Landgericht Regensburg Endurteil, 12. Mai 2015 - 2 S 221/14

bei uns veröffentlicht am12.05.2015
vorgehend
Amtsgericht Cham, 1 C 168/14, 28.07.2014

Gericht

Landgericht Regensburg

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Amtsgerichts Cham vom 28.07.2014 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Endurteil des AG Cham vom 20.07.2014 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.410,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Zur Darstellung des Tatbestandes wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen, § 540 I ZPO.

In der Berufungsverhandlung vom 28.04.2015 wurden die Parteien informatorisch angehört.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Berufungsverhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.04.2015 verwiesen.

II.

Die nach §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht Cham der Schadensabrechnung für das klägerische Fahrzeug einen Restwert in Höhe von 1.830,00 Euro zugrunde gelegt. Der vom Sachverständigen der Klägerin ermittelte Restwert in Höhe von nur 420,00 Euro kann im vorliegender Fall keine Anwendung finden. Denn die Klägerin hat auch nach Auffassung des Berufungsgerichts gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen.

Im Einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem:

1. Zwar ist die unfallgeschädigte Klägerin Herrin des Regulierungsverfahrens. Dieser Grundsatz wird auch vom Berufungsgericht in keinster Weise in Frage gestellt Grundsätzlich darf deshalb der unfallgeschädigte Pkw-Eigentümer sein Fahrzeug zu dem Restwert verkaufen, den ein vom Geschädigten beauftragter Sachverständiger ermittelt hat. Insoweit kann auf die vom Erstgericht umfangreich zitierte Rechtsprechung Bezug genommen werden.

Jeder Geschädigte kann aber nach § 249 II Satz 1 BGB nur den zur Schadensbehebung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Geschädigte unterliegt dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und der Schadensminderungspflicht. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kommt dann in Betracht, wenn der Geschädigte mühelos einen höheren als den vom Sachverständigen genannten Restwert zu erzielen vermag oder wenn der Schädiger ihm eine ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit nachweist (vgl. BGHZ 143, 189, 194).

Insbesondere ist der Geschädigte verpflichtet, dem Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung die Überprüfung der angesetzten Werte zu ermöglichen, die der Schadensersatzforderung zugrunde gelegt werden. Der Ersatzpflichtige muss überprüfen können, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden oder ein sogenannter Reparaturschaden vorliegt. Insoweit wird auf ein Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 06.11.1991, Aktenzeichen 17 U 185/89, verwiesen.

2. Im vorliegenden Fall stellen sich die entscheidungsrelevanten Daten wie folgt dar:

Der streitgegenständliche Unfall ereignete sich am Sonntag, 17.11.2013. Das Gutachten des von der Klägerin beauftragten Sachverständigen H. datiert vom Donnerstag, 21.11.2013. Dieses Gutachten ging bei der Klägerin frühestens am Freitag 22.11.2013, ein. Bereits am darauffolgenden Montag, nämlich am 25.11.2013, verkaufte die Klägerin ihr unfallbeschädigtes Fahrzeug zu dem von „ihrem“ Sachverständigen geschätzten Restwert in Höhe von 420,00 Euro. Zu diesem Zeitpunkt war aber die Beklagte zu 2) noch gar nicht über die von der Klägerin erhobene Forderung informiert. Das Anspruchsschreiben des Klägervertreters datiert erst vom Dienstag, 26.11.2013, somit einen Tag nach dem bereits erfolgten Verkauf des Unfallfahrzeugs. Gemeinsam mit diesem Anspruchsschreiben wurde der Beklagten das Gutachten des Sachverständigen H. übersandt. Der Beklagten zu 2) wurde mit dem Schreiben vom 26.11.2013 nicht einmal eine Zahlungsfrist eingeräumt; vielmehr wurde der geforderte Betrag als sofort fällig bezeichnet Unter dem 03.12.2013 übermittelte die Beklagte zu 2) dem Klägervertreter bezüglich des Unfallfahrzeuges ein Restwertangebot über 1.830,00 Euro. Dieses Angebot wurde als bis zum 23.12.2013 verbindlich bezeichnet. Es enthielt Anschrift und Telefonnummer der am Kauf des Fahrzeugs interessierten Firma. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug vom Anbieter kostenfrei abgeholt wird.

3. Unter Berücksichtigung der obigen grundsätzlichen Ausführungen und der konkreten Falldaten ergibt sich für den vorliegenden Rechtsstreit Folgendes:

Die Klägerin hat der Haftpflichtversicherung der Unfallgegnerin nicht die Möglichkeit eingeräumt, den im Raum stehenden Schadensersatzanspruch zu überprüfen. Vielmehr wurde, diese Möglichkeit vereitelt. Denn der Unfall-Pkw war von der Klägerin bereits verkauft worden, bevor die beklagte Haftpflichtversicherung überhaupt kontaktiert wurde. Auch die Möglichkeit, ein besseres Restwertangebot zu unterbreiten, wurde gezielt verhindert.

Das Restwertangebot von Seiten der Beklagten zu 2) wurde jedoch bereits am 03.12.2013 und damit sehr zeitnah unterbreitet. Dieses Restwertangebot war nach Auffassung der Berufungskammer jederzeit zugänglich und annahmefähig. Es waren in der Mitteilung vom 03.12.2013 Anschrift und Telefonnummer der am Kauf interessierten Firma angegeben. Auch der Preis und die Gültigkeitsdauer des Angebots waren genannt. Ferner war ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug für die Klägerin kostenfrei vom Anbieter abgeholt werde.

Der Klägerin wäre im Hinblick auf die ihr obliegende Schadensminderungspflicht zumindest zuzumuten gewesen, sich mit dem angegebenen Fahrzeugaufkäufer in Verbindung zu setzen. Diese Möglichkeit hat jedoch die Klägerin selbst vereitelt, intern sie bereits am 25.11.2013 ihr Fahrzeug verkauft hat.

Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass es im vorliegenden Rechtsstreit nicht darum geht ob stets eine Entscheidung der gegnerischen Versicherung bezüglich eines Restwertangebotes abzuwarten ist und wie viel Zeit hierfür der Geschädigte der Gegenseite einräumen muss.

Der Geschädigte darf jedoch nicht - wie es hier geschehen ist - Bemühungen um eine Schadensminderung vereiteln. Hierdurch verstößt der Geschädigte - hier die Klägerin - gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht. Im konkreten Fall wäre der Schaden um 1.410,00 Euro gemindert worden, wenn nicht die Klägerin durch ihre voreilige Vorgehensweise diese Möglichkeit treuwidrig zunichte gemacht hätte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

IV.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 708 Nr. 10 ZPO.

V.

Entgegen dem Antrag des Klägervertreters war die Revision nicht zuzulassen. Denn die Voraussetzungen des § 543 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die vorliegende Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichte erforderlich. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache läge nur dann vor, wenn eine für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage bisher höchstrichterlich nicht geklärt wäre. Davon kann jedoch im vorliegenden Prozess keine Rede sein. Vielmehr handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, der die konkreten Daten des Regulierungsablaufes, die den vorliegenden Fall prägen, zugrunde gelegt werden. Deshalb gibt der hier zu entscheidende Einzelfall auch keine Veranlassung dafür, Leitsätze für die Auslegung von Bestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen (Fortbildung des Rechts). Eine Divergenz des vorliegenden Urteils mit der obergerichtlichen Rechtsprechung ist nicht erkennbar. Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist deshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich.

gez. H., JHSekr’in, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Regensburg Endurteil, 12. Mai 2015 - 2 S 221/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Regensburg Endurteil, 12. Mai 2015 - 2 S 221/14

Referenzen - Gesetze

Landgericht Regensburg Endurteil, 12. Mai 2015 - 2 S 221/14 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Referenzen

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.