Landgericht Augsburg Beschluss, 24. Feb. 2014 - 1 Qs 81/14

published on 24/02/2014 00:00
Landgericht Augsburg Beschluss, 24. Feb. 2014 - 1 Qs 81/14
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Gründe

I.

Mit angefochtenem Beschluss vom 13.12.2013 hat das Amtsgericht A. die Herausgabe von Daten einer Person angeordnet, die gegenüber dem Jugendamt der Stadt A. Angaben zum Nachteil der Geschädigten B. getätigt hat. Die unbekannte Person hatte dem Jugendamt mitgeteilt, dass die Geschädigte Alkoholikerin sei, ihren Sohn vernachlässige und weitere ehrenrührige Behauptungen aufgestellt. Das Jugendamt hat inzwischen die Unwahrheit der Behauptungen zum Teil selbst feststellen können.

Das Jugendamt hat sich geweigert, die Daten des unbekannten Informanten an die Polizei herauszugeben. Gegen die richterliche Anordnung zur Herausgabe von Vor- und Familiennamen, früher geführte Namen, Geburtsdatum und -ort sowie derzeitige und ggf. frühere Anschrift wendet sich das Jugendamt mit seiner Beschwerde. Das Jugendamt beruft sich dabei vor allem darauf, das § 65 SGB VIII die Herausgabe der Identitätsdaten dieser Person verbiete.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die Herausgabeanordnung ist rechtmäßig da sie sich lediglich auf die in § 72 Abs. 1 Satz 2 genannten Daten bezieht.

§ 73 Abs. 1 SGB X lässt eine weitergehende Herausgabe von Daten nur bei Verbrechen oder bei Straftaten von erheblicher Bedeutung zu. Ehrdelikte fallen hierunter nicht.

Die Herausgabe der oben näher bezeichneten Daten ist jedoch zulässig nach § 73 Abs. 2 SGBX i. V. m. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB X.

1. Die Identitätsdaten des Informanten können als Sozialdaten angesehen werden (vgl. hierzu: z. B. VG Oldenburg NVwZ-RR 2010, 439; Mann in Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB XIII, Köln 4. Auflage 2012, Anm. 21 zu §§ 61 bis 68 SGB VIII). Sozialdaten sind gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person. Ein umfassender Schutz von Sozialdaten ist nur erreichbar, wenn auch die Daten eines Informanten hierunter fallen, mag dies auch an die Grenze der wörtlichen Auslegung gehen (vgl. BVerwG NJW 2004, 1543).

2. Die Herausgabe der Identitätsdaten des Informanten im konkreten Fall nicht durch § 65 SGB VIII geschützt.

a) In Übereinstimmung mit der bisher ergangenen Rechtsprechung (LG Aurich, StRR 2011,311 = ZKJ 437-439; LG Oldenburg, JAmt 2011, 101 f.; LG Aachen, JA 2005, 376) festzustellen, dass eine Durchbrechung des Sozialgeheimnisses jedenfalls dann gerechtfertigt ist, wenn ein begründeter Verdacht einer Straftat des Informanten besteht.

b) Die Schwere der Straftat spielt hierbei keine Rolle. Erst recht ist es unerheblich, wie gravierend die ehrenrührigen Behauptungen bei einer Verleumdung sind. Die Einschätzung des Jugendamtes, die bewusst falsche Behauptung nachts betrunken mit verschiedenen Männern nach Hause zu kommen sei anders zu bewerten, als die bewusst falsche Behauptung ein Kind zu missbrauchen, mag bei der Strafzumessung eine Rolle spielen, nicht aber bei der Bewertung der Frage ob überhaupt eine Straftat vorliegt, welche die Herausgabe von Personendaten rechtfertigt.

c) Der grundsätzlich nachvollziehbare Wunsch der Sozialämter, anonyme Informanten geheim zu halten, muss jedenfalls im Falle einer richterlichen Anordnung in einem Strafverfahren zurückstehen. Der verleumderische Informant ist nicht schützenswert. Das Sozialamt kann kein Interesse an falschen Informationen haben.

3. Die Herausgabeanordnung ist auch verhältnismäßig, da mildere, gleich wirksame Mittel nicht zur Verfügung stehen.

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(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freie

(1) Sozialdaten, die dem Mitarbeiter eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, dürfen von diesem nur weitergegeben oder übermittelt werden 1. mit der Einwilligung dessen, der d

(1) Eine Übermittlung von Sozialdaten ist zulässig, soweit sie zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen eines Verbrechens oder wegen einer sonstigen Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. (2) Eine Übermittlung von Sozialdaten zur D

(1) Für den Schutz von Sozialdaten bei ihrer Verarbeitung in der Jugendhilfe gelten § 35 des Ersten Buches, §§ 67 bis 85a des Zehnten Buches sowie die nachfolgenden Vorschriften. Sie gelten für alle Stellen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, s

Annotations

(1) Sozialdaten, die dem Mitarbeiter eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, dürfen von diesem nur weitergegeben oder übermittelt werden

1.
mit der Einwilligung dessen, der die Daten anvertraut hat, oder
2.
dem Familiengericht zur Erfüllung der Aufgaben nach § 8a Absatz 2, wenn angesichts einer Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen ohne diese Mitteilung eine für die Gewährung von Leistungen notwendige gerichtliche Entscheidung nicht ermöglicht werden könnte, oder
3.
dem Mitarbeiter, der auf Grund eines Wechsels der Fallzuständigkeit im Jugendamt oder eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit für die Gewährung oder Erbringung der Leistung verantwortlich ist, wenn Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls gegeben sind und die Daten für eine Abschätzung des Gefährdungsrisikos notwendig sind, oder
4.
an die Fachkräfte, die zum Zwecke der Abschätzung des Gefährdungsrisikos nach § 8a hinzugezogen werden; § 64 Absatz 2a bleibt unberührt, oder
5.
unter den Voraussetzungen, unter denen eine der in § 203 Absatz 1 oder 4 des Strafgesetzbuchs genannten Personen dazu befugt wäre, oder
6.
wenn dies für die Durchführung bestimmter wissenschaftlicher Vorhaben zur Erforschung möglicher politisch motivierter Adoptionsvermittlung in der DDR erforderlich ist. Vom Adoptionsverfahren betroffene Personen dürfen nicht kontaktiert werden; § 64 Absatz 2b Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
Der Empfänger darf die Sozialdaten nur zu dem Zweck weitergeben oder übermitteln, zu dem er sie befugt erhalten hat.

(2) § 35 Absatz 3 des Ersten Buches gilt auch, soweit ein behördeninternes Weitergabeverbot nach Absatz 1 besteht.

(1) Eine Übermittlung von Sozialdaten ist zulässig, soweit sie zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen eines Verbrechens oder wegen einer sonstigen Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist.

(2) Eine Übermittlung von Sozialdaten zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer anderen Straftat ist zulässig, soweit die Übermittlung auf die in § 72 Absatz 1 Satz 2 genannten Angaben und die Angaben über erbrachte oder demnächst zu erbringende Geldleistungen beschränkt ist.

(3) Die Übermittlung nach den Absätzen 1 und 2 ordnet der Richter oder die Richterin an.

(1) Eine Übermittlung von Sozialdaten ist zulässig, soweit sie im Einzelfall für die rechtmäßige Erfüllung der in der Zuständigkeit der Behörden für Verfassungsschutz, des Bundesnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundeskriminalamtes liegenden Aufgaben erforderlich ist. Die Übermittlung ist auf Angaben über Name und Vorname sowie früher geführte Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, derzeitige und frühere Anschriften der betroffenen Person sowie Namen und Anschriften ihrer derzeitigen und früheren Arbeitgeber beschränkt.

(2) Über die Erforderlichkeit des Übermittlungsersuchens entscheidet eine von dem Leiter oder der Leiterin der ersuchenden Stelle bestimmte beauftragte Person, die die Befähigung zum Richteramt haben soll. Wenn eine oberste Bundes- oder Landesbehörde für die Aufsicht über die ersuchende Stelle zuständig ist, ist sie über die gestellten Übermittlungsersuchen zu unterrichten. Bei der ersuchten Stelle entscheidet über das Übermittlungsersuchen der Behördenleiter oder die Behördenleiterin oder dessen oder deren allgemeiner Stellvertreter oder allgemeine Stellvertreterin.

(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Sozialdaten sind personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.

(3) Aufgaben nach diesem Gesetzbuch sind, soweit dieses Kapitel angewandt wird, auch

1.
Aufgaben auf Grund von Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Sozialgesetzbuch befindet,
2.
Aufgaben auf Grund von über- und zwischenstaatlichem Recht im Bereich der sozialen Sicherheit,
3.
Aufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die das Erste und das Zehnte Buch für entsprechend anwendbar erklären, und
4.
Aufgaben auf Grund des Arbeitssicherheitsgesetzes und Aufgaben, soweit sie den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen durch Gesetz zugewiesen sind. § 8 Absatz 1 Satz 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes bleibt unberührt.

(4) Werden Sozialdaten von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen.

(5) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter § 81 Absatz 3 fallen.

(1) Sozialdaten, die dem Mitarbeiter eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, dürfen von diesem nur weitergegeben oder übermittelt werden

1.
mit der Einwilligung dessen, der die Daten anvertraut hat, oder
2.
dem Familiengericht zur Erfüllung der Aufgaben nach § 8a Absatz 2, wenn angesichts einer Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen ohne diese Mitteilung eine für die Gewährung von Leistungen notwendige gerichtliche Entscheidung nicht ermöglicht werden könnte, oder
3.
dem Mitarbeiter, der auf Grund eines Wechsels der Fallzuständigkeit im Jugendamt oder eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit für die Gewährung oder Erbringung der Leistung verantwortlich ist, wenn Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls gegeben sind und die Daten für eine Abschätzung des Gefährdungsrisikos notwendig sind, oder
4.
an die Fachkräfte, die zum Zwecke der Abschätzung des Gefährdungsrisikos nach § 8a hinzugezogen werden; § 64 Absatz 2a bleibt unberührt, oder
5.
unter den Voraussetzungen, unter denen eine der in § 203 Absatz 1 oder 4 des Strafgesetzbuchs genannten Personen dazu befugt wäre, oder
6.
wenn dies für die Durchführung bestimmter wissenschaftlicher Vorhaben zur Erforschung möglicher politisch motivierter Adoptionsvermittlung in der DDR erforderlich ist. Vom Adoptionsverfahren betroffene Personen dürfen nicht kontaktiert werden; § 64 Absatz 2b Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
Der Empfänger darf die Sozialdaten nur zu dem Zweck weitergeben oder übermitteln, zu dem er sie befugt erhalten hat.

(2) § 35 Absatz 3 des Ersten Buches gilt auch, soweit ein behördeninternes Weitergabeverbot nach Absatz 1 besteht.