfung der Insolvenzreife der KG beauftragt worden (Schriftsatz vom 19.07.2021, Bl. 172 eA), nicht erweislich. Die Angaben der hierzu vernommenen Zeugen waren durchweg unergiebig. Der Zeuge C. jun. hatte nach eigenen Angaben ohnehin keine Wahrnehmungen zum Inhalt der mit Rechtsanwalt W. geschlossenen Verträge; auch die Zeugen S. und X. wusste nichts über einen Auftrag an Rechtsanwalt W., die Insolvenzreife der KG zu prüfen. Gleiches gilt schließlich für den Zeugen Q., der angab, keine konkreten Vorstellungen über den Auftrag von Rechtsanwalt W. gehabt zu haben, und der auch keine Erinnerung daran hatte, dass Rechtsanwalt W. den Auftrag gehabt hätte, die Insolvenzreife festzustellen.
(2) Ebenso wenig feststellbar war letztlich, ob das im Zusammenhang mit der Re-strukturierung im Jahr 2009 erteilte, von der Klägerin so bezeichnete „Sanierungsmandat“, darüber hinaus wenigstens seinem Inhalt nach – entsprechend der Bewertung der Klägerin – als „Sanierungsberatung“ auch ohne ausdrücklichen Auftrag die Prüfung der Insolvenzreife als Hauptpflicht erfasst hat, weil eine Analyse einer möglichen Insolvenzantragspflicht zwingende Voraussetzung jedweder Restrukturierungsüberlegungen gewesen sei.
Die Bestimmung des Gegenstands der anwaltlichen Beratung ist in erster Linie Sache der Parteien, zumal sich auch der Vergütungsanspruch des Anwalts und dessen Haftungsrisiko danach richten. Insofern mag es – auch mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der KG, die sich zum damaligen Zeitpunkt u.a. Forderungen im Zusammenhang mit der Kündigung der Verträge ihres vormaligen Steuerberaters, diversen offenen Verbindlichkeiten und hierzu eingeleiteter Zwangsvollstreckungsmaßnahme sowie auch einem Wunsch der Aachener Bank auf Neuordnung der Unternehmensstruktur ausgesetzt sah – sinnvoll erscheinen, wenn die KG Herrn Rechtsanwalt W. damals mit einer „Sanierungsberatung“ im Sinne der Vorstellung der Klägerin beauftragt hätte, also insbesondere mit einer Hauptpflicht auf Prüfung der insolvenzrechtlichen Lage der Gesellschaft. Dass ein derartiges Mandat erteilt worden wäre, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch nicht zur Überzeugung des Senats fest. Vielmehr erscheint es ebenso gut möglich, wenn nicht gar wahrscheinlicher, dass Rechtsanwalt W. diverse Einzelaufträge zur Beratung hinsichtlich der jeweiligen einzelnen Angelegenheiten erteilt wurden, die dann auch jeweils als Einzelmandate bearbeitet wurden. Soweit Rechtsanwalt W. im Rahmen der Bearbeitung dieser Einzelmandate aufgrund der ihm erteilten und zugänglichen Informationen zu der Erkenntnis hätte gelangen müssen, dass eine Prüfung der insolvenzrechtlichen Situation der KG angezeigt gewesen wäre, so hätte auch dies zwar durchaus eine dahingehende Hinweispflicht begründen können – eine solche Hinweispflicht wäre dann aber eine bloße Nebenpflicht im Rahmen der erteilten Einzelmandate geblieben; zu einer Änderung der den Einzelmandaten jeweils zugrunde liegenden Hauptleistungspflicht hätte dies nicht geführt. Im Einzelnen:
Anlass für das – bei Rechtsanwalt W. in erster Linie unter dem Az. 254/09 geführte – „Sanierungsmandat“ war nach dem Vortrag der Beklagten zu 1), auf den sich auch die Klägerin letztlich bezieht (vgl. Schriftsatz vom 17.06.2021, Bl. 203 eA), das Erscheinen des Herrn C. sen. mit einem Stapel ungeöffneter Post, die im Wesentlichen laufende Vollstreckungsmaßnahmen betraf. Wie die weiteren vorgelegten Unterlagen zeigen, wurde unter diesem Aktenzeichen dann auch tatsächlich mit dem zuständigen Obergerichtsvollzieher zu den Vollstreckungsaufträgen korrespondiert (vgl. Anlage SK1) und u.a. auch die Wahrnehmung eines Termins mit dem OGV abgerechnet (vgl. Anlage K13). Die diesen Vollstreckungsmaßnahmen zugrundeliegenden Verbindlichkeiten sowie auch weitere Verbindlichkeiten, wie sie auf S. 3f. des angefochtenen Urteils näher dargestellt sind, wurden im Rahmen der Tätigkeit von Rechtsanwalt W. durch Frau C. im August bzw. September 2009 beglichen. Irgendein Anhaltspunkt, der dafür sprechen könnte, dass diese Tätigkeit von Rechtsanwalt W. zur Abwehr laufender Vollstreckungsmaßnahmen und zur Regelung bestimmter Einzelverbindlichkeiten hierüber hinaus auch – als Hauptpflicht – die Prüfung der Insolvenzsituation der KG beinhaltet hätte, bestehen nicht und ergaben sich auch im Rahmen der Beweisaufnahme nicht. Vielmehr ging es auch nach den Angaben des Zeugen Q. darum, dass die – durchaus erheblichen – Forderungen in 2009 durch einen Zuschuss von Frau C. beseitigt werden sollten, was unstreitig auch geschehen ist und was auch Herr C. sen. im Rahmen seiner Anhörung für die Forderung der Firma „J.“, die mit einem knapp sechsstelligen Betrag die weitaus höchste Position ausmachte, auch noch einmal bestätigt hat.
Soweit im Rahmen dieses Mandats darüber hinaus auch seit dem 27.07.2009 die Restrukturierung und Umorganisation der Vorgängerfirma der Klägerin und der KG von Rechtsanwalt W. begleitet worden ist, wie dies bspw. im Schreiben der Rechtsanwälte W. & Kollegen vom 08.01.2010 ausgeführt ist und was auch dadurch bestätigt wird, dass – insbesondere unter dem Az. 324/09 – diverse Korrespondenz zu dieser Restrukturierung geführt worden ist (vgl. Anlagen SK10-13), vermochte der Senat auch im Rahmen der Beweisaufnahme nichts festzustellen, was die Überzeugung rechtfertigen könnte, dass dieser Auftrag über die gesellschaftsrechtliche Neuorganisation der verschiedenen Unternehmen hinaus als Hauptpflicht auch die Prüfung der insolvenzrechtlichen Situation der KG umfasst hätte. Sowohl Herr C. sen. als auch der Zeuge C. jun. konnten zum Hintergrund des Auftrags zur Begleitung der Restrukturierung nicht mehr sagen, dass diese konkret von der KG als Sanierungsmaßnahme oder gar mit dem Ziel der Begutachtung der Insolvenzreife der KG beauftragt worden war; vielmehr meinte Herr C. sen., sich an steuerliche Gründe zu erinnern, und lt. dem Zeugen C. jun. ging es wohl um die Absicherung von Frau C. vor etwaigen Risiken. Die weiteren Angaben der Herren C., bspw. dass auch über eine „grundlegende Sanierung“ bzw. „allgemein“ über Risiken der persönlichen Haftung oder darüber gesprochen worden sei, was passiere, „wenn der schlimmste Fall einträte“, blieben zu unkonkret, um daraus einen – auch entsprechend zu vergütenden – Auftrag zu einer umfassenden Sanierungsberatung (incl. einer insolvenzspezifischen Prüfung als Hauptpflicht) herzuleiten. Gleiches gilt, soweit der vormalige Steuerberater damals einen unstreitig als unzulässig zurückgewiesenen Insolvenzantrag gestellt hatte, für den offenbleibt, inwiefern Rechtsanwalt W. überhaupt – über die aus dem Anwaltsschreiben vom 28.04.2009 (Anlage SK4) ersichtliche Einschaltung in die Auseinandersetzung zwischen dem Steuerberater und den C.-Unternehmen über wechselseitige Ansprüche aus den Steuerberatungsverträgen hinaus – im Hinblick auf diesen Insolvenzantrag mandatiert war. Etwas anderes folgt auch nicht aus den Angaben des Zeugen X., der als Mitarbeiter der Aachener Bank nach eigenen Angaben ohnehin keine Kenntnis vom Inhalt des an Rechtsanwalt W. damals erteilten Auftrags hatte. Soweit der Zeuge bekundet hat, dass die Bank damals tatsächlich wirtschaftliche Probleme bei der KG – im Vorfeld einer Insolvenz – gesehen habe, die letztlich zu einer engen Begleitung des Engagements durch die Bank geführt hätten, führt dies nicht dazu, dass aufgrund dieser Ausgangsumstände, wie sie Grundlage für die durch die Bank angestoßene Restrukturierung gewesen sein mögen, hier davon auszugehen wäre, dass der gegenüber Rechtsanwalt W. erteilte Auftrag auch auf eine insolvenzrechtliche Prüfung gerichtet gewesen wäre. Vielmehr ging es, wie der Zeuge weiter dargestellt hat, auch der Bank um eine „Zukunftsplanung“ unter Einbeziehung von Herrn C. jun. zur Verbesserung der Einnahmesituation durch einen Neuanfang mit der Gründung der jetzigen Klägerin, der – wie der Zeuge Q. angegeben hat – dadurch erreicht werden sollte, dass die bestehenden Verbindlichkeiten durch einen Zuschuss von Frau C. beseitigt werden sollten. Genau in diese Richtung ist Rechtsanwalt W. unstreitig auch tätig geworden, indem die Umstrukturierung durchgeführt wurde, die Verbindlichkeiten getilgt wurden und auch ein Vertriebsmitarbeiter zur Verbesserung der Einnahmesituation eingestellt wurde.
(3) Dieses Restrukturierungsmandat war hiernach entsprechend der Feststellungen des Landgerichts auch beendet und hat insbesondere nicht als Dauermandat im Sinne einer „Begleitung der KG in der Krise“ fortbestanden. Insofern hat auch die Beweisaufnahme vor dem Senat nichts ergeben, was eine von den Feststellungen des Landgerichts abweichende Überzeugung hätte begründen können. So hatte selbst Herr C. sen. keine Erinnerung daran, dass in der Folge bspw. pauschale Honorare (monatlich oder quartalsmäßig) für eine laufende Beratung abgerechnet worden wären; vielmehr bezeichnete er die ihm vorgehaltenen Einzelabrechnungen (Anlage K12ff.) als die übliche Art der Abrechnung. Auch der Eindruck der übrigen Zeugen sprach dafür, dass nach Durchführung der Restrukturierung das hierauf bezogene Mandat beendet war bzw. vermochte jedenfalls nicht ein fortdauerndes Mandat im Sinne einer Begleitung in der Krise zu bestätigen. So hat bspw. die Zeugin S. angegeben, dass es zur Zeit der Umstrukturierung häufiger Kontakt mit Rechtsanwalt W. gegeben habe, ansonsten aber nur unregelmäßig. Auch nach den Angaben des Zeugen Q. müssen die Gespräche nach 2009/2010 deutlich abgenommen haben; eine Beauftragung seiner Person (als Steuerberater) – und in vergleichbarer Weise auch eine Beauftragung von Rechtsanwalt W. – erfolgte nach den Angaben des Zeugen dann nur noch, um „Feuer zu löschen“, „wenn es brannte“, also zur Lösung jeweils konkret auftretender Einzelprobleme.
(4) Dass die insofern neben der Restrukturierung oder danach begründeten Einzelmandate (vgl. etwa die Abrechnungen in den Anlagen K14-20) keine Sanierungsberatung zum Gegenstand hatten, sieht auch die Klägerin nicht anders (vgl. Schriftsatz vom 15.04.2020, Bl. 119 eA).
(5) Schließlich sieht der Senat auch in der Heranziehung von Rechtsanwalt W. im Zusammenhang mit Planungen über eine erneute Darlehensvergabe durch Frau C. in Höhe von 100.000 € ab Februar 2011 jedenfalls keinen anwaltlichen Beratungsvertrag, der als Hauptpflicht die Prüfung und Entscheidung, ob eine Insolvenzreife der KG vorlag, umfasst hätte. Auch hier gilt, dass es in erster Linie darauf ankommt, was die Vertragsparteien zum Gegenstand des Mandats gemacht haben. Insofern ließ sich jedenfalls auch nach der Beweisaufnahme durch den Senat nicht feststellen, dass zwischen der KG und Rechtsanwalt W. in diesem Zusammenhang ein Beratungsvertrag geschlossen wurde, der als Hauptpflicht eine insolvenzrechtliche Bewertung der Situation der KG umfasst hätte. So hatte insbesondere der Zeuge C. jun. nach seinen Angaben gar keine Erinnerung an ein Beratungsgespräch im Februar 2011 und auch der Zeuge Q., der nach seinen Angaben an keinem Beratungsgespräch mit Frau C. teilgenommen hat, konnte diesbezüglich nichts Definitives bekunden. Soweit aufgrund der vom Landgericht festgestellten Umstände (insbesondere der auch Rechtsanwalt W. bekannten, nicht den Erwartung entsprechenden Entwicklung nach den im Jahr 2009 eingeleiteten Maßnahmen) durchaus im Rahmen eines auf die Beratung im Zusammenhang mit einer erneuten Darlehensvergabe durch Frau C. gerichteten Mandats ein Hinwirken des Rechtsanwalts auf eine insolvenzrechtliche Prüfung sinnvoll gewesen wäre und ggf. sogar ein Hinweis des Rechtsanwalts rechtlich geboten gewesen sein mag, verbleibt es im Ausgangspunkt aber dabei, dass dies allenfalls eine Nebenpflicht im Rahmen eines in erster Linie auf die Beratung im Zusammenhang mit einer Darlehensvergabe gerichteten Beratungsauftrags gewesen wäre. Dass ein Rechtsanwalt ein ggf. sanierungsbedürftiges Unternehmen im Hinblick auf den Erhalt eines Darlehens berät, macht aus der Beratung über die Darlehensangelegenheit keine Sanierungsberatung.
(6) Abgesehen davon, dass der Senat aus den vorstehend dargestellten Gründen ohnehin aus der Erklärung des als Partei angehörten Herrn A. C. sen. sowie den Aussagen der vernommenen Zeugen nicht die Überzeugung gewinnen konnte, dass Rechtsanwalt W. mit einer insolvenzspezifischen Beratung beauftragt gewesen ist, ist im Rahmen der Beweiswürdigung auch noch zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch ihre nicht näher begründete Verweigerung der Entbindung des gegenbeweislich benannten Zeugen Rechtsanwalt W. von seiner anwaltlichen Schweigepflicht eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts und insbesondere der Beklagten zu 1) die Führung des Gegenbeweises vereitelt hat. Da zum gesamten Inhalt der Verhandlung, die Grundlage der Beweiswürdigung ist (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO), auch die Versagung der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht gehört, muss auch die Weigerung, Aussagegenehmigung zu erteilen, bei der Tatsachenfeststellung berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 20. April 1983 – VIII ZR 46/82, Rn. 25 - 27 nach juris; Schneider in: Schneider, Die Klage im Zivilprozess, 3. Aufl. 2007, § 58 Zeuge, Rn. 2229 m.w.N.). Aufgrund der auch im Prozessrecht geltende Grundsätze von Treu und Glauben, nach denen Rechtspositionen nicht missbraucht werden dürfen, kommt es auch im Falle der Verweigerung eines Beweises, bei dem die Partei zur Verschaffung des Beweismittels nicht verpflichtet ist, darauf an, ob die Partei stichhaltige Weigerungsgründe vorbringt, wie bspw. höherwertige, über den Rechtsstreit hinausgehende Interessen (BGH, ebd. m.w.N.). Macht sich eine Partei die Schweigepflicht eines Zeugen hingegen ohne stichhaltige Gründe nur aus prozesstaktischen Gründen zunutze, stellt dies einen Missbrauch dar (BGH, Urteil vom 20. Juni 1967 – VI ZR 201/65, Rn. 6 nach juris; BGH, Beschluss vom 01. Juli 1980 – VI ZR 261/79, Rn. 3 nach juris; vgl. auch Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 385 Rn. 13). Diese zur Beweisvereitelung aufgestellten Grundsätze beanspruchen auch dann Geltung, wenn durch die Verweigerung der Erteilung einer Aussagegenehmigung die Führung des Gegenbeweises verhindert werden soll (vgl. Ahrens in: Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 1. Aufl. 2015, Kapitel 16: Der Anscheinsbeweis, Rn. 39; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, Vorbemerkungen zu § 284 Rn. 29, zum Spezialfall der Vereitelung der Erschütterung eines Anscheinsbeweises; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Juni 1997 – X ZR 119/94 –, Rn. 14 - 15 nach juris).
Irgendwelche Gründe, Rechtsanwalt W. nicht von seiner Schweigepflicht zu entbinden, hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht dargetan; vielmehr zeigte die ausdrückliche Mitteilung über die Verweigerung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Rahmen der Erörterung über das noch offene Beweisprogramm am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass die Weigerung, den beklagtenseits benannten Zeugen Rechtsanwalt W. von der Pflicht zur Verschwiegenheit zu entbinden, allein prozesstaktische Gründe hatte.
Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 07.02.2022 nachträglich ausführt, die Verweigerung der Entbindung dürfe nicht zu ihren Lasten berücksichtigt werden, weil sie selbst gar nicht für die Entbindung zuständig gewesen wäre, verkennt sie, dass die Annahme des Senats im Hinweisbeschluss vom 02.09.2021 (Bl. 234ff. eA), dass sich die Zuständigkeit für die Erteilung der Schweigepflichtsentbindung nach § 74 Abs. 2 GmbHG richte, auf die KG bezog und keine Aussage dazu enthielt, inwieweit eine Schweigepflichtsentbindung daneben ggf. auch durch die Klägerin selbst erforderlich war. Da die Klägerin durchweg vorgetragen hat, auch selbst eine Mandatsbeziehung zu Rechtsanwalt W. gehabt zu haben, die Klägerin selbst bzw. ihre Vorgängerfirma auch gerade Gegenstand der von Rechtsanwalt W. in 2009 begleiteten Restrukturierung war und ausweislich des von der Klägerin selbst in Bezug genommenen Schreibens der Kanzlei W. vom 28.04.2009 (Anlage SK4) auch dort offenbar von einer Vertretung (auch) der Klägerin ausgegangen wurde, war für eine Aussage des Rechtsanwalts W. zu Umfang und Inhalt der Mandatierungen ab 2009 jedenfalls auch eine Entbindung durch die Klägerin erforderlich. Insofern hat die Klägerin bei Erklärung der Verweigerung im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch keinen Zweifel daran gelassen, dass sie in ihrer Verweigerung einen Hinderungsgrund für eine Aussage des Zeugen W. sah, sie sich selbst also zumindest auch für zuständig zur (Verweigerung der) Schweigepflichtsentbindung hielt.
Der von der Klägerin im Schriftsatz vom 07.02.2022 für die Verweigerung der Schweigepflichtsentbindung nachgeschobene Grund, dass sie Anlass zu der Besorgnis habe, dass der Zeuge dazu neigen werde, einseitig den Standpunkt der Beklagten zu untermauern, ist auch kein stichhaltiger Weigerungsgrund. Die Beurteilung, ob eine etwaige Aussage des Zeugen – ggf. gar wahrheitswidrig – einseitig zu Gunsten einer Partei erfolgt, und die Würdigung der Glaubhaftigkeit einer solchen Aussage ist Aufgabe des Gerichts, die die Klägerin dem Gericht nicht durch Zurückhaltung ihrer Zustimmung zur Aussage des Zeugen vorenthalten darf (BGH, Beschluss vom 01. Juli 1980 – VI ZR 261/79 –, Rn. 3 nach juris).
c) Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.10.2021 (Bl. 253 eA) in den Raum stellt, dass ein anwaltlicher Beratungsvertrag unmittelbar auch zwischen Herrn C. sen. und Rechtsanwalt W. bestanden habe, kann sie auch hieraus keinen (im Wege der Abtretung auf sie übergegangenen) Anspruch herleiten. Selbst wenn sich aus dem beklagtenseits vorgelegten Schreiben der Kanzlei W. vom 28.04.2009 (Anlage SK4) ergeben mag, dass u.a. auch Herr C. sen. von der Kanzlei vertreten wurde, so ergibt sich bei Betrachtung des Gesamtinhalts des Schreibens, dass es darin um die Auseinandersetzung mit dem früheren Steuerberater über Ansprüche im Zusammenhang mit der Steuerberatung der C.-Unternehmen ging. Welchen Inhalt die Vertretung von Herrn C. sen. in diesem Zusammenhang gehabt haben soll, ist bereits nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht vorgetragen, so dass auch kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass für Rechtsanwalt W. in diesem Zusammenhang die Pflicht erwachsen wäre, Herrn C. sen. auf etwaige Haftungsfolgen im Falle einer Insolvenz der KG hinzuweisen. Gleiches gilt, soweit die Herren C. in der Verhandlung vor dem Senat angegeben haben, dass Rechtsanwalt W. schon vor 2009 für die Familie bzw. Herrn C. sen. tätig gewesen sei. Denn auch diesbezüglich ist nicht ersichtlich, was Inhalt derartiger Mandate gewesen sein soll und inwieweit sich daraus insolvenzspezifische Hinweispflichten im Hinblick auf die KG ergeben haben könnten.
Entgegen der Wertung der Klägerin im Schriftsatz vom 07.02.2022 lässt sich ein „konkludenter Auskunftsvertrag“ zwischen Rechtsanwalt W. und den Herren C. auch nicht in deren unkonkret gebliebenen Angaben, es sei auch „über Fragen der Insolvenz“ bzw. „allgemein über [Haftungs-] Risiken“ gesprochen worden, hineindeuten.
d) Der als Nebenforderung geltend gemachte Zinsanspruch teilt das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.
563. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, erfolgte vor dem Hintergrund, dass der Senat die hier entscheidungserhebliche Frage, ob die Einbeziehung eines Organwalters in den Schutzbereich eines anwaltlichen Beratungsvertrags ausscheidet, wenn der Vertrag lediglich eine Nebenpflicht begründet, auf das Bestehen einer Insolvenzreife oder zumindest auf das Erfordernis einer insolvenzrechtlichen Prüfung und die mit einer Insolvenz einhergehenden Haftungsfolgen des Organwalters hinzuweisen, noch nicht für abschließend geklärt erachtet. Gegen seine eigene diesbezügliche Entscheidung in dem Verfahren 18 U 197/20, für die die dargelegte Rechtsauffassung allerdings keine tragende Bedeutung hatte, wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (IX ZR 141/21)
Streitwert des Berufungsverfahrens: 96.766,66 €
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 3. März 2022 - 18 U 12/20
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(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
BUNDESGERICHTSHOF
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Joeres und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Dauber
beschlossen:
Gründe:
- 1
- 1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag durch den Widerruf der Klägerin beendet worden ist und dass die Klägerin der Beklagten aus dem Kredit nur noch die Zahlung von 70.945,62 € schuldet. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine löschungsfähige Quittung für die als Sicherheit des Darlehens bestellte Grundschuld über 88.000 € Zug um Zug gegen Zahlung von 70.945,62 € zu erteilen. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat die Beklagte zurückgenommen.
- 2
- 2. Der Wert der Feststellung, dass der Darlehensvertrag durch den Widerruf der Klägerin beendet worden ist, richtet sich nach der Hauptforderung, die die Klägerin gemäß §§ 346 ff. BGB beanspruchen zu können meint. Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung bleibt außer Betracht (Senat, Beschluss vom 12. Januar 2016 - XI ZR 366/15 Rn. 6 ff.). Die Hauptforderung der Klägerin auf Rückzahlung der Zins- und Tilgungsleistungen beträgt unstreitig 38.902,12 €.
- 3
- Neben diesem Wert hat die weitere Feststellung des Betrages, den die Klägerin der Beklagten noch schuldet, keinen eigenständigen, darüber hinausgehenden Wert.
- 4
- Die Verurteilung zur Bewilligung der Löschung der Grundschuld hat einen Wert von 88.000 €. Insoweit ist der Nennwert, nicht die Höhe der Valutierung maßgeblich. Ein geringerer Wert des belasteten Grundstücks (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2007 - IV ZR 99/07, juris Rn. 6 f.) ist nicht festgestellt.
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 19.08.2013 - 37 O 10/11 -
KG Berlin, Entscheidung vom 22.12.2014 - 24 U 169/13 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2017 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Maihold und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Derstadt und Dr. Dauber
beschlossen:
Ellenberger Maihold Matthias Derstadt Dauber
LG Koblenz, Entscheidung vom 20.04.2016 - 3 O 402/15 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 24.08.2016 - 8 U 616/16 -
Tenor
-
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. September 2015 aufgehoben.
-
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 13. Mai 2015 wird zurückgewiesen, soweit die Klägerin beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.085,95 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31. Dezember 2014 zu bezahlen.
-
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
-
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei von ihr mit der Beklagten geschlossene Darlehensverträge aufgrund des Widerrufs der Klägerin rückabzuwickeln sind. Außerdem begehrt sie Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten.
- 2
-
Die Parteien schlossen im Juni und November 2007 im Wege des Fernabsatzes zwei - überwiegend noch valutierende - Verbraucherdarlehensverträge über 70.000 € und 10.000 €. Die Beklagte belehrte die Klägerin über ihr Widerrufsrecht jeweils wie folgt:
- 3
-
Mit Schreiben vom 8. Juli 2014 widerrief die Klägerin ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. Zugleich bat sie die Beklagte um Bestätigung des Eingangs ihres Schreibens und Mitteilung der "aktuellen Salden der Darlehen", die sie von ihrer "Hausbank ablösen lassen" werde. Außerdem bat sie darum, ihr und der Beklagten "rechtliche Schritte zur Durchsetzung des Widerrufes" zu ersparen. Mit Schreiben vom 9. September 2014 und vom 11. September 2014 - dort unter Bezugnahme auf ein weiteres, im Rechtsstreit nicht vorgelegtes Schreiben der Klägerin vom 9. September 2014 - wies die Beklagte den Widerruf der Klägerin zurück und unterbreitete Vergleichsvorschläge. Die Klägerin legte der Beklagten im September 2014 ein "Kurzgutachten über die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung" ihres Prozessbevollmächtigten vor, auf das die Beklagte im Oktober 2014 erneut mit der Zurückweisung des Widerrufs reagierte.
- 4
-
Ihre Klage auf Feststellung, sie habe die Darlehensverträge "wirksam widerrufen" und es bestünden "keine Zahlungsverpflichtungen aus diesen Darlehensverträgen", auf Erteilung einer "löschungsfähige[n] Quittung" für eine der Beklagten gestellte Grundschuld und auf Zahlung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin, mit der sie zuletzt nur noch ihre Feststellungs- und Zahlungsklage weiterverfolgt hat, hat das Berufungsgericht, das die Klägerin zu einer entsprechenden Änderung ihres Feststellungsbegehrens veranlasst hat, dahin erkannt, es werde festgestellt, dass aufgrund des Widerrufs vom 8. April 2014 (richtig: 8. Juli 2014) die Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse "umgewandelt" worden seien. Weiter hat es die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten verurteilt. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Zurückweisung der Berufung weiter.
Entscheidungsgründe
- 5
-
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit, als sie das Zahlungsbegehren zum Gegenstand hat, zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin, im Übrigen zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war. Inhaltlich ist das Urteil insoweit jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).
-
I.
- 6
-
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 7
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Die Feststellungsklage sei in der zuletzt gestellten Fassung zulässig. Das Bestehen eines Rückgewährschuldverhältnisses sei feststellungsfähig. Die Klägerin müsse sich nicht auf die Leistungsklage verweisen lassen. Die Beklagte habe sich darauf berufen, die Parteien stritten wirtschaftlich lediglich über die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Eine Klage der Beklagten auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung könne die Klägerin nicht durch eine eigene Leistungsklage abwehren. Im Falle einer Leistungsklage der Klägerin betreffe im ihr günstigen Fall die Rechtsmeinung des Gerichts, die Darlehensverträge hätten sich in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt, lediglich eine der Rechtskraft nicht fähige Vorfrage.
- 8
-
Die Feststellungsklage sei auch begründet. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des vom Verordnungsgeber geschaffenen Musters für die Widerrufsbelehrung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie das Muster nicht verwandt habe. Die von ihr erteilten Belehrungen hätten nicht deutlich gemacht, von der Erteilung welcher Informationen das Anlaufen der Widerrufsfrist habe abhängen sollen. Ein Widerrufsrecht der Klägerin nach fernabsatzrechtlichen Vorschriften habe nicht bestanden, so dass die Klägerin Informationen auf der Grundlage solcher Vorschriften nicht erhalten habe und der Verweis auf die Erteilung solcher Informationen missverständlich gewesen sei. Die Klägerin habe ihr Widerrufsrecht nicht verwirkt. Da die Darlehen noch teilweise valutierten, fehle es jedenfalls am Umstandsmoment. Eine sonst unzulässige Rechtsausübung sei nicht ersichtlich.
- 9
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Aus dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs begründet sei das Begehren der Klägerin auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten. Mit ihrem Schreiben vom 8. Juli 2014 habe die Klägerin den Widerruf ihrer auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen erklärt, um eine Eingangsbestätigung sowie Mitteilung der Salden der Darlehen gebeten und zugleich rechtliche "Schritte zur Durchsetzung des Widerrufs gegen die Bank" angekündigt. Unbeschadet des Umstands, dass die Klägerin der Beklagten keine bestimmte Frist gesetzt habe, reiche dies als Mahnung aus. Die Beklagte habe sich im September 2014 geweigert, den Widerruf anzuerkennen.
-
II.
- 10
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Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 11
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1. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, die Feststellungsklage sei zulässig, weil das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben sei. Das trifft nicht zu. Die Klägerin kann und muss vielmehr, wie die Revision zu Recht geltend macht, vorrangig mit der Leistungsklage auf der Grundlage der § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: a.F.) in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB gegen die Beklagte vorgehen.
- 12
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a) Allerdings ist die Feststellungsklage der Klägerin in der zuletzt gestellten Form nicht schon deshalb unzulässig, weil die Klägerin die Wirksamkeit des Widerrufs als eine nicht feststellungsfähige bloße Vorfrage geklärt sehen will (Senatsbeschlüsse vom 14. Oktober 2008 - XI ZR 173/07, - XI ZR 248/07 und - XI ZR 260/07, juris). Vielmehr ist ihr Antrag - insoweit vom Berufungsgericht richtig veranlasst - in Übereinstimmung mit § 256 Abs. 1 ZPO auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet.
- 13
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b) Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitert aber am Vorrang der Leistungsklage.
- 14
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aa) Ist dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann. Die auf Feststellung des Anspruchsgrundes gerichtete Feststellungsklage ist dann unzulässig (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 1952 - III ZA 20/52, BGHZ 5, 314, 315 und Urteil vom 2. März 2012 - V ZR 159/11, WM 2013, 232 Rn. 14; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 7a). Das Vorhandensein eines Feststellungsinteresses ist auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (Senatsurteil vom 1. Juli 2014 - XI ZR 247/12, WM 2014, 1621 Rn. 18; BGH, Urteile vom 8. Juli 1955 - I ZR 201/53, BGHZ 18, 98, 105 f. und vom 11. Oktober 1989 - IVa ZR 208/87, WM 1990, 243).
- 15
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bb) Sämtliche Voraussetzungen, unter denen die Leistungsklage Vorrang hat, sind gegeben, so dass die Feststellungsklage unzulässig ist.
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(1) Anders als vom Berufungsgericht zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen genommen, hat die Klägerin nicht die (negative) Feststellung begehrt, der Beklagten stehe eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu. Vielmehr hat sie ihr Klagebegehren umfassender formuliert. Damit hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht davon ab, ob die Klägerin ein Leistungsbegehren der Beklagten auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung effizient anders abwehren kann, sondern davon, ob sie den wirtschaftlichen Gegenstand ihres weiter gefassten Feststellungsbegehrens - ihr aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierendes eigenes Leistungsinteresse (Senatsbeschluss vom 12. Januar 2016 - XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 5 ff.) - möglich, zumutbar und das der konkreten Feststellungsklage zugrundeliegende Rechtsschutzziel erschöpfend mit einer Leistungsklage verfolgen kann.
- 17
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(2) Das ist hier der Fall:
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(a) Eine Leistungsklage ist der Klägerin möglich. Sie kann die Beklagte auf Zahlung aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB in Anspruch nehmen. Dem steht nicht entgegen, dass - die Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse unterstellt - eine "Saldierung" der aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB resultierenden wechselseitigen Ansprüche nicht zu einem Überschuss zu Gunsten der Klägerin führte. Wechselseitige Ansprüche nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB unterliegen keiner automatischen Verrechnung (Senatsurteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rn. 19 f., Senatsbeschlüsse vom 22. September 2015 - XI ZR 116/15, ZIP 2016, 109 Rn. 7 und vom 12. Januar 2016 - XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 16). Bis zur Aufrechnung hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch auf Rückgewähr der von ihr auf die Darlehensverträge erbrachten Leistungen, den sie im Wege der Leistungsklage geltend machen kann.
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(b) Eine Leistungsklage ist der Klägerin auch zumutbar. Zwar hat der Bundesgerichtshof in Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadensersatzforderungen entschieden, eine Leistungsklage könne dem Kläger unzumutbar sein, wenn sein Schaden noch in der Entstehung begriffen oder nicht hinreichend bezifferbar sei, weil voraussichtlich eine Begutachtung erforderlich werde. Der Kläger soll in solchen Fällen davon entlastet werden, möglicherweise umfangreiche Privatgutachten vor Klageerhebung einholen zu müssen, um seinen Anspruch zu beziffern (BGH, Urteile vom 12. Juli 2005 - VI ZR 83/04, BGHZ 163, 351, 361 f. und vom 21. Januar 2000 - V ZR 387/98, WM 2000, 872, 873). Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Der Klägerin ist die Ermittlung der von ihr erbrachten Leistungen, die sie nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB zurückverlangen kann, ohne weiteres möglich. Soweit sie von der Beklagten Nutzungsersatz auf von ihr erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen beansprucht, kann sie sich auf die widerlegliche Vermutung berufen, die Beklagte habe, sofern zu Gunsten der Klägerin spiegelbildlich § 497 Abs. 1 Satz 2 BGB in der zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung Anwendung findet, Nutzungen in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und sonst Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen (Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 58, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ). Einer aufwändigen Vorbereitung einer bezifferten Zahlungsklage bedarf es daher nicht.
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Zugunsten der Klägerin streitet auch nicht der im Schadensrecht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, sofern eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen sei, könne der Kläger nicht hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens auf eine Leistungsklage verwiesen werden, sondern dürfe in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren (Senatsurteil vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rn. 51; BGH, Urteile vom 4. Dezember 1986 - III ZR 205/85, NVwZ 1987, 733, vom 21. Februar 1991 - III ZR 204/89, VersR 1991, 788 und vom 17. Juli 2009 - V ZR 254/08, NJW-RR 2010, 200 Rn. 11; Beschluss vom 6. März 2012 - VI ZR 167/11, r+s 2012, 461 Rn. 3). Nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB zurückzugewähren sind die bis zum Zugang der Widerrufserklärung ausgetauschten Leistungen. Mit der Umwandlung des Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis tritt, was den Rechtsgrund der Ansprüche des Widerrufenden betrifft, eine Zäsur ein. Erbringt er danach Zins- und Tilgungsleistungen an den Darlehensgeber, richtet sich der Anspruch auf Rückgewähr nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 814 BGB (Senatsbeschluss vom 10. Januar 2017 - XI ZB 17/16), da die primären Leistungspflichten aus dem Verbraucherdarlehensvertrag entfallen sind. Damit ist die allein die Rechtsfolgen, nicht den Rechtsgrund betreffende schadensersatzrechtliche Rechtsprechung nicht übertragbar.
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(c) Eine Leistungsklage erschöpft das Feststellungsziel der Klägerin. Wie der Senat mit Beschluss vom 12. Januar 2016 (XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 5 ff.) entschieden hat, deckt sich das Begehren, die Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis feststellen zu lassen, in Fällen wie dem vorliegenden, dem kein verbundener Vertrag zugrunde liegt, wirtschaftlich mit dem Interesse an der Rückgewähr der auf den Verbraucherdarlehensvertrag erbrachten Leistungen. Nur auf den Austausch dieser Leistungen ist das Rückgewährschuldverhältnis gerichtet. Es unterscheidet sich darin maßgeblich vom Verbraucherdarlehensvertrag selbst, der als Dauerschuldverhältnis eine Vielzahl in die Zukunft gerichteter Pflichten statuiert, die durch den Austausch von Zahlungen nicht vollständig abgebildet werden können. Deshalb geht das Feststellungsinteresse der Klägerin wirtschaftlich in einer auf die § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB gestützten Leistungsklage vollständig auf. Darin liegt der maßgebliche Unterschied zu den Fallkonstellationen, die Gegenstand früherer Entscheidungen des Senats (Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rn. 48 f. und vom 15. Dezember 2009 - XI ZR 110/09, WM 2010, 331 Rn. 10) und des XII. Zivilsenats auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts (BGH, Urteile vom 7. Mai 2008 - XII ZR 69/06, BGHZ 176, 301 Rn. 37 und vom 3. Juli 2002 - XII ZR 234/99, NJW-RR 2002, 1377, 1378) waren und in denen die dortigen Kläger die Feststellung des Fortbestands des Dauerschuldverhältnisses begehrten.
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c) Die Leistungsklage tritt auch nicht zurück, weil die Beklagte als Bank die Erwartung rechtfertigte, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedürfe (Senatsurteile vom 30. April 1991 - XI ZR 223/90, WM 1991, 1115, vom 30. Mai 1995 - XI ZR 78/94, WM 1995, 1219, 1220, insofern in BGHZ 130, 59 nicht abgedruckt, und vom 5. Dezember 1995 - XI ZR 70/95, WM 1996, 104). Im Gegenteil könnte in Fällen wie dem vorliegenden ein dem Feststellungsantrag rechtskräftig stattgebendes Erkenntnis zu keiner endgültigen Erledigung führen (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juni 1994 - V ZR 34/92, WM 1994, 1888, 1889 f. und vom 27. März 2015 - V ZR 296/13, WM 2015, 1005 Rn. 8; anderer Sachverhalt Senatsurteil vom 27. Juni 1995 - XI ZR 8/94, BGHZ 130, 115, 119 f.).
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2. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung überdies nicht stand, soweit das Berufungsgericht unter II.2. der Entscheidungsformel ausgeurteilt hat, die Klägerin könne von der Beklagten aus Schuldnerverzug vorprozessual aufgewendete Anwaltskosten in Höhe von 2.085,95 € nebst Zinsen in Höhe von fünf - richtig: - Prozentpunkten (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 - VII ZB 2/12, WM 2013, 509 Rn. 12) über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31. Dezember 2014 ersetzt verlangen.
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a) Das Berufungsgericht hat - seinen Rechtsstandpunkt als richtig unterstellt, der Eintritt des Schuldnerverzugs der Beklagten richte sich allein nach § 286 BGB - rechtsfehlerhaft die Feststellung unterlassen, mit welcher Leistung die Beklagte in Schuldnerverzug sei. Der Schuldnerverzug setzt einen vollwirksamen und fälligen Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner voraus (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 286 Rn. 8 ff.), auf den sich die - zumindest mit der die Fälligkeit des Anspruchs begründenden Handlung zu verbindende (Senatsurteil vom 13. Juli 2010 - XI ZR 27/10, WM 2010, 1596 Rn. 14) - Mahnung beziehen muss (BGH, Urteile vom 6. Mai 1981 - IVa ZR 170/80, BGHZ 80, 269, 276 f. und vom 1. Dezember 1961 - VI ZR 60/61, VRS 22, 169, 171). Gleiches gilt für die ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung. Die von der Klägerin beanspruchte Leistung haben weder sie selbst in ihrem Schreiben vom 8. Juli 2014 noch das Berufungsgericht klar bezeichnet. Damit hat das Berufungsgericht zugleich den Bezugspunkt für eine Mahnung oder Erfüllungsverweigerung nicht hinreichend festgestellt. Die Klägerin benötigte keine Auskünfte von der Beklagten, um eine Ungewissheit hinsichtlich der Höhe ihrer Ansprüche aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB zu beseitigen. Deshalb greift zu ihren Gunsten nicht der allgemeine Grundsatz, dass der auskunftspflichtige Schuldner durch eine unbezifferte, einem zulässigen Antrag in einer Stufenklage entsprechende Mahnung in Verzug kommt (BGH, Urteil vom 6. Mai 1981 - IVa ZR 170/80, BGHZ 80, 269, 277).
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b) Auch nach Maßgabe der § 357 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB a.F. in Verbindung mit § 286 Abs. 3 BGB hätte das Berufungsgericht nicht davon ausgehen dürfen, die Beklagte habe sich wenigstens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs in Schuldnerverzug mit der Rückgewähr von Leistungen nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB befunden.
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Zwar wollte der Gesetzgeber - wie der Gesetzgebungsgeschichte zu entnehmen - mittels des Zusatzes in § 357 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB a.F., die Frist des § 286 Abs. 3 BGB beginne "mit der Widerrufs- oder Rückgabeerklärung des Verbrauchers", sowohl den Verbraucher als auch den Unternehmer abweichend von den sonst geltenden Grundsätzen von der Bezifferung des Rückgewähranspruchs als fingierter Entgeltforderung mittels einer Zahlungsaufstellung als Voraussetzung des Schuldnerverzugs freistellen (vgl. BT-Drucks. 14/3195, S. 33; 14/6040, S. 199; 15/2946, S. 23 f.; 15/3483, S. 22; außerdem Erman/Saenger, BGB, 13. Aufl., § 357 Rn. 3, 5; MünchKommBGB/ Masuch, 6. Aufl., § 357 Rn. 40; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 357 Rn. 8; PWW/Medicus/Stürner, BGB, 8. Aufl., § 357 Rn. 3).
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Da der Gesetzgeber allerdings nur § 286 Abs. 3 BGB an die besondere Situation des Verbraucherwiderrufs angepasst hat, unterliegt der Eintritt des Schuldnerverzugs im Übrigen den allgemeinen Voraussetzungen (MünchKommBGB/Masuch, 6. Aufl., § 357 Rn. 40). Folglich konnte die Beklagte wegen §§ 348, 320 BGB nur dann in Schuldnerverzug geraten, wenn ihr die Klägerin die von ihr selbst nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB geschuldete Leistung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise anbot. Dies war hier nicht der Fall.
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Die Klägerin hat der Beklagten nach § 294 BGB ihre Leistung nicht so angeboten, wie sie zu bewirken war (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 294 Rn. 2).
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Ein der Erklärung der Beklagten, sie werde die ihr gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB geschuldete Leistung nicht annehmen, nachfolgendes (BGH, Urteil vom 20. Januar 1988 - IVa ZR 128/86, WM 1988, 459; Palandt/Grüneberg, aaO, § 295 Rn. 4; MünchKommBGB/Ernst, 7. Aufl., § 295 Rn. 7) wörtliches Angebot der Klägerin nach § 295 Satz 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1991 - V ZR 229/90, BGHZ 116, 244, 250) hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Das Schreiben vom 8. Juli 2014, auf das das Berufungsgericht Bezug genommen hat, datiert vor den Schreiben der Beklagten vom 9. September 2014 und 11. September 2014.
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Ein wörtliches Angebot war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil etwa offenkundig gewesen wäre, die Beklagte werde auf ihrer Weigerung beharren (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99, WM 2000, 2384). Vielmehr hat die Beklagte in ihren Schreiben vom 9. September 2014 und 11. September 2014 ihre grundsätzliche Vergleichsbereitschaft zu erkennen gegeben.
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Davon abgesehen hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, der ausweislich der Akten zumindest seit Mitte September 2014 mit der Angelegenheit befasste Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei nach Eintritt des Schuldnerverzugs mandatiert worden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - IX ZR 208/15, VersR 2016, 1139 Rn. 20).
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III.
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Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Es kann nicht aus anderen Gründen aufrecht erhalten werden (§ 561 ZPO).
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1. Soweit das Berufungsgericht zulasten der Beklagten die unter I.1. der Entscheidungsformel tenorierte Feststellung getroffen hat, gilt dies schon deswegen, weil die Feststellungsklage unzulässig ist.
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2. Der Klägerin steht entgegen dem Ausspruch unter I.2. der Entscheidungsformel unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als dem des Schuldnerverzugs der Beklagten ein Anspruch auf vorgerichtlich verauslagte Anwaltskosten zu. Insbesondere kann die Klägerin die Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten nicht mit der Begründung verlangen, die Beklagte sei ihr zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihre Verpflichtung zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung oder der nach den Vorschriften über Fernabsatzverträge geschuldeten Informationen verletzt habe.
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Rechtsverfolgungskosten sind nur dann ersatzfähig, wenn sie sich auf einen vom Schädiger zu ersetzenden Schaden beziehen (MünchKommBGB/Oetker, 7. Aufl., § 249 Rn. 180). Daran fehlt es hier. Vor der Entstehung von Ansprüchen nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB soll die Widerrufsbelehrung nicht schützen (Senatsurteil vom 19. September 2006 - XI ZR 242/05, WM 2006, 2303 Rn. 16). Gleiches gilt für die Erteilung von Informationen nach fernabsatzrechtlichen Vorschriften.
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IV.
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Eine eigene Sachentscheidung zugunsten der Beklagten (§ 563 Abs. 3 ZPO) kann der Senat nur insoweit fällen, als sie sich gegen ihre Verurteilung zur Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten wendet. Insoweit stehen der Klägerin keine Ansprüche zu, so dass die Berufung unbegründet ist. Im Übrigen ist dem Senat eine eigene Sachentscheidung verwehrt.
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1. Unbeschadet der Frage, ob im Juli 2014 ein Widerrufsrecht der Klägerin noch fortbestand, ergeben die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, dass sich die Beklagte vor Entstehung der Rechtsverfolgungskosten mit der Erbringung der von ihr nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB geschuldeten Leistung in Schuldnerverzug befand. Der Zahlungsantrag ist daher, ohne dass es vorab eines Hinweises bedarf (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO), abweisungsreif (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 70, vom 22. Juni 1999 - XI ZR 316/98, WM 1999, 1555 f. und vom 25. Oktober 2016 - XI ZR 387/15, WM 2017, 84 Rn. 39; BGH, Urteil vom 21. November 1991 - I ZR 98/90, NJW-RR 1992, 868, 869 f.).
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2. Nicht abweisungsreif ist dagegen der Feststellungsantrag.
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a) Der Senat kann auf die Revision der Beklagten die Feststellungsklage nicht als unzulässig abweisen. Denn das Berufungsgericht hätte, wenn es die Unzulässigkeit des Feststellungsantrags erkannt hätte, auf diese Tatsache hinweisen müssen. In solchen Fällen muss, sofern dies - wie hier - noch möglich ist, dem Kläger durch Zurückverweisung der Sache Gelegenheit gegeben werden, eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Umstellung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 2005 - VI ZR 83/04, BGHZ 163, 351, 362, vom 17. Juni 1994 - V ZR 34/92, WM 1994, 1888, 1890 und vom 27. März 2015 - V ZR 296/13, WM 2015, 1005 Rn. 9).
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b) Der Senat kann aber auch nicht auf die Unbegründetheit der Feststellungsklage erkennen.
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aa) Freilich ist das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung (BGH, Beschluss vom 27. September 2011 - II ZR 256/09, juris Rn. 9). Ein Feststellungsbegehren, das das Berufungsgericht für zulässig erachtet hat, kann bei tatsächlich fehlendem Feststellungsinteresse in der Revisionsinstanz aus sachlichen Gründen abgewiesen werden (Senatsurteil vom 1. Juli 2014 - XI ZR 247/12, WM 2014, 1621 Rn. 18; BGH, Urteile vom 24. Februar 1954 - II ZR 3/53, BGHZ 12, 308, 316, vom 9. November 1967 - KZR 10/65, GRUR 1968, 219, 221 unter I. und vom 27. März 2015 - V ZR 296/13, WM 2015, 1005 Rn. 9 a.E.). Gründe der prozessualen Fairness gebieten es in einem solchen Fall nicht, dem Kläger zuvor die Möglichkeit zu geben, von der unzulässigen und unbegründeten Feststellungs- zu einer ebenso unbegründeten Leistungsklage überzugehen.
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bb) Aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist die Klage indessen nicht in der Sache abweisungsreif.
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(1) Allerdings entsprachen die von der Beklagten erteilten Widerrufsbelehrungen den gesetzlichen Vorgaben, so dass das Widerrufsrecht nicht nach § 355 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BGB in der zwischen dem 8. Dezember 2004 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) noch am 8. Juli 2014 fortbestand.
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(a) Die Beklagte hat die Klägerin über die Voraussetzungen, von denen der Beginn der Widerrufsfrist abhing, richtig belehrt.
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Sie hat die Bedingungen des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. zutreffend wiedergegeben (Senatsbeschluss vom 27. September 2016 - XI ZR 309/15, WM 2016, 2215 Rn. 8).
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Der Verweis auf § 312c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB in der hier maßgeblichen, zwischen dem 8. Dezember 2004 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) und auf § 1 BGB-InfoV in der zwischen dem 8. Dezember 2004 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: a.F.) umschrieb hinreichend deutlich die Voraussetzungen, von denen nach § 312d Abs. 2 und 5 Satz 2 BGB in der zwischen dem 8. Dezember 2004 und dem 3. August 2009 geltenden Fassung (künftig: a.F.) das Anlaufen der Widerrufsfrist außerdem abhängig war. Eine Verweisung auf eine konkret bezeichnete gesetzliche Vorschrift stellt, wenn der Gesetzestext - wie hier das Bürgerliche Gesetzbuch und die BGB-Informationspflichten-Verordnung - für jedermann ohne weiteres zugänglich ist, keinen Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot dar, sondern dient im Gegenteil der Verständlichkeit, Übersichtlichkeit und Vollständigkeit der Belehrung (Senatsurteil vom 22. November 2016 - XI ZR 434/15, Umdruck Rn. 19, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).
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Der Zusatz, die Frist beginne nicht "vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrages", war auch im Verein mit der Einleitung "Die Frist beginnt einen Tag nachdem …" nicht irreführend. Er erweckte nicht den (unzutreffenden) Eindruck, im Falle der Abgabe und des Zugangs von Antrag und Annahme am selben, der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nachfolgenden Tag sei die Widerrufsfrist nicht nach § 187 Abs. 1 BGB, sondern nach § 187 Abs. 2 BGB zu berechnen. Er orientierte sich vielmehr am Wortlaut des § 312d Abs. 2 BGB a.F. und war damit hinreichend bestimmt.
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(b) Die Angaben der Beklagten zu den Widerrufsfolgen entsprachen bis auf wenige sprachliche Anpassungen denen unter der Überschrift "Widerrufsfolgen" gemäß dem Muster für die Widerrufsbelehrung nach Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen, zwischen dem 8. Dezember 2004 und dem 31. März 2008 geltenden Fassung (künftig: a.F.). Sie waren, ohne dass es auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters ankommt, in Ordnung (vgl. Senatsbeschluss vom 27. September 2016 - XI ZR 309/15, WM 2016, 2215 Rn. 9).
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(c) Die Ausführungen im Abschnitt "Finanzierte Geschäfte", die mit einigen unmaßgeblichen Anpassungen im Wesentlichen einer Kombination der Texte im Gestaltungshinweis (9) des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a.F. gleichkamen, machten die Widerrufsbelehrung der Beklagten ebenfalls nicht undeutlich, obwohl verbundene Verträge nicht vorlagen.
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Formularverträge müssen für verschiedene Vertragsgestaltungen offen sein (Senatsurteil vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2234 unter II.2.b.aa). Wie der Senat mit Urteil vom 23. Juni 2009 (XI ZR 156/08, WM 2009, 1497 Rn. 17) entschieden hat, ist eine Widerrufsbelehrung nicht generell unwirksam, weil sie Elemente zu finanzierten Geschäften enthält, zu deren Aufnahme der Unternehmer nicht verpflichtet ist.
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Auch der Gestaltungshinweis (9) der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a.F. sah den nur fakultativen Wegfall der "nachfolgenden Hinweise für finanzierte Geschäfte" vor, wenn ein verbundener Vertrag nicht vorlag. Dass der Verordnungsgeber in der Folgeversion des Musters für die Widerrufsbelehrung offenlegte, er stelle die Verwendung dieser Hinweise frei, weil "die Beurteilung, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt oder nicht, im Einzelfall schwierig sein" könne (BMJ, Begründung zur Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung, BAnz. 2008, 957, 962 unter B.II.2.i.[2]), führt nicht dazu, dass "Sammelbelehrungen" als undeutlich und unwirksam zu behandeln sind. Vielmehr hat der (Parlaments-)Gesetzgeber - wenn auch für andere als Verbraucherdarlehensverträge - selbst durch die Übernahme des insoweit nicht veränderten Gestaltungshinweises der Folgeversionen der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a.F. (dazu BT-Drucks. 16/11643, S. 147) in Gestaltungshinweis (11), später (10) und schließlich (12) der Anlage 1 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB und Gestaltungshinweis (7), später (8) der Anlage 2 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB in Verbindung mit § 360 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB, jeweils in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: a.F.), zu erkennen gegeben, von der hinreichenden Deutlichkeit einer Widerrufsbelehrung (und Rückgabebelehrung) auch dann auszugehen, wenn sie nicht erforderliche Hinweise zu finanzierten Geschäften enthält (vgl. OLG München, BKR 2015, 337, 338 f.).
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Sein erst ab dem 30. Juli 2010 wirksamer gesetzgeberischer Wille, bei der Gestaltung des Musters für eine Widerrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge gemäß Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB eine Information über verbundene Verträge nur bei deren Vorliegen zuzulassen (BT-Drucks. 17/1394, S. 30, linke Spalte oben; dazu auch MünchKommBGB/ Habersack, 7. Aufl., § 358 Rn. 71), betrifft nicht den Anwendungsbereich des § 360 BGB a.F. und ist für die Interpretation des Deutlichkeitsgebots des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. nicht maßgeblich. Entsprechend geht auch die obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, "Sammelbelehrungen" seien nicht per se undeutlich und unwirksam (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Januar 2016 - 22 U 126/15, juris Rn. 111; OLG Köln, Urteil vom 24. Februar 2016 - 13 U 84/15, juris Rn. 76 ff.; Beschluss vom 23. März 2015 - 13 U 168/14, juris Rn. 6; Beschluss vom 3. Mai 2016 - 13 U 33/16, juris Rn. 9 ff.; OLG München, BKR 2015, 337, 338 f. und WM 2016, 123, 124 ff.; Beschluss vom 21. Mai 2015 - 17 U 709/15, juris Rn. 5; OLG Naumburg, Urteil vom 7. Oktober 2015 - 5 U 95/15, juris Rn. 24).
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(d) Schließlich gaben die Hinweise der Beklagten zum Widerrufsrecht mehrerer Darlehensnehmer und den Folgen des Widerrufs nur eines Darlehensnehmers die Rechtslage korrekt wieder (Senatsurteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rn. 13 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).
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(2) Mangels tragfähiger Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, die Beklagte habe die Informationen nach § 312d Abs. 2 und 5 Satz 2, § 312c Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 BGB, § 1 BGB-InfoV a.F. erteilt, steht wegen § 355 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BGB a.F. indessen nicht fest, dass der im Juli 2014 erklärte Widerruf der Klägerin ins Leere gegangen ist und deshalb Ansprüche der Klägerin aus einem Rückgewährschuldverhältnis nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB nicht bestehen. Im Gegenteil hat das Berufungsgericht ausgeführt, "die Klägerin" habe "keinerlei diesbezügliche Informationen […] erhalten".
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Zwar hat das Berufungsgericht diesen Umstand, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, allein mit seiner rechtsfehlerhaften Auffassung begründet, aufgrund des Vorrangs eines Widerrufsrechts nach den für Verbraucherdarlehensverträge geltenden Regelungen seien solche Informationen "aus Rechtsgründen" nicht zu erteilen gewesen. Deshalb gehen die Aussagen des Berufungsgerichts zur Erfüllung fernabsatzrechtlicher Informationspflichten nicht über die Kundgabe einer bloßen Rechtsmeinung hinaus. Auch die Revisionsrüge einer Verletzung des § 286 ZPO führt indessen nicht dazu, dass der Senat vom der Beklagten günstigen Gegenteil ausgehen kann.
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V.
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Da die Sache, soweit das Berufungsgericht auf die Berufung der Klägerin dem Feststellungsbegehren entsprochen hat, nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht - sollte die Klägerin zur Leistungsklage übergehen - Feststellungen zur Erfüllung gesetzlicher Informationspflichten der Beklagten nachzuholen haben wird.
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Rechtsbehelfsbelehrung
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Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
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Ellenberger
Grüneberg
Maihold
Menges
Derstadt
(1) Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.
(2) Der Unternehmer muss auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren. Dies gilt nicht, soweit dem Verbraucher zusätzliche Kosten entstanden sind, weil er sich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat.
(3) Für die Rückzahlung muss der Unternehmer dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und dem Verbraucher dadurch keine Kosten entstehen.
(4) Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(5) Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche von dieser Pflicht unterrichtet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen.
(6) Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, die Waren zurückzusenden, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(7) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
(8) Für die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte gilt ferner § 327p entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2018 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten in dritter Instanz noch um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss zweier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger.
- 2
- Die Parteien schlossen Anfang Juni 2008 im Wege des Fernabsatzes zwei in einer Vertragsurkunde zusammengefasste Darlehensverträge zur Nummer 62 über 65.000 € mit einem bis zum 30. Juni 2018 festgeschriebenen Nominalzinssatz in Höhe von 5,10% p.a. und zur Nummer 55 über 90.000 € mit einem ebenfalls bis zum 30. Juni 2018 festgeschriebenen Nominalzinssatz in Höhe von 4,35% p.a. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten diente eine Grundschuld. Bei Abschluss der Darlehensverträge belehrte die Beklagte die Kläger über ihr Widerrufsrecht wie folgt:
- 3
- Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Im Jahr 2014 widerriefen sie ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen , wobei zwischen den Parteien streitig geblieben ist, ob der Widerruf zuerst durch ein Schreiben der Kläger selbst vom 27. Juni 2014 oder durch ein Schreiben ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 26. September 2014 erklärt worden ist.
- 4
- Ihrer Klage festzustellen, dass die zwei in dritter Instanz noch streitgegenständlichen und drei weitere Darlehensverträge "durch Erklärung der Kläger wirksam widerrufen und in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt worden" seien, hat das Landgericht entsprochen. Den weiteren Antrag der Kläger auf Freistellung von vorgerichtlich verauslagten Anwaltskosten hat es abgewiesen. Über eine Hilfswiderklage der Beklagten, mit der die Beklagte die Rückforderung eines Teils der Darlehensvaluta verlangt hat, die die Kläger zunächst anerkannt haben, um dann die Berechnung der Beklagten nachträglich doch in Zweifel zu ziehen, und die die Beklagte später zurückgenommen hat, hat das Landgericht nicht erkannt.
- 5
- Gegen das landgerichtliche Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist den Klägern am 31. Mai 2016 zugestellt worden. Der Vorsitzende des mit der Sache befassten Senats des Berufungsgerichts hat mit Verfügung vom 3. Juni 2016, den Klägern zugestellt am 9. Juni 2016, eine Frist zur Erwiderung auf das Berufungsvorbringen "durch ihren Rechtsanwalt" bis zum 5. Juli 2016 gesetzt. In dieser Verfügung hat er Hinweise zur Wahrung der Frist und den mit der Versäumung der Frist verbundenen Folgen erteilt. Innerhalb dieser Frist haben die Kläger Anschlussberufung nicht eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten - soweit die noch streitgegenständlichen beiden Darlehensverträge betreffend - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es festgestellt hat, die Darlehensverträge hätten sich "aufgrund des Widerrufs der Kläger in Rückabwicklungsschuldverhält- nisse umgewandelt". Im Übrigen hat es auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen. Im Umfang ihrer Beschwer richtet sich dagegen die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
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- Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
I.
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- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (OLG Stuttgart, Urteil vom 27. September 2016 - 6 U 46/16, juris) - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
- 8
- Die Feststellungsklage sei zulässig. Die Wandlung des Darlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis könne zum Gegenstand einer gerichtlichen Feststellung gemacht werden. Die Kläger hätten auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung dieser Rechtswirkung des Widerrufs. Insbesondere könnten sie nicht auf die Erhebung einer Leistungsklage verwiesen werden. Eine Feststellungsklage des Darlehensnehmers sei von Anfang an zulässig, wenn sich nach einer Aufrechnung der wechselseitigen Ansprüche aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis kein Saldo zu seinen Gunsten ergäbe.
- 9
- Die Feststellungsklage sei auch begründet, weil die Beklagte die Kläger unzureichend deutlich über ihr Widerrufsrecht belehrt habe, ohne dass sie die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung für sich in An- spruch nehmen könne. Die Kläger hätten das Widerrufsrecht auch nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt oder verwirkt.
II.
- 10
- Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Der Feststellungsantrag ist nicht nur mangels Angabe der maßgeblichen Widerrufserklärung unbestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; vgl. Senatsurteil vom 7. November 2017 - XI ZR 369/16, WM 2018, 45 Rn. 14). Den Klägern fehlt auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
- 11
- 1. Der Feststellungsantrag der Kläger, "dass sich die Darlehensverträge […] in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt haben", ist auf eine positive Feststellung gerichtet. Eine von der Revisionserwiderung gewünschte Auslegung des Feststellungsantrags dahin, die Kläger begehrten die negative Feststellung, die Beklagte habe gegen die Kläger seit dem Zugang der Widerrufserklärung keinen Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung, kommt mangels eines in diesem Sinne auslegungsfähigen anspruchsleugnenden Zusatzes nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 15).
- 12
- 2. Als positive Feststellungsklage ist der Feststellungsantrag der Kläger unzulässig (vgl. Senatsurteile vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 11 ff., vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 13 ff., vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 19, vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 16 und vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 16 f.).
- 13
- Die Feststellungsklage ist auch nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24. Januar 2017 (XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 16) ausnahmsweise zulässig. Anders als dort steht hier nicht fest, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigen wird. Das Anerkenntnis der Kläger auf die später zurückgenommene Hilfswiderklage der Beklagten bezog sich allein auf einen Teil der Darlehensvaluta. Die Kläger haben das Rechenergebnis der Beklagten im weiteren Verlauf des Rechtsstreits in Frage gestellt. Überdies sind die Parteien über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs uneinig, der indessen über die Höhe der den Klägern nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB zustehenden Ansprüche entscheidet.
III.
- 14
- Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Der Senat erkennt selbst auf die Unzulässigkeit der Feststellungsklage (§ 563 Abs. 3 ZPO).
- 15
- 1. Zwar ist das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung (st. Rspr., zuletzt etwa Senatsurteile vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 31 und vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 457/16, WM 2017, 2256 Rn. 29). Die Feststellungsklage ist aber nicht auch unbegründet. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis richtig davon ausgegangen, die Beklagte habe die Kläger unzureichend deutlich über das ihnen zukommende Widerrufsrecht belehrt (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 31; Senatsbeschluss vom 28. November 2017 - XI ZR 167/16, juris; Stackmann, NJW 2017, 2383, 2385; ders., NJW 2018, 209; kritisch Lechner, WuB 2017, 373, 377 f.). Einer revisi- onsrechtlichen Überprüfung stand halten überdies die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, der Ausübung des Widerrufsrechts habe § 242 BGB nicht entgegen gestanden.
- 16
- 2. Die Sache ist auch nicht vorrangig vor einer Abweisung der Klage als unzulässig an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um den Klägern Gelegenheit zu geben, zu einem zulässigen Klageantrag überzugehen. Die Frist zur Einlegung einer dazu erforderlichen Anschlussberufung ist abgelaufen.
- 17
- a) Die Kläger können zulässig nur auf Rückgewähr der erbrachten Zinsund Tilgungsleistungen (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 39) oder darauf klagen, dass die Beklagte gegen die Kläger aufgrund des Widerrufs keine Ansprüche (mehr) aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB hat (Senatsurteil vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 16). Im Übergang von der positiven Feststellungsklage zur Leistungsklage läge eine Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO, in dem Übergang von der positiven Feststellungsklage zur negativen Feststellungsklage läge eine Klageänderung nach § 263 ZPO (OLG Stuttgart, NJW 2017, 3170 Rn. 27 f. und Urteil vom 23. Januar 2018 - 6 U 238/16, juris Rn. 47 ff., 57 ff.). Sowohl die Klageerweiterung als auch die Klageänderung setzen voraus, dass die in erster Instanz mit ihrem positiven Feststellungsbegehren erfolgreichen anderweitig beschwerten Kläger entweder selbst Berufung eingelegt haben und ihren Rechtsmittelangriff noch erweitern oder noch zulässig Anschlussberufung einlegen können (vgl. Senatsurteile vom 21. Februar 2017, aaO, vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 32 und vom 16. Mai 2017, aaO, Rn. 17; BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - VII ZR 145/12, WM 2015, 1871 Rn. 34; OLG Schleswig, Urteil vom 6. Juli 2017 - 5 U 24/17, juris Rn. 46 ff.).
- 18
- b) Die Kläger, die gegen das landgerichtliche Urteil - soweit die Abweisung ihres Antrags auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten betreffend - Berufung nicht eingelegt haben, könnten dies nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht nicht mehr tun. Auch eine Anschlussberufung können sie nicht mehr einlegen, weil die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO abgelaufen ist.
- 19
- Das Anlaufen der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO setzt voraus, dass das Berufungsgericht eine Frist zur Erwiderung auf die Berufung gesetzt und die in § 521 Abs. 2 Satz 2, § 277 Abs. 2 ZPO vorgeschriebene Belehrung erteilt hat (BGH, Urteile vom 22. Januar 2015 - I ZR 127/13, WM 2015, 1719 Rn. 19, vom 7. Mai 2015 - VII ZR 145/12, WM 2015, 1871 Rn. 41 und vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15, GRUR 2017, 785 Rn. 38; Beschluss vom 23. September 2008 - VIII ZR 85/08, NJW 2009, 515 Rn. 4). Die fristsetzende Verfügung des Vorsitzenden muss durch Übergabe einer beglaubigten Abschrift zugestellt werden (§ 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO; BGH, Beschluss vom 23. September 2008, aaO, Rn. 5). Bedingung für eine wirksame Fristsetzung ist, dass ein Hinweis auf den Vertretungszwang vor dem Berufungsgericht (BGH, Urteile vom 22. Januar 2015, aaO, Rn. 18 und vom 16. Mai 2017, aaO, Rn. 49; Beschluss vom 23. September 2008, aaO, Rn. 6) und auf die Folgen einer Fristversäumung erteilt wird (BGH, Urteil vom 16. Mai 2017, aaO, Rn. 50; Beschluss vom 23. September 2008, aaO). Über die Folgen einer Versäumung der Frist für die Einlegung der Anschlussberufung muss dagegen nicht belehrt werden (BGH, Urteil vom 16. Mai 2017, aaO, Rn. 40 ff.). Die Frist muss auch nicht schon zugleich mit der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift gesetzt werden (vgl. MünchKommZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 521 Rn. 7; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 524 Rn. 11).
- 20
- Hier ist den Klägern durch Verfügung vom 3. Juni 2016, den Klägern zugestellt am 9. Juni 2016, unter Beachtung dieser Grundsätze wirksam eine Frist zur Erwiderung auf die Berufung der Beklagten bis zum 5. Juli 2016 gesetzt worden. Innerhalb dieser Frist haben die Kläger Anschlussberufung nicht eingelegt.
Menges Derstadt
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 19.02.2016 - 12 O 290/15 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 27.09.2016 - 6 U 46/16 -