Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Krankentagegeld-Versicherungsvertrag und dessen Fortbestand.
Der Kläger hält bei der Beklagten seit 1.6.1990 eine Krankentagegeldversicherung. Dieser liegen die als Anlage BLD 1 vorgelegten Versicherungsbedingungen, die dem MBKT 2009 entsprechen, zugrunde. Vereinbart ist ein tägliches Krankentagegeld von 51,13 € bei einer Karenzzeit von 4 Wochen. Der Kläger war zuletzt selbständig im Holzhandel/Forstbetrieb tätig. Mit Schreiben vom 16.7.2014 erklärte die Beklagte dem Kläger gegenüber, dass sie aufgrund beim Kläger eingetretener Berufsunfähigkeit nicht mehr leistungspflichtig sei. Das von der Beklagten gleichzeitig unterbreitete Angebot, die Versicherung als Anwartschaftsversicherung fortzuführen, nahm der Kläger nicht an.
Der Kläger behauptet, in seinem Beruf als selbständiger Forstarbeiter/Holzhändler vom 20.1.2014 bis 15.8.2014 arbeitsunfähig gewesen zu sein. Er leide an Wirbelsäulenbeschwerden, beidseitigen Kniebeschwerden sowie vorübergehend auch an Depressionen. Diese würden ihm seine Tätigkeit als selbständiger Waldarbeiter/Forsthändler unmöglich machen. Er müsse dabei selbst schwer körperlich arbeiten, u.a. eine große Motorsäge mit 10 kg Gewicht tragen und beim Fällen der Bäume in gebückter Haltung mit angewinkelten Knien arbeiten. Aufgrund dieser auch bedingungsgemäß nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit stehe dem Kläger ein Krankentagegeldanspruch für 208 Tage zu. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien die Beschwerden aber nicht derart, dass der Kläger berufsunfähig sei. Der Vertrag sei deshalb durch die Erklärung der Beklagten vom 16.7.2014 nicht beendet worden, so dass der Kläger Anspruch auf Feststellung des Fortbestandes des Versicherungsvertrages habe.
Der Kläger beantragt,
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1.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.635,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 16.12.2014 zu bezahlen.
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2.Es wird festgestellt, dass die Krankentagegeldversicherung des Klägers bei der Beklagten Versicherungsnr. ... nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 16.1.2015 zum 22.4.2013 aufgehoben wurde, sondern über den 22.4.2013 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortgesteht.
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte bestreitet, dass beim Kläger aus gesundheitlichen Gründen bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit eingetreten sei. Jedenfalls aber sei der Vertrag durch die Erklärung der Beklagten vom 16.7.2014 infolge bereits zum 22.4.2013 eingetretener Berufsunfähigkeit beendet.
Der Kläger wurde informatorisch angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.4.2016 Bezug genommen. Beweis erhoben wurde mit Beweisbeschluss vom 28.4.2016 durch Erholung eines schriftlichen orthopädischen Sachverständigengutachtens. Auf das schriftliche orthopädische Fachgutachten vom 16.8.2016 wird Bezug genommen. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen. Mit Beschluss vom 7.11.2016 wurde im Einverständnis der Parteien die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beschlossen, wobei die Frist zur Einreichung von Schriftsätzen auf den 5.12.2016 bestimmt wurde.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Dem Kläger steht für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 20.1.2014 bis 15.8.2014 kein Anspruch auf Krankentagegeld zu, da der Vertrag aufgrund zum 23.3.2013 eingetretener Berufsunfähigkeit durch Schreiben der Beklagten vom 16.7.2014 zum 21.4.2013 beendet wurde. Damit ist gleichzeitig der Klageantrag auf Feststellung des Fortbestandes des Krankentagegeldversicherungsvertrages unbegründet.
I.
Der Kläger ist seit 23.3.2013 berufsunfähig.
1. Nach § 15 Abs. 1 Buchst b) MB/KT endet das Versicherungsverhältnis hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen, mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist. Besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, so endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit. Nach § 15 Abs. 2 MB/KT haben der Versicherungsnehmer und die versicherten Personen das Recht, einen wegen Eintritts der Berufsunfähigkeit gemäß Abs. 1 Buchst. b) beendeten Vertrag nach Maßgabe des Tarifs in Form einer Anwartschaftsversicherung fortzusetzen, sofern mit einer Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit zu rechnen ist.
Berufsunfähigkeit ist ein Zustand, dessen Fortbestand aus sachkundiger Sicht für nicht absehbare Zeit prognostiziert wird, der jedoch typischerweise nicht auch als endgültig oder unveränderlich beurteilt werden kann (BGH Urt. v. 20.06.2012 - IV ZR 141/11, r+s 2012, 499 m.w.N.). Die Prognose der Berufsunfähigkeit ist für den Zeitpunkt zu stellen, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet; für die sachverständige Beurteilung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit sind die „medizinischen Befunde“ - d.h. alle ärztlichen Berichte und sonstigen Untersuchungsergebnisse - heranzuziehen und auszuwerten, die der darlegungs- und beweisbelastete Versicherer für die maßgeblichen Zeitpunkte vorlegen kann. Dabei ist gleich, wann und zu welchem Zweck die medizinischen Befunde erhoben (aaO 128 Rn. 31) und dem Versicherer bekannt geworden sind. Entscheidend ist nicht, wann und wie der Versicherer in der Folge Kenntnis von der Berufsunfähigkeit erlangt, sondern wann diese eingetreten ist. Die Prognose der Berufsunfähigkeit kann also auch rückschauend für den Zeitpunkt gestellt werden, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet, allerdings muss dies aus der Sicht ex ante geschehen, das heißt ohne Berücksichtigung des weiteren Verlaufs nach diesem Zeitpunkt. Bei einem nachträglich erstellten Gutachten - wie hier - muss der Verlauf zwischen dem Zeitpunkt, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet, und dem Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen außer Betracht bleiben (BGH Urt. v. 20.06.2012 - IV ZR 141/11, r+s 2012, 499 m.w.N.).
2. Für die Frage nach solcherart bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ist im Streitfall auf den bei behaupteter Berufsunfähigkeit am 22.4.2013 konkret ausgeübten Beruf abzustellen.
Nach § 15 Abs. 1 Buchst b) MB/KT ist der „bisher ausgeübte Beruf“ maßgeblich.
Zu sehen ist allerdings auch, dass es in diesem Zusammenhang nicht primär darauf ankommen kann, ob und in welchem Umfang der Versicherungsnehmer berufliche Tätigkeiten tatsächlich ausübt. Dass der Versicherungsnehmer Raubbau an seiner Gesundheit treibt, vermag die objektiv vorzunehmende Bewertung der Leistungsfähigkeit nicht zu berühren (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.1998 – 4 U 207/96, VersR 1999, 354). Dieser für die Beurteilung der für den Eintritt des Versicherungsfalls maßgeblichen Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 1 Abs. 3 MBKT entscheidende Ansatz kann für die Frage nach Vorliegen von Berufsunfähigkeit i.S.d. § § 15 Abs. 1 Buchst b) MB/KT nicht anderes gelten. Dies liegt daran, dass der Anknüpfungspunkt für Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit der gleiche ist (Prölss/Martin/Voit, VVG 29. Aufl. § 15 MB/KT Rn. 23).
3. Gemessen am Vorstehenden ist beim Kläger Berufsunfähigkeit zu bejahen.
Nach den Ausführungen der orthopädischen Sachverständigen leidet der Kläger mindestens seit dem Jahr 2000 und zunehmend seit 2004/2005 an schweren degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule und ist seitdem auch dauerhaft in Behandlung. Diese körperlichen Beeinträchtigungen sind so, dass sie sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verschlechtern und eine Besserung prognostisch nicht zu erwarten ist. Gehe man von dem vom Kläger geschilderten Berufsbild aus - das zwischen den Parteien im Kern nicht streitig ist -, so müsse gesehen werden, dass die schweren körperlichen Tätigkeiten, wie das Tragen der schweren Motorsäge samt Zubehör, das Eintreiben eines Keils und Arbeiten in Zwangshaltung, wie etwa beim Entasten, dem Kläger körperlich nicht mehr zumutbar möglich sei.
Die Parteien sind den medizinischen Ausführungen der Sachverständigen nicht entgegengetreten. Diese sind nachvollziehbar und überzeugend. Sie können deshalb den weiteren Überlegungen zugrunde gelegt werden.
Im Ergebnis führt die Sachverständige also aus, dass der Kläger aufgrund seiner schweren Wirbelsäulen-, wie auch Hüft- und Kniegelenkserkrankungen allenfalls noch leichte Tätigkeiten durchführen kann. Als Forstarbeiter könne er letztlich nur noch überwiegend überwachend und aufsichtsführend tätig sein, allenfalls bei leichten körperlichen Tätigkeiten könne er mithelfen und zuarbeiten im Bereich von bis zu 10 Minuten und bis zu 10 kg.
Auch ohne Berücksichtigung der Arbeiten, die der Kläger im Laufe der Zeit an Hilfskräfte abgegeben hat, sieht die Sachverständige nachvollziehbar die Leistungsfähigkeit des Klägers für die „verbleibende“ gleichwohl (sehr) schwere körperliche Tätigkeit als relevant gemindert (Gutachten S. 51 Abs. 3). Sein medizinischer Zustand verbietet ihm etwa auch das „leichtere“ Entasten (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 17.12.2015 S. 2; Gerichtsakte S. 31).
Dass der Kläger tatsächlich nach eigenen Angaben noch arbeitet, spielt nach dem Vorstehenden insoweit keine Rolle. Genauso wenig wie sich die Beklagte im Rahmen der Prüfung der Arbeitsunfähigkeit auf ein überobligatorisches, weil die Gesundheit des Klägers vollends ruinierendes Verhalten zu ihren Gunsten berufen kann, kann sich der Kläger auf einen überobligatorischen Einsatz berufen. In diesem Fall hätte er es selbst in der Hand, die objektiven Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit zu bestimmen (vgl. Tschersich in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 45 Rn. 41 m.w.N.). Dass nach eigenen Angaben des Klägers er eine Hilfe beim Tragen von Sägen und Werkzeug und eine Hilfe beim Keilen seit 2014 beschäftigt bzw. in Anspruch nimmt, kann deshalb die Frage der bereits im Jahr 2013 eingetretenen negativen Prognose im Sinne einer Berufsunfähigkeit für die noch im Jahr 2013 durch den Kläger selbst ausgeübten Tätigkeiten nicht beeinflussen.
Zusammenfassend muss deshalb davon ausgegangen werden, dass beim Kläger seit 23.3.2013 für die von ihm ausgeübte schwere körperliche Tätigkeit als selbständiger Wald- und Forstarbeiter bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Der Versicherungsvertrag wurde deshalb nach § 15 Abs. 1 Buchst b) MB/KT beendet. Da die Zeiten, für die streitgegenständlich Krankentagegeld geltend gemacht wird in 2014, also nach dem Stichtag der Berufsunfähigkeit in 2013 liegen, kann die Frage nach bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit insoweit offenbleiben, wenn - wie hier - der Versicherungsvertrag bereits zuvor sein Ende gefunden hat.
II.
Nach dem Vorstehenden ist der zulässige Feststellungsantrag ebenfalls unbegründet.
Der Versicherungsvertrag ist aufgrund zum 23.3.2013 eingetretener Berufsunfähigkeit beendet worden.
Der Beendigung steht auch nicht entgegen, dass der Kläger dann nicht mehr in der Lage wäre, im Falle einer Besserung seines Gesundheitszustandes vergleichbaren Versicherungsschutz zu erlangen (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.1992 – IV ZR 59/91, r+s 1992, 136). Der Beklagte hat unstreitig dem Kläger die Fortführung des Versicherungsvertrages als Anwartschaftsversicherung angeboten, was der Kläger allerdings abgelehnt hat. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die Beendigung des Versicherungsvertrages infolge eingetretener Berufsunfähigkeit keine rechtlichen Bedenken.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
Beim Streitwert war der Feststellungsantrag mit der 3,5fachen Jahresprämie zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 03. Mai 2000 – IV ZR 258/99, NJW 2000, 2750), also 934,08 €.