Landgericht Bamberg Beschluss, 17. Aug. 2017 - 3 T 148/17

published on 17/08/2017 00:00
Landgericht Bamberg Beschluss, 17. Aug. 2017 - 3 T 148/17
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Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Betreuten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Haßfurt vom 27.06.2017, Az. 09 XVII 74/17, wird zurückgewiesen.

2. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000, - € festgesetzt.

Gründe

Die gemäß §§ 58ff. FamFG zulässige Beschwerden des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Haßfurt vom 27.06.2017 hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nach § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht auf Antrag des Betroffenen oder von Amts wegen für einen Volljährigen einen Betreuer, wenn er auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen setzt dabei voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann, d.h. nicht in der Lage ist, ihn unbeeinflusst von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnener Einsicht zu handeln (BayObLG, FamRZ 2002, 703). Die Betreuung ist aufzuheben, wenn oder soweit ihre Voraussetzungen weggefallen sind (§ 1908d Abs. 1 BGB). Ist der Betreuer auf Antrag des Betreuten bestellt, so ist die Betreuung auf dessen Antrag aufzuheben, es sei denn, dass eine Betreuung von Amts wegen erforderlich ist (§ 1908d Abs. 2 S. 1 BGB).

2. Beim Betroffenen besteht eine psychische Erkrankung, die eine Betreuerbestellung erfordert.

Aufgrund der Ausführungen des Leitenden Medizinaldirektors Dr. B2. im Gutachten vom 30.05.2017 (Bl. 15 ff. d.A.) steht fest, dass der Betroffene an Schizophrenie (ICD-10, F 20.0) leidet.

Der Sachverständige hat den Betroffenen am 29.05.2017 in der gerichtsärztlichen Dienststelle in Bamberg persönlich untersucht und sich im Gutachten mit der Aktenlage, der medizinischen Vorgeschichte und mit dem Befund umfassend auseinandergesetzt. Nach kritischer Prüfung der Feststellungen im Gutachten schließt sich die Kammer der Diagnose vollumfänglich an. Insbesondere steht diese in Einklang mit der medizinischen Vorgeschichte des Betroffenen. So diagnostizierte bereits Dr. R2. am 04.11.2016 eine seit drei Jahren bestehende paranoide Schizophrenie, die bisher nicht ausreichend therapiert worden sei. Der Betroffene befand sich in der Vergangenheit - zum Teil gegen seinen Willen - mehrfach in stationärer psychiatrischer Behandlung im Bezirkskrankenhaus Werneck. Auch dort wurde eine undifferenzierte Schizophrenie diagnostiziert. Der Berichterstatter konnte im Rahmen der Anhörung des Betroffenen am 21.07.2017 typische Merkmale einer Schizophrenie feststellen. Er schilderte selbst Beeinträchtigungserlebnisse und auffällige Beobachtungsideen. So führte er aus, dass der Bürgermeister es auf ihn abgesehen habe und in der Dorfgemeinschaft Rufmord an seiner Person betrieben werde (vgl. Anhörungsvermerk Bl. 44 f d.A.). Weiter schilderte die Mutter des Betroffenen, dass ihr Sohn von heute auf morgen nicht mehr im Besitz seines neuen PkW Audi gewesen sei, da er vermutet habe, dass der Fahrgastraum abgehört werde (vgl. ebd.).

Der Betroffene hat keinerlei Krankheitseinsicht und führt seine gesundheitlichen Probleme auf internistische und pathologische Ursachen zurück. Insgesamt beschreibt er seinen Zustand als „Turbulenzen im Wohlbefinden“ (vgl. 66 f d.A.). Die unbedingt erforderliche medikamentöse Behandlung (vgl. die Einschätzung des Sachverständigen Dr. B2. auf Bl. 20 d.A.) - und sei es eine Bedarfsmedikation - lehnt er strikt ab. Sowohl gegenüber dem Berichterstatter im Rahmen der Anhörung als auch gegenüber der Verfahrenspflegerin betonte er, dass er sein „inneres Ungleichgewicht“ durch die Ergotherapie mit psychosomatischer Betreuung in den Griff bekomme.

Konkrete nachvollziehbare Angriffe gegen das Sachverständigengutachten werden vom Betroffenen nicht vorgebracht.

2. Die Betreuung muss dabei die Bereiche Gesundheitsfürsorge, Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen sowie Aufenthaltsbestimmung umfassen.

a) Ein Betreuer kann und darf gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Dies ist nicht der Fall, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten oder andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 BGB). Aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit folgt weiter, dass ein Betreuer nur bestellt werden darf, wenn Handlungsbedarf besteht, weil die konkret bezeichneten Angelegenheiten ein Tätigwerden verlangen (BayObLG, FamRZ 20000, 189). Die Erforderlichkeit muss dabei für jeden Aufgabenkreis gesondert festgestellt werden (BayObLG, FamRZ 1999, 1612).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. B2. im Rahmen der Betreuung die Übertragung der oben genannten Aufgabenkreise erforderlich.

Mangels Krankheitseinsicht ist es sicherzustellen, dass der Betroffene seine Medikation - zumindest bei Bedarf - weiterhin einnimmt, was - insbesondere in ausgeprägten schizophrenen Phasen - nur innerhalb eines beschützenden Rahmens einer unterbringungsähnlichen Einrichtung möglich ist. Zudem besteht aufgrund der Erkrankung und des sich dadurch ergebenden Wahngebildes auch die Gefahr fremdschädigender Handlungen, der im konkreten Fall ebenfalls durch eine Unterbringung begegnet werden muss. Zuletzt schilderte die Mutter des Betroffenen gegenüber der Verfahrenspflegerin, dass sie am Abend des 02.08.2017 große Angst gehabt habe, dass ihr Sohn ihr gegenüber tätlich werde. Ohne jeglichen Anlass - die Mutter benutzte den Drucker - sei ihr Sohn verbal (“von 0 auf 100“) auf sie losgegangen. Beide Elternteile befürworten die Errichtung einer Betreuung. Letztlich spricht sich die bestellte Verfahrenspflegerin ebenfalls dafür aus.

Sollten die Aufgabenkreise nicht auf die Betreuerin übertragen werden, ist davon auszugehen, dass der Betroffene seine Medikation dauerhaft vernachlässigt und die Schizophrenie in relativ kurzer Zeit hoch akut wird (vgl. die Einschätzung des Sachverständigen Dr. B2., Bl. 19 d.A.).

3. Der Berichterstatter hat den Betroffenen und die Eltern ausführlich am 21.07.2017 angehört und die Ausführungen und den Eindruck im Anhörungsvermerk festgehalten (Bl. 43 ff d.A.). Auch hier konnte sich der Betroffene nicht beherrschen und brach die Anhörung unvermittelt ab, indem er den Sitzungssaal verließ.

4. Mildere Maßnahmen, um das mit der Betreuung verfolgte Ziel erreichen zu können, sind nicht gegeben. Derzeit sind nach den Ausführungen des Sachverständigen andere Hilfsmöglichkeiten, die eine Betreuung ganz oder teilweise entbehrlich machen, nämlich nicht ersichtlich. Auch der vom Amtsgericht festgesetzte Überprüfungszeitraum in Bezug auf die errichtete Betreuung begegnet keinen Bedenken. Der Sachverständige Dr. B2. hält eine Überprüfungsdauer von 2 Jahren für angemessen. Die Kammer schließt sich dieser zeitlichen Einschätzung an. Erforderlich ist, dass der Betroffene Krankheitseinsicht dazu gewinnt und sich einer regelmäßigen Behandlung unterzieht.

5. Ferner bestehen keine Bedenken gegen die Auswahl der berufsmäßigen Betreuerin Katharina Schmidt. Diese ist in jeglicher Hinsicht geeignet und in der Lage, die Betreuung im vorliegenden Fall entsprechend den gesetzlichen Erfordernissen auszuführen. Auch gegen die Bestellung der berufsmäßigen Ersatzbetreuer bestehen keine Bedenken.

Die Eltern sind nach eigenen Angaben nicht in der Lage, die Betreuung zu übernehmen. So betonte der Vater mehrfach, dass das familiäre Zusammenleben durch die Erkrankung ihres Sohnes stark belastet sei und Hilfe von „außen“ benötigt werde. Im Rahmen der Anhörung brach die Mutter regelrecht unter der Belastung zusammen und brach in Tränen aus (“Alle im Dorf halten Abstand, weil sie Angst vorm Michael haben“, Bl. 45 d.A.).

Dementsprechend hat das Amtsgericht zu Recht die Betreuung angeordnet und die Betreuerin eingesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist unbegründet und zurückzuweisen.

6. Eine ausdrückliche Kostenentscheidung kann unterbleiben, was zur Folge hat, dass eine Kostenerstattung nicht stattfindet und derjenige die Gerichtskosten zu tragen hat, der nach den gesetzlichen Vorschriften - insb. dem Gesetz über die Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gericht und Notare = GNotKG - die Kosten zu tragen hat (vgl. Keidel, FamFG - Kommentar, 19. Aufl. 2017, § 81 Rn. 5).

7. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

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(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. (2) Soweit sich in einer nichtvermögensrec

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(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.

(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.