Finanzgericht München Beschluss, 15. Jan. 2015 - 2 V 2843/14

15.01.2015

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I. Streitig ist im Hauptsacheverfahren (2 K 2842/14) u.a. die Rechtmäßigkeit der Schätzungsbescheide über die Einkommensteuer für 2011 (Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit: 60.000 €, festgesetzte Einkommensteuer für 2011 von 15.023,00 €) und die Umsatzsteuer für 2011 (festgesetzt auf 15.750 €), jeweils vom 9. Januar 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. September 2014.

Im Einspruchsschreiben  vom 12. Februar 2014 nahm der Antragsteller auf seine eingereichten Steuererklärungen für 2011 Bezug. Trotz der anschließenden mehrfachen Hinweise des Antragsgegners (des Finanzamts -FA-), dass es diese Steuererklärungen nicht erhalten habe, reagierte der Antragsteller nicht. Das FA wies die Einsprüche des Antragstellers mit Einspruchsentscheidung vom 26. September 2014 als unbegründet zurück.

Die Schätzungsbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Bescheid vom 10. Oktober 2014 über die Einkommensteuer für 2011 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Am 29. Oktober 2014 erhob der Antragsteller bei Gericht Klage. Er begehrt, die Einkommensteuer für 2011 auf 0 € sowie die Umsatzsteuer für 2011 auf 4.266,34 € festzusetzen.

Daneben begehrte er die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der o.g. Bescheide. Zur Begründung trug er vor, dass er die Steuererklärung für 2011 mit Datum vom 13. Juni 2014 per elektronische Übermittlung beim FA eingereicht habe. Bereits zuvor habe er den Verlust aus seiner freiberuflichen Tätigkeit für das Jahr 2011 durch die Übersendung der betriebswirtschaftlichen Auswertungen belegt. Gleichwohl habe das FA einen immensen Gewinn geschätzt. Detaillierte Unterlagen würde er mit separater Post noch übermitteln.

Die gerichtlichen Aufforderungen vom 14. November 2014, sowohl die Klage als auch den AdV-Antrag bis 15. Dezember 2014 zu begründen, ließ der Antragsteller unbeantwortet.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid für 2011, den Umsatzsteuerbescheid für 2011, die dazugehörigen Zinsbescheide sowie den Bescheid über den Solidaritätszuschlag für 2011, jeweils vom 9. Januar 2014, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. September 2014 bzw. in der Fassung des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2011 vom 10. Oktober 2014 in Höhe von

Einkommensteuer 2011: 15.023 €,

Umsatzsteuer 2011, soweit 4.266,34 € überschritten sind,

Solidaritätszuschlag 2011: 826,26 €,

Zinsen zur Einkommensteuer 2011: 499 € sowie

Zinsen zur Umsatzsteuer: 465 €

wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Bescheide von der Vollziehung auszusetzen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Steuererklärung(en) für 2011 habe es weder elektronisch noch in Papierform erhalten. Die betriebswirtschaftliche Auswertung (für den Zeitraum Januar 2011 bis Oktober 2011) liege dem FA seit dem 9. Dezember 2011 vor. Im Zuge des Einspruchsverfahrens habe keine Veranlassung bestanden, die Höhe der Schätzung in Frage zu stellen. Bereits seit dem Jahr 2010 würden keine Steuererklärungen und Gewinnermittlungen mehr eingereicht. Die letzte abgegebene Gewinnermittlung habe einen Gewinn von 25.700 € ausgewiesen. Der Antragsteller habe behauptet, am 13. Juni 2014 die Steuererklärungen für 2011 eingereicht und damit erstellt zu haben; er habe diese aber trotz des Hinweises, dass diese Steuerklärungen nicht vorlägen, (bis aktuell) nicht eingereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. § 68 FGO gilt im finanzgerichtlichen Aussetzungsverfahren (vgl. Bundesfinanzhof -BFH-Beschluss vom 17. März 2009 X S 11/09, juris). Dies gilt auch, wenn der Bescheid vor Stellung des Antrags auf AdV geändert worden ist (Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung -AO- und FGO, § 68 FGO Tz. 17).

2. Voraussetzung eines Antrags auf AdV nach § 69 Abs. 3 FGO ist u.a. die Bezeichnung des Antragsbegehrens.

Die Entscheidung über einen Antrag auf AdV ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde, und präsenten Beweismitteln, ergibt. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Finanzgericht sind nicht erforderlich (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116).

Mit Blick auf die Besonderheiten des Eilverfahrens obliegt es dem Antragsteller, das angerufene Gericht in die Lage zu versetzen, zu prüfen, ob Zweifel an den angefochtenen Bescheiden in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht bestehen. Der Antragsteller muss durch seinen Vortrag und ggf. geeignete Beweismittel das Gericht auch befähigen, die Zulässigkeit seiner Anrufung als solches jedenfalls summarisch zu prüfen (vgl. Beschluss des Finanzgerichts München vom 23. Juni 2008 6 V 4320/07, juris).

Der Antragsteller hat sein Antragsbegehren trotz seiner Ankündigung und trotz der gerichtlichen Aufforderung mit Fristsetzung nicht bezeichnet. Er hat weder die Steuererklärungen für 2011, die -wie er behauptet- längst erstellt sind, vorgelegt, noch hat er z.B. vorgetragen, wie hoch seine Einnahmen und Ausgaben aus freiberuflicher Tätigkeit im Jahr 2011 insgesamt waren, geschweige denn glaubhaft gemacht. Die betriebswirtschaftliche Auswertung kann dies nicht ersetzen, zumal sie auch nur den Zeitraum Januar 2011 bis Oktober 2011 betrifft.

3. Der Antrag ist aber auch mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig.

Lässt ein Antragsteller eine gesetzte Frist zur Begründung des Antrags ungenutzt und ohne Rückmeldung oder Fristverlängerungsantrag verstreichen, dokumentiert er damit gerade, dass es auch aus seiner Sicht an einer - zuvor offenbar angenommen - Eilbedürftigkeit fehlt (vgl. Beschlüsse des Finanzgerichts München vom 23. Juni 2008 6 V 4320/07, juris, des Finanzgerichts Hamburg vom 8. November 2005 - I 229/05, EFG 2006, 426; des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 30. November 1994 6 V 25/94, EFG 1995, 534, des Finanzgerichts Düsseldorf vom 12. Februar 1990 16 V 204/89 A, EFG 1990, 481).

Zwar mag streitig sein, ob das Ausbleiben einer zeitnahen Antragsbegründung mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits zur Unzulässigkeit des Antrags führt (vgl. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 Tz. 62, m.w.N.). Typischerweise mangelt es jedoch in diesen Fallgestaltungen am Vortrag der Antragsteller bezüglich der zur gerichtlichen Bewertung der Antragsbegründetheit notwendigen Umstände. So ist es auch im Streitfall.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 69


(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 68


Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbeh

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Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbehörde hat dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts zu übermitteln. Satz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
ein Verwaltungsakt nach § 129 der Abgabenordnung berichtigt wird oder
2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.