Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 11. Feb. 2015 - 1 Ws 49/15

published on 11/02/2015 00:00
Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 11. Feb. 2015 - 1 Ws 49/15
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Tatbestand

Das AG verurteilte die beiden Angekl. am 16.10.2014 zu einer Gesamtgeldstrafe von 15 Tagessätzen bzw. zur Geldstrafe von 10 Tagessätzen. Hiergegen legten die anwaltlich vertretenen Angekl. jeweils form- und fristgerecht am 22.10.2014 ausdrücklich Berufung ein. Das Urteil des AG wurde ihren Verteidigern am 27.11.2014 zugestellt. Die Berufungsvorlage erfolgte am 15.12.2014. Am 17.12.2014 verwarf das LG die Berufungen nach § 313 I, II 2 StPO als unzulässig. Die formlose Mitteilung der Beschlüsse an die Verteidiger erfolgte am 18.12.2014. Mit gemeinsamem Verteidigerschriftsatz vom 19.12.2014 legten die Angekl. gegen die Verwerfung sofortige Beschwerde ein und rügten die Verletzung rechtlichen Gehörs. Mit gleichen Schriftsatz wurde das Rechtsmittel als Revision bezeichnet, Revisionsanträge gestellt und die Revisionen mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet. Der Schriftsatz vom 19.12.2014 lag dem AG jedenfalls am 23.12.2014 vor. Die sofortige Beschwerde der Angekl. blieb ohne Erfolg

Gründe

I.

Die sofortigen Beschwerden der Angekl. sind nicht statthaft und waren daher als unzulässig zu verwerfen. Die Angekl. wurden zu Gesamtgeldstrafen von 15 Tagessätzen bzw. 10 Tagessätzen verurteilt. Daher sind ihre Berufungen gegen das Urteil des AG nur zulässig, wenn sie angenommen werden, § 313 I 1 StPO. Eine solche Berufung wird angenommen, wenn sie nicht offensichtlich unbegründet ist. Andernfalls ist sie als unzulässig zu verwerfen, § 313 II StPO. Der Beschluss, durch den das Berufungsgericht über die Annahme einer Berufung entscheidet, ist nach § 322 a S. StPO unanfechtbar.

1. Allerdings entspricht es herrschender Rspr., dass die Unanfechtbarkeit der Nichtannahmeentscheidung nur dann zu bejahen ist, wenn tatsächlich ein Fall des § 313 I StPO gegeben ist. Liegt überhaupt kein Fall des § 313 I StPO vor, unterfällt die fehlerhafte Anwendung dieser Vorschrift deshalb der sofortigen Beschwerde nach § 322 II StPO (vgl. nur KK/Paul StPO, 7. Aufl. § 322 a Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl., § 322 a Rn. 8, jew. m. w. N.).

2. Vorliegend war ein Fall des § 313 I StPO gegeben. Die Angekl. haben das gegen das amtsgerichtliche Urteil erhobene Rechtsmittel mit Schriftsätzen ihrer Verteidiger vom 22.10.2014 ausdrücklich als Berufung bezeichnet. Sie haben erst nach dem Verwerfungsbeschluss der Berufungskammer vom 17.12.2014 das Rechtsmittel gegen das amtsgerichtliche Urteil als Revision bezeichnet, Revisionsanträge gestellt und die Revision begründet.

a) Zwar entspricht es ebenfalls ständiger obergerichtlicher Rspr., dass die Erklärung, dass der Rechtsmittelführer von der ursprünglich eingelegten Berufung zur (Sprung-) Revision übergehe ebenso wie die Revisionsbegründung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist bei dem AG angebracht werden müssen, das die angegriffene Entscheidung erlassen hat (BGHSt 40, 395 = StV 1995, 174 = NJW 1995, 2367 = VRS 89 [1995], 125 = wistra 1995, 236; vgl. auch OLG Bamberg, Urt. vom 12.12.2006 - 3 Ss 126/06 [bei juris]). Wenn ein Urteil sowohl mit der Berufung als auch mit der (Sprung-) Revision angefochten werden kann (§ 335 StPO), ist der Übergang vom Rechtsmittel der Berufung zum Rechtsmittel der Revision grundsätzlich auch dann zulässig, wenn der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel bereits ausdrücklich als Berufung bezeichnet hat, vorausgesetzt, die für den Übergang erforderliche Erklärung erfolgt innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 I StPO. Die Erklärung des Übergangs ist eine Rechtsmitteleinlegung und wie diese zu behandeln. Sie ist ebenso wie die Revisionsbegründung grundsätzlich bei dem Gericht anzubringen, das das angegriffene Urteil erlassen hat. In Fällen, in denen das Rechtsmittel als Berufung bezeichnet worden war, kann dies dazu führen, dass die Akten dem Berufungsgericht vorgelegt werden, bevor der Beschwerdeführer sein Wahlrecht verloren hat. Das Berufungsgericht ist dann zwar mit der Sache befasst, damit ist aber keine die Zuständigkeit verändernde Sachlage eingetreten. Solange der Übergang zur Revision noch zulässig ist, handelt es sich allenfalls um eine bedingte und damit vorläufige Zuständigkeit des Berufungsgerichts, da das Rechtsmittel als unter dem Vorbehalt der endgültigen Bestimmung eingelegt anzusehen ist. Das Berufungsgericht kann, solange seine Zuständigkeit nicht fest liegt, noch keine endgültigen Maßnahmen treffen (vgl. BGH a. a. O.).

b) Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt für den Fall der Annahmeberufung des § 313 I StPO. Eine Frist, innerhalb derer die Annahmeentscheidung ergehen muss, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Das Berufungsgericht muss aber in jedem Fall die Berufungsbegründungsfrist des § 317 StPO abwarten, bevor es die Nichtannahme der Berufung beschließt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 322 a Rn. 7; KMR-BrunnStPOtPO § 322 a Rn. 3, 4). Dies ist vorliegend geschehen. Die Zustellung des amtsgerichtlichen Urteils erfolgte am 27.11.2014, der Beschluss über die Nichtannahme der Berufung datiert vom 17.12.2014. Wird also - wie hier - ein nach § 313 StPO anfechtbares Urteil ausdrücklich mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten, kann das Berufungsgericht nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hierüber jedenfalls dann sogleich entscheiden, wenn sich aus dem Vorbringen des verteidigten Angekl. keinerlei Hinweis auf ein mögliches künftiges Auswechseln des Rechtsmittels ergibt (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.07.2011 - 1 Ss 122/11 = NStZ 2012, 54 = NdsRpfl 2011, 429; offen gelassen OLG Koblenz, Beschl. v. 18.04.2011 - 1 Ss 54/11 [bei juris] = NStZ-RR 2012, 21 [Ls]).

3. Auch die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs der Angekl. geht fehl. Denn das Berufungsgericht brauchte den verteidigten Angekl. vor Erlass des Nichtannahmebeschlusses kein rechtliches Gehör mehr zu gewähren (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 322 a Rn. 7; KK/Paul a. a. O.).

II.

Nachdem ein Fall des § 313 I StPO gegeben ist, verbleibt es bei dem Grundsatz, dass Entscheidungen über die Annahme der Berufung nach § 322 a S. 2 StPO unanfechtbar sind. Eine Entscheidung über das Schicksal der Revisionen der Angekl. obliegt dem Beschwerdesenat nicht. Hierzu sind die Revisionssenate des Oberlandesgerichts berufen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 I StPO.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Ein Urteil, gegen das Berufung zulässig ist, kann statt mit Berufung mit Revision angefochten werden. (2) Über die Revision entscheidet das Gericht, das zur Entscheidung berufen wäre, wenn die Revision nach durchgeführter Berufung eingelegt w

(1) Ist der Angeklagte zu einer Geldstrafe von nicht mehr als fünfzehn Tagessätzen verurteilt worden, beträgt im Falle einer Verwarnung die vorbehaltene Strafe nicht mehr als fünfzehn Tagessätze oder ist eine Verurteilung zu einer Geldbuße erfolgt, s

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(1) Ein Urteil, gegen das Berufung zulässig ist, kann statt mit Berufung mit Revision angefochten werden.

(2) Über die Revision entscheidet das Gericht, das zur Entscheidung berufen wäre, wenn die Revision nach durchgeführter Berufung eingelegt worden wäre.

(3) Legt gegen das Urteil ein Beteiligter Revision und ein anderer Berufung ein, so wird, solange die Berufung nicht zurückgenommen oder als unzulässig verworfen ist, die rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form eingelegte Revision als Berufung behandelt. Die Revisionsanträge und deren Begründung sind gleichwohl in der vorgeschriebenen Form und Frist anzubringen und dem Gegner zuzustellen (§§ 344 bis 347). Gegen das Berufungsurteil ist Revision nach den allgemein geltenden Vorschriften zulässig.

Die Berufung kann binnen einer weiteren Woche nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder, wenn zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt war, nach dessen Zustellung bei dem Gericht des ersten Rechtszuges zu Protokoll der Geschäftsstelle oder in einer Beschwerdeschrift gerechtfertigt werden.

(1) Ist der Angeklagte zu einer Geldstrafe von nicht mehr als fünfzehn Tagessätzen verurteilt worden, beträgt im Falle einer Verwarnung die vorbehaltene Strafe nicht mehr als fünfzehn Tagessätze oder ist eine Verurteilung zu einer Geldbuße erfolgt, so ist die Berufung nur zulässig, wenn sie angenommen wird. Das gleiche gilt, wenn der Angeklagte freigesprochen oder das Verfahren eingestellt worden ist und die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von nicht mehr als dreißig Tagessätzen beantragt hatte.

(2) Die Berufung wird angenommen, wenn sie nicht offensichtlich unbegründet ist. Andernfalls wird die Berufung als unzulässig verworfen.

(3) Die Berufung gegen ein auf Geldbuße, Freispruch oder Einstellung wegen einer Ordnungswidrigkeit lautendes Urteil ist stets anzunehmen, wenn die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten zulässig oder nach § 80 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten zuzulassen wäre. Im übrigen findet Absatz 2 Anwendung.