Landgericht Schweinfurt Beschluss, 16. Nov. 2017 - 11 T 108/17

published on 16/11/2017 00:00
Landgericht Schweinfurt Beschluss, 16. Nov. 2017 - 11 T 108/17
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Gericht

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Tenor

1. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 14.03.2017, AZ: 06 XVII 182/14, UL-Nr. 20/17, wird zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Beschwerde zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 EURO festgesetzt.

Gründe

I.

Für den Betroffenen besteht seit langer Zeit eine Betreuung.

Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 27.06.2016 wurde die Betreuung geändert und verlängert. Es wurde bestimmt, dass die Betreuung weiterhin folgende Aufgabenkreise umfasst:

– Vermögenssorge

– Gesundheitsfürsorge

– Aufenthaltsbestimmung

– Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, ausgenommen wird die Vertretung des Betroffenen im Schadensersatzverfahren wegen eines 1986 erlittenen Unfalls. Insoweit geht die Bevollmächtigung auf RA … vor.

– Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen.

Der bestehende Einwilligungsvorbehalt wurde dahingehend abgeändert, dass er unbeschränkt gilt.

Betreuer des Betroffenen ist … Beginnend ab 1993 befand sich der Betroffene bis März 2008 30 Mal in stationärer psychiatrischer Behandlung.

Mit Beschluss des Amtsgerichts W. vom 26.03.2008 wurde die Einwilligung des Betreuers in der Unterbringung des Betroffenen bis zum 01.04.2009 genehmigt.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 16.06.2009 wurde die Unterbringung des Betroffenen durch den Betreuer bis 16.06.2011 genehmigt. Seit dem ist der Betroffene dauerhaft untergebracht. Die Genehmigung der Unterbringung wurde mit den Beschlüssen des Amtsgerichts H. vom 13.05.2011, des Amtsgerichts H. vom 28.05.2013 und des Amtsgerichts B. vom 08.04.2015 jeweils verlängert.

Zuletzt wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 14.03.2017 die Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung bis längstens 22.02.2019 genehmigt. Dieser Beschluss wurde dem Betroffenen am 16.03.2017 zugestellt.

Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 13.04.2017, beim Amtsgericht Bad Kissingen eingegangen am 18.04.2017, hat der Betroffene gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 14.03.2017 Beschwerde eingelegt. Ziel der Beschwerde ist, den Beschluss vom 14.03.2017 aufzuheben.

Das Amtsgericht Bad Kissingen hat mit Beschluss vom 03.08.2017 der Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss vom 14.03.2017 nicht abgeholfen.

Der Einzelrichter der Beschwerdekammer hat den Betroffenen am 13.11.2017 persönlich angehört. Dabei hat der Betroffene zum Ausdruck gebracht, dass er mit der Beschwerde die Beendigung der Unterbringung erstrebt.

II.

1. Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere wurde die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt, §§ 63, 64 FamFG.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Die Voraussetzungen für die Genehmigung der Unterbringung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegen vor. Die Unterbringung ist zum Wohl des Betroffenen erforderlich, weil aufgrund einer psychischen Krankheit des Betroffenen die Gefahr besteht, dass dieser sich selbst erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.

Dies ergibt sich aus den Gutachten des Sachverständigen Dr. F., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, vom 22.02.2017, vom 18.07.2017 und vom 21.08.2017.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist folgende Diagnose zu stellen:

– hirnorganisches Syndrom bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma (ICD-10:F 078).

– Abhängigkeitssyndrom vom Alkoholtyp (ICD-10:F 10.2).

– Epilepsie, z.Zt. erscheinungsfrei (ICD-10:G 40.9).

Nach den Ausführungen des Sachverständigen ergibt sich die konkrete Gefahr, dass sich der Betreute selbst einen erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, aus folgenden Umständen:

Beim Betroffenen liegt ein hirnorganisches Psychosyndrom nach einer Verletzung des Gehirns bei einem Verkehrsunfall vor. Dies schränkt seine Fähigkeit zur Impulskontrolle ebenso ein wie auch seine Einsichtsfähigkeit und seine Urteils- und Kritikfähigkeit. Bei unzureichender Urteils- und Kritikfähigkeit, fehlender Einsichtsfähigkeit und unzureichender Impulskontrolle wäre aber für den Fall, dass der Betroffene in einem offenen Rahmen und nicht wie derzeit, im Rahmen einer Unterbringung auf einer geschlossenen therapeutischen Einrichtung versorgt wurde, eine gravierende gesundheitliche Schädigung durch erneuten Alkoholkonsum zu erwarten.

Die Epilepsie ist bei Betroffenen zwar derzeit erscheinungsfrei. Dennoch trägt die depressive Disposition des Betroffenen zu seiner ganz besonderen gesundheitlichen Selbstgefährdung im Falle eines erneuten Alkoholkonsums bei. Durch Alkohol wird generell die Krampfschwelle gesenkt. Im Falle eines erneuten Alkoholkonsums wäre beim Betroffenen das Risiko, einen Krampfanfall zu erleiden, beträchtlich erhöht. Da sein Gehirn bereits vorgeschädigt ist, wäre eine weitere Gehirnschädigung nicht nur durch die toxische Wirkung des Suchtmittels Alkohol anzunehmen, sondern auch durch die unmittelbaren Folgen eines Krampfanfalls. Derartige unmittelbare Folgen von Krampfanfällen können einerseits in Verletzungen, zum Beispiel Schädelprellungen etc. bestehen, andererseits in einer verminderten Sauerstoffversorgung des Gehirns während eines Krampfanfalls.

Schließlich ist beim Betroffenen ohne freiheitsentziehende Unterbringung mit einer akuten Selbstschädigung im Straßenverkehr zu rechnen, weil die Fähigkeit der Impulskontrolle, seine Einsichtsfähigkeit und seine Urteils- und Kritikfähigkeit eingeschränkt sind.

Weiterhin ist im Rahmen einer offenen Betreuung die Verwahrlosung des Betreuten zu befürchten.

Die Beschwerdekammer hat die Gutachten kritisch geprüft. Der Sachverständige hat für seine Begutachtung die Gerichtsakte 06 XVII 142/14 sowie die Angaben des Heimpersonals ausgewertet. Weiterhin hat der Sachverständige den Betroffenen am 21.02.2017 persönlich untersucht. Die vom Sachverständigen gestellten Diagnosen ziehen sich im Wesentlichen durch seit dem ersten dokumentierten stationären Aufenthalt im psychiatrischen Krankenhaus in L. im Januar/Februar 1993 (vgl. Gutachten vom 19.04.2004). Der Umstand, dass der Betroffene (solange er nicht aus der Unterbringung entweicht) in der Unterbringung gezwungenermaßen keinen Alkohol zu sich nehmen kann, spricht nicht gegen ein Abhängigkeitssyndrom. In der Vergangenheit kam es vielfach zu Einweisungen, denen eine Alkoholisierungssituation zugrunde lag. Dies ist im Einzelnen dargestellt in dem Gutachten des psychiatrischen Krankenhauses L. vom 12.03.2008. Dass weiterer Alkoholkonsum des Betroffenen bei der gegebenen Vorschädigung des Gehirns in Verbindung mit der derzeit erscheinungsfreien Epilepsie zur Gefahr führt, dass sich der Betroffene selbst einen erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, ist nachvollziehbar und wurde durch das Verhalten des Betroffenen in der Vergangenheit belegt. Dieses Verhalten führte zu den aus der Akte ersichtlichen häufigen kurzfristigen Unterbringungseinweisungen in den Jahren 1993 bis 2008.

Aufgrund der Einschränkung der Fähigkeit zur Impulskontrolle, der Einsichtsfähigkeit und der Urteils- und Kritikfähigkeit besteht auch die konkrete Gefahr, dass der Betroffene sich selbst im Verkehr einen erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Dies hat sich in der Vergangenheit bereits darin manifestiert, dass der Betroffene am 04.06.2016 in der Gleisanlage kurz vor dem Bahnhof M. offensichtlich hilflos angetroffen wurde, so dass von einem Zugführer ein Rettungswagen gerufen wurde.

Weiterhin besteht die Gefahr, dass der Betroffene ohne die Unterbringung beim Bewohnen der eigenen Wohnung verwahrlost. Dies wurde dokumentiert für die Zeit, in der der Betroffene noch seine eigene Wohnung selbständig bewohnt hat (Vermerk Dr. N. vom 18.03.2004).

Nach den Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 22.02.2017 wird die Unterbringung auf unabsehbare Zeit notwendig sein, so dass die vom Amtsgericht ausgesprochene Unterbringungsdauer nicht zu beanstanden ist. Die Einschätzung des Sachverständigen wird bestätigt durch das Krankheitsbild und den bisherigen Verlauf.

Der Betroffene kann seinen Willen aufgrund einer psychischen Krankheit nicht frei bestimmen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. vom 21.08.2017. Der Sachverständige hat dies nachvollziehbar und zutreffend abgeleitet aus dem Zusammenwirken von organischem Psychosyndrom und Alkoholabhängigkeit, die dazu führen, dass die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen im Hinblick auf seine Erkrankung und im Hinblick auf die Unterbringung unzureichend ist. Bestätigt wird dies durch den Eindruck, den der Einzelrichter der Beschwerdekammer bei der Anhörung des Betroffenen gewonnen hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Der Beschwerdewert wird gemäß §§ 36 Abs. 3, 61 GNotKG festgesetzt.

Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Beurteilung des Beschwerd

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. (2) Soweit sich in einer nichtvermögensrec
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Tenor Die Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung wird bis längstens 22.02.2019 genehmigt. Die sof
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Annotations

(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:

1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder
2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.

(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und in Familienstreitsachen ausgeschlossen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.

(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Endentscheidung). Für Registersachen kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden.

(2) Der Beschluss enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten;
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Gerichtspersonen, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
die Beschlussformel.

(3) Der Beschluss ist zu begründen. Er ist zu unterschreiben. Das Datum der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder der Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel (Erlass) ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(4) Einer Begründung bedarf es nicht, soweit

1.
die Entscheidung auf Grund eines Anerkenntnisses oder Verzichts oder als Versäumnisentscheidung ergeht und entsprechend bezeichnet ist,
2.
gleichgerichteten Anträgen der Beteiligten stattgegeben wird oder der Beschluss nicht dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht oder
3.
der Beschluss in Gegenwart aller Beteiligten mündlich bekannt gegeben wurde und alle Beteiligten auf Rechtsmittel verzichtet haben.

(5) Absatz 4 ist nicht anzuwenden:

1.
in Ehesachen, mit Ausnahme der eine Scheidung aussprechenden Entscheidung;
2.
in Abstammungssachen;
3.
in Betreuungssachen;
4.
wenn zu erwarten ist, dass der Beschluss im Ausland geltend gemacht werden wird.

(6) Soll ein ohne Begründung hergestellter Beschluss im Ausland geltend gemacht werden, gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisentscheidungen entsprechend.