Finanzgericht München Urteil, 08. Juni 2015 - 7 K 989/14

Gericht
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld für den Sohn der Klägerin V geboren am
Die Klägerin bezog für V, der am
Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren führte die Klägerin aus, dass sich V nach Abbruch seiner Ausbildung sofort beim Arbeitsamt als Lehrstellen- bzw. Arbeitssuchender gemeldet habe. Vom
Aufgrund der im Einspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen sowie der Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit traf die Familienkasse folgende Feststellungen:
Vom
Im dagegen gerichteten Klageverfahren wiederholt und vertieft die Klägerin das Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und wendet sich gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum November 2011 bis Februar 2012. V habe seine Lehre bei der Bäckerei L ab 1. Oktober 2011 wieder aufgenommen und bis zum 29. Februar 2012 fortgesetzt, wie sich im Übrigen aus der Bestätigung der Firma L vom 27. März 2012 ergebe, nach der V vom 1. November 2011 bis 29. Februar 2012 als "Bäckerazubi" beschäftigt gewesen sei. Auch der steuerliche Vertreter der Firma L habe am 2. Februar 2012 und 25. Juni 2014 bestätigt, dass V seine Ausbildung am 1. November 2011 fortgesetzt und am 29. Februar 2012 erneut abgebrochen habe. Für diesen Zeitraum war er auch bei der Sozialversicherung als Auszubildender gemeldet. Darüber hinaus liege eine e-mail von einer Angestellten des Steuerberaters der Firma L vor, in dem die Beschäftigung als Auszubildender angegeben werde.
Die Klägerin beantragt,
die Familienkasse unter Aufhebung des Bescheids vom
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung weist sie darauf hin, dass laut Bestätigung der Handwerkskammer vom
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten der Familienkasse sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Gründe
II.
Die Klage ist begründet. Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz – EStG – (Berufsausbildung) liegen für den streitigen Zeitraum November 2011 bis Februar 2012 vor, da V, der das 21., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, in diesem Zeitraum für einen Beruf ausgebildet worden ist.
Der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung bedeutet Ausbildung zu einem künftigen Beruf. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 2. April 2009 III R 85/08, BStBl II 10, 298). Das Berufsziel ist von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt, denen ein weiter Entscheidungsspielraum zukommt (Blümich/Selder EStG § 32 Rn. 35). In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahme in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist und ob sie Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt (BFH-Urteil vom 9. Juni 2009 VI R 33/98, BStBl II 99, 701).
Im Streitfall steht aufgrund der Bestätigung der Firma L vom
Die Begründung eines Ausbildungsverhältnisses setzt auch nicht die Eintragung in das amtliche Verzeichnis der Lehrverhältnisse bei der Handwerkskammer voraus. Nach § 10 Berufsbildungsgesetz (BBiG) sind für den Berufsausbildungsvertrag, den der Ausbildende und der Auszubildende abschließen, die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze, mithin die Rechtsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, anzuwenden. So kann ein Berufsausbildungsvertrag auch formlos in wirksamer Form abgeschlossen werden, die Rechte und Pflichten der Parteien richten sich dann nach den zwischen ihnen getroffenen Abreden (vgl. Urteil des Arbeitsgericht Celle
Auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt der weite Begriff der Berufsausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG insoweit lediglich voraus, dass eine ernstliche Vorbereitung auf ein Berufsziel erfolgt. Es ist nicht darauf abzustellen, ob die Ausbildungsmaßnahme in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist bzw. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften erfüllt sind (BFH-Urteil vom 9. Juni 2009 in BStBl II 99, 701).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

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Annotations
(1) Kinder sind
- 1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder, - 2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).
(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.
(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.
(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es
- 1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder - 2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und - a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder - b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder - c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder - d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet: - aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes, - bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes, - cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes, - dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32), - ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes, - ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016, - gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder - hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
- 3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das
- 1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder - 2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder - 3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn
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der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder - 2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.