Landgericht Berlin Urteil, 14. Jan. 2019 - 64 O 74/18

27.09.2024

Rechtsgebiete

Eingereicht durch

Gericht

Landgericht Berlin

Richter

Landgericht Berlin

Urteil vom 14. Januar 2019

Az.: 64 O 74/18

 

 

 

 


In dem Rechtsstreit

 

_______ L_____, ________straße __, _____ Berlin

handelnd in seiner Eigenschaft als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen d.

G_____ Gesellschaft (haftungsbeschränkt)

- Kläger -

 

Prozessbeyollmächtigte-

Rechtsanwälte Kübler GbR, Nieritzstraße 14, 01097 Dresden,

 

gegen

 

A____ ______, _______straße ___, _____ Berlin

- Beklagter -

Prozess bevollmächtigte·

Rechtsanwälte BSP - Bierbach, Streifler & Partner, Oranienburger Straße 69, 10117 Berlin, 

 

hat das Landgericht Berlin - Zivilkammer 64 - durch den Richter am Landgericht Dr. Babucke als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2019 für Recht erkannt:

 

Tenor

1.  Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.708, 14 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen  Basiszinssatz seit dem 17.02.2018 zu zahlen.

2.  Dem Beklagten wird vorbehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages  an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.

3.   Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4.   Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. ·

 

Tatbestand

Mit Beschluss des Amtsgerichts  Charlottenburg vom 09.06.2016  wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G___ Gesellschaft (im Folgenden: Schuldnerin) eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte war bis zu seiner Abberufung im April 2016 alleiniger Geschäftsführer der Schuldnerin. Im April 2015 hatte das Finanzamt wegen einer rückständigen Forderung über 3.227,58 Euro gegen die Schuldnerin vollstreckt und in dieser Höhe eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung erwirkt. Sodann wurde am .11.06.2015 die Umsatzsteuer für das Jahr 2013 in Höhe von 8.732,95 Euro fällig. Insoweit war zunächst unstreitig, dass die Schuldnerin diesen Betrag nicht aufbringen konnte in der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2019 hat der. Beklagte dann behauptet, dass Zahlungen an das Finanzamt seitens der Schuldnerin am 10.06.2015 in Höhe von 3.500,00 Euro und am 22.12.2015 in Höhe von 3.000,00 Euro auf die Umsatzsteuer- 2013 geleistet worden seien. Die aus Umsatzsteuer für u.a. 2013 zur Tabelle angemeldeten Forderungen in Höhe von insgesamt 9.445,07 Euro einschließlich Zinsen, Säumnis- und Verspätungszuschlägen wurden vom Kläger als Insolvenzverwalter in voller Höhe bestritten. Mit Schreiben vom 24.07.2015 (Anlage K 3 a) bat der Beklagte das Finanzamt um das Einverständnis zur Ratenzahlung. Dies lehnte das Finanzamt mit Schreiben vom 27.07.2015 ab, da der Beklagte keine Unterlagen zur wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft vorgelegt hatte und deshalb nicht ersichtlich sei, dass die Schuldnerin innerhalb des angekündigten Dreimonatszeitraums die Raten zahlen könne. Anschließend ließ das Finanzamt unter dem 20.08.2015 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, mit der die Ansprüche der Schuldnerin gegen die Deutsche Bank gepfändet wurden. Die Pfändung ging jedoch ins Leere, da die Deutsche Bank keine Geschäftsverbindung mehr zur Schuldnerin unterhielt.

Mit seiner Klage nimmt der Kläger den Beklagten nunmehr auf Rückzahlung vermeintlich verbotswidrig gezahlter Zahlungen an andere Gläubiger in Höhe von 9.708,14 Euro nach Insolvenzreife in Anspruch.

Der ·Kläger behauptet, die Schuldnerin sei spätestens am 11.06.2015 zahlungsunfähig gewesen, zumal sie auch noch weiteren Zahlungsverpflichtungen gegenüber weiteren Gläubigerin vor Juni 2015 nicht nachgekommen sei. Insbesondere habe die Schuldnerin über viele Monate auch ihre Beiträge zu den Sozialversicherungen nicht abgeführt. Die Schuldnerin habe nach Insolvenzreife nicht zu rechtfertigende masseschmälernde  Zahlungen in Höhe von insgesamt 9.708,14 Euro vorgenommen.

 

Der Kläger beantragt,

- an ihn 9.708, 14 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.02.2018 zu zahlen mit der Maßgabe, dass dem Beklagten vorbehalten wird, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages  an die Masse seine Gegenansprüche,  die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.

 

Der Beklagte beantragt,

- die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Schuldnerin sei nicht seit dem 11.06.2015 zahlungsunfähig gewesen und es habe lediglich eine Liquiditätslücke von unter 1·0 % vorgelegen. Die Pfändung des Finanzamtes sei darauf zurückzuführen gewesen, dass seine Frau mit der Gläubigerin G___ zum Nachteil der Schuldnerin kollusiv zusammengewirkt habe und einen unbegründeten Vollstreckungstitel gegen die Schuldnerin erwirkt habe, mit welcher sie in das Konto der Schuldnerin vollstreckt habe. Er habe lediglich um Zahlungsaufschub gegenüber dem Finanzamt gebeten, weil der Schuldnerin noch offene Forderungen zugestanden hätten. Es seien keine masseschmälernden Zahlungen erfolgt. Alle Zahlungen seien im Rahmen eines normalen Geschäftsbetriebes getätigt worden und zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes notwendig gewesen. Zumindest für einen Teil der Zahlungen sei der Schuldnerin im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang ein Gegenwert zugekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 14.01.2019 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist gemäß § 64 GmbHG begründet.

Von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ist spätestens am 11.06.2015 auszugehen.

Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 lnsO ist Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Hierfür ist die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten ausreichend. Vorliegend hatte die Schuldnerin erhebliche Forderungen des Finanzamtes nicht beglichen. Im April 2015 musste das Finanzamt eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung über 3.227,58 Euro erwirken, um Befriedigung zu erlangen. Soweit der Beklagte einwendet, dieser Vorgang sei darauf zurückzuführen, dass seine Frau mit der Gläubigerin G____ zum Nachteil der Schuldnerin zusammengewirkt habe, weil  die Gläubigerin ihrerseits gegen die Schuldnerin vollstreckt habe, ist dies nicht plausibel. Denn nach eigenem Vortrag hat die Gläubigerin G____ erst drei Monate nach der Pfändung des Finanzamtes im Juli in das Geschäftskonto der Schuldnerin gepfändet. Darüber hinaus wurde am 11.06.2015 die Umsatzsteuer für das Jahr 2013 fällig. Dass hierauf Zahlungen erfolgt sind, hat der Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Soweit er erstmals in der mündlichen Verhandlung am 14.01.2019 behauptet hat, es seien am 10.06.2015 ein Betrag in Höhe von 3.500,00 Euro und am 22.12.2015 ein Betrag in Höhe von 3.000,00 Euro auf die Umsatzsteuer 2013 geleistet worden, bleibt unklar, weshalb eine Zahlung bereit vor Fälligwerden der Steuer erst am 11.06.2015 erfolgt sein soll. In seinem eigenen Schreiben vom 24.07.2015 (Anlage K3 a) führt er selbst aus, dass die „erste" Zahlung bis Ende August geleistet werden könnte. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Schreibens soll aber nach Behauptung des Beklagten bereits eine erste Teilzahlung in Höhe von 3.500,00 Euro am 10.06.2015 erfolgt sein. Ausweislich der als Anlage K3 eingereichten Aufstellung des Finanzamtes vom 20.08.2015 hat dieses auf den dort ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag für 2013 offensichtlich auch keinen Zahlungseingang verzeichnet und auch Zinsen und Säumniszuschläge erhoben. Auch hierzu fehlt jede Erklärung des Beklagten.· Darüber hinaus sind auch Forderungen aus Umsatzsteuer für 2013 ausweislich der eigens in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ablichtung zur Insolvenztabelle angemeldet worden, ohne dass sich der Beklagte dazu näher eingelassen hat. Selbst wenn am 22.12.2015 tatsächlich 3.000,00 Euro auf die Umsatzsteuer geleistet worden wären, wäre eine solche Zahlung auch erst nach erheblichem · Zeitablauf nach Fälligkeit erfolgt und ginge über eine bloße vorübergehende Zahlungsstockung hinaus. Soweit die armemeldete Umsatzsteuerforderung vom Kläger bestritten worden ist, ist dies für die Zahlungseinstellung seitens der Schuldnerin ohne Belang. Schließlich hat der Beklagte mit Schreiben.vom 24.07.2015 auch eingeräumt, keine Zahlungen leisten zu können, da der Schuldnerin zur Befriedigung der Forderung die notwendigen Mittel in der Bilanz fehlten und deshalb um Ratenzahlungen gebeten, was bereits für sich genommen ein Indiz für die Zahlungseinstellung darstellt (vgl BGH ZIP 2016, 627).

Der Beklagte hat die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 2 lnsO auch nicht widerlegt.  Hierzu hätte er konkret vorzutragen  und zu beweisen gehabt, dass eine Liquiditätsbilanz  im maßgeblichen Zeitraum  für die Schuldnerin eine  Deckungslücke von weniger als 10 % ausweist.  Dem genügt  die  als Anlagen  B4 un.d B5 eingereichte Aufstellung  nicht, zumal offensichtlich nur ein begrenzter Teil der Verbindlichkeiten  aufgeführt wird. Für eine Liquiditätsbilanz hatten die aktuell verfügbaren  und kurzfristig verfügbaren  Mittel zu dem an demselben Stichtag fälligen  und eingeforderten Verbindlichkeiten gesetzt werden müssen (BGH ZIP 2005,  1426). Zu­ dem fehlt es auch an einem Beweisantritt.

Der  Beklagte  hat  nach  Insolvenzreife  auch  masseschmälernde  Zahlungen  vom   Konto  der Schuldnerin in Höhe. von insgesamt 9.708, 14 Euro vorgenommen.  Soweit der Beklagte dies bestreitet,  ist dies nicht näher substantiiert.  Die Zahlungen als solche sind unstreitig. Insbesondere. ist auch nicht erkennbar, dass angeblich in die Masse gelangte Gegenleistungen tatsächlich für die Gläubiger verwertbar sind. Die Zahlungen sind auch nicht gemäß § 64 Satz 2 GmbH gerechtfertigt. Gründe, die eine ausnahmsweise  Durchbrechung des Zahlungsverbots rechtfertigen, sind nicht gegeben. Insbesondere kann der allgemeine Hinweis auf di.e Erforderlichkeit der Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsverkehrs die Zahlungen nicht rechtfertigen.

Der Vorbehalt  der Tabellenanmeldung  beruht auf der  Entscheidung des  BGH, abgedruckt in ZIP 2005, 1550.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

 

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