Landgericht Amberg Beschluss, 15. Okt. 2018 - 11 Qs 67/18

15.10.2018
vorgehend
Amtsgericht Amberg, 9 Cs 104 Js 10030/17, 31.08.2018

Gericht

Landgericht Amberg

Tenor

I. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Amberg gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 31.08.2018 wird verworfen.

II. Die Kosten sowie die notwendigen Auslagen des ... fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Mit Verfügung vom 23.10.2017 beantragte die Staatsanwaltschaft Amberg bei dem Amtsgericht Amberg den Erlass eines Strafbefehls gegen den ehemaligen Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr. Dieser wurde am 2.11.2017 erlassen. Der ehemalige Angeklagte legte durch seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 13.11.2017 Einspruch gegen den Strafbefehl ein.

Mit Schriftsatz vom 5.2.2018 teilte der Verteidiger mit, dass der Angeklagte einen Schlaganfall erlitten habe, wobei das Sprachvermögen stark eingeschränkt sei.

Der ehemalige Angeklagte steht seit vielen Jahren unter Betreuung, da er an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leidet.

Mit gerichtspsychiatrischen Gutachten des gerichtsärztlichen Dienstes bei dem Oberlandesgericht Nürnberg, ... vom 17.07.2018 stellte der Sachverständige... fest, dass der ehemalige Angeklagte verhandlungsunfähig ist. Er leide an hebephrener Schizophrenie. Die Folgen des Anfang 2018 erlittenen Schlaganfalles seien mittlerweile nahezu ausgeheilt. Die schizophrene Psychose verlaufe jedoch chronisch. Im Vordergrund des psychopathologischen Befundes stünden deutliche kognitive Defizite. Es sei nicht zu erwarten, dass die Verhandlungsfähigkeit in absehbarer Zeit wieder hergestellt werden könne. Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf das gerichtspsychiatrische Gutachten vom 17.7.2018 verwiesen.

Mit Verfügung vom 31.7.2018 beantragte die Staatsanwaltschaft Amberg, das Verfahren nach § 206 a StPO einzustellen. Auch der Verteidiger des ehemaligen Angeklagten stellte diesen Antrag. Mit Schriftsatz vom 6.8.2018 beantragte er zudem, die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 31.8.2018 stellte das Amtsgericht Amberg das Verfahren gemäß § 206 a StPO ein und bestimmte, dass die Kosten sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten die Staatskasse trägt.

Am 12.9.2018 legte die Staatsanwaltschaft Amberg sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 31.8.2018 ein und begründete diese mit Verfügung vom 13.09.2018 gesondert.

II.

1. Der Beschwerdebegründung der Staatsanwaltschaft Amberg ist zu entnehmen, dass sich die sofortige Beschwerde allein gegen die Kosten- bzw. Auslagenentscheidung des Amtsgerichts Amberg wendet. Diese ist nach § 464 Abs. 3 S. 1 StPO zulässig.

2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

a) Das Amtsgericht Amberg hat die notwendigen Auslagen des enemaligen Angeklagten der Staatskasse auferlegt. Es hat von der Möglichkeit im Falle einer Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses diese Auslagen dem Angeklagten aufzuerlegen nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO keinen Gebrauch gemacht.

Erfolgt die Einstellung, wie hier, vor oder außerhalb der Hauptverhandlung, kann von einer Auslagenerstattung abgesehen werden, wenn - ohne das Verfahrenshindernis - ein erheblicher oder hinreichender Tatverdacht fortbesteht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, RdNr. 16). Die Entscheidung darf nicht schematisch, sondern nur nach Ausübung des eingeräumten Ermessens erfolgen. Hierbei ist dem Ausnahmecharakter von § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO grundsätzlich Rechnung zu tragen. War das Verfahrenshindernis bei Klageerhebung bereits eingetreten, soll es deshalb bei der regelmäßigen Kostenfolge nach § 467 Abs. 1 StPO bleiben, es sei denn, eine solche Lösung erscheint grob unbillig, etwa wei der Eintritt des Verfahrenshindernisses auf ein vorwerfbares Verhalten des Angeklagten zurückzuführen ist (OLG Celle, Beschluss vom 6.8.2013 - 2 Ws 144/13 -, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage, § 467 RdNr. 18).

b) Vorliegend kann schon nicht ausgeschlossen werden, dass eine Verurteilung des ehemaligen Angeklagten, selbst wenn er verhandlungsfähig gewesen wäre, wegen aufgehobener Einsichtsund/oder Steuerungsfähigkeit nach § 20 StGB nicht erfolgt wäre. Der ehemalige Angeklagte hatte gegenüber den Polizeibeamten angegeben, viel zu viele Tableten vor Fahrtantritt eingenommen zu haben. Dies bestätigt letztlich auch der Ärztliche Befundbericht der ... vom 07.09.2017. Zudem sei nach Aussage des Zeugen ... ein Gespräch mit dem ehemaligen Angeklagten nicht möglich gewesen. Dieser sei zu stark verwirrt und benommen gewesen. Er habe starke motorische Störungen gehabt, sei stark umher geschwenkt und habe sich kaum auf den Beinen halten können. Der Zeuge ... bestätigte dies. Diese Umstände legen eine aufgehobene Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit aufgrund der schizophrenen Psychose zumindest nahe.

c) Überdies bestand die Verhandlungsunfähigkeit des ehemaligen Angeklagten bereits vor dem Antrag auf Erlass des Strafbefehls. Aus dem gerichtspsychiatrischen Gutachten ergibt sich, dass der ehemalige Angeklagte aufgrund des chronischen Verlaufs der Schizophrenie und der damit einhergehenden kognitiven Defizite verhandlungsunfähig ist. Da diese Erkrankung bereits seit mehreren Jahren vorliegt, ist davon auszugehen, dass sie auch bereits vor bzw. bei dem Antrag auf Erlass des Strafbefehls vorlag. Dass die Verhandlungsunfähigkeit hier erst nach Erholung eines Sachverständ gengutachtens bekannt wurde, steht dem nicht entgegen (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage, § 467 RdNr. 18). Gerade unter Berücksichtigung der psychischen Erkrankung des ehemaligen Angeklagten, welche mit erheblichen kognitiven Defiziten verbunden ist und des Zustandes bei Begehung der Tat, erscheint es nicht grob unbillig, der Staatskasse seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift aus § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO nicht vor. Die notwendigen Auslagen waren daher der Staatskasse aufzuerlegen.

III.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 473 Abs. 1 und Abs. 2 StPO.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


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Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

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(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind. (2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft da

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(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.

(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.

(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.