Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 15. Sept. 2015 - I-18 W 31/15
Tenor
Auf die Rüge der Klägerin vom 29.06.2015 wird der Beschluss des Senats vom 27.05.2015 dahin abgeändert, dass der Streitwertbeschluss der 3. Kammer für Handelssachen vom 16.04.2015 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst wird:
Der Streitwert für den Vergleich wird auf 63.306,97 € festgesetzt. Der Mehrwert des Vergleichs beträgt im Verhältnis der Beklagten zu der Streithelferin W… 63.306, 97 €.
Kosten werden nicht erstattet.
1
I.
2Die Parteien des Rechtsstreits, die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 63.306,97 € wegen eines Transportschadens geltend gemacht, haben unter Beteiligung der Streithelferin, die von der Beklagten mit dem Transport beauftragt worden war, am 12.04.2014 einen Vergleich geschlossen, wonach die Streithelferin an die Klägerin 9.000 € bezahlt und damit auch die wechselseitigen Ansprüche zwischen der Beklagten und der Streithelferin ausgeglichen sind (GA 301). Das Landgericht hat mit Beschluss vom 16.04.2015 den Streitwert für den Vergleich auch in Bezug auf die Streithelferin auf 63.306,97 € festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Streithelferin hat der Senat den Streitwert für den Vergleich mit Beschluss vom 27.05.2015 (GA 449) auf 126.613,94 € festgesetzt. Das hat die Klägerin gerügt und geltend gemacht, dass sich der Streitwert nur nach dem bestimmen könne, was zwischen den Parteien des Hauptverfahrens in Streit stehe, das gelte auch für einen ggfls. sich ergebenden Mehrwert im Rahmen eines Vergleichsschlusses. Der Nebenintervenient agiere allein im Interesse der von ihm unterstützten Partei. Der Gegenstand des Vergleichs habe sich durch den Vergleichsschluss nicht verändert. Das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und der Streithelferin betreffe die Klägerin nicht, weswegen sie nicht mit höheren Kosten belastet werden könne.
3II.
4Die nach § 69a GKG zulässige, als Gegenvorstellung bezeichnete Rüge führt in Abänderung des Beschlusses vom 27.05.2015 zur Festsetzung des Streitwerts für den Vergleich auf 63.306,97 € und zur Festsetzung eines Mehrwerts für den Vergleich lediglich für die Beklagte und die Streithelferin, da durch den Vergleich zwar ein nicht streitgegenständlicher Anspruch erledigt wird, der mit den streitgegenständlichen Ansprüchen nicht wirtschaftlich identisch ist, diese Erledigung jedoch nicht beide am Rechtsstreit beteiligten Parteien betrifft, sondern nur die Beklagte und die Streithelferin.
5Ein Mehrwert des Vergleichs fällt grundsätzlich an, wenn die Parteien einen nicht streitgegenständlichen Anspruch vergleichsweise miterledigen. Insoweit verbleibt es bei den Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 27.05.2015.
6Der miterledigte Anspruch zwischen der Beklagten und der auf ihrer Seite beigetretenen Streithelferin besteht allerdings nicht zwischen den Parteien des Rechtsstreits. Ob die vergleichsweise Erledigung von Ansprüchen zwischen einer Partei des Rechtsstreits und einem Streithelfer zu einem Mehrwert führt, ist umstritten.
7Es wird vertreten, dass dies zu einem Vergleichsmehrwert für alle Parteien des Rechtsstreits führt, wenn die Erledigung Teil einer Gesamtbereinigung gewesen ist, an der alle Parteien ein Interesse hatten (OLG Koblenz, Beschluss vom 22. 12.1997, 14 W 771/97, Beck RS 1997, 30813226; OLG Köln, Beschluss vom 19.11.1972, 2 W 105/72, MDR 1973, 324). Diese Auffassung hat der Senat in seinem Beschluss vom 27.05.2015 vertreten. Daran hält er nach nochmaliger Beratung nicht fest.
8Nach der Gegenansicht sind Vergleichsregelungen, die Dritte mit einer der Parteien treffen, bei der Wertfestsetzung nicht zu berücksichtigen, da es bei der Ermittlung des Mehrwerts allein auf das Verhältnis der Prozessparteien ankommt, und weil ein hierdurch verursachter Mehrwert zu einer anteilig höheren Kostenbelastung des an diesen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Gegners führen kann (LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.09.2014, 17 (Ta (Kost) 6057/14; OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.03.2009, 3 W 10/09, NJW-RR 2009, 1079).
9Nach einer vermittelnden Ansicht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 15. Dezember 2004, 10 U 158/13, zitiert nach juris), der der Senat folgt, ist der Mehrwert in einem Vergleich miterledigter Ansprüche bei der Streitwertfestsetzung im Verhältnis für die Parteien und weitere Beteiligte des Rechtsstreits und Vergleichs zu berücksichtigen, die das erledigte Rechtsverhältnis betrifft. Dies berücksichtigt den Sinn der Streitwertfestsetzung, dass mit dem Mehrwert der zusätzliche Beratungsaufwand und auch die Haftung der Prozessbevollmächtigten honoriert werden soll, die sich für den Vergleich eingesetzt und damit zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits beigetragen haben und berücksichtigt zugleich den berechtigten Einwand der Kostengerechtigkeit für diejenige Partei, die an dem Rechtsverhältnis, das durch den Mehrvergleich geregelt wird, nicht beteiligt ist. Wenn, wie vorliegend, ein Mehrwert des Vergleichs lediglich für die Beklagte und die Streithelferin festgesetzt wird, wird die Klägerin aufgrund des Mehrwerts des Vergleichs nur durch die dadurch ausgelöste zusätzliche 0,25-Gerichtsgebühr nach Nr. 1900 KV GKG anteilig belastet. Darin ist kein wesentliches Gerechtigkeitsdefizit zu sehen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Kostenregelung des Vergleichs grundsätzlich zur Disposition der Parteien steht, so dass sie durch eigene Rechtsgestaltung vermeiden können, dass die an dem zusätzlich verglichenen Rechtsverhältnis nicht beteiligte Partei mit erhöhten Kosten belastet wird (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn 9).
10Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 69 Abs. 6 GKG.
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Referenzen - Gesetze
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- 1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntmachung der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. Die Rüge ist bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird; § 66 Absatz 5 Satz 1 und 2 gilt entsprechend. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Nummer 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist.
(6) Kosten werden nicht erstattet.
Gegen den Beschluss nach § 38 findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung in dem Beschluss der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5, Absatz 6 und 8 ist entsprechend anzuwenden.