Der Kläger begehrt die Feststellung der Wirksamkeit eines Widerrufs betreffend eines Darlehens sowie anschließende Ansprüche.
Der Kläger hat am 17.07.2006 bei der Beklagten ein Darlehen über 100.000 € aufgenommen (Anlage K1), durch das eine vorhergehende Finanzierung aus dem Jahr 2004 abgelöst wurde. Zur Absicherung diente eine Grundschuld. Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt, die zumindest betreffend dem Fristbeginn dem § 355 BGB a. F. nicht entsprach.
Mit Schreiben vom 03.11.2014 (Anlage K2) hat der Kläger den Vertrag widerrufen. Dies wurde durch de Beklagte mit Schreiben vom 08.12.2014 zurückgewiesen (Anlage K3). In der Folge wurde dann der Klägervertreter tätig (Anlage K4).
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, dass die Widerrufsbelehrung nicht zutreffend und damit unwirksam gewesen sei. Neben dem unklaren Fristbeginn sei eine Fußnote eingefügt worden und auch der Abschnitt über finanzierte Geschäfte weiche von der Musterbelehrung ab, nachdem Satz 2 nicht ersetzt worden sei.
Es seien daher die erzielten Nutzungen der Beklagten herauszugeben, die mit 5% über dem Basiszinssatz anzusetzen seien. Auch seien die weiteren Tilgungen herauszugeben.
Vor dem Hintergrund der Weigerung der Beklagten, den Widerruf zu akzeptieren stehe dem Kläger auch ein Schadensersatzanspruch zu, da er das Darlehen bislang noch nicht zu den gegenwärtigen Konditionen umschulden konnte.
Der Kläger beantragt
1. Es wird festgestellt, dass das Darlehen des Klägers bei der Beklagten vom 13.07.2006 mit der Nummer 600058879 über nominal Euro 100.000,00 am 03.11.2014 wirksam gekündigt wurde.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Löschungsbewilligung für die Sicherheit für die Darlehen eingetragene Grundschuld (Abteilung III, des beim Amtsgericht ... geführten Grundbuches von ... Band 176 Blatt 3431, Flurstück 429/6-35,0/1.000, Objekt in ..., ETW Nr. 8, Grundschuld in Höhe von EUR 103.000 abzugeben.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 15.209,28 € nebst Zinsen aus Euro 12.724,26 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2014 bis Rechtshängigkeit und aus Euro 15.209,28 seit Rechtshängigkeit zu bezahlten.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger den aus der Zurückweisung des am 03.11.2014 erklärten Widerrufes resultierenden Schaden zu ersetzen hat.
5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von Euro 3.243,23 freizustellen.
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, dass das Widerrufsrecht längst erloschen und damit nicht mehr ausübbar sei. Zwar habe die Widerrufsbelehrung nicht § 355 BGB a. F. entsprochen, doch greife zugunsten der Beklagten die Schutzwirkung des § 14 I BGB-InfoV. Hierbei führe nicht jede Abweichung von der Musterbelehrung zum Entfall der Schutzwirkung. Soweit Abweichungen vorgenommen worden seien, seinen diese unerheblich.
Zumindest sei der Widerruf jedoch rechtmissbräuchlich, da der Widerruf bei einer „im Kern“ zutreffenden Widerrufsbelehrung nicht vom Schutzzweck umfasst sei und auch kein „ewiges“ Widerrufsrecht bestehen solle.
Die Möglichkeit zum Widerruf sei auch verwirkt, da dieser erst Jahre nach Erhalt der Widerrufsbelehrung erfolgt sei. Dies gelte u. a. auch deshalb, weil der Kläger zwar keine Sondertilgungen geleistet habe, er jedoch betreffend einer vorhergehenden Finanzierung eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt habe, was zeige, dass er am Vertrag festhalten wollte.
Zumindest bestehe jedoch kein Anspruch auf Löschung der Grundschuld, da diese auch zur Absicherung eines Rückzahlungsanspruches diene.
Auf Seiten der Beklagten seien auch keine entsprechenden Nutzungen angefallen, da diese das Darlehen selbst refinanziert habe.
Daneben sei der Feststellungsantrag unzulässig, da kein Schaden erkennbar sei. Die Zinsen seien zwischenzeitlich schon wieder gefallen und es sei durch den Kläger auch keine anderweitige Finanzierungszusage eingeholt bzw. entsprechendes dargelegt worden.
Auf die Sitzungsniederschrift des Termins vom 07.12.2015 wird verwiesen.
Weiter wird zur Ergänzung des Sachverhaltes verwiesen auf sämtliche Schriftsätze nebst Anlagen und sonstiger Aktenteile.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Ein Widerruf war dem Kläger nicht mehr möglich, da sich die Beklagte auf die Schutzwirkung des § 14 I BGB-InfoV a. F. berufen kann.
1. Es ist unstreitig, dass die genutzte Widerrufsbelehrung bzgl. des Fristbeginns des Widerrufes nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach.
2. Hieraus folgt aber nicht in jedem Fall, dass ein - losgelöst von einer Verwirkung oder eines Rechtsmissbrauches - unbefristetes Widerrufsrecht besteht.
Entspricht die Widerrufsbelehrung der Musterbelehrung, durfte und darf sich die Beklagte auf die Schutzwirkung des § 14 I BGB-InfoV a. F. verlassen (BGH NJW 14, 2022). Auch wenn die höchstrichterlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von Abweichungen von der Musterbelehrung streng sind (vgl. z. B. BGH NJW 14, 2022; NJW-RR 12, 183) und insbesondere nicht in jedem Fall darüber gestritten werden soll, ob Abweichungen nun zulässig sind oder nicht, führen gleichwohl nicht jegliche Abweichungen zum Entfall der Schutzwirkung (BGH NJW 14, 2022). Entscheiden ist letztlich, ob eine inhaltliche Bearbeitung vorgenommen wurde oder nicht.
Ist dem - wie hier - nicht der Fall, beginnt die Widerrufsfrist trotz evtl. Fehler der Belehrung zu laufen.
3. Vorliegend ist von der Musterbelehrung nicht in einem solchen Maße abgewichen worden, als dass ein Entfall der Schutzwirkung gegeben wäre.
a. Soweit eine Fußnote mit dem Text „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ gesetzt wurde, handelt es sich offensichtlich um eine Anweisung an den Sachbearbeiter der Beklagten, die nicht an den Kläger gerichtet ist und diesen auch nicht irritiert. Der durch den Widerruf bezweckte Schutz des Verbrauchers an einer umfassenden, unmissverständlichen und eindeutigen Belehrung ist nicht betroffen (vgl. insoweit OLG Bamberg, Urteil vom 26.01.2016, Az. 5 U 90/15, a.A. OLG Nürnberg, Urteil vom 11.11.2015, Az. 14 U 2439/14).
Die Fußnote kann insb. nicht so verstanden werden, dass aus Sicht eines unbefangenen sowie rechtsunkundigen Lesers und Durchschnittsverbrauchers dieser die Frist auf deren Richtigkeit überprüfen solle.
Von Bedeutung ist - neben dem reinen Textverständnis - hierbei auch der Umstand, dass sich die Fußnote außerhalb der umrandeten Widerrufsbelehrung befindet.
b. Auch soweit im Abschnitt „Finanzierte Geschäfte“ Satz 2 nicht ersetzt, sondern mehrere Varianten im Text belassen wurden, gilt nichts anderes.
Der Umstand, dass in den Text mehrere Belehrungen („Sammelbelehrung“) aufgenommen wurden, stellt ebenfalls keine - relevante - inhaltliche Veränderung der Musterbelehrung dar. Auch insoweit ist von einem unbefangenen durchschnittlichen und rechtunkundigen Verbraucher zu erwarten, dass es diesem trotz fehlender Rechtskunde gelingt, aus mehreren Varianten die für ihn zutreffende herauszulesen (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 26.01.2016, Az. 5 U 90/15 m. w. N.).
4. Mithin hat die Frist im Jahr 2006 zu laufen begonnen und konnte nach Ablauf von mehr als zwei Wochen im Jahr 2014 nicht mehr widerrufen werden.
Auf die Fragen der Verwirkung bzw. eines Rechtsmissbrauches kommt es mithin ebenso wenig an wie auf die Frage, ob bei einem wirksamen Widerruf die Grundschuld auch den Rückzahlungsanspruch absichern würde, wie bzw. welche Nutzungen bei der Beklagten ggfs. angefallen sind und ob ein Schaden bzgl. einer Refinanzierung ausreichend schlüssig dargelegt wurde.
5. Die Klage war folglich abzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I S. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.