Landgericht Regensburg Beschluss, 02. Nov. 2015 - 5 T 247/15

bei uns veröffentlicht am02.11.2015
vorgehend
Amtsgericht Regensburg, XVII 1434/14, 13.01.2015

Gericht

Landgericht Regensburg

Tenor

1. Aufgrund der von der Betreuungsstelle ... mit Schreiben vom 21.01.2015, eingegangen beim Amtsgericht ... am 23.01.2015, eingelegten Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgericht ... vom 13.01.2015 in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen ... aufgehoben.

2. Eine Betreuung wird nicht angeordnet.

3. Der Antrag der Rechtsanwältin ... vom 04.09.2015, dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe zu gewähren und ihm die Rechtsanwältin ... beizuordnen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

4. Der Antrag auf Akteneinsicht der Rechtsanwältin ..., vom 04.09.2015 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Sachverhalt:

a) Persönliche Entwicklung des Betroffenen

Der am ...1995 geborene Betroffene ... wuchs zuhause bei seiner Mutter auf. Seinen Vater, der offensichtlich in den USA lebt, hat er erstmals mit 17 Jahren über ... kennengelernt und anschließend sich mit ihm ausgetauscht. Die Personensorge für ihn hatte bis zum 18. Lebensjahr ausschließlich seine Mutter. Nach dem Besuch des Kindergartens wechselte der Betroffene in die Regelschule. Aufgrund häuslicher und schulischer Probleme nahm seine Mutter Kontakt mit dem Jugendamt auf, so dass im Jahre 2007 eine Erziehungsbeistandschaft für den Betroffenen ausgesprochen wurde. Vom Jugendamt wurde diese Maßnahme als sog. „Intensiverziehungsbeistandschaft“ bezeichnet. Sie diente vor allem zur Vermeidung weitergehender Maßnahmen wie etwa einer Fremdunterbringung. Darüber hinaus wurde versucht, den Besuch einer Förderschule zu vermeiden und einen Abschluss in der Regelschule zu gewährleisten. Die Erziehungsbeistandschaft wurde durch den Sozialpädagogen ... durchgeführt. Dieser beschäftigte sich unmittelbar mit dem Betroffenen, ca. 7 bis 9 Stunden in der Woche. Neben Freizeitaktivitäten kümmerte sich der Sozialpädagoge um übrige Angelegenheiten des Betroffenen und unterstützte ihn auch bei schulischen Problemen. Die Erziehungsbeistandschaft wurde aufrechterhalten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs. Über die Jahre hinweg entstand ein sehr vertrauenvolles Verhältnis des Betroffenen zu seinem Erziehungsbeistand.

Auch die Mutter des Betroffenen akzeptierte von Anfang an den Sozialpädagogen und wandte sich stets vertrauensvoll an ihn, um eine gemeinsame Förderung des Betroffenen zu erreichen. Auch nach der offiziellen Beendigung der Erziehungsbeistandschaft kontaktierte der Sozialpädagoge den Betroffenen, um ihn zu unterstützen. Insbesondere bei einer krisenhaften Zuspitzung, nach einer Auseinandersetzung mit der Polizei und einem kurzfristigen Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus, war der Sozialpädagoge auf Zuruf der Mutter bereit, sich an den Gesprächen zu beteiligen und den Betroffenen zu unterstützen.

Sofern der Betroffene dies wünscht, würde sich das Jugendamt bemühen, den Sozialpädagogen ... erneut mit der Erziehungsbeistandschaft zu betrauen. Sowohl der Leiter des Jugendamts wie auch der Sozialpädagoge ... würden dies als sinnvoll erachten und unterstützen.

Während der Schulzeit gab es nur kleinere Probleme. Er besuchte die Regelschule und zwar die ...-Gesamtschule. Sein Abschlusszeugnis kann durchaus als erfreulich bezeichnet werden und hat als schlechteste Note die 3. Im Anschluss wurde versucht für den Betroffenen eine Ausbildung zu organisieren bzw. ihm den „Quali“ zu ermöglichen. Es wurden Praktikas absolviert und versucht ihm zu ermöglichen den Quali nachzuholen. Dies konnte jedoch nicht erreicht werden. Eine Lehrstelle als Mechatroniker hatte er nicht angenommen. Es wurden im Rahmen des Straubinger Modells verschiedene Praktikas in Kindergärten absolviert. Die Praktikas sind eigentlich erfolgreich verlaufen. Eine Ausbildung wurde jedoch dann abgebrochen. Dabei hat auch eine Asthmaerkrankung eine Rolle gespielt, die im Krankenhaus behandelt werden musste. Insgesamt kam der Betroffene zu dem Ergebnis, dass der Beruf für ihn nicht geeignet sei.

Aktuell stellt sich die Situation des Betroffenen wieder stabil dar. Der Betreuer hat, auf seinen Wunsch hin, ein Praktikum für einen Pflegeberuf vermittelt im Altenheim ... in .... Der Betroffene war dort 4 Monate tätig. Er war zunächst auch der Meinung, dass er die dort anfallende Arbeit, wie etwa die hygienische Pflege alter Menschen (Beseitigung von gebrauchten Windeln und Kotspuren am Körper), schaffen würde. Im Laufe der Tätigkeit kam der Betroffene jedoch zu der Ansicht, dass er auf Dauer einen derartigen Beruf nicht ausüben will. Derzeit ist der Betroffene bei einer kleineren Firma in Regensburg tätig. Diese Firma erledigt Hausmeistertätigkeiten. Bei einem Nettoverdienst von 800 € erledigt der Betroffene Büroarbeiten. Er ist ordnungsgemäß angemeldet für diese Tätigkeit. Darüber hinaus strebt er jetzt den Führerschein an und hat sich bereits eine Fahrschule ausgesucht. Bezüglich der weiteren beruflichen Entwicklung wäre ihm daran gelegen, ein Handwerk etwa Maurer zu erlernen und am Bau zu arbeiten. Die ihm vom Betreuer nach einer Kündigung vermittelte Wohnung hat er zwischenzeitlich aufgegeben. Er hat eine im Pflegeberuf tätige Freundin und ist mit ihr zusammengezogen. Bezüglich der Schulden gibt er an, dass er zu Beginn der Betreuung ca. 3000 € Schulden gehabt habe und nunmehr lediglich 2000 €. Es handelt sich dabei um Rückzahlungen von zu Unrecht bezogenen Kindergeld, unbezahlte Rechnungen bei der ... und Zahlungen für den Erwerb einer Spielekonsole (...), die zum Preise von 800 € von ihm erworben worden war. Schulden bestehen auch noch beim Jobcenter.

b) Feststellung zur gesundheitlichen Entwicklung des Betroffenen

Bereits beim Besuch des Kindergartens wurde die Mutter des Betroffenen von den Kindergärtnerinnen angesprochen, weil der Betroffene offensichtlich sehr aktiv und temperamentvoll agierte, was von den Kindergärtnerinnen als mögliche Anzeichen für eine ADS- bzw. ADHS-Erkrankung gesehen wurde. Der Betroffene wurde dagegen von seiner Mutter als „Temperamentsbolzen“ gesehen, der den Kindergärtnerinnen offensichtlich sehr viel Arbeit machte. Sie befürchtete, dass ihr Sohn mit Ritalin vollgepumpt wird, damit er entsprechend ruhig und leicht führbar ist. Zu einer nachhaltigeren psychiatrischen Behandlung kam es dann in der Schule. Etwa im Jahr 2007, als die Erziehungsbeistandschaft angeordnet wurde, kam es auch zu einer sog. ambulanten Diagnostik bei dem Kinder- und Jugendpsychiater ... in .... Dabei wurde die Diagnose ADS zugrunde gelegt. Zur gleichen Zeit kam es zu somatischen Beschwerden und der Betroffene musste im Krankenhaus wohl wegen Asthma behandelt werden und kam dann in eine Klinik in ... zur Nachbehandlung. Aufgrund der Diagnose des Dr. ... sollte auch ein entsprechendes ADS-Medikament verabreicht werden. Als in Wangen dem Betroffenen eine Tablette davon verabreicht wurde, kam es bei ihm zu einer auffälligen Nebenwirkung, die von dem Betroffenen als starkes Zittern beschrieben wurde. Die Mutter wurde von dem Betroffenen telefonisch in Kenntnis gesetzt über diese körperliche Reaktion. Aus Sorge um ihren Sohn unterband die Mutter in der ihr eigenen nachhaltigen Art und Weise eine Verabreichung derartiger Medikamente, auch in Zukunft. Die Behandlung beim Kinder- und Jugendpsychiater wurde abgebrochen und die Mutter des Betroffenen brachte ihn zu seinem Kinderarzt ....

Dieser schlug zunächst weitere Medikamente vor, die jedoch von der Mutter des Betroffenen abgelehnt wurden. Es kam dann zu einer alternativen Medikamentierung mit pflanzlicher Behandlung. Es wurde das Medikament Zappelin verabreicht, ebenso Chamomilla und Baldriantee. In der Folgezeit wurden von dem sozialen Umfeld Konzentrationsschwierigkeiten und eine niedrigere Frustrationstoleranz festgestellt. Die Vorfälle waren aber eher jugendtypisch und nicht von besonderem Krankheitswert. Die Konzentrationsschwierigkeiten wurden von dem Sozialpädagogen ... als situationsbezogen beschrieben. Der Betroffene konnte sich durchaus auf Aufgaben konzentrieren, neigte aber dazu die Flinte ins Korn zu werfen, wenn er sich überfordert fühlte. Als Beispiel wurde genannt das Lernen eines Gedichts, wobei sich der Betroffene sehr bemühte, diese Aufgabe zu erfüllen. Als ihm dieses nicht gelang hat er blockiert, den Zettel mit dem Gedicht zusammengeknüllt und das weitere Lernen des Gedichts aufgegeben. Schwierige mathematische Textaufgaben, die er nicht lösen konnte, führten dazu, dass er ebenfalls sich zurückzog und auch einfachere Textaufgaben, die ihm sonst keine Schwierigkeiten bereitet haben, plötzlich nicht mehr lösen konnte oder wollte. In der Folgezeit, bis zum Schulabschluss, ergab sich jedoch eine positive Entwicklung. Dies führt der Sozialpädagoge auf eine sehr verständnisvolle Lehrkraft zurück. Das Ergebnis im Schulabschluss wird von dem Sozialpädagogen ebenfalls als sehr erfreulich und gut bezeichnet.

c) Feststellung zu der Lebenskrise des Betroffenen nach Erreichen der Volljährigkeit

Der Betroffene wollte eine Selbstständigkeit erreichen und zog deshalb von zuhause aus. Eine entsprechende Wohnung wurde ihm auch besorgt. In der Folgezeit kam es jedoch zu Problemen im sozialen Umfeld. Seine Mutter beobachtete dies und bezeichnete es als ein „Abschlittern“ ihres Sohnes. In dieser Zeit war er offensichtlich auch mit Personen befreundet, die seiner weiteren Entwicklung nicht förderlich waren und auch nicht als beispielhaft auftraten. In dieser Zeit sprach er offensichtlich auch dem Alkohol vermehrt zu und konsumierte auch Cannabisprodukte. Es zeigten sich sehr auffällige Verhaltensweisen. So verdunkelte er sein Zimmer und spielte die ganze Zeit nur mit seiner Spielekonsole. Er entwickelte dabei eine ausgeprägte Gleichgültigkeit, die von der Mutter in ihrer drastischen Ausdrucksweise als „Leckmicham-Arsch-Gefühl“ bezeichnet wurde. Die gesamte Situation war aus der Sicht der Mutter sehr besorgniserregend. Sie beschrieb das Verhalten ihres Sohnes als „zombiehaft“. Die gesamten Auffälligkeiten waren für sie auch ungewöhnlich und entsprachen nach ihrer Erfahrung nicht der Persönlichkeit des Betroffenen. In ähnlicher Weise schildert dies auch der Sozialpädagoge ... der ebenfalls noch Kontakt hatte mit dem Betroffenen. Der Zustand des Betroffenen sei sehr schlecht gewesen. Er habe in einer für ihn ungewöhnlichen Art geschimpft und darüber geklagt, dass es immer ihn treffe. Emotional sei er sehr aufgebracht gewesen. Die Gemütslage beschreibt der Sozialpädagoge auf Frage auch als deprimiert und niedergeschlagen. Er konnte dabei auch feststellen, dass er Kleinigkeiten nicht selbst erledigt hat. Es handelt sich dabei um Dinge, um die man sich kümmern muss. Diese Unterlagen habe er ihm gezeigt. Die entsprechenden Hilfeangebote wurden ihm von dem Sozialpädagogen in dieser Zeit unterbreitet. Auch der Cannabiskonsum wurde von dem Sozialpädagogen bemerkt und auch vom Betroffenen selbst eingeräumt. Zusammenfassend würdigte der Sozialpädagoge diese Lebensphase des Betroffenen als „Lebenskrise“.

Als Höhepunkt gab es ein Zusammentreffen mit der Polizei. Der Betroffene hielt sich bei einem Arbeitskollegen auf. Dabei wurde offensichtlich sehr viel Alkohol konsumiert. Der Betroffene selbst konnte angeben, dass später eine Alkoholkonzentration von 2,1 ‰ bei ihm festgestellt wurde. Es kam dann zu einer Auseinandersetzung, in die sein Arbeitskollege und dessen Mutter involviert war. Die Situation führte letztlich dazu, dass die Polizei erschien und für Ordnung sorgen wollte. Dabei wurde der Betroffene, auf drastische Art und Weise, aufgefordert, das Weite zu suchen. Darüber erregte sich der Betroffene und die Polizeibeamten nahmen ihn mit auf die Wache. Dabei kam es zu beleidigenden Äußerungen. Morgens um drei informierte die Polizeiinspektion Nord die Mutter des Betroffenen und diese begab sich zur Polizeiinspektion. Sie erkannte, dass sich ihr Sohn in einer Ausnahmesituation befand und wollte mit ihm nicht nachhause fahren, um weitere Probleme zu vermeiden. Es gelang ihr schließlich den Sohn über Nacht in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Bezirksklinikums ... unterzubringen. Bereits am nächsten Tag wurde in einer Konferenz über das weitere Vorgehen beraten. Daran nahmen Ärzte bzw. Personal des Klinikums teil, der Sozialpädagoge ..., die Mutter und der Betroffene. Eine unmittelbare Gefährdung wurde von der Klinik nicht gesehen und eine Entlassung erschien daher möglich. Die Ärzte empfahlen dann, dass ein Psychiater hinzugezogen werden sollte. Bezüglich der Ausnahmesituation beim Abholen wurde von der Mutter bestätigt, dass er verbal sehr aggressiv war, gegen das Auto geklopft hat und laut geschimpft hat. Dies seien alles Verhaltensweisen gewesen, die er sonst nicht an den Tag legte.

d) Ärztliche Behandlungsversuche

Am 18.07.2014 begab sich dann der Betroffene mit seiner Mutter zu dem Psychiater .... Dieser empfahl ihm die Therapie in einer Tagesklinik. Der Betroffene bzw. seine Mutter organisierten dann auch eine Vorstellung in der Tagesklinik. Eine Ärztin erklärte dabei dem Betroffenen wie ein Tag im Rahmen dieser Therapie abzulaufen habe. Bei dem Hinweis, dass auch zu bestimmten Zeiten Sport getrieben werde, fragte der Betroffene nach, ob dies Pflicht sei. Als ihm dies bestätigt wurde, erklärte er, dass dies nichts für ihn sei. Er war vielmehr der Meinung, dass es ihm überlassen bleiben müsse, wann er Sport treibe. Nach dem Abbruch dieses Behandlungsversuchs begab sich der Betroffene erneut zu Herrn Dr. .... Dieser empfahl ihm dann eine Betreuung. Zu Unterstützung dieser Maßnahme erstellte Dr. ... ein ärztliches Attest mit folgendem Text:

„Herr ... wurde am 18.07.2014 erstmals nervenärztlich untersucht. Bei ihm sind eine ADHS mit vermehrter Impulsivität sowie ein chronisch depressives Syndrom bzw. eine Neurasthenie seit langem bekannt. Er lebt alleine und schädigt sich vor allem dadurch, dass er kaum seine Post öffnet und Briefe von Behörden nicht beantwortet. Mit seinem Einverständnis rege ich deshalb die Errichtung einer Betreuung für „Behördenangelegenheiten“ an.“

Aufgrund dieses Attests wurde sodann ein Betreuungsverfahren eingeleitet. Eine konkrete ärztliche Behandlung, sei es medikamentöser oder therapeutischer Art, wurde nicht durchgeführt. Bezüglich der wichtigsten Parameter für eine ADHS/AHS Erkrankung, nämlich Hyperaktivität, Impulsivität und Aufmerksamkeitsdefizite konnte die Kammer anlässlich der Anhörung am Freitag, den 09.10.2015 folgende Feststellungen treffen: Die Anhörung begann um ca. 11.00 Uhr und endete um 18.00 Uhr. Der Betroffene wurde dabei selbst über längere Zeit zu der gesamten Vorgeschichte befragt. Er war dabei über sieben Stunden jederzeit in der Lage sachgerecht Fragen zu beantworten und zwar nicht nur während seiner konkreten Befragung, sondern auch bei Zwischenfragen während der Anhörung anderer Personen. Der Betroffene saß während der gesamten Zeit ruhig auf seinem Stuhl. Das Gespräch mit ihm war gekennzeichnet durch ein vernünftiges Fragen und Antworten. Das bei Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen heutzutage häufig anzutreffende respektlose bzw. freche Beantwortungsverhalten konnte bei ihm auch nicht ansatzweise festgestellt werden. Er war auch durchaus in der Lage Wünsche sachgerecht und angemessen zu äußern. Aus der Vorgeschichte ist bekannt und es wurde auch von ihm selbst so bestätigt, dass er ein starker Raucher ist, der ca. 1 Schachtel Zigaretten pro Tag konsumiert. Die Anhörungen wurden auf seinen Wunsch ca. 3 Mal unterbrochen, um ihm die Gelegenheit zu geben, eine Zigarette zu rauchen. Diesen Wunsch brachte er sachgerecht, ruhig und vernünftig vor. Die Schilderungen aus seiner Jugend war detailreich und deckten sich weitgehend mit den Angaben seiner Mutter bzw. des Beistands ... Widersprüche konnten durch Nachfragen ohne weiteres aufgeklärt werden. Insgesamt war deutlich spürbar, dass der Betroffene das Gericht mit der Wahrheit bedienen wollte und es ist ihm auch gelungen bei dem Gericht diesen Eindruck zu vermitteln. Trotz der hohen Belastung, die für alle Beteiligten zu spüren war, und trotz der schwierigen Situation für den Betroffenen hat dieser sieben Stunden lang sich geradezu vorbildlich verhalten. Das Gericht würde sich ein derartiges Verhalten häufiger wünschen.

e) Feststellungen zum gerichtlichen Verfahren

Eingeleitet wurde das Verfahren durch die Übersendung des ärztlichen Attestes des Herrn Dr. med. ... vom 21.07.2014 mit der Diagnose ADHS mit vermehrter Impulsivität, chronisch depressiven Syndrom und einer Neurasthenie.

Auf Anforderung des Gerichts wurde ein entsprechender Schriftsatz vom 13.10.2014 per Fax am gleichen Tag bei Gericht vorgelegt. Im Einzelnen trägt das ... als Betreuungsstelle Folgendes vor:

„Soziale Situation und Umfeld der Betroffenen in o. g. Betreuungsverfahren hat Herr ... am 22.08.2014 persönlich gemeinsam mit seiner Mutter in der Betreuungsstelle ... vorgesprochen.

Die Betreuung wurde durch den Facharzt, Herrn Dr. ..., angeregt. Herr ... hat dort am 18.07.2014 erstmals vorgesprochen. Es wurde eine ADS mit vermehrter Impulsivität, sowie ein chronisches depressives Syndrom aufgrund seiner Vorgeschichte diagnostiziert.

Herr ... benötige nach Angaben von Herrn Dr. ... eine Betreuung für „Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und Sozialleistungsträger“. Herr ... habe sich mit der Einrichtung einer Betreuung einverstanden erklärt.

Herrn ... berichtete uns, er habe schon seit einigen Jahren psychische Probleme.

Er wisse im Grunde genommen nicht, was mit ihm los sei. Auf Anraten von seinem Psychiater, Herrn Dr. ... den er seit ca. einem Monat besuche, habe er sich in der Tagesklinik des BKH angemeldet und stehe dort auf der Warteliste.

Herr ... teilte mit, er habe am 25.09.2014 wieder einen Termin bei Herrn Dr. ... Herr ... berichtete er gehe davon aus Depressionen zu haben und versuche nun entsprechende Hilfen in Anspruch zu nehmen. Er habe vor allem Probleme mit sich selbst, habe kein Selbstbewusstsein und kein Selbstvertrauen. Im Umgang mit seinen Mitmenschen fühle er sich unsicher und als Außenseiter. Er könne schwer ein konkretes Ziel verfolgen, habe kein Durchhaltevermögen und es fehle ihm an Motivation. In der Vergangenheit habe er mit Zurückweisungen und Kritik schlecht umgehen können. Er lasse sich von niemanden etwas sagen und fühle sich schnell angegriffen und beleidigt, dann zeige er auch aggressive Verhaltensweisen.

Er sei früher schon durch das Jugendamt umfassend unterstützt worden. Er habe seit seinem 11. Lebensjahr Unterstützung durch eine ambulante Erziehungshilfe erhalten. Mit 16 Jahren habe er mit Unterstützung durch das Jugendamt eine eigene Wohnung bekommen. Er wohne seit November 2013 alleine. Er komme mit vielen zu regelnden Dingen eigentlich noch nicht zurecht und es fehle ihm die erforderliche Erfahrung und Unterstützung. Er kenne sich mit den zu stellenden Anträgen beim Arbeitsamt nicht aus und habe seine finanzielle Situation nicht ausreichend im Blick. Er habe seine Post oftmals nicht geöffnet und verschiedene Schreiben und Rechnungen nicht bezahlt und nun in einem Bescheid bereits einen Zwangsvollstreckungsbescheid erhalten. Wie er damit umzugehen habe, wisse er nicht.

Herr ... gab an, er habe einen Hauptschulabschluss und habe im Anschluss an den Schulbesuch versucht, einen Ausbildungsplatz als KFZ-Mechatroniker zu bekommen. Um eine Lehrstelle zu bekommen, habe er zweimal in Betrieben ein Praktikum gemacht und habe umsonst gearbeitet. Letztlich aber keinen Ausbildungsvertrag bekommen. Von den Arbeitgebern habe er sich ausgenutzt gefühlt. Er habe dadurch irgendwann die Motivation verloren und wolle nun keine Ausbildung mehr beginnen. Herr ... berichtete weiter, dass er kaum Freunde habe, auf die er vertrauen könne. Alle, die mit ihm zur Schule gegangen seien und mit denen er Kontakt gehabt habe, seien nun in einer Ausbildung und er fühle sich ihnen gegenüber minderwertig und könne sich auch niemanden nicht anvertrauen.

Seine Mutter versuchte in dem Gespräch die Angaben ihres Sohnes zu bekräftigen. Sie verstehe nicht, weshalb er vom Jugendamt in eine eigene Wohnung gelassen wurde, da er sich mit nichts auskenne und überhaupt noch nicht ausgereift sei, um alleine alles bewältigen zu können. Es sei nicht gut, dass er keine weiteren Hilfen bekommen habe.

Ihr Sohn sei mitunter sehr aggressiv und sie sei sehr verärgert, da er keine Ausbildung mache und auch sonst kein Geld verdiene.

Die Mutter von Herrn ... fiel ihrem Sohn laufend ins Wort, machte ihm erhebliche Vorwürfe, bei denen Herr ... sichtlich unter Druck und in Bedrängnis geriet. Aus diesem Grund wurde Frau ... gebeten, das Gespräch zu verlassen, um alleine mit Herrn ... die Angelegenheit zu besprechen. Er wirkte daraufhin offener und konnte seine Situation und seine Probleme wesentlich besser beschreiben.

Wir haben nach dem Gespräch erneut mit Herrn ... telefonischen Kontakt aufgenommen, um abzuklären, in wie weit Hilfen für Junge Volljährige nach § 41 SGB VIII mit durch das Jugendamt vorrangig in Betracht kämen. Herr ... teilte mir, man habe ihm nach seinen 18. Geburtstag vorgeschlagen, die Erziehungsbeistandschaft fortzusetzen. Aber er habe sich zum damaligen Zeitpunkt dagegen ausgesprochen. Erst jetzt erkenne er, dass er diese Hilfe eigentlich weiterhin gebraucht hatte. Er habe sich privat mit seinem ehemaligen Erziehungsbeistand getroffen und von ihm verschiedene Beratungsstellen genannt bekommen, an die er sich wegen seiner aktuellen Probleme wenden könne Er habe unter anderem eine Adresse der Diakonie bekommen, an die er sich auch wenden werde. Für die Tagesklinik stehe er immer noch auf der Warteliste und rufe dort alle zwei Wochen an und frage nach, ob ein Platz frei sei. Er werde auch den Termin bei seinem Psychiater am 25.09.2014 wahrnehmen. Seitens des Jobcenters habe man mit ihm vereinbart, er könne erst die Tagesklinik besuchen und dann im kommenden Jahr erst wieder eine Lehrstelle suchen

Nach Rücksprache mit Herrn ... vom Amt für Jugend und Familie ... wurde am 23.09.2014 besprochen, ob die Hilfe durch einen Erziehungsbeistand erneut aufgenommen werden solle, da aus unserer Sicht bei Herrn ... vorrangig ein pädagogischer Bedarf erkennbar ist, mit der Zielsetzung ihn zu verselbstständigen.

Herr ... sicherte zu, abzuklären, ob Jugendhilfen nach § 41 SGB VIII angeboten werden können. Auf erneute telefonische Rückfrage unsererseits, teilte uns Herr ... am 02.10.2014 mit, dass er Kontakt mit dem ehemaligen Erziehungsbeistand Herrn ... aufgenommen habe. Dieser habe davon berichtet, dass Herr ... Kontakt zu ihm aufgenommen habe und er ihm geraten habe, sich an die Diakonie zu wenden. Er habe im Gespräch mit Herrn ... diskutiert, in wie weit es ziel führend sei erneut Jugendhilfen anzustreben. Als Zielsetzung wäre dann vorrangig, Unterstützung bei der beruflichen Entwicklung zu geben. Herr ... habe Herrn ... auch berichtet, dass Herr ... sehr häufig gar nicht bei sich zuhause schlafe, sondern weiterhin zu seiner Mutter gehe. Eventuell fühle er sich alleine in der Wohnung nicht wohl. Herr ... müsse von sich aus einen Antrag auf Jugendhilfe stellen, es werde dann erneut ein Hilfeplan erstellt. Zuständig sei für ihn nun Frau ... vom Amt für Jugend und Familie in ... (Tel. ...). Positiv wurde gewertet, dass Herrn ... von sich aus Hilfe suche und die erforderlichen Unterstützungsangebote in den letzten Wochen selbstständig aufsuchte. Herrn ... haben wir über die Inhalte des Telefonats informiert, er wurde auch darauf hingewiesen, dass er bei Bedarf Beratung durch die Betreuungsstelle in Anspruch nehmen könne und auch erneut eine Betreuung beantragen könne, wenn er dies für erforderlich halte. Wir gehen aber derzeit davon aus, dass vorrangig andere Hilfen greifen.

Wir sind der Auffassung, dass Her ... in der Lage ist, seine Angelegenheiten im erforderlichen und notwendigen Umfang selbst zu erledigen und Entscheidungen zu seinem Wohl zu treffen.

Die Einrichtung einer Betreuung ist unseres Erachtens nicht erforderlich, da andere Hilfen gegeben sind, die den angestrebten Zweck einer Betreuung erreichen (Hilfe für junge Volljährige nach SGB VIII, Beratungsstelle, Tagesklinik).

Wir schlagen daher vor, das Betreuungsverfahren wieder einzustellen und bitten um Übersendung des Einstellungsbeschlusses.“

Ohne weiteren Anlass erteilt das Betreuungsgericht am 17.10.2014 einen Hinweis an die Betreuungsbehörde und den Sachverständigen. Darin wird ausgeführt, dass erst nach Eingang des Sachverständigengutachtens die Frage anderer Hilfsmöglichkeiten geprüft wird. Bereits jetzt weist das Betreuungsgericht darauf hin, dass andere Hilfen nur dann ausreichen, wenn der Betroffene selbstständig in der Lage ist, auf diese anderweitigen Hilfen zuzugreifen und diese in Anspruch zu nehmen. Dies sei krankheitsbedingt bei bestimmten Betroffenen nicht möglich. Dies gelte z. B. bei Suchtkranken oder Personen mit ADHS, Borderline-Syndrom und Depression. Die genannten Krankheiten bzw. Beeinträchtigungen würden einen Betroffenen häufig hindern, vorhandene Hilfen in Anspruch zu nehmen.

Am 24.11.2014 wurde von Herrn Dr. med. ... das schriftliche Gutachten vorgelegt. Die Exploration durch den Sachverständigen wurde durchgeführt am 12.11.2014. Die Exploration fand in der Wohnung des Betroffenen statt. Dieser gab an, dass er über 5 Jahre einen Erziehungsbeistand gehabt habe. Von diesem habe er gut profitieren können, er habe sich auch gut mit ihm verstanden. Seine Kinder- und Jugendzeit bezeichnet er als „ganz in Ordnung“. Die Kontakte zur Mutter seien gut und ansonsten lebe er sozial isoliert. Er habe insgesamt ca. 500 € Schulden. Er berichtet auch über die bereits festgestellten schulischen und berufsausbildenden Vorgänge. In der psychiatrischen Anamnese berichtet der Betroffene von dem Besuch beim „Nervenarzt Dr. ...“. Er lebe allein und schädige sich vor allem dadurch, dass er kaum seine Post öffne und Briefe von Behörden nicht beantworte. Die Anregung der Betreuung sei daher mit seinem Einverständnis erfolgt. Bezüglich der Gründe des Termins bei Dr. ... gab er an, dass er in den Monaten davor vereinzelte „Nervenzusammenbrüche“ gehabt habe. In diesen sei er teilweise aggressiv, teils auch in weinerlicher Stimmung gewesen. Auf Nachfrage erklärte er, dass er nur verbal aggressiv gewesen sei. Er habe sich oft einsam gefühlt und sei sozial isoliert gewesen. Es sei ihm in dieser Zeit alles zuviel geworden und habe sich deshalb um seine Angelegenheiten nicht mehr gekümmert. Ferner berichtete der Betroffene, dass er weiter ambulant zu Herrn Dr. ... gehe und er ab Dezember dieses Jahres eine ambulante Psychotherapie beginnen wolle. Psychopharmaka nehme er aktuell nicht ein. Der psychopathologische Befund des Sachverständigen lautet wie folgt:

„Der Betroffene war wach, ansprechbar und in allen Qualitäten ausreichend orientiert. Während des Gespräches fielen leichte Einschränkungen bei den Merk-, Gedächtnis- und Konzentrationsleistungen auf, intermittierend leicht erhöhte interne Ablenkbarkeit. Biographische Daten wurden sicher erinnert, Zeitgitterstörungen fielen nicht auf. Im Kontaktverhalten anfänglich etwas reserviert, dann aber schnell offen und freundlich. Dabei schwingungsfähig, Stimmung euthym, ausreichend mimisches Spiel, keine Logorrhoe. Keine inhaltlichen Denkstörungen, im formal Gedankengang etwas eingeengt und leicht verarmt. Die Lebensfreude sei noch etwas reduziert, aber auf dem Wege der Besserung, Appetit und Essen gut, keine Einschlaf-, gelegentliche Durchschlafprobleme und leichtes Morgentief. Auf Nachfrage werden Ängste verneint, kein Anhalt für Zwänge, Ich-Störungen, Sinnestäuschungen oder Wahninhalte. Aktuell kein Anhalt für fremd- und/oder eigenaggressives Verhalten.“

Der neurologische Untersuchungsbefund war ebenfalls in allen Punkten unauffällig. Ferner wurden verschiedene neuropsychologische Testungen durchgeführt. Die Punktzahlen waren jeweils unterschiedlich, wobei einzeln die IQs von 106, 86, 75, 63 und 93 erzielt wurden. Als Diagnose gibt der Sachverständige an: Entwicklungsverzögerung und anamnestisch ADHS. Bezüglich der Entwicklungsverzögerungen bezieht sich der Sachverständige im Wesentlichen auf die gemachten Tests. Weitere Ausführungen zur Diagnose ADHS liegen nicht vor. Sofern ADHS angesprochen wird, wird dies immer durch das Adjektiv anamnestisch entsprechend relativiert. Im Ergebnis beantwortet der Gutachter die Fragen des Gerichts und erklärt:

„Der Betroffene kann aufgrund seines ADHS und der vorliegenden Entwicklungsverzögerung seinen Willen nicht mehr frei bestimmen. Es besteht deshalb die Notwendigkeit für eine Betreuung für folgende Bereiche: ...“

„Der Betroffene ist in seiner Geschäftsfähigkeit aufgrund der vorliegenden leichten geistigpsychischen Behinderung eingeschränkt. Aus diesem Grund besteht Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen für die o. g. Aufgabenbereiche des Betreuers.“

Zur Behandlungsmöglichkeit regt der Sachverständige zunächst regelmäßig ambulante nervenärztliche Kontrollen an. Er erklärt die Aufnahme einer Psychotherapie für sinnvoll, da insbesondere ADHS im Erwachsenenalter erfolgreich mit einer Kombination aus Medikation und Verhaltenstherapie behandelt werden könne.

Bemerkenswert ist noch folgendes in den Ausführungen des Sachverständigen:

„Gibt es andere Hilfsmöglichkeiten, die eine Betreuung ganz oder teilweise entbehrlich machen können?

Aktuell nicht. Bei dem Betroffenen ließen sich in den Leistungstests kognitive Einbußen zeigen, die im Bereich einer leichten Intelligenzminderung bzw. Lernbehinderung liegen. Diese teils erheblichen Beeinträchtigungen sind im Rahmen einer Entwicklungsverzögerung und anamnestisch eines ADHS zu erklären. Ursächlich hierfür dürfte in erster Linie die Milieuschädigung anzusehen sein. Es handelt sich somit nicht um eine kurzfristige Störung, wie sie z. B. bei einer Depression auftreten könnte. Aufgrund dieser erheblichen Störung, die teilweise bei Erwachsenen einem Intelligenzalter von 9 bis unter 12 Jahren entspricht, ist nicht davon auszugehen, dass der Betroffene die vorhandenen und durchaus auch sinnvollen Angebote zur Unterstützung seiner Angelegenheiten durchgängig und eigenverantwortlich annehmen und nutzen kann. Aus diesen Gründen ist die Einrichtung der Betreuung zur Abwehr von weiteren Eigengefährdungen bei dem Betroffenen indiziert, andere Hilfsmittel sind aktuell nicht ausreichend.“

Mit Verfügung vom 01.12.2014 wurde der Betroffenen zur persönlichen Anhörung in das Amtsgerichtsgebäude geladen. Die Verfügung des Amtsgerichts enthält neben der formblattmäßigen Verfügung eine Ziffer 3 handschriftlich die unter Vorbehalt wie folgt gelesen werden kann: „Zum ... (unleserlich) zk mit Hinw, dass Gericht wohl einen Betreuer bestellen wird jeweils mit Gutachten.“

Am 10.12.2014 erschien dann der Betroffene bei Gericht und es wurde sodann folgende Niederschrift angefertigt:

„Herr ... erscheint heute am Mittwoch den 10.12.2014, da er sich hinsichtlich des Termins um eine Woche geirrt hat. Auf Wunsch des Herrn ... findet die Anhörung schon heute statt.

Die Frage der Betreuung wird besprochen.

Herr ... meint im Hinblick auf das Sachverständigengutachten, dass hinsichtlich der Voraussetzungen, die der Sachverständige angibt, er noch einiges anzumerken hätte. Vom Ergebnis her sei er jedoch mit dem Gutachten einverstanden.

Die Frage der Betreuung wird besprochen. Herr ... ist im Prinzip einverstanden. Als Aufgabenkreise werden die Aufgabenkreise entsprechend dem vorliegenden Gutachten besprochen. Herr ... ist zur Zeit arbeitslos. Deswegen wird vom Richter auch vorgeschlagen, dass der Aufgabenkreis „Unterstützung in beruflichen Angelegenheiten“ mit aufgenommen wird. Dabei wird Herr ... darauf hingewiesen, dass die Betreuung selbst bzw. der Umfang der Betreuung jederzeit zu prüfen ist, wenn dies vom Betroffenen oder Betreuer beim Gericht beantragt wird.

Eine Betreuung für bis zu 3 Jahre wird entsprechend dem Gutachten besprochen.

Es wird auch die Frage besprochen, ob im Rahmen sogenannter anderweitiger Hilfsmöglichkeiten es genügt, wenn sich Herr ... allein an Behörden oder sonst hilfsbereite Stellen wendet. Herr ... ist mit der vom Richter vorgeschlagenen Betreuung einverstanden. Wenn etwas mit der Betreuung nicht stimmen sollte, wird er sich bei Gericht melden.

Herr ... gibt seine Handynummer wie folgt an: ...

Als Betreuer wird vom Gericht Herr ... vorgeschlagen werden. Herr ... wird sich beim Betroffenen melden und der Betroffene bzw. der vorgeschlagene Betreuer werden dann mitteilen, ob eine entsprechende Betreuerbestellung seitens des Herrn ... gewünscht wird.“

Mit Verfügung vom 11.12.2014 wurde zum einen der Anhörungstermin abgesetzt. Es wurde festgestellt, dass beabsichtigt sei Herrn ... als Betreuer einzusetzen. Herr ... sei damit einverstanden, dass das Anhörungsprotokoll Herrn ... zur Kenntnis übersandt würde. In der Niederschrift wurde allerdings dieses Einverständnis nicht erwähnt.

Der Erledigungsvermerk bezüglich der Verfügung stammt vom 19.12.2014 und ist vermerkt auf Blatt 33 der Akte.

Mit Schreiben vom 17.12.2014 nahm die Betreuungsstelle erneut Stellung zur Frage der Betreuung mit folgenden Ausführungen:

„Die im Gutachten getroffene Empfehlung, eine Betreuung für Herrn ... einzurichten teilen wir nicht und zeigen uns über die Aussage verwundert. Wir sprechen uns aus fachlichen Gründen weiterhin dafür aus, das Betreuungsverfahren aufzuheben.

In dem Gutachten wurden aus unserer Sicht widersprüchliche Aussagen getroffen, die einen Betreuungsbedarf nicht schlüssig erkennen lassen.

Die Berichte und das Schreiben der Betreuungsbehörde wurden, bis auf die getroffene Aussage, dass aus unserer Sicht andere Hilfen gegeben seien nicht berücksichtigt. Wir hatten hingegen ausführlich mehrfach dargelegt, dass andere Hilfen in Form von Jugendhilfen für junge Volljährige gegeben sind und diese mindestens ebenso gut sind, wie die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung.

Herr ... berichtet zudem, dass Herr ... mitgeteilt habe, er habe von den Hilfen des Jugendamtes immer gut profitieren können.

Eine festgestellte Milieuschädigung bei Herrn ..., eine Entwicklungsverzögerung, ADHS und ein nicht altersgemäßer Reifezustand stellt aus unserer Sicht keinen Betreuungsbedarf im Sinne des Betreuungsrechts dar, sondern gibt vielmehr einen Hinweis auf einen umfassenden pädagogischen Unterstützungsbedarf über das 18. Lebensjahr hinaus.

Die bescheinigte Geschäftsunfähigkeit aus der o. g. Diagnose erschließt sich uns nicht. Zumal auch im Gutachten von guter Therapierbarkeit von ADHS und der Motivation zur Mitarbeit des jungen Menschen durchgängig geschrieben wird.

Wir hatten für Herrn ... bereits Kontakt mit dem Jugendamt aufgenommen und Herr ... weiß, an wen er sich dort wenden kann. Herr ... hat zu seinem ehemaligen Erziehungsbeistand eine gute Beziehung, auf die er zurückgreifen und aufbauen kann.

Herr ... hat mit Erreichen der Volljährigkeit über das Jugendamt Unterstützung erhalten, eine eigene Wohnung zu beziehen. Folglich muss die Einschätzung der pädagogischen Fachkräfte eine andere gewesen sein, als die nun bescheinigte Geschäftsunfähigkeit. Dass der Weg in die Selbstständigkeit nicht immer reibungslos verläuft und sich mitunter auch schwierig gestaltet, wird bei einem Großteil junger Menschen so sein. Zumal dann, wenn, wie im Fall von Herrn ... eine Milieuschädigung gegeben ist. Herr ... hätte aus diesem Grund aus unserer Sicht zum Zeitpunkt des Auszugs dringend weitere Unterstützung benötigt, um die Regelung seiner Angelgenheiten zu erlernen. Wir gehen deshalb von einem laufenden Lernprozess und nicht von einem Betreuungsbedarf aus.

Die Unterstützung durch die Jugendhilfe dient dazu, die Verselbstständigung des jungen Menschen weiter konsequent mit pädagogischen Handlungskonzepten zu fördern und zu fordern und ihm eine Entwicklung zu ermöglichen. Der vorhandene Stundenumfang einer ambulanten Erziehungshilfe ist wesentlich umfassender, als eine rechtliche Betreuung und stellt aus diesem Grund aus unserer Sicht nicht nur eine andere Hilfe zur rechtlichen Betreuung dar, sondern ist mindestens ebenso gut wie eine rechtliche Betreuung.

Wir möchten deshalb weiterhin anregen, das Betreuungsverfahren einzustellen und bieten an, Herrn ... zum Jugendamt zu begleiten, um zeitnah die entsprechenden vorhandenen anderen Hilfen zu beantragen.“

Mit Beschluss vom 13.01.2015 wurde sodann Betreuung angeordnet. Es wurden die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, zugehörige Postangelegenheiten sowie Unterstützung und Vertretung in beruflichen Angelegenheiten bestimmt. Als Krankheit bzw. Behinderung im Sinne von § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB wurde angeführt Entwicklungsverzögerung nebst ADHS. Ausführungen zur Frage andere Hilfen enthält der Beschluss nicht. Der Beschluss wurde der Betreuungsbehörde formlos übersandt. Mit Schreiben vom 21.01.2015, eingegangen beim Amtsgericht am 23.01.2015, wurde gegen den Beschluss vom 21.01.2015 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde wurde wie folgt begründet:

„Vielmehr ist der Auffälligkeit mit (verhaltens-)therapeutischen, pädagogischen, erzieherischen sowie medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten (wie auch im Gutachten S. 12 dargestellt) zu begegnen.

Nach erneuter telefonischer Rücksprache mit dem Betroffenen am 20.01.2015 wurde für uns deutlich, dass Herrn ... der Inhalt des Gutachtens missfällt und ihm bei der Anhörung die Tragweite einer rechtlichen Betreuung durch den Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte nicht verdeutlicht wurde. Er hatte den Eindruck, eine Betreuung sei eine harmlose und unkomplizierte Beratung und Begleitung. Die Dimension, Entscheidungen absprechen zu müssen sei ihm nicht bewusst gewesen. Im Telefonat bat er uns, ihn dahingehend zu unterstützen, beim Richter deutlich zu machen, dass die Betreuung nicht erforderlich sei und aufgehoben werden solle. Er habe Pläne und beabsichtige nicht, alle Schritte mit einer dritten Person besprechen zu müssen.

Mit der Einrichtung der rechtlichen Betreuung wird im konkreten Fall der junge Mensch lediglich stigmatisiert.

- Das psychiatrische Gutachten ist in sich nicht schlüssig (u. a. der Betroffene ist in seiner Geschäftsfähigkeit aufgrund der vorliegenden leichten geistigpsychischen Behinderung eingeschränkt. Aus diesem Grund besteht Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen für die o.g. Aufgabenbereiche des Betreuers).

- Zur Auswahl des Betreuers: Die Geeignetheit des bestellten Betreuers für den vorliegenden Fall begegnet erheblichen Bedenken (keine spezialisierten Kenntnisse für ADHS und deren Behandlungsmöglichkeiten im Erwachsenenalter). Zielgerichtet wäre ggf. die Prüfung der Notwendigkeit eines umfassenden Betreuungsplans - analog einem Hilfeplanverfahren aus dem SGB VIII erforderlich - gewesen. Eine Aufgabe die der Betreuungsstelle obliegt.

Der Beschluss verkennt den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, orientiert sich nicht am Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen und widerspricht auch in eklatanter Weise der UN-Behindertenrechtskonvention.“

Mit Verfügung vom 05.02.2015 wurde erneut ein Gutachten in Auftrag gegeben und zwar des Sachverständigen Dr. .... Zur Begründung wurde angefügt, dass in der Beschwerde der Betreuungsbehörde das Gutachten als „in sich nicht schlüssig“ bezeichnet wurde. Ob eine Betreuung - unter Umständen gegen den Willen des Betroffenen - erforderlich sein wird, sei entscheidend vom ergänzten Gutachten abhängig zu machen. Mit Schreiben vom 18.02.2015, eingegangen beim Amtsgericht am 19.02.2015, erklärte der Betroffene handschriftlich, nach entsprechender Aufforderung durch das Gericht, folgendes:

„Das Schreiben der ... wegen meiner Betreuung habe ich gelesen. Die mir zugeschriebenen Äußerungen wurden nicht wahrheitsgemäß dargestellt. Ich weiß sehr gut, was eine Betreuung für mich bedeutet. Darüber habe ich mit meiner Mutter gesprochen und ich wurde sehr gut darüber aufgeklärt. Die Hilfe in Form einer Betreuung ist für mich gut und ich keinesfalls gegen den Gutachter. Es macht mir nichts aus, mit meinem Betreuer ... meine Probleme in allen Bereichen anzusprechen - er hat mein Vertrauen. Ich wurde von ihm beraten, was meine zukünftige Ausbildung betrifft und mit seiner Unterstützung haben wir die dafür notwendigen behördlichen Schritte ergriffen. Abgesehen davon, dass ich bereits aus meiner Wohnung gekündigt wurde, bin ich sehr froh, meinen Betreuer ... an meiner Seite zu wissen. Er kann mir mit der Sache nach einer neuen Wohnung, sowie der dazu entsprechenden Einrichtung helfen.

Ich empfinde ..., so wie ich ihm bei der Lösung von Problemen erlebt habe, als sehr kompetent. Aus diesem Grund möchte ich auf jeden Fall, dass er mein Betreuer bleibt und die meine Betreuung weiterhin führt.“

Ausweislich eines Vermerks vom 23.02.2015 bat der Betreuer am 23.02.2015 um Übersendung der Gutachten. Eingereicht wurde ein Antrag bei dem Zentrum Bayern Familie und Soziales. Dieses wandte sich mit Schreiben vom 26.02.2015 an das Amtsgericht ... mit der Bitte um Überlassung der vorhandenen ärztlichen Gutachten. Die Rücksendung erfolgte mit dem Gutachten des Herrn .... Dabei legte das Zentrum Bayern Familie und Soziales vor eine Einverständniserklärung des Herrn ... unterschrieben von Herrn ... vom 20.02.2015. Eine Schwerbehinderung wurde dann festgestellt mit 60%.

Der bestellte Betreuer nahm zur Beschwerde wie folgt Stellung:

„Die Erforderlichkeit der Betreuung im Fall des volljährigen Hrn. ... ist nicht, wie in der Stellungnahme der Betreuungsstelle erwähnt, nur aufgrund der geistigpsychischen Behinderung begründet sondern aufgrund der Folgen seiner Krankheit und der erheblichen Einschränkungen in seinen Möglichkeiten.

Bei den persönlichen Fähigkeiten, fehlen beim Betreuten die psychischen Dispositionen sowie die damit zusammenhängende soziale Belastbarkeit. Bei einer Reihe von entstandenen Alltagsproblemen, kann der Betroffene diese kognitiv nicht richtig einordnen, dafür Lösungen wählen bzw. das Problem bewerkstelligen, was aber zur Steigerung des Stressniveaus führt.

Des Weiteren werden von der Betreuungsstelle die aktuellen sozialen Ressourcen außer Acht gelassen, dass z. B. Herr ... keine abgeschlossene Ausbildung hat und dem Arbeitsmarkt aus gesundheitlichen Gründen (psych. Erkrankung) nicht zur Verfügung steht oder er bereits im Dezember 2014 aus seiner Wohnung in der ... gekündigt wurde. Folglich handelt es sich um einen jungen Volljährigen, der Folge seiner psych. Krankheit hoffnungslos da steht und sich durch die Betreuung keinesfalls stigmatisiert sondern eher als positiven Lebensabschnitt fühlt.

Die Äußerung der Betreuungsstelle zu meiner Eignung im Betreuungsverfahren ... kann ich nicht nachvollziehen. Es ist evtl. damit zu erklären, dass ... noch nicht so lange bei der Betreuungsstelle beschäftigt ist (ich bin seit 1994 als Berufsbetreuer tätig) und Hrn. ... habe ich erst am 24.02.15 persönlich beim ... kennengelernt. Ich möchte anmerken, dass ich bereits mehrere Betreute mit ADHS Erkrankung in der Betreuung hatte bzw. betreut werden. Viele der Betreuungen wurden sogar von ... vergeben und jetzt außer Acht gelassen.

Zum Schluss möchte ich noch kurz aus der Erfahrung in der Betreuung mit Hrn. ... anmerken, dass die Betreuung in seiner aktuellen Lebenssituation notwendig ist. Die Ziele und die Vorgehensweisen wurden mit Hrn. ... gründlich besprochen. Aufgrund der Vertrauensbasis zwischen Hrn. ... und mir ist es möglich, außer der regelmäßigen medizinischen Behandlung des Betroffenen, die Wege aus seiner aktuellen Lebenskrise zu bestreiten:

- sich im pädagogischen Bereich zu qualifizieren.

- Sich aufgrund persönlicher Ressourcen und Fähigkeiten über REHA Abt. im Arbeitsleben einzugliedern.

- Im Bereich der behördlichen Probleme, die notwendigen Erfahrungen zusammen mit dem Betreuer sammeln und somit den Bewältigungsoptimismus stärken.

- Die Fähigkeit im Bereich der instrumentalen Kompetenzen zu erweitern.

- Sich im Bereich der Wohnungsangelegenheiten an der Wohnungssuche beteiligen.

- Sich am sozioökonomischen Leben zu beteiligen.

Ich hoffe die mangelnde Sozialdiagnostik der ..., wird die vorhandene Betreuung im Fall ... nicht gefährden.“

Dieses Schreiben wurde mit Verfügung des Amtsgerichts vom 09.04.2015 an den Sachverständigen zur Kenntnisnahme und mit der Bitte um eilige Gutachtererstattung übersandt. Am 15.05.2015 wurde ein Schreiben des Gutachters eingereicht, wonach er das Gutachten etwa in einer Woche vorlege. Dies war Anlass für den zuständigen Richter eine Feststellung zu fertigen vom 22.05.2015 mit folgenden Ausführungen:

„Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Betreuungsbehörde bei der Beurteilung, ob eine Betreuungsbedürftigkeit vorliegt bzw. ob tatsächlich anderweitige Hilfen ausreichen, in letzter Zeit ein gravierender Beurteilungsfehler unterlaufen ist. Im Verfahren XVII ... hat die Betreuungsbehörde wiederholt sich entsprechend geäußert, was dann auch dazu führte, dass bereits angeordnete Betreuungen im Beschwerdeweg wieder aufgehoben wurden. Es hat sich jedoch durch ein in den genannten Fall letztlich erholten Gutachten herausgestellt, dass die Betreuerbestellung von Anfang an richtig war, da der dort angesprochene Betroffene schwer suchtkrank und zudem debil ist. Es ist das angesprochene Gutachten im vorliegenden Fall abzuwarten, da möglicherweise erneut eine entsprechende Fehlbeurteilung vorliegen könnte.

Weiterhin ist auszuführen, dass die Betreuungsbehörde unter Verweis auf die behaupteten, anderweitigen Hilfsmöglichkeiten die vom Betroffenen selbst gewünschte Betreuung vereiteln will. Sollte die Beurteilung der Betreuungsbehörde in diesem Punkt nicht zutreffen, würden die Vorwürfe in der Beschwerdeschrift vom 21.01.2015, dort Seite 2 letzter Absatz die Betreuungsbehörde treffen und nicht das Gericht. Das Gericht hat hier die vom Betroffenen selbst gewünschte Betreuung angeordnet, so dass durch die Betreuerbestellung selbst ein Eingriff in dessen Rechte „eklatanter Weise“ gegen die „UN-Behindertenkonfension“ nicht gegeben ist. Ein solcher Verstoß könnte freilich dann vorliegen, wenn dem Betroffenen eine gegebenenfalls erforderliche Betreuung durch die Betreuungsbehörde bzw. durch deren Verhalten vereitelt werden würde. Irgendwelche Rechte hinsichtlich des Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen bzw. der genannten Konfension kann die Betreuungsbehörde selbst für sich feilich nicht herleiten.“

Am 05.06.2015 wurde sodann das Gutachten vorgelegt. Auf den Inhalt wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 15.06.2015 wurde der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte wurde sodann dem Landgericht ... am 23.06.2015 vorgelegt. Am 09.10.2015 wurde eine Anhörung im Gerichtsgebäude durchgeführt. Bezüglich der Ausführungen des Betroffenen, der Mitarbeiterin der Betreuungsstelle ..., des Beistands ... und des Leiters des Jugendamts ... wird auf das Protokoll Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Betreuungsstelle wurde form- und fristgerecht eingelegt. Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.

1. Medizinische Voraussetzungen (psychische Krankheit)

Vorliegend fehlt es schon an der medizinischen Voraussetzung einer Betreuung. Diese sind erforderlich und zwar unabhängig davon, ob der Betroffene mit einer Betreuung einverstanden ist oder nicht. Sämtliche bisher vorliegenden Äußerungen im Rahmen eines ärztlichen Zeugnisses bzw. der Sachverständigengutachten belegen nicht mit der erforderlichen Sicherheit, dass eine psychische Krankheit oder andere relevante Beeinträchtigungen vorliegen. Bis zur mündlichen Anhörung durch das Beschwerdegericht waren konkrete Sachverhalte nicht festgestellt.

Für die Anordnung einer Betreuung ist gem. § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB die Feststellung einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung erforderlich. Im Wesentlichen kommt hier nur eine psychische Krankheit in Betracht. Das BGB definiert den Begriff „Krankheit“ nicht. Eine allgemein gültige rechtliche Definition des Begriffs „Krankheit“ ist ebenfalls nicht zu finden. Umschreibungen im Sozialrecht oder im Versicherungsrecht passen ebenso wenig wie rein medizinisch orientierte Definitionen. Häufig wird Krankheit als Fehlen von Gesundheit bzw. Gesundheit als Fehlen von Krankheit angesehen. Auch diese Umschreibung ist nicht zielführend, da dann wiederum eine Definition des Begriffs Gesundheit notwendig wäre. Abgestellt wird auch auf das Wohlbefinden des Menschen oder darauf, dass Krankheit ein behandlungsbedürftiger Zustand oder eine Störung der normalen Lebensvorgänge sei. Eine ebenfalls gängige Umschreibung bringt zum Ausdruck, dass es sich um körperliche, geistige und seelische Veränderungen oder Störungen handelt, unter denen der Betroffene selbst oder andere leiden. Der BGH hat bereits 1958 in einer Entscheidung juristisch definiert „Krankheit ist jede Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt, d. h. beseitigt oder gelindert werden kann“. Allerdings betont der BGH zurecht, dass es sich um eine erhebliche Störung handeln muss. Leichte Persönlichkeitsstörungen, etwa ein noch akzeptabler Kontroll- oder Waschzwang, auffällige Vergesslichkeit, zwanghaftes Verhalten, übermäßiger Gebrauch von Drogen oder dissoziales Verhalten müssen bis zu einem gewissen Schweregrad tolleriert werden. Die Abgrenzung ist häufig schwierig. Die Frage, ob und welche der bezeichneten Krankheiten oder Behinderungen vorliegen und welche Auswirkungen sie haben, bedarf der unterstützenden Klärung durch ärztlichen Sachverstand. In der Gesetzesbegründung finden sich ebenfalls keine Definitionen. Allerdings wird folgender Katalog psychischer Krankheiten angegeben, der aber nicht abschließend ist:

Körperlich nicht begründbare (endogene) Psychosen seelische Störungen als Folge von Krankheiten oder Verletzungen des Gehirns, Anfallsleiden oder von anderen Krankheiten oder körperlichen Beeinträchtigungen (körperlich begründbare- exogene- Psychosen) Abhängigkeitskrankheiten (Alkohol- und Drogenabhängigkeiten) Neurosen und Persönlichkeitsstörungen (Psychopathien)

Daher gibt es keine belastbare Definitionen der „Krankheit“, aber sehr aussagekräftige Klassefizierungen der einschlägigen Diagnosen. Am bekanntesten ist die sog. ICD-10.

Unter Zugrundelegung der obigen genannten Definitionen bzw. Definitionsversuche muss davon ausgegangen werden, dass zunächst eine Störung vorhanden sein muss, die geheilt, beseitigt oder gelindert werden kann. Darüber hinaus muss es sich um eine erhebliche Störung handeln. Eine tragfähige Belegung durch konkrete Sachverhalte hat sich im Rahmen des durchgeführten Verfahrens nicht ergeben.

Es beginnt mit der Vorlage eines ärztliches Zeugnisses des Herrn Dr. med. ..., Neurologe und Psychiater vom 21.07.2014. Dieses ärztliche Zeugnis beruht auf einer erstmaligen Untersuchung am 18.07.2014. Zunächst stellt der Gutachter apodiktisch fest, dass eine „ADHS“ mit vermehrter Impulsivität sowie ein chronisch depressives Syndrom bzw. eine Neurasthenie seit langem bekannt sei. Sachverhalte werden nur kursorisch geschildert mit dem Hinweis, dass der Betroffene allein lebe und er kaum seine Post öffne bzw. Briefe von Behörden nicht beantworte. Beides ist aus medizinischer Sicht ohne Belang. Es wurde deswegen von Herrn Dr. ... nur eine Betreuung für Behördenangelegenheiten angeregt.

Nunmehr liegt außerdem vor ein Gutachten des Dr. ..., Facharzt für Nervenheilkunde und klinische Geriatrie. Das Gutachten basiert auf einer durchgeführten persönlichen Untersuchung und Befragung des Betroffenen am 15.11.2014. Konkret konnte der Sachverständige bei der Exporation feststellen, dass die Wohnung des Betroffenen im einsehbaren Teil sauber und aufgeräumt erschien. An Sachverhalten wird folgendes festgestellt: Mit 18 Jahren sei der Betroffene nach seinen eigenen Angaben zu dem Entschluss gekommen, er wolle seine Sachen selber regeln. Er sei einfach stur gewesen. Inzwischen sehe er ein, dass ihm eine Hilfe von Nutzen sein könne. Auch bezüglich Vermögenssorge könne er sich eine Betreuung gut vorstellen. Die Kinder- und Jugendzeit sei eigentlich ganz in Ordnung gewesen. Er habe geringe Schulden in Höhe von ca. 500,- €. Der Kontakt zur Mutter sei gut, ansonsten lebe er eher sozial isoliert. Er schildert dann ähnlich wie in der Anhörung seine Versuche eine Lehre zu beginnen und seine übrigen Aktivitäten im Arbeitsleben Fuß zu fassen.

In der psychiatrischen Anamnese wird zunächst der Inhalt des ärztlichen Attestes des Herrn Dr. ... wiederholt. Ferner wird der Vorgang Tagesklinik berichtet, der auch ausführlich Gegenstand der gerichtlichen Anhörung war. Sodann werden die Antworten des Betroffenen berichtet auf die Frage, warum er bei Dr. ... gewesen sei. Dabei wird berichtet von vereinzelten Nervenzusammenbrüchen. In diesen Nervenzusammenbrüchen sei er teils aggressiv, teils jedoch in einer weinerlichen Stimmung gewesen. Die Aggressivität wird jedoch beschränkt auf verbale Aggressivität. Der Betroffene habe sich einsam gefühlt und sei sozial isoliert gewesen. Aufgrund der unglücklichen Lehrlingsjobs habe er kein Interesse mehr sich für eine weitere Lehre zu bewerben. Es sei ihm alles zu viel geworden und er habe sich dann nicht mehr um eigene Briefe gekümmert. Sachverhalte entnimmt der Gutachter auch aus dem Schreiben des ...amtes. Dort wird berichtet, dass der Betroffene kein Selbstbewusstsein und kein Selbstvertrauen habe. Im Umgang mit seinen Mitmenschen fühle er sich unsicher und als Außenseiter. Er könne schwer ein konkretes Ziel verfolgen und habe kein Durchhaltevermögen. Es fehle ihm an der Motivation. Mit Kritik und Zurückweisung könne er schlecht umgehen. Er lasse sich von niemandem etwas sagen und fühle sich schnell angegriffen und beleidigt, dann zeige er auch aggressive Verhaltensweisen.

Zum neurologischen Untersuchungsbefund ist auszuführen, dass sich keine Besonderheiten ergeben haben. All diese Angaben, die offensichtlich der Betroffene selbst gemacht hat sind vage unbestimmt und pauschal. Was ist z. B. zu verstehen unter den von ihm angegebenen „Nervenzusammenbrüchen“. Wie kamen verbale Aggressivitäten zum Ausdruck? Wie manifestiert sich bei ihm mangelndes Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen? In welchen Situationen fühlt sich der Betroffene als Außenseiter? Wann habe er kein Durchhaltevermögen gehabt?

In der Anhörung des Betroffenen, des Herrn ... und seiner Mutter wurde versucht diesen Dingen auf den Grund zu kommen. Dabei hat sich gezeigt, dass es sich bei den verschiedenen vergeblichen Bemühungen um eine erfolgreiche Berufsausbildung um nachvollziehbare Vorgänge gehandelt hat. Auch zuletzt in seinem Praktikum als Altenpfleger hat es konkrete Gründe dafür gegeben, dass er dieses Praktikum nicht weiter verfolgt hat. Er gab an, dass er zunächst durchaus der Meinung war in den schwierigen und kritischen Situationen der Pflege durchhalten zu können. Nach einigen Wochen sei ihm jedoch bewusst geworden, dass er in diesem Beruf nicht glücklich werden könne. Im Übrigen handele es sich bei den verschiedenen Ausbildungsfirmen um Betriebe, die möglicherweise nicht den Ansprüchen des Betroffenen gerecht geworden sind. Die ebenfalls diagnostizierten Reifedefizite waren hierbei wohl mit ausschlaggebend.

Zuletzt war er auch in einem Betrieb tätig, der von der Struktur her wohl nicht geeignet war einem jungen Menschen eine Zukunftsperspektive zu bieten. Auch derzeit scheint er in einem Beruf tätig zu sein, der nicht seinem Ausbildungspotenzial entspricht. Bei Würdigung aller Formulierungen, die letztlich wohl auf Angaben des Betroffenen beruhen, muss davon ausgegangen werden, dass dies durchaus mit der besonderen sozialen Situation des Betroffenen in Einklang zu bringen ist. Seine Mutter war allein für seine Personensorge zuständig und offensichtlich mit dieser Aufgabe bei gleichzeitiger Berufstätigkeit überfordert. Die Mutter selbst hat bei der Anhörung gezeigt, dass sie hinter ihrem Sohn steht. Auf der anderen Seite ergab sich aus den Schilderungen durchweg, dass die Mutter sehr impulsiv und emotional reagiert und ihre Interessen bzw. die Interessen ihres Sohnes etwa beim Jobcenter oder anderen Behörden nachhaltig betrieben hat auch unter Verwendung nicht sozialadäquater. Formulierungen.

Angesichts dieser Umstände muss es als absoluter Erfolg bezeichnet werden, dass der Betroffene einen Schulabschluss erreicht hat, der sich sehen lassen kann. Die festgestellte Verschlechterung der Gesamtsituation bei Erreichen des 18. Lebensjahres zeigt sich bei näherer Betrachtungsweise eher als periphere Erscheinung. Derartige Krisensituationen haben viele Jugendliche und Heranwachsende zu bewältigen. Insgesamt erscheint es jedoch so, dass der Betroffene durchaus in der Lage ist seine Angelegenheiten zu erledigen. Die ihm zuteil gewordene Hilfe des Jugendamtes war dabei sehr hilfreich, weil es sich nicht um eine „rechtliche Betreuung“ gehandelt hat, sondern um eine tatsächliche Betreuung. Der Verfahrensbeistand war eben da für den Betroffenen und konnte, so wie es der Betroffene selbst auch bestätigt hat, in gewissem Umfang die Vaterrolle ersetzen, die dem Betroffenen gefehlt hat. Der Wegfall dieser Stütze hat dann eben mit zu dieser Lebenskrise geführt.

Insgesamt erscheinen daher die Sachverhaltsfeststellungen, die aber aufgrund ihrer pauschalen Beschreibungen nur bedingt als Sachverhalt gewertet werden können, als völlig normal im Hinblick auf die geschilderte Gesamtsituation des Betroffenen. Bezüglich der neuropsychologischen Testungen haben sich sehr unterschiedliche Werte ergeben, die insgesamt nachweisen, dass weiteres Entwicklungspotenzial bei dem Betroffenen vorhanden ist.

Interessant ist auch der psychopathologische Befund des Sachverständigen. Er stellt sich dar als Aneinanderreihung von Schilderungen eines Normalzustandes.

Altersgemäßer unauffällliger Allgemein- und Ernährungszustand, wach, ansprechbar und in allen Qualitäten ausreichend orientiert, leichte Einschränkungen bei den Merk-, Gedächtnis- und Konzentrationsleistungen, intermitierend leicht erhöhte interne Ablenkbarkeit. Biografische Daten werden sich erinnert, Zeitgitterstörungen fielen nicht auf. Kontaktverhalten anfänglich etwas reserviert (völlig normales Verhalten, Anmerkung des Gerichts), dann aber schnell offen und freundlich, schwingungsfähig, Stimmung euthym, ausreichend mimisches Spiel, keine inhaltlichen Denkstörungen, im formalen Gedankengang etwas eingeengt und leicht verarmt, Lebensfreude etwas reduziert jedoch auf dem Wege der Besserung, Appetit und Essen gut, keine Einschlaf-, gelegentliche Durchschlafprobleme und leichtes Morgentief. Ängste, Zwänge, Ich-Störungen, Sinnestäuschungen und Wahninhalte fehlen gänzlich. Aktuell kein Anhalt für fremd- und/oder eigenaggressives Verhalten. Geringgradige Abweichung und Hinweise auf ein leichtes Morgentief halten sich absolut im Normbereich und begründen in keinster Weise einen krankhaften Zustand.

Deshalb muss auch die Diagnose des Sachverständigen genau gelesen werden. Er spricht von „anamnestisch ADHS (ICD-10: F 90.0)“. Anamnestisch bedeutet aus der Vorgeschichte sich ergebend. Dies besagt aber auch, dass diese Diagnose nicht auf eigenen aktuellen Feststellungen beruht. Bezüglich der Entwicklungsverzögerung wird davon gesprochen, dass beim Betroffenen eine noch normale angeborene Intelligenz angenommen werden kann, also auch hier durchaus normgerechte Ergebnisse. Deshalb erscheint die Schlussfolgerung des Sachverständigen in der konkreten Beantwortung der Fragen des Gerichts nicht ausreichend begründet. Die hier attestierten Defizite sind gravierend, wenn es heißt, dass der Betroffene seinen Willen nicht mehr frei bestimmen könne und dass er in seiner Geschäftsfähigkeit eingeschränkt sei. Es bestehe sogar Geschäftsunfähigkeit.

Die Schlussfolgerung unter Ziffer 7 der Antworten erscheint ebenfalls nicht besonders überzeugend. Zum einen wird zu Recht darauf hingewiesen, dass in circa einem Drittel der Fälle ADHS in der Erwachsenenzeit zurückgehe. ADHS sei gut therapierbar. Bei einer lediglich anamnestischen Diagnose erscheint der Hinweis auf eine mögliche Therapie durchaus angreifbar. Soweit der bestellte Betreuer in seinem Schriftsatz vom 21.03.2015 darauf hinweist, dass es ihm möglich sei außer der regelmäßigen medizinischen Behandlung des Betroffenen die Wege aus seiner aktuellen Lebenskrise zu beschreiten, ist dies insbesondere im Hinblick auf die medizinische Behandlung sehr bedenklich zumal der Betreuer den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge nicht inne hat.

Ferner liegt nunmehr vor das Gutachten des Sachverständigen Facharztes für Psychiatrie Dr. ... vom 04.06.2015 bzw. die Ergänzung gemäß den Ausführungen des Sachverständigen im Rahmen der persönlichen Anhörungen und aufgrund der schriftlichen Ausführungen in dem ergänzenden Gutachten vom 13.10.2015. Der Gutachter schildert zunächst den bisherigen Verfahrensablauf und die vorgehend geschilderten Stellungnahmen und ärztlichen Bekundungen.

Neues ergibt sich ab Seite 10 mit den Feststellungen aus den Krankenunterlagen des Bezirksklinikums .... Dort wird geschildert, dass am 12.09.2013 der Betroffene in Begleitung seiner Mutter nach einem psychomotorischen Erregungszustand aufgrund eines Konfliktes mit der Polizei und der Anzeige wegen Beamtenbeleidigung erschienen sei. Die persönlichen Angaben werden dahingehend geschildert, dass der Betroffene im privaten Kreis Alkohol konsumiert habe und zwar Bier und Schnaps und es sei im Verlauf dieses Zusammenseins zu einem Konflikt zwischen einem Arbeitskollegen und dessen Mutter gekommen. Die Mutter habe dann die Polizei hinzugerufen. Dann habe sich eine Auseinandersetzung des Betroffenen mit dem Beamten ergeben, da er den Arbeitskollegen habe schützen wollen. Aufgrund gegenseitiger Beleidigungen und Beschimpfungen sei die Situation mit der Polizei eskaliert und man habe ihn zum Verhör mit aufs Polizeirevier genommen und eine Anzeige erstattet. In der Eigendiagnose des Betroffenen wird von einem massiven psychomotorischen Erregungszustand gesprochen. Als die Mutter ihn vom Polizeirevier abgeholt habe, habe sie aufgrund seines Zustandes beschlossen ihn in der Psychiatrie vorzustellen. Er habe dann 2,5 Milligramm Tavor erhalten und sei anschließend in die Kinder- und Jugendpsychiatrie verwiesen worden. Als weitere Belastungsfaktoren werden laut Exporation des Betroffenen geschildert: Probleme in der Ausbildungswerkstätte, Konflikt mit einer jungen Frau und Alkoholkonsum. Er benannte auch dramatische Erlebnisse in seiner Kindheit wozu er keine genauen Angaben machen wollte. Am gleichen Tag wurde er bei fehlender akuter Eigen- und Fremdgefährdung nach Hause entlassen. Die Vorstellung bei einem Psychiater wurde empfohlen.

In der Anhörung hat sich dann herausgestellt, dass bei der Polizei eine BAK von 2,1 Promille festgestellt wurde. Ein alkoholbedingter Erregungszustand nach Streit mit der Polizei etc. ist daher durchaus nachvollziehbar und auch mit dem außergewöhnlich intensiven Alkoholkonsum zu erklären. Der psychomotorische Erregungszustand wurde auch von der Mutter sehr eindringlich geschildert. Er habe auf das Auto geklopft und habe sich ungerecht behandelt gefühlt, er habe auch geschimpft und zwar sehr intensiv wie sie es bisher von ihrem Sohn nicht gewohnt war. Gerade diese Aussage zeigt, dass es sich um eine Ausnahmesituation gehandelt hat wohl bedingt durch den erheblichen Alkoholkonsum. Zur damaligen Zeit war auch Rauschgift im Spiel, so dass auch insoweit eine Verursachungskomponente möglich ist. Aus diesem Vorgang auf irgendeine psychische Krankheit zu schließen, ist nicht zielführend.

Der Sachverständige hat auch eine umfassende Fremdanamnese vorgenommen. Daraus wird bekannt, dass der Betroffene drei Mal bei Herrn ... in der Praxis war. Zur Vorgeschichte, die Herr ... eruiert hat, wird festgestellt, dass der Betroffene angab, er sei seit kurzem sehr erregt, habe bereits länger Gedanken nicht mehr leben zu wollen, er könne keine Arbeitsstelle behalten. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie sei bei ihm ADHS diagnostiziert worden. Ferner berichtet der Betroffene über schlechte Stimmung, er sei von Freunden immer wieder enttäuscht worden, er sei sehr impulsiv, klagt über schlechten Schlaf und gedrückte Stimmung mit Rückzug.

Auch hier fehlt es an konkreten Sachverhalten. Die Angaben, man habe eine schlechte Stimmung, man sei impulsiv, man sei seit kurzem sehr erregt und habe bereits länger Gedanken nicht mehr leben zu wollen, hätten alle insgesamt hinterfragt werden müssen und durch entsprechende Sachverhalte belegt werden müssen. Wann, wie und wo wurden Selbstmordgedanken gefasst? Gab es jemals irgendwelche konkrete Schritte im Hinblick auf einen Suizid? Wie äußern sich die Erregungszustände? Aufgrund welcher Vorgänge erfolgte die Diagnose ADHS in der Kinder- und Jugendpsychiatrie? Ebenso wenig weiterführend sind die Angaben des Herrn ... (Betreuer) gegenüber dem Sachverständigen. Demnach sei angegeben worden, dass Herr ... seit längerer Zeit krank sei, es bestehe ein desolater Zustand, die Wohnung sei ihm gekündigt worden, er habe keinen Beruf und keine Arbeitsstelle, sei sozial nicht angebunden, sitze 24 Stunden zuhause. Vom Jobcenter sei Herr ... als sehr labil und als auf dem Arbeitsmarkt nicht belastbar eingestuft worden. Er habe einen Schwerbehindertenausweis mit 60 Prozent erhalten wegen ADHS, Depressionen und Angstzuständen.

Darin zeigt sich bereits ein gewisser Teufelskreis. Wie bereits dargestellt lag ein Gutachten des Herrn Dr. ... vor aus dem sich ergab, dass der Betroffene seinen Willen nicht mehr frei bilden konnte und geschäftsunfähig war. Bei dieser Diagnose kam es natürlich zur Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit sogar 60 Prozent und zwar wegen ADHS, Depressionen und Angstzustände. All diese Dinge waren jedoch durch nichts belegt. Angstzustände wurden sogar ausdrücklich gegenüber Sachverständigen verneint, die Diagnose ADHS basiert auf anamnestischen Angaben und nicht auf unmittelbaren Beobachtungen und die Depressionen wurden ebenfalls nicht ordnungsgemäß mit Sachverhalten belegt.

Den Zustand bei der eigenen Erhebung am 08.05.2015 schildert der Gutachter wie folgt: Das kleine 1-Zimmer-Appartment war gepflegt und sauber, auch der Betroffene wirkte gepflegt und war situationsgerecht angezogen. Dem Sachverständigen gegenüber schildert der Betroffene zunächst die Vorgeschichte, die auch zu dem Abbruch der Besuche der Tagesklinik führte. Im Übrigen schildert der Betroffene dem Gutachter gegenüber den Ablauf des Verfahrens und die Bestellung des Herrn ... als Betreuer. Dieser habe ihm geholfen bei der Wohnungssuche, bei der Regelung der finanziellen Angelegenheiten und der Übernahme des ganzen Zahlungsverkehrs. Auf die Frage, warum er das nicht selbst gemacht habe, erklärt der Betroffene, weil es mir in den letzten zwei Jahren sehr schlecht gegangen ist und kein Mensch mir helfen wollte. Bei der sozialen Anamnese schildert der Betroffene seine Jugend, seine Schulbesuche und die weitere Entwicklung sowie auch in der persönlichen Anhörung. Diesbezüglich haben sich keine wesentlichen Abweichungen ergeben. Bezüglich der Schulden wird nunmehr der Sachverhalt etwas konkreter. Der Betroffene gab an, dass er nie Fernsehgebühren bezahlt habe, er habe einige elektronische Geräte gekauft und auch mit der ... habe er ein bisschen Probleme.

Der psychische Befund geht zunächst davon aus, dass der Betroffene örtlich und zeitlich ausreichend orientiert ist und auch zur eigenen Person. Merkfähigkeit und Gedächtnis sind grob orientierend nicht beeinträchtigt. Hier fehlt allerdings eine mit Sachverhalt belegte Begründung. Konzentration und Aufmerksamkeit seien leicht beeinträchtigt und die Aufmerksamkeit habe während der Untersuchung merklich nachgelassen. Im Affekt sei er flach, wenig modulationsfähig. Mangelndes Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen berichte er selbst. Er habe Schwierigkeiten mit anderen Menschen umzugehen und noch nie eine feste Freundin gehabt. Er fühle sich oft zurückgewiesen und angegriffen, reagiere dabei bockig, impulsiv und zeitweise aggressiv. Auch hier fehlen konkrete Nachfragen, wann, wie und wo er sich bockig gezeigt habe, wann und wie er impulsiv reagiert habe und wann und wie er aggressiv geworden sei.

In der gerichtlichen Anhörung wurde der Betroffene von seiner Mutter und dem Mitarbeiter des Jugendamts ... als sehr friedlich beschrieben. Anhaltspunkte für Aggressivität wurden nicht geschildert. Nachfragen des Gerichts ergaben dabei, dass er in seiner Kinder- und Jugendzeit so wie andere Kinder und Jugendliche auch nicht immer durchgehalten hat. Sehr bezeichnend war dabei der Hinweis auf das auswendig Lernen eines Gedichts, das nach redlichen Bemühungen damit endete, dass er den Text zerknüllt hat und weggeworfen hat, eine Verhaltensweise, die für Eltern mit entsprechender Erfahrung durchaus häufig auftritt und verständlich ist. Es fehlt auch die Nachfrage inwieweit sein Leben früher chaotisch gewesen sei. Hätte man hier entsprechende weitere Sachverhaltsfeststellungen getroffen, wäre herausgekommen, dass sich alles auf einige Monate bezog, die von einer Lebenskrise des jungen Erwachsenen geprägt war. Auch die Beeinträchtigung des abstrakten Denkens, die der Gutachter feststellt, wird nicht durch entsprechende Sachverhalte belegt. In der Beantwortung der Fragen kommt in Ziffer 1 der Sachverständige zu dem Ergebnis Reifungs- und Entwicklungsverzögerungen mit Persönlichkeits- und Verhaltensdefiziten, ADHS.

Auch hier muss festgestellt werden, dass die Diagnose ADHS durch keinen Sachverhalt bestätigt wurde. Der Hinweis auf frühere Diagnosen in der Schulzeit überzeugt nicht, da ADHS auch eine jugendtypische Krankheit ist, die selbst unbehandelt häufig folgenlos bleibt im Erwachsenenalter.

In der Auseinandersetzung mit der Betreuungsstelle ... erklärt der Gutachter, dass die Betreuungsstelle verkenne, dass dem Betroffenen aufgrund der vorliegenden psychiatrischen Erkrankungen die Kraft, der Antrieb und die Initiative und die Einsicht fehlen, Hilfen in Anspruch zu nehmen. Auch diese Feststellung überzeugt nicht. In der Anhörung ergab sich, dass der Betroffene die Hilfe des Erziehungsbeistandes über Jahre sehr nachhaltig aufgenommen und akzeptiert hat. Der Erziehungsbeistand ... hat berichtet, dass er ein sehr ausgeprägtes Vertrauensverhältnis zu dem Betroffenen aufbauen konnte. Das gleiche hat auch die Mutter bestätigt, die trotz ihrer nicht gerade einfachen Persönlichkeitsstruktur zu dem Erziehungsbeistand ein gutes Vertrauensverhältnis entwickelt hat. Bezeichnend ist auch, dass nach Beendigung der Erziehungsbeistand Herr ... trotzdem noch Kontakt zu dem Betroffenen hatte. Auch bei der alkoholbedingten Krisensituation wie oben geschildert wurde auf die Hilfe des Herrn ... zurückgegriffen und er war auch bei den Gesprächen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit anwesend. Diese Sachverhalte waren möglicherweise dem Gutachter nicht bekannt, so dass er zu der vorschnellen Feststellung kam, dass der Betroffene derartige Hilfen nicht in Anspruch nehmen würde. Deshalb konnte der Sachverständige auch nicht entsprechend würdigen, dass der Betreuungsrichter in erster Linie die Betreuung als Lösungsmöglichkeit benannt hat.

Hätte der Betreuungsrichter bei der Anhörung entsprechend nachgefragt und die anderen Hilfen angesprochen, dann wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen den Betroffenen davon zu überzeugen, dass der Weg über eine erneute Aufnahme der Erziehungsbeistandschaft der richtige gewesen wäre. Anstelle dessen hat er sofort einen Betreuer ins Spiel gebracht und namentlich benannt und diesen auch entsprechend darüber informiert, dass er als Betreuer bestellt werden soll. Das Angebot der Betreuungsbehörde den Betroffenen zum Jugendamt zu begleiten, blieb ebenfalls unerwähnt.

Auch bei Ziffer 8 äußert sich der Gutachter zur Frage, ob der Betroffene Hilfeangebote annehmen könne und erklärt, dass aufgrund des „komplexen psychopathologischen Bildes“ diese Initiative von dem Betroffenen nicht zu erwarten sei. Ein komplexes psychopathologisches Bild, das nur bei einem Krankheitswert bejaht werden kann, hat sich jedoch bei den gesamten Feststellungen nicht nachweisen lassen.

Weitere Erkenntnisse ergeben sich auch nicht aus den Ausführungen des Sachverständigen in seinem ergänzenden Gutachten vom 13.10.2015.

Der Sachverständige führt auf Seite 4 seines Gutachtens aus, dass bei der richterlichen Anhörung am 09.10.2015 vom Betroffenen, der Mutter und dem Mitarbeiter des Jugendamts Angaben gemacht wurden, die die Diagnosen bestätigen würden. Zur weiteren Begründung wird ausgeführt, dass erklärt worden sei, dass beim Betroffenen bereits im Alter von 11 oder 12 Jahren die Diagnose ADS vorlag. Fest steht jedoch nur, dass eine ambulante Diagnostik bei dem Kinder- und Jugendpsychiater ... durchgeführt wurde unter Zugrundelegung der Diagnose ADS. Die Behandlung bestand dann nur darin, dass von einem Medikament eine Tablette genommen wurde. Aufgrund erheblicher Nebenwirkungen wurde dieses Medikament abgesetzt und auch die ambulante Diagnostik bei Herrn Dr. ... abgebrochen. Die damaligen Vorgänge sind als Grundlage für eine gegenwärtige Diagnose nur sehr bedingt geeignet.

Die damaligen Sachverhalte, die zu der Diagnostik geführt haben, sind nicht mehr eruierbar. Offensichtlich waren es schulische und familiäre Probleme. Die Diagnose ADS, Aufmerksamkeitsdefizitstörung, entspricht keiner Norm im ICD-10 System. Soweit tatsächlich ernsthaft eine derartige Diagnose gestellt wurde, kann dies auf einem sehr breiten Spektrum beruht haben und zwar von einer Bagatellstörung bis hin zu einer schwerwiegenden Störung, die einen Krankheitswert gehabt hätte. Gegen letzteres spricht das ohne Weiteres die Medikamentierung abgesetzt werden konnte und offensichtlich in der Folgezeit der Schulabschluss gelungen ist und zwar mit einem sehr ansehnlichen Ergebnis.

Die ambulante Erziehungshilfe war sicher nicht das Ergebnis der abgebrochenen Medikation wie der Gutachter im Folgenden ausführt. Die Erziehungsbeistandschaft war wohl eher dazu geeignet, die häuslichen Defizite auszugleichen. Es stand auch im Raum der Besuch einer Förderschule bzw. einer außerfamiliären Unterbringung. Beides konnte durch die Erziehungsbeistandschaft abgewendet werden. In wie weit sich die Erziehungsbeistandschaft darüber hinaus auf Störungen, die vorsichtig mit ADS umschrieben werden können, positiv ausgewirkt hat kann mit Sicherheit jetzt nicht mehr festgestellt werden, zumal die Diagnose möglicherweise falsch war.

Der Gutachter schildert dann die kritische Situation nach Erreichen des 18. Lebensjahres. Der Gutachter wiederholt die in der Anhörung von verschiedenen Seiten gefallenen Umschreibungen der damaligen Situation. Im Wesentlichen handelt es sich um folgende Punkte:

Wenig Interesse und Antrieb, mangelndes Durchhaltevermögen, Motivationslosigkeit, Empfindlichkeit bei Zurückweisung und Kritik, er fühlt sich schnell angegriffen und beleidigt und zeigt auch aggressive Verhaltensweisen.

Diese Angaben wurden jedoch weitgehend relativiert durch die Aussagen der Mutter im Rahmen ihrer Anhörung. Diese gab dabei an, dass es sich um Verhaltensweisen gehandelt hat, die für den Betroffenen untypisch waren. Es gab auch keine konkreten Sachverhalte für eine aggressive Verhaltensweisen und auch nicht für die Tatsache, dass sich der Betroffene schnell angegriffen gefühlt und beleidigt gefühlt habe. Alles bezog sich auf eine Lebenskrise des Betroffenen zu einer Zeit der Adoleszenz. In diesem Zeitraum gibt es häufig Änderungen in den Verhaltensweisen, die auch vorübergehend sind. Die gesamten Schilderungen lassen sich auch mit dieser Altersphase in Einklang bringen. Die Tatsache, dass dies alles virulent wurde mit dem 18. Lebensjahr lässt sich erklären anhand der Formulierung des Betroffenen, dass er ein Spätzünder gewesen sei, ferner mit der Tatsache, dass er geglaubt habe, mit dem Erreichen des 18. Lebensjahr alles selbst erledigen zu können. Die alterstypische Überschätzung hat dabei sicher eine große Rolle gespielt. Der Erziehungsbeistandschaft, die sich über die Jahre hinweg sehr positiv ausgewirkt hat, fiel ebenfalls Weg, so dass die Lebenskrise auch noch verschärft wurde.

Der Sachverständige hat anlässlich der Anhörung als Parameter für eine ADHS/ADS-Erkrankung beschrieben Hyperaktivität, Impulsivität und Aufmerksamkeitsdefizite. Bzgl. dieser 3 Punkte lässt sich kein Sachverhalt subsumieren, der sich in der obigen Beschreibung wiederfindet. Ärgerlich ist auch, dass ständig in den Beschreibungen der Begriff Aggressivität vorkommt. Dieser wird dann regelmäßig relativiert mit dem Hinweis „verbal“. Eine aggressive Verhaltensweise hat wohl stattgefunden bei der alkoholbedingten krisenhaften Zuspitzung, die insbesondere die Mutter sehr plastisch geschildert hat. Die Aggressivität bestand damals darin, dass er geschimpft hat und auf den Wagen getrommelt hat. Zurecht wurde jedoch noch festgestellt, dass nach den eigenen Angaben eine BAK von 2,1 ‰ bestand. Bezeichnend ist auch, dass die Mutter ausdrücklich betont hat, dass dies außergewöhnlich war für ihren Sohn und nicht das Regelverhalten. Die gesamte Beschreibung der Persönlichkeit durch die angehörten Personen deutet auf ein ganz anderes Persönlichkeitsbild hin. Dieses Persönlichkeitsbild hat sich auch in den 7 Stunden der Anhörung bestätigt. Bei dem Betroffenen handelt es sich um einen jungen Mann, der sicher Schwierigkeiten und Probleme hat, aber diese sicher nicht mit aggressiver Verhaltensweise löst. Es erscheint daher äußerst problematisch, wenn man einer derartigen Persönlichkeit, die sich eher durch Friedlichkeit auszeichnet, den Stempel der Aggressivität aufdrückt, wobei sich dieser Stempel in den verschiedenen ärztlichen Stellungnahmen quasi fortschreibt.

Wenig zielführend ist auch der Hinweis auf Seite 6 des Gutachtens bzgl. der psychiatrischen Diagnosen des Herrn Dr. ... bzw. des Herrn Dr. .... Soweit Herr Dr. ... in seinem Attest vom 21.07.2014 feststellt, dass eine ADHS, ein chronisch depressives Syndrom und eine Neurastenie seit langem bekannt seien, basiert dies auf der „erstmaligen“ nervenärztlichen Untersuchung durch ihn. Er hat ihn keineswegs vorher behandelt und konnte sich daher nur auf Angaben des Betroffenen bzw. seiner sehr redebeflissenen Mutter handeln. Herr Dr. ... relativiert auch seine Diagnose dadurch, das er schreibt diese Erkrankungen seien seit langem bekannt und gerade nicht feststellt, dass er aufgrund seiner Untersuchung diese Krankheiten hätte feststellen können.

Auch der Hinweis auf die Begutachtung durch Herrn Dr. ... ist nicht präzise, da der Gutachter im Ergebnis feststellt „anamnestisch ein ADHS“. Mit dem Begriff anamnestisch wird wiederum zum Ausdruck gebracht, dass keine eigenen Feststellungen getroffen wurden, die eine ADHS-Störung nachweisen oder belegen würden. Anamnestisch heißt vielmehr, dass dies alles aus der Vorgeschichte zu schließen sei. Konkrete nachvollziehbare Sachverhalte, einzelne Gegebenheiten liegen dieser Diagnose nicht zugrunde.

Die Problematik psychiatrischer Begutachtungen wird auch angesichts des Hinweises auf die Feststellung einer Schwerbehindung durch das Versorgungsamt deutlich. Das Ganze beruht auf dem Antrag des Betreuers .... Der Betreuer hat dabei mit Erklärung vom 20.02.2015 eine umfassende Schweigepflichtsentbindung erklärt und durch eigene Unterschrift bestätigt. Aufgrund dessen erfolgte eine Anfrage des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 26.02.2015. Darin wurde das Amtsgericht ... gebeten die vorhandenen ärztlichen Gutachten zu übersenden. Die Rückübersendung erfolgte mit Gutachten Blatt 16 ff. wie sich aus einem Aktenvermerk rechts unten des bei den Akt befindlichen Schreibens (Blatt 52) ergibt. Blatt 16 ff. stellt das Gutachten des Herrn Dr. med. ... dar. Nur bei Kenntnis dieser Tatsachen lässt sich nachvollziehen, dass die zuständige Behörde eine Schwerbehinderung mit insg. 60% (so die Angaben der Beteiligten im Termin) festsetzen konnte. Nachvollziehbar ist es deswegen, weil in dem Gutachten zum Ausdruck gebracht wurde, dass die Freiheit der Willensbildung eingeschränkt sei und die Geschäftsunfähigkeit. Dies hat natürlich erhebliche Folgen auf den Grad einer möglichen Schwerbehinderung. Wie bereits oben ausgeführt war jedoch insoweit das Gutachten des Herrn Dr. ... nicht tragfähig für eine derartig weitgehende Diagnose. Wenn nunmehr die Entscheidung des Versorgungsamtes als Unterstützung für die festgestellten Diagnosen gewertet wird, handelt es sich eigentlich um einen Zirkelschluss.

Ferner wird angegeben, dass das erhobene psychopathologische Bild (Blatt 99 und 100) die Diagnosen stützen würden. Bei einer Durchsicht des niedergelegten psychischen Befundes ergeben sich folgende Feststellungen: Örtlich und zeitlich ausreichend orientiert, zur eigenen Person ausreichend orientiert, konnte über seine persönliche Lebensgeschichte viel erzählen, Merkfähigkeit und Gedächtnis grob orientierend nicht beeinträchtigt, im Gespräch geordnet, inhaltlich ohne Hinweise für eine produktive Symptomatik, Sinnestäuschungen wurden glaubhaft verneint. Bezüglich Konzentration und Aufmerksamkeit wird festgestellt, dass diese leicht beeinträchtigt gewesen seien, die Aufmerksamkeit habe während der Untersuchung merklich nachgelassen.

Dies beinhaltet auch die Feststellung, dass zunächst die Aufmerksamkeit sich im normalen Rahmen befunden hat und sich erst im Laufe der Untersuchung - nachvollziehbar - verringert hat. Mitgeteilt wird dann die Eigendiagnose des Betroffenen mangelndes Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, habe Schwierigkeiten mit anderen Menschen umzugehen, habe noch nie eine feste Freundin gehabt. Er fühle sich oft zurückgewiesen und angegriffen, reagiere dabei bockig, impulsiv und zeitweise aggressiv.

Diese Selbstbeschreibung lässt sich anhand der Angaben der Mutter und des Herrn ... nicht nachvollziehen. Bockig und impulsiv und aggressiv waren dabei Adjektive, die jeweils verneint wurden mit Ausnahme der krisenhaften Zuspitzung (Beleidigung von Polizeibeamten). Ferner wird berichtet, dass das abstrakte Denken leicht beeinträchtigt sei, wobei doch mangelnde Bildung berücksichtigt werden müsse. All diese Feststellungen zeigen durch die Bank, dass es sich nur um Beeinträchtigungen leichtester Art handelt. Es zeigt sich auch, dass ganz konkrete Sachverhalte, Umstände, Ereignisse diesen Feststellungen nicht zugrunde lagen. Wenn jemand angibt, er habe ein mangelndes Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, sollte man vielleicht überlegen warum sich der Betroffene so charakterisiert. Bei der Anhörung wurde versucht derartiges zu eruieren. Die Schilderungen der Jugend und der nunmehrige Prozess des Erwachsenwerdens haben jedoch dafür keine Anhaltspunkte erbracht. Die eher im untersten Bereich anzusiedelnden Beeinträchtigungen relativieren sich umso mehr, als berichtet wird, dass bei der Untersuchung am 01.10.2015 sich die beschriebene Symptomatik deutlich geringer ausgeprägt habe. Es ist wohl in der Tat davon auszugehen, dass der Betroffene seine ernste Lebenskrise sicher überwunden hat. Er hat nunmehr eine Freundin und wohnt mit ihr zusammen. Der Einfluss seiner etwas impulsiven Mutter scheint auch zurückgedrängt zu sein, so dass sich für die Überwindung der Lebenskrise ganz konkrete Anhaltspunkte finden. Soweit der Gutachter auf Blatt 156 ausführt, dass ohne Unterstützung einer Vertrauensperson der Betroffene mit hoher Wahrscheinlichkeit psychisch dekompensieren würde, handelt es sich um eine Möglichkeit, die aber derzeit durch keine konkreten Anhaltspunkte belegt ist. Die Möglichkeit, dass eine Person psychisch dekompensiert, besteht nahezu durchgehend bei allen Menschen je nach Lebenssituation. Warum jedoch bei diesem Betroffenen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine psychische Dekompensierung bestehen soll erschließt sich dem Gericht nicht. Darüber hinaus ist festzustellen, dass auch der Gutachter festgestellt hat, dass zumindest seit den Untersuchungen am 01.10.2015 bis zur Anhörung nicht davon ausgegangen werden kann, dass die freie Willensbildung eingeschränkt sei bzw. Geschäftsunfähigkeit vorliege. Letztlich geht somit nach Überzeugung des Gerichts auch der Sachverständige davon aus, dass eine Störung mit Krankheitswert nicht vor lag. Teilweise wurden wohl auch bestimmte Umstände falsch interpretiert. Das Gericht hat den Gutachter befragt welche konkrete Umstände eine erhöhte „Impulsivität“ belegen würden. Der Gutachter gab daraufhin an, dass sein Verhalten bzgl. des Besuchs der Tagesklinik dafür ein konkretes Beispiel sei. Impulsivität umschreibt jedoch die Neigung zu unüberlegten Handlungen, zu spontanen Entschlüssen, die gerade nicht auf Abwägung einzelner Umstände beruhen. Das Problem mit der Tagesklinik hat sich jedoch nach den Berichten so dargestellt, dass es sich um einen Vorschlag des Sachverständigen ... gehandelt hat. Der Betreute war durchaus bereit diese Form bzw. Möglichkeit der Therapie zu versuchen. Er hat sich bei einem Termin in der Tagesklinik vorgestellt, wurde dabei über den Ablauf belehrt und musste feststellen, dass bestimmte Einschränkungen seiner Freiheit mit dem Aufenthalt in der Tagesklinik verbunden wären. Er hat dann, im Hinblick auf diese Einschränkungen, den Besuch der Tagesklinik abgelehnt. Dies mag durchaus eine falsche Entscheidung gewesen sein, sicher jedoch keine impulsive Entscheidung. Er hat vielmehr abgewogen und dies auch nachvollziehbar so erklärt, dass er keine Lust gehabt habe Sport zu treiben wenn es ihm vorgeschrieben würde. Darin kommt eher eine gewisse Antriebsarmut zum Tragen und die Furcht zu Aktivitäten gezwungen zu werden, die er nicht wünscht. Eigentlich ein Verhaltensmuster, dass mit Antriebsarmut sehr gut und mit Impulsivität überhaupt nicht umschrieben werden kann.

Abschließend ist festzustellen, dass weder eine psychische Krankheit noch eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung bei dem Betroffenen aktuell festgestellt werden konnte.

2. Vorrang anderer Hilfen

§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB bringt zum Ausdruck, dass eine Betreuung nicht erforderlich sei, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Das Gesetz zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörden hat dem Vorrang „anderer Hilfen“ ausdrücklich betont und gesetzlich abgesichert. Es sei nur darauf verwiesen, dass gem. § 280 Abs. 2 Satz 2 FamFG das Ergebnis einer Anhörung nach § 279 Abs. 2 Satz 2 FamFG durch den Sachverständigen zu berücksichtigen ist, wenn dies ihm bei der Bestellung des Gutachtens vorliegt. § 279 Abs. 2 Satz 2 FamFG schreibt vor, dass der Gegenstand der Anhörung der Betreuungsbehörde vorliegende Kriterien umfassen soll:

1. Persönliche, gesundheitliche und soziale Situation des Betroffenen

2. Erforderlichkeit der Betreuung, einschließlich geeigneter anderer Hilfen (§ 1896 Abs. 2 BGB)

3. Betreuerauswahl unter Berücksichtigung des Vorrangs der Ehrenamtlichkeit (§ 1897 BGB)

4. Diesbezügliche Sichtweise des Betroffenen

Die gesamte Vorgeschichte zeigt, dass vorhandene Defizite in der Jugend des Betroffenen durch die Verfahrensbeistandschaft aufgehoben bzw. gemildert werden konnten. Dabei konnte auch festgestellt werden, dass die Akzeptanz bzgl. dieser „anderen Hilfen“ sehr groß war. Das Verhältnis des Betroffenen zu seinem Erziehungsbeistand von großem Vertrauen und Akzeptanz geprägt war. Auch die Mutter des Betroffenen, die sich immer wieder sehr intensiv um den Sohn gekümmert hat und sich nachhaltig für ihn eingesetzt hat, hatte ein sehr vertrauenvolles Verhältnis zu dem Erziehungsbeistand entwickelt. Dies führte dazu, dass auch nach Beendigung der Erziehungsbeistandschaft der Kontakt zu dem Erziehungsbeistand gesucht wurde, wenn es Probleme gab. Dies ergab sich sowohl aus den Angaben des Herrn ... und auch aus den Angaben des Betroffenen. Die Erziehungsbeistandschaft wäre, wie sich aus den Angaben des Herrn ... und des Herrn ... ergab, durchaus auch jetzt noch möglich gewesen. Der Weg zu den „anderen Hilfen“ wurde auch mit Nachhaltigkeit vorgetragen von der Betreuungsstelle in ihrem Schreiben vom 13.10.2014. In diesem Schreiben wurde die gesamte Vorgeschichte nachvollziehbar geschildert. Der Betroffene gab damals auch an, dass er sich zum 18. Geburtstag gegen eine Fortsetzung der Erziehungsbeistandschaft ausgesprochen habe, aber jetzt erkenne, dass er diese Hilfe eigentlich weiterhin gebraucht hätte. Diese Form der Hilfe ist auch unmittelbarer, direkter und wirksamer als eine rechtliche Betreuung. Entsprechend den Schilderungen des Erziehungsbestands war dieser tatsächlich in der Lage sich persönlich um den Betroffenen zu kümmern, ihn zu unterstützen und auf seinen richtigen Weg zu leiten. Die Fortsetzung der Erziehungsbeistandschaft hätte sich, was unter pädagogischen Gesichtspunkten sehr wertvoll gewesen wäre, als eine kontinuierliche Fortsetzung der bisherigen Bemühungen dargestellt. Es wäre dann auch möglich gewesen diese Bemühungen allmählich wieder zu reduzieren, so dass der Betroffene ohne Weiteres in ein normales Leben hätte geleitet werden können.

Dies hat sich so alles deutlich aufgedrängt und wäre wohl auch so abgelaufen, wenn der Betroffene anlässlich der Anhörung am 10.12.2014 darauf angesprochen worden wäre. Zunächst einmal wäre es Aufgabe des Betreuungsrichters gewesen, die Ausführungen der Betreuungsbehörde dem Betroffenen nahe zu bringen. Dies um so mehr, als die Anhörung nicht zu dem vereinbarten Termin stattgefunden hat, zu dem auch die Betreuungsbehörde sich eingefunden hätte. Die Betreuungsbehörde hätte ihren Vorschlag in der Anhörung gut erläutern können. Dieses Defizit hätte der Betreuungsrichter angesichts des Fehlens der Betreuungsbehörde selbst erledigen müssen. Aus der Niederschrift ergibt sich, dass zunächst die Frage der Betreuung besprochen wurde. Es wird dann ausgeführt, dass der Betroffene angegeben habe, dass er zu den Ausführungen des Sachverständigen einiges anzumerken hätte. Vom Ergebnis her sei er jedoch mit dem Gutachten einverstanden. Die Niederschrift weist aus, dass die möglichen Anmerkungen zu dem Gutachten bei dem Betroffenen offensichtlich nicht abgefragt wurden. Im Anschluss wurde dann ausweislich der Niederschrift die Frage der Betreuung besprochen und der Betroffene hat sich im Prinzip damit einverstanden erklärt. Eine Betreuung wurde ausweislich der Niederschrift bis zu 3 Jahren entsprechend dem Gutachten besprochen.

Erst dann wird offensichtlich die wichtige und entscheidende Frage angesprochen, ob im Rahmen sog. anderweitiger Hilfsmöglichkeit es genügt, wenn sich Herr ... allein an Behörden oder sonstige hilfsbereite Stellen wendet. Im Anschluss zeigt sich jedoch, dass der Betreuungsrichter von vorne herein zu einer Betreuung entschlossen war. Es ist nämlich ausgeführt, dass der Betroffene sich mit der vom Richter vorgeschlagenen Betreuung einverstanden erklärt hat. Dies zeigt, dass der Betreuungsrichter auf die „anderen Hilfen“ und die damit verbundene Möglichkeiten nicht so eingegangen ist, dass der Betroffene die Möglichkeit gehabt hätte, abzuwägen und sich für eine von beiden zu entscheiden. Vielmehr hat er die Betreuung vorgeschlagen und somit Prioritäten gesetzt. Dies war umso folgenreicher, weil der Ausgleich durch entsprechende Hinweise der Betreuungsbehörde in diesem Augenblick fehlte.

Bei einer Anhörung so wie durch das Landgericht hätte sich dem Betreuungsrichter eröffnet, dass die Akzeptanz der Erziehungsbeistandschaft sehr hoch war. Es wäre nur nötig gewesen den Betroffenen zu animieren diesen Weg zu gehen. Dieser Weg wurde aber spätestens dadurch abgeschnitten, dass die Betreuung vorgeschlagen wurde und zugleich auch schon der Berufsbetreuer ... genannt wurde. Völlig außen vor blieb bei der spontanen Benennung des Berufsbetreuers ... die Frage, ob es nicht eine ehrenamtliche Betreuung gäbe. Auch hier wurde der Betreuungsbehörde die Möglichkeit genommen entsprechende Prüfungen vorzunehmen und geeignete ehrenamtliche Betreuer oder auch andere geeignetere Berufsbetreuer vorzuschlagen.

Zur Klarstellung ist auch auf die Verfügung des Amtsgerichts ... vom 22.05.2015 (Blatt 79 d. A.) einzugehen. In der Feststellung wird ausgeführt, dass im Hinblick auf den geltend gemachten Vorrang der „anderen Hilfen“ ein Gutachten erforderlich gewesen sei. Wenn dies tatsächlich so festzustellen gewesen wäre, hätte man die Betreuung überhaupt nicht anordnen dürfen, da der entsprechende Einwand bereits sehr viel früher von der Betreuungsbehörde erhoben wurde. Entsprechend den obigen Ausführungen hat sich jedoch der Betreuungsrichter diesem Einwand verschlossen. Es ist dann nicht konsequent, dass die Betreuung angeordnet wird und dann erst die Prüfung des Vorrangs der anderen Hilfen einem Gutachter anvertraut wird und so die Beschwerdeentscheidung Monate lang verzögert wird.

Der Hinweis in der Feststellung auf andere Fälle geht ebenfalls fehl. Selbst wenn die Betreuungsbehörde noch nie einen richtigen Vorschlag gemacht hätte und sich bei jeder Stellungnahme geirrt hätte, wäre dies ein völlig unsachliches Argument für dieses Verfahren. In dem Verfahren bezüglich der Betreuung für Herrn ... sind ausschließlich Argumente heranzuziehen und zu prüfen, die dieses Verfahren betreffen. Ob ein Beteiligter im Übrigen bei anderen Verfahren Fehler gemacht hat, ist dies bezüglich irrelevant.

Der Vorwurf ist auch unfair, da aufgrund der Verschwiegenheitspflicht eine sachdienliche Erwiderung unmöglich ist und somit eine dringend gebotene Rechtfertigung ausbleiben musste. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei auch darauf hingewiesen, dass der angebliche „gravierende Beurteilungsfehler“ in dem Verfahren ... so niemals festgestellt wurde und auch aus dem Gesamtzusammenhang der dortigen Feststellungen nicht behauptet werden kann. Die verkürzte Darstellung in dieser Feststellung ist daher irreführend und hat in diesem Verfahren nichts zu suchen.

Ebenso überflüssig ist Ziffer 3 der Verfügung, weil sie ohne Relevanz zu diesem Verfahren ist. Es steht dem Betreuungsgericht selbstverständlich frei in konkreten Verfahren die rechtzeitige Abgabe von Sozialberichten einzufordern. Generelle Monierungen bezüglich einer Verbesserung der Organisation der Berichterstattung haben in diesem konkreten Verfahren nichts zu suchen. Mit derartigen Ausführungen werden die Beteiligten nur irritiert und die kritisierten Sachbearbeiter können sich im Rahmen dieses Verfahrens gegen derartige Anschuldigungen nicht wehren. Derartige Nebenkriegsschauplätze dürfen daher nicht eröffnet werden.

Das Gericht geht darüber hinaus davon aus, dass auch jetzt noch andere Hilfen für den Betroffenen möglich wären. Die Gewährung der Erziehungsbeistandschaft ist auch nicht abhängig davon, dass die Voraussetzungen für eine Betreuung vorliegen. Es ist daher dem Betroffenen anzuraten, bei Schwierigkeiten sich an das Jugendamt zu wenden.

Dabei hat das Gericht auch berücksichtigt, dass nunmehr eine erhebliche Zeit vergangen ist in der eine Betreuung stattgefunden hat. Diese lange Zeit, die den Weg zu den anderen Hilfen möglicherweise erschwert hat, ist vor allem bedingt durch die Tatsache, dass in völlig unüblicher Art und Weise nach Einlegung der Beschwerde ein Gutachten erholt wurde. Dieses Gutachten mit Auftrag vom 09.02.2015 wurde am 05.06.2015 eingereicht. Für das Betreuungsgericht war es nicht nachvollziehbar, warum dieses Gutachten solange hat auf sich warten lassen. Trotzdem scheint gerade derzeit bei der Kosolidierung des Betroffenen der Weg über die anderen Hilfen durchaus gangbar.

3. Verfahrensrechtliche Ausführungen

a) Zur formlosen Feststellung der Tatsachen

Das Betreuungsgericht hat in Anwendung der §§ 29, 30 FamFG von einer förmlichen Beweisaufnahme Abstand genommen. Gem. § 30 Abs. 1 FamFG entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßen Ermessen, ob es die entscheidungserheblichen Tatsachen durch eine förmliche Beweisaufnahme entsprechend der Zivilprozessordnung feststellt. Vorliegend ging es jedoch darum erstmalig von den Beteiligten bzw. Mitarbeitern der Behörden zu erfahren, welche Sachverhalte, die für eine Betreuung relevant sind, festgestellt werden können. Es ging daher nicht um die Richtigkeit einer entscheidungserheblichen Tatsache, sondern zunächst um eine Erfassung des Sachverhalts. Bisher wurden die Aussagen, die im Rahmen der Anhörung gemacht wurden; auch nicht bestritten.

b) Beteiligtenstellung

Bestritten wurde vorliegend die Beteiligtenstellung der Mutter. Die Frage, ob eine Person „beteiligt“ im Sinne des FamFG ist, beantwortet sich vorliegend nach § 274 Abs. 4 FamFG. Beteiligt werden können demnach, im Interesse des Betroffenen, die Eltern und somit auch die hier ausdrücklich als Beteiligte angehörte Mutter. Die Beteiligung selbst kann formlos erfolgen. Im Termin wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Mutter als Beteiligte vernommen werden soll. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war von einer Beteiligung auszugehen. Eine förmliche Entscheidung über die Beteiligung hat nur stattzufinden, wenn der Antrag auf eine Beteiligung abgelehnt wird. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 7 Abs. 5 FamFG. Die Beteiligung der Mutter erfolgte selbstverständlich auch im Interesse des Betroffenen. Sie war alleinerziehend verantwortlich für den Betroffenen und hat sich immer sehr nachhaltig für ihn eingesetzt.

c) Abweichung von den Diagnosen der Sachverständigen und des behandelnden Arztes

Im Schreiben vom 04.09.2015 wurde angegeben, dass die Mitarbeiter der Betreuungsbehörde fachlich nicht in der Lage seien, die ärztliche Diagnose und das Gutachten in Frage zu stellen und zu widerlegen. Es wird letztlich zum Ausdruck gebracht, dass den Gutachten bzw. ärztlichen Zeugnissen unbesehen gefolgt werden müsste. Dies entspricht jedoch nicht dem Auftrag des Gesetzes bezüglich der Betreuungsbehörden und schon gar nicht dem Auftrag des Betreuungsgerichts. Insoweit darf auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.01.2015, Az. 1BvR 665/14, Bezug genommen werden. Dort wird ausgeführt, dass das Amtsgericht und das Landgericht ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen seien, das Sachverständigengutachten einer hinreichend kritischen Überprüfung zu unterziehen. Beide hätten die Ergebnisse der Gutachter kritiklos übernommen. In dem zu entscheidenden Fall hätten die Gerichte aus der „Zusammenschau von Gutachten, Vorbringen des Beschwerdeführers und eigenen unmittelbaren Eindruck zu einer differenzierten eigenen Würdigung kommen und diese in ihren wesentlichen Inhalten schriftlich niederlegen müssen“. Das Beschwerdegericht beabsichtigt nicht, den gleichen Fehler zu begehen. Es sieht sich vielmehr aufgefordert, auch Sachverständigengutachten kritisch zu hinterfragen. Selbstverständlich darf sich der Richter nicht zu einem Experten in ärztlichen Angelegenheiten aufschwingen, andererseits ist es geboten die zugrunde gelegten Sachverhalte zu hinterfragen und auch die entsprechenden Begründungen. Das Gericht hat in den vorstehenden Ausführungen versucht dies ausführlich und gründlich zu erledigen.

d) Verfahrensbevollmächtigung

Mit Schreiben der Rechtsanwältin ... vom 04.09.2015, adressiert an das Amtsgericht ... und eingegangen am 04.09.2015, zeigte die Rechtsanwältin an, dass sie den Betreuten ..., vertreten durch seinen Betreuer, anwaltlich vertrete. Auch im Betreff wird angeführt „..., geboren 18.09.1995 vertreten durch den Betreuer ...“. Mit Verfügung des Landgerichts ... vom 14.10.2015 wurde die Rechtsanwältin ... gebeten eine Vollmacht für dieses Verfahren (Betreuungsverfahren) zu übersenden. Mit Schreiben vom 29.10.2015, eingegangen bei Gericht am 29.10.2015, wurde eine schriftliche Vollmacht vom 28.10.15 vorgelegt. Die Vollmacht wurde unterzeichnet am 28.10.2015 mit dem Vermerk „i. V. und einer unleserlichen Unterschrift, bei der jedoch die Buchstaben ...“ erkannt werden können. Ferner ist angebracht ein Stempel ... und .... Eine in etwa gleiche Unterschrift und der selbe Stempel befinden sich auf Blatt 53. Es handelt sich dabei um eine Einverständniserklärung bezüglich der Schweigepflichtsentbindung von Ärzten etc.. Die am 13.01.2015 angeordnete Betreuung umfasst folgende Aufgabenkreise: „Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, zugehörige Postangelegenheiten und Unterstützung und Vertretung in beruflichen Angelegenheiten“. Der Aufgabenkreis umfasst somit nicht die Vertretung im Betreuungsverfahren und somit auch nicht die Erteilung von Verfahrensvollmachten. Dies ist auch nicht erforderlich, da im Betreuungsverfahren die Betroffenen vollumfänglich verfahrensfähig sind und somit selbst Vollmachten ausstellen können. Auf das Problem, dass offensichtlich die Aufgabenkreise bei der gesetzlichen Vertretung nicht eingehalten werden, hat das Gericht bereits in der Anhörung bezüglich dem Schreiben auf Blatt 53 der Akten in Anwesenheit des Betreuers ... hingewiesen. Somit bestand vorliegend für die Rechtsanwältin ... keine ausreichende Verfahrensvollmacht. Das Gericht geht somit davon aus, dass auch kein wirksamer Anwaltsvertrag zustande gekommen ist.

e) Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung

Mangels Vollmacht waren daher auch die Anträge auf Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung als unzulässig zurückzuweisen. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ebenfalls von Herrn ... ohne entsprechende gesetzliche Vertretungsmacht unterschrieben wurde. Somit muss zusätzlich davon ausgegangen werden, dass auch keine ausreichende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorlag.

Die Anträge waren deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Regensburg Beschluss, 02. Nov. 2015 - 5 T 247/15

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Referenzen - Gesetze

Landgericht Regensburg Beschluss, 02. Nov. 2015 - 5 T 247/15 zitiert 13 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 7 Beteiligte


(1) In Antragsverfahren ist der Antragsteller Beteiligter. (2) Als Beteiligte sind hinzuzuziehen: 1. diejenigen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird,2. diejenigen, die auf Grund dieses oder eines anderen Gesetzes von Amts w

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 41 Hilfe für junge Volljährige


(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 280 Einholung eines Gutachtens


(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatri

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 30 Förmliche Beweisaufnahme


(1) Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es die entscheidungserheblichen Tatsachen durch eine förmliche Beweisaufnahme entsprechend der Zivilprozessordnung feststellt. (2) Eine förmliche Beweisaufnahme hat stattzufinden, wenn

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 274 Beteiligte


(1) Zu beteiligen sind1.der Betroffene,2.der Betreuer, sofern sein Aufgabenkreis betroffen ist,3.der Bevollmächtigte im Sinne des § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sofern sein Aufgabenkreis betroffen ist. (2) Der Verfa

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 279 Anhörung der sonstigen Beteiligten, der Betreuungsbehörde und des gesetzlichen Vertreters


(1) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts anzuhören. (2) Das Gericht hat die zuständige Behörde vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Ei

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 29 Beweiserhebung


(1) Das Gericht erhebt die erforderlichen Beweise in geeigneter Form. Es ist hierbei an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden. (2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Vernehmung bei Amtsverschwiegenheit und das Recht zur Zeu

Referenzen

(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.

(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.

(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.

(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein.

(2) Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Ergebnis einer Anhörung nach § 279 Absatz 2 Satz 2 hat der Sachverständige zu berücksichtigen, wenn es ihm bei Erstellung seines Gutachtens vorliegt.

(3) Das Gutachten hat sich auf folgende Bereiche zu erstrecken:

1.
das Krankheits- oder Behinderungsbild einschließlich dessen Entwicklung,
2.
die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse,
3.
den körperlichen und psychischen Zustand des Betroffenen,
4.
den aus medizinischer Sicht aufgrund der Krankheit oder Behinderung erforderlichen Unterstützungsbedarf und
5.
die voraussichtliche Dauer der Maßnahme.

(1) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts anzuhören.

(2) Das Gericht hat die zuständige Behörde vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts anzuhören. Die Anhörung soll vor der Einholung eines Gutachtens nach § 280 erfolgen und sich insbesondere auf folgende Kriterien beziehen:

1.
persönliche, gesundheitliche und soziale Situation des Betroffenen,
2.
Erforderlichkeit der Betreuung einschließlich geeigneter anderer Hilfen (§ 1814 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs),
3.
Betreuerauswahl unter Berücksichtigung des Vorrangs der Ehrenamtlichkeit (§ 1816 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) und
4.
diesbezügliche Sichtweise des Betroffenen.

(3) Auf Verlangen des Betroffenen hat das Gericht eine ihm nahestehende Person anzuhören, wenn dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist.

(4) Das Gericht hat im Fall einer Betreuerbestellung oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für einen Minderjährigen (§ 1814 Absatz 5 und § 1825 Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) den gesetzlichen Vertreter des Betroffenen anzuhören.

(1) Das Gericht erhebt die erforderlichen Beweise in geeigneter Form. Es ist hierbei an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Vernehmung bei Amtsverschwiegenheit und das Recht zur Zeugnisverweigerung gelten für die Befragung von Auskunftspersonen entsprechend.

(3) Das Gericht hat die Ergebnisse der Beweiserhebung aktenkundig zu machen.

(1) Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es die entscheidungserheblichen Tatsachen durch eine förmliche Beweisaufnahme entsprechend der Zivilprozessordnung feststellt.

(2) Eine förmliche Beweisaufnahme hat stattzufinden, wenn es in diesem Gesetz vorgesehen ist.

(3) Eine förmliche Beweisaufnahme über die Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung soll stattfinden, wenn das Gericht seine Entscheidung maßgeblich auf die Feststellung dieser Tatsache stützen will und die Richtigkeit von einem Beteiligten ausdrücklich bestritten wird.

(4) Den Beteiligten ist Gelegenheit zu geben, zum Ergebnis einer förmlichen Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, soweit dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich ist.

(1) Zu beteiligen sind

1.
der Betroffene,
2.
der Betreuer, sofern sein Aufgabenkreis betroffen ist,
3.
der Bevollmächtigte im Sinne des § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sofern sein Aufgabenkreis betroffen ist.

(2) Der Verfahrenspfleger wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen.

(3) Die zuständige Behörde ist auf ihren Antrag als Beteiligte in Verfahren über

1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Umfang, Inhalt oder Bestand von Entscheidungen der in Nummer 1 genannten Art
hinzuzuziehen.

(4) Beteiligt werden können

1.
in den in Absatz 3 genannten Verfahren im Interesse des Betroffenen dessen Ehegatte oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie dessen Eltern, Pflegeeltern, Großeltern, Abkömmlinge, Geschwister und eine Person seines Vertrauens,
2.
der Vertreter der Staatskasse, soweit das Interesse der Staatskasse durch den Ausgang des Verfahrens betroffen sein kann.

(1) In Antragsverfahren ist der Antragsteller Beteiligter.

(2) Als Beteiligte sind hinzuzuziehen:

1.
diejenigen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird,
2.
diejenigen, die auf Grund dieses oder eines anderen Gesetzes von Amts wegen oder auf Antrag zu beteiligen sind.

(3) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag weitere Personen als Beteiligte hinzuziehen, soweit dies in diesem oder einem anderen Gesetz vorgesehen ist.

(4) Diejenigen, die auf ihren Antrag als Beteiligte zu dem Verfahren hinzuzuziehen sind oder hinzugezogen werden können, sind von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen, soweit sie dem Gericht bekannt sind. Sie sind über ihr Antragsrecht zu belehren.

(5) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, wenn es einem Antrag auf Hinzuziehung gemäß Absatz 2 oder Absatz 3 nicht entspricht. Der Beschluss ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(6) Wer anzuhören ist oder eine Auskunft zu erteilen hat, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 2 oder Absatzes 3 vorliegen, wird dadurch nicht Beteiligter.