Europäischer Gerichtshof Urteil, 06. Okt. 2015 - C-508/14

ECLI:ECLI:EU:C:2015:657
bei uns veröffentlicht am06.10.2015

Gericht

Europäischer Gerichtshof

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

6. Oktober 2015 ( * )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Richtlinie 2002/22/EG (Universaldienstrichtlinie) — Berechnung der Kosten der Universaldienstverpflichtungen — Berücksichtigung der Eigenkapitalrendite — Unmittelbare Wirkung — Zeitliche Anwendbarkeit“

In der Rechtssache C‑508/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší správní soud (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 23. Oktober 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 13. November 2014, in dem Verfahren

Český telekomunikační úřad

gegen

T‑Mobile Czech Republic a.s.,

Vodafone Czech Republic a.s.,

Beteiligte:

O2 Czech Republic a.s., vormals Telefónica Czech Republic a.s.,

UPC Česká republika s.r.o.,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas (Berichterstatter), E. Juhász und D. Šváby,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– des Český telekomunikační úřad, vertreten durch J. Novák, advokát,

– der T‑Mobile Czech Republic a.s., vertreten durch P. Hromek und D. Schmied, advokáti,

– der O2 Czech Republic a.s., vormals Telefónica Czech Republic a.s., vertreten durch M. Krejčík,

– der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und T. Müller als Bevollmächtigte,

– der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas und R. Dzikovič als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Němečková und L. Nicolae als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 und 13 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) (ABl. L 108, S. 51).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Český telekomunikační úřad (tschechische Telekommunikationsbehörde) einerseits und der T‑Mobile Czech Republic a.s. (im Folgenden: T‑Mobile Czech Republic) sowie der Vodafone Czech Republic a.s. andererseits wegen der Entscheidung der tschechischen Telekommunikationsbehörde vom 23. Februar 2011, mit der diese Behörde die Höhe des Verlusts der Telefónica Czech Republic a.s. (im Folgenden: Telefónica Czech Republic), jetzt O2 Czech Republic a.s. (im Folgenden: O2 Czech Republic), aus der Erbringung des Universaldienstes für 2004 festgesetzt hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33, im Folgenden: Beitrittsakte) sieht vor, dass die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe und der Europäischen Zentralbank ab dem Tag des Beitritts für die neuen Mitgliedstaaten verbindlich sind und in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und der Beitrittsakte gelten.

4

Nach dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/22 kann „[z]u der Gewährleistung des Universaldienstes (d. h. der Bereitstellung eines festgelegten Mindestangebots an Diensten für alle Endnutzer zu einem erschwinglichen Preis) … auch die Bereitstellung von einigen Diensten für bestimmte Endnutzer zu Preisen gehören, die von denen, die sich aus den üblichen Marktbedingungen ergeben, abweichen. Die Entschädigung der Unternehmen, die für die Bereitstellung solcher Dienste unter diesen Voraussetzungen benannt werden, [kann] jedoch nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen, sofern die benannten Unternehmen für die entstandenen spezifischen Nettokosten entschädigt werden und sofern die Nettokostenbelastung wettbewerbsneutral angelastet wird.“

5

Im 18. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten sollten bei Bedarf Verfahren für die Finanzierung der Nettokosten von Universaldienstverpflichtungen in den Fällen einrichten, in denen nachgewiesen wird, dass die Verpflichtungen nur mit Verlust oder zu Nettokosten, die außerhalb der üblichen geschäftlichen Standards liegen, erfüllt werden können. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die Nettokosten von Universaldienstverpflichtungen ordnungsgemäß berechnet werden und jede Finanzierung möglichst geringe verfälschende Auswirkungen auf den Markt und die Unternehmen hat und mit [den] Artikel[n] 87 und 88 des Vertrags vereinbar ist.“

6

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten legen den effizientesten und am besten geeigneten Ansatz fest, mit dem der Universaldienst sichergestellt werden kann, wobei die Grundsätze der Objektivität, Transparenz, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit einzuhalten sind. Sie tragen dafür Sorge, Marktverfälschungen zu minimieren, insbesondere die Erbringung von Diensten zu Preisen oder sonstigen Bedingungen, die von normalen wirtschaftlichen Gegebenheiten abweichen, und berücksichtigen dabei die Wahrung des öffentlichen Interesses.“

7

Art. 12 („Berechnung der Kosten der Universaldienstverpflichtungen“) dieser Richtlinie sieht in Abs. 1 vor:

„Wenn nach Auffassung der nationalen Regulierungsbehörden die Bereitstellung des Universaldienstes gemäß den Artikeln 3 bis 10 möglicherweise eine unzumutbare Belastung für die Unternehmen darstellt, die zur Erbringung des Universaldienstes benannt sind, berechnen sie die Nettokosten für die Bereitstellung des Universaldienstes.

Zu diesem Zweck

a)

berechnet die nationale Regulierungsbehörde die Nettokosten der Universaldienstverpflichtung gemäß Anhang IV Teil A, wobei der den zur Bereitstellung des Universaldienstes benannten Unternehmen entstehende Marktvorteil berücksichtigt wird, oder

b)

wendet die nationale Regulierungsbehörde die nach dem Benennungsverfahren gemäß Artikel 8 Absatz 2 ermittelten Nettokosten für die Bereitstellung des Universaldienstes an.“

8

Art. 13 („Finanzierung der Universaldienstverpflichtungen“) der Richtlinie 2002/22 bestimmt in Abs. 1:

„Wenn die nationalen Regulierungsbehörden auf der Grundlage der Berechnung der Nettokosten nach Artikel 12 feststellen, dass ein Unternehmen unzumutbar belastet wird, beschließen die Mitgliedstaaten auf Antrag eines benannten Unternehmens,

a)

ein Verfahren einzuführen, mit dem das Unternehmen für die ermittelten Nettokosten unter transparenten Bedingungen aus öffentlichen Mitteln entschädigt wird, und/oder

b)

die Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen unter den Betreibern von elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten aufzuteilen.“

9

In Anhang IV Teil A Abschnitt 2 der Richtlinie 2002/22 wird die Art und Weise, in der die Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen zu berechnen sind, wie folgt beschrieben:

„Die nationalen Regulierungsbehörden ziehen alle Mittel in Erwägung, um (benannten und nicht benannten) Unternehmen angemessene Anreize zu geben, die Universaldienstverpflichtungen auf kosteneffiziente Weise zu erfüllen. Bei der Berechnung sind die Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen als Differenz zwischen den Nettokosten eines benannten Unternehmens für den Betrieb unter Einhaltung der Universaldienstverpflichtungen und den Nettokosten für den Betrieb ohne Universaldienstverpflichtungen zu ermitteln. Dies gilt unabhängig davon, ob das Netz in einem bestimmten Mitgliedstaat voll ausgebaut ist oder sich noch im Ausbau befindet. Die Kosten, die ein benanntes Unternehmen vermieden hätte, wenn die Universaldienstverpflichtungen nicht bestanden hätten, sind ordnungsgemäß zu ermitteln. Bei der Nettokostenberechnung sollten die Vorteile für den Universaldienstbetreiber, einschließlich der immateriellen Vorteile, berücksichtigt werden.“

10

Art. 5 Abs. 5 des Beschlusses 2012/21/EU der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (ABl. 2012, L 7, S. 3), sieht vor:

„Für die Zwecke dieses Beschlusses gilt als ‚angemessener Gewinn‘ die Kapitalrendite, die ein durchschnittliches Unternehmen zugrunde legt, um unter Berücksichtigung des jeweiligen Risikos zu entscheiden, ob es die betreffende Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse für die gesamte Dauer der Betrauung erbringt. Der Begriff ‚Kapitalrendite‘ bezeichnet den internen Ertragssatz (Internal Rate of Return – IRR), den das Unternehmen während des Betrauungszeitraums mit seinem investierten Kapital erzielt. Die Höhe des Risikos hängt vom Wirtschaftszweig, der Art der Dienstleistung und der Ausgestaltung des Ausgleichsmechanismus ab.“

11

Rn. 61 der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (ABl. 2012, C 8, S. 4) sieht u. a. vor:

„Als ‚angemessener Gewinn‘ gilt die Kapitalrendite …, die ein typisches Unternehmen zugrunde legt, um unter Berücksichtigung des jeweiligen Risikos zu entscheiden, ob es die betreffende Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse über den gesamten Zeitraum der Betrauung erbringt. Die Höhe des Risikos hängt vom Wirtschaftszweig, der Art der Dienstleistung und der Ausgestaltung des Ausgleichsmechanismus ab. Der Renditesatz sollte, wenn möglich, unter Bezugnahme auf die Kapitalrendite bestimmt werden, die bei ähnlichen Verträgen über öffentliche Dienstleistungen unter Wettbewerbsbedingungen erzielt wird (z. B. bei Verträgen, die im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung vergeben werden). Gibt es in einem Wirtschaftszweig kein mit dem mit der Erbringung der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrauten Unternehmen vergleichbares Unternehmen, so können vergleichbare Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten oder gegebenenfalls in anderen Wirtschaftszweigen herangezogen werden, sofern den Besonderheiten eines jeden Wirtschaftszweigs Rechnung getragen wird.“

12

Gemäß der Fußnote zu Rn. 61 ist „Kapitalrendite … der interne Ertragssatz (Internal Rate of Return – IRR), den das Unternehmen während der Laufzeit des Vorhabens mit seinem investierten Kapital erzielen [würde], d h. der IRR im Verhältnis zu den Zahlungsströmen im Rahmen des Vertrags“.

Tschechisches Recht

13

Im Jahr 2004 waren die Bereitstellung des Universaldienstes sowie die dafür zu gewährende Entschädigung im Zákon č. 151/2000 Sb., o telekomunikacích a o změně dalších zákonů (Gesetz Nr. 151/2000 Slg. über Telekommunikation und zur Änderung anderer Gesetze) in der im Jahr 2004 geltenden Fassung (im Folgenden: Telekommunikationsgesetz) geregelt. § 31 („Nachweisbarer Verlust“) dieses Gesetzes hat folgende Fassung:

„(1)   Der Erbringer eines Universaldienstes hat Anspruch auf Ausgleich des nachweisbaren Verlusts.

(2)   Unter einem nachweisbaren Verlust ist die Differenz zwischen den wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten, einschließlich eines angemessenen Gewinns, die dem Inhaber einer Telekommunikationslizenz durch die Erfüllung der Verpflichtung zur Erbringung des Universaldienstes entstehen und die dem Erbringer des Universaldienstes ohne diese Verpflichtung nicht entstehen würden, und den Erlösen und Erträgen des Inhabers der Telekommunikationslizenz aus der Erfüllung der Verpflichtung zur Erbringung des Universaldienstes zu verstehen.

(3)   Erbringt der Inhaber der Telekommunikationslizenz neben dem Universaldienst auch weitere Telekommunikationsdienste oder übt weitere Tätigkeiten aus, ist er verpflichtet, für die Kosten und die Erträge aus den im Rahmen des Universaldienstes erbrachten Diensten gesondert Buch zu führen.

(4)   Die Methode zur Berechnung des nachweisbaren Verlusts, die Unterlagen, mit denen die Berechnungen des nachweisbaren Verlusts zu belegen sind, und die Bestimmung des angemessenen Gewinns regelt eine Durchführungsvorschrift.“

14

Auf das Telekommunikationsgesetz folgte die Vyhláška Ministerstva dopravy a spojů č. 235/2001 Sb., kterou se stanoví podrobnosti o výpočtu a úhradě prokazatelné ztráty z poskytování univerzální služby držitelem telekomunikační licence (Verordnung des Ministeriums für Verkehr und Kommunikation Nr. 235/2001 Slg. zur Festlegung der Einzelheiten zur Berechnung und zum Ausgleich des nachweisbaren Verlusts aus der Erbringung des Universaldienstes durch den Inhaber einer Telekommunikationslizenz). § 2 („Methode zur Berechnung des nachweisbaren Verlusts“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)   Den nachweisbaren Verlust berechnet der Erbringer des Universaldienstes als Differenz zwischen der Summe der Erlöse und Erträge aus der Erbringung der defizitären Dienste einerseits und der Summe der wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten für die Erbringung dieser Dienste und des angemessenen Gewinns andererseits. Der Erbringer des Universaldienstes reicht die Berechnung des nachweisbaren Verlusts auf dem von der Telekommunikationsbehörde herausgegebenen Formular ein.

(2)   Der Erbringer des Universaldienstes ist verpflichtet, der Telekommunikationsbehörde zur Beurteilung der wirtschaftlichen Rechtfertigung der Kosten eine gesonderte Buchhaltung der Kosten und der Erträge aus den im Rahmen des Universaldienstes erbrachten Diensten gemäß § 34 Abs. 2 Buchst. a des [Telekommunikationsgesetzes] bis zum 31. Mai des Kalenderjahres vorzulegen.“

15

§ 3 („Unterlagen, mit denen die Berechnungen des nachweisbaren Verlusts zu belegen sind“) der Verordnung bestimmt:

„(1)   Der Erbringer des Universaldienstes legt der Telekommunikationsbehörde zusammen mit der Berechnung des nachweisbaren Verlusts für das entsprechende Jahr vor:

a)

den nach einer besonderen Regelung erstellten Rechnungsabschluss,

b)

die analytische Rechnungslegung der Kosten und der Erträge,

c)

die Ergebnisse der gesonderten Buchführung der Kosten und der Erträge gemäß § 34 Abs. 2 Buchst. a des [Telekommunikationsgesetzes] und der Methode zur Bestimmung der Höhe der wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten. Die Angaben zu den defizitären Diensten werden nach den einzelnen Positionen für Kosten und Erträge und nach der in Anhang Nr. 1 dargestellten Struktur aufgeteilt,

d)

eine Übersicht über die Verteilung der langfristigen materiellen und immateriellen Vermögenswerte in Abschreibungsgruppen unter Verwendung eines Koeffizienten für eine beschleunigte Abschreibung und die Methode für den Einsatz von Eigenkapital für den Erwerb dieses Vermögens,

e)

eine Übersicht über die Abzüge nach ihren Arten.

(2)   Der Erbringer des Universaldienstes ermöglicht der Telekommunikationsbehörde auf deren Ersuchen die Überprüfung der Angaben über die Berechnung des nachweisbaren Verlusts einschließlich des angemessenen Gewinns insbesondere anhand technischer Dokumentation, Statistiken und Originaldokumenten der Buchhaltung.

(3)   Die Verbuchung des nachweisbaren Verlusts, die vom Erbringer des Universaldienstes übermittelten Unterlagen und die zur Überprüfung der Berechnung des nachweisbaren Verlusts herangezogenen Dokumente werden von der Telekommunikationsbehörde für einen Zeitraum von fünf Jahren ab Ende des betreffenden Jahres aufbewahrt.“

16

§ 4 („Bestimmung des angemessenen Gewinns“) der Verordnung lautet:

„Der angemessene Gewinn wird für die Zwecke der Verbuchung des nachweisbaren Verlusts unter Berücksichtigung des Buchwerts des Eigenkapitals bestimmt, das der Erbringer des Universaldienstes für den Erwerb langfristiger materieller und immaterieller Vermögenswerte, die der Erbringung der defizitären Dienste dienen, eingesetzt hat. Der Erbringer des Universaldienstes berechnet den angemessenen Gewinn nach dem in Anhang Nr. 3 dargestellten Verfahren.“

17

Anhang Nr. 3 („Berechnung des angemessenen Gewinns“) der Verordnung des Ministeriums für Verkehr und Kommunikation Nr. 235/2001 Slg. sieht vor:

„1.

Der Erbringer des Universaldienstes berechnet den angemessenen Gewinn nach folgender Formel:

AG = 0,145 x EKKD

In dieser Formel sind:

AG = angemessener Gewinn

EKDD = Buchwert des Eigenkapitals, das für den Erwerb langfristiger materieller und immaterieller Vermögenswerte, die der Erbringung der defizitären Dienste dienen, eingesetzt wurde.

2.

Der Buchwert des Eigenkapitals wird nach den Rechnungslegungsvorschriften festgesetzt.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18

Am 27. September 2010 erließ die tschechische Telekommunikationsbehörde eine Entscheidung, mit der die Höhe des von Telefónica Czech Republic erklärten Verlusts aus der Erbringung des Universaldienstes für das Jahr 2004 bescheinigt wurde. Für die Berechnung dieses Verlusts wurde im Einklang mit dem bis zum 30. April 2005 geltenden nationalen Recht der angemessene Gewinn des Diensterbringers in den Wert der Nettokosten des Universaldienstes einbezogen. Im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens bestätigte die tschechische Telekommunikationsbehörde diese Entscheidung mit Entscheidung vom 23. Februar 2011.

19

Gegen diese Entscheidung erhoben T‑Mobile Czech Republic und die Vodafone Czech Republic a.s. verwaltungsrechtliche Klagen beim Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag), der die Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit aufgrund eines Verstoßes gegen die Richtlinie 2002/22 aufhob.

20

Der Městský soud v Praze war der Ansicht, dass § 31 des Telekommunikationsgesetzes gegen die Art. 12 und 13 der Richtlinie verstoße, weil das tschechische Recht eine Festsetzung der Verlusthöhe und eine Methode zur Berechnung und Bestimmung des nachweisbaren Verlusts vorsehe, die von den in der Richtlinie vorgesehenen abwichen. So habe die tschechische Telekommunikationsbehörde zu Unrecht nach nationalem Recht jeden Verlust berücksichtigt, obwohl nach der Richtlinie 2002/22 lediglich ein Verlust, der eine „unzumutbare Belastung“ darstelle, zu berücksichtigen gewesen sei, wie der Gerichtshof im Urteil Kommission/Belgien (C‑222/08, EU:C:2010:583, Rn. 35, 37, 42 und 43) klargestellt habe. Im Übrigen habe das nationale Recht es nicht ermöglicht, bei der Festsetzung der Verlusthöhe die immateriellen Vorteile aus der Erbringung des Universaldienstes zu berücksichtigen.

21

Der Městský soud v Praze sah die Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie als erfüllt an, da die in dieser Richtlinie festgelegte Bestimmung klar und unbedingt sei, auch wenn der unbestimmte Rechtsbegriff „unzumutbare Belastung“ inhaltlich von der Verwaltungsbehörde oder vom Gericht auszufüllen sei. Eine Auslegung, die im Einklang mit der Richtlinie 2002/22 stehe, sei nicht möglich, da die tschechische Rechtsordnung es der Telekommunikationsbehörde untersage, in ihrer Entscheidung die Einbeziehung des angemessenen Gewinns in die Höhe der Nettokosten des Universaldienstes nicht zu berücksichtigen.

22

Der Městský soud v Praze räumte ein, dass die unmittelbare Wirkung dieser Richtlinie nicht zulasten des Einzelnen gehen könne, stufte Telefónica Czech Republic, an deren Aktienkapital der tschechische Staat zu 51,1 % beteiligt war, jedoch als „staatliche Einrichtung“ ein, die unter staatlicher Kontrolle stehe und daher der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie unterliege. In zeitlicher Hinsicht ging er von einer Anwendbarkeit die Richtlinie 2002/22 auf den im gesamten Kalenderjahr 2004 erbrachten Universaldienst, also auch im Zeitraum vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union am 1. Mai 2004, aus.

23

Die tschechische Telekommunikationsbehörde legte gegen das Urteil des Městský soud v Praze Kassationsbeschwerde beim Nejvyšší správní soud ein.

24

Zu der Frage, ob es nach der Richtlinie 2002/22 möglich ist, in die Nettokosten der Universaldienstverpflichtung auch, wie im nationalen Recht vorgesehen, den angemessenen Gewinn einzubeziehen, ist der Nejvyšší správní soud auf der Grundlage einer Auslegung des Wortlauts der Ansicht, dass der Gewinn unabhängig davon, ob er angemessen sei oder nicht, nicht als Kostenposition angesehen werden könne, die unter den Begriff „Nettokosten“ der Universaldienstverpflichtung zu subsumieren sei, wie in der Richtlinie erläutert werde und vorgesehen sei. Allerdings könne die Möglichkeit nicht außer Acht gelassen werden, dass die Nettokosten im Sinne der Richtlinie auch die anteiligen Eigenkapitalkosten umfassten, die der Erbringer für die Bereitstellung des Universaldienstes aufgewandt habe und die nach der nationalen Regelung nicht ganz sachdienlich unter den Begriff „angemessener Gewinn“ gefasst worden seien. Der Nejvyšší správní soud hält es daher für erforderlich, den Gerichtshof zu fragen, ob die Art. 12 und 13 der Richtlinie 2002/22 dahin auszulegen sind, dass das Institut der „Nettokosten“ für die Erbringung des Universaldienstes dem entgegensteht, dass im Preis der ermittelten Nettokosten auch der angemessene Gewinn des Erbringers dieses Dienstes enthalten ist, auch wenn er in Form der Kosten für Kapitalinvestitionen in Höhe von 14,5 % des Buchwerts des Eigenkapitals ausgedrückt wird.

25

Unter diesen Umständen hat der Nejvyšší správní soud beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Sind die Art. 12 und 13 der Richtlinie 2002/22 dahin auszulegen, dass das darin verankerte Institut der „Nettokosten“ für die Erbringung dieses Dienstes dem entgegensteht, dass im Preis der ermittelten Nettokosten auch der „angemessene Gewinn“ seines Erbringers enthalten ist?

2.

Falls die erste Frage zu bejahen ist, haben diese Bestimmungen der Richtlinie (Art. 12 und 13) unmittelbare Wirkung?

3.

Falls die Art. 12 und 13 der Richtlinie unmittelbare Wirkung haben, kann man sich gegenüber einer Handelsgesellschaft, an der ein Mitgliedstaat 51 % der Aktien hält (kontrolliert) – hier die O2 Czech Republic (es geht um eine „staatliche Einrichtung“) – auf diese Wirkung berufen?

4.

Falls die Fragen 1 bis 3 zu bejahen sind, ist die Richtlinie auch auf Verhältnisse anwendbar, die vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union (vom 1. Januar 2004 bis zum 30. April 2004) entstanden sind?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

26

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 12 und 13 der Richtlinie 2002/22 dahin auszulegen sind, dass in den Nettokosten der Universaldienstverpflichtung der „angemessene Gewinn“ des Erbringers dieses Dienstes nicht enthalten sein darf.

27

Da ihrer Ansicht nach die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen nicht den Kern des Ausgangsrechtsstreits betreffen, schlagen T‑Mobile Czech Republic und O2 Czech Republic dem Gerichtshof mehrere neue Fragen vor, die sich u. a. auf die Ermittlung der Kostenpositionen beziehen, die in die Nettokosten der Universaldienstverpflichtung einbezogen werden können, sowie auf die Bestimmung der „unzumutbaren Belastung“ eines zur Erbringung eines Universaldienstes benannten Unternehmens.

28

Nach Art. 267 AEUV können nur die staatlichen Gerichte und nicht die Parteien des Ausgangsrechtsstreits den Gerichtshof anrufen. Damit haben auch nur die staatlichen Gerichte zu bestimmen, welche Fragen dem Gerichtshof vorzulegen sind; die Parteien können die Fragen inhaltlich nicht ändern (vgl. u. a. Urteile Singer, 44/65, EU:C:1965:122, S. 1275, und in diesem Sinne Santesteban Goicoechea, C‑296/08 PPU, EU:C:2008:457, Rn. 46).

29

Würde den von den Parteien des Ausgangsverfahrens formulierten Ersuchen um Änderung der Fragen entsprochen, wäre dies im Übrigen mit der dem Gerichtshof durch Art. 267 AEUV übertragenen Rolle und mit seiner Verpflichtung unvereinbar, sicherzustellen, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten und die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit haben, gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Erklärungen abzugeben, wobei zu berücksichtigen ist, dass den Verfahrensbeteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (vgl. u. a. Urteile Phytheron International, C‑352/95, EU:C:1997:170, Rn. 14, und in diesem Sinne Santesteban Goicoechea, C‑296/08 PPU, EU:C:2008:457, Rn. 47).

30

Im vorliegenden Fall ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorlageentscheidung, die gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs allen Verfahrensbeteiligten zugestellt worden ist, dass der Nejvyšší správní soud den Gerichtshof zum Grundsatz der Berücksichtigung einer Rendite des Eigenkapitals, das das zur Erbringung eines Universaldienstes benannte Unternehmen investiert hat, bei der Ermittlung der Höhe der Nettokosten der Universaldienstverpflichtung befragt, denn er möchte Anhaltspunkte erhalten, die es ihm ermöglichen, zu beurteilen, ob diese Eigenkapitalrendite berücksichtigt werden kann, wenn sie 14,5 % des Buchwerts des von diesem Unternehmen investierten Eigenkapitals beträgt.

31

Dagegen hat das vorlegende Gericht nicht dargelegt, dass es notwendig wäre, auf weitere Fragen nach der Bestimmung der Kostenpositionen, die in die Nettokosten der Universaldienstverpflichtung einbezogen werden können, oder nach der „unzumutbaren Belastung“ des zur Erbringung eines Universaldienstes benannten Unternehmens zu antworten.

32

Somit ist auf die vom vorlegenden Gericht gestellte erste Frage zu antworten, ohne dass es einer Beantwortung auch der neuen, von T‑Mobile Czech Republic und O2 Czech Republic angeregten Fragen bedarf.

33

Nach den Art. 12 und 13 der Richtlinie 2002/22 sind zur Bestimmung der Höhe der etwaigen Entschädigung, die einem zur Erbringung eines Universaldienstes benannten Unternehmen geschuldet wird, in einem ersten Schritt die Nettokosten der Universaldienstverpflichtung für das als Erbringer benannte Unternehmen zu berechnen; in einem zweiten Schritt beschließen die nationalen Regulierungsbehörden, wenn sie feststellen, dass ein Unternehmen unzumutbar belastet wird, ein Verfahren einzuführen, mit dem dieses Unternehmen für die ermittelten Nettokosten entschädigt wird, und/oder die Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen unter den Betreibern von elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten aufzuteilen.

34

Bei der Berechnung sind nach Anhang IV Teil A Abschnitt 2 der Richtlinie 2002/22 die Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen als Differenz zwischen den Nettokosten eines benannten Unternehmens für den Betrieb unter Einhaltung der Universaldienstverpflichtungen und den Nettokosten für den Betrieb ohne Universaldienstverpflichtungen zu ermitteln. Bei dieser Berechnung sind, wie alle Beteiligten, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, anerkannt haben, Darlehens- oder Eigenkapitalkosten zu berücksichtigen, wenn das benannte Unternehmen Kapital aufwenden musste, um für die Erbringung des Universaldienstes notwendige Investitionen zu tätigen.

35

Insoweit spielt es keine Rolle, dass diese Position der Nettokosten in den fraglichen nationalen Rechtsvorschriften als „angemessener Gewinn“ bezeichnet wird, da sie tatsächlich vom Erbringer des Universaldienstes getragene Kosten darstellt.

36

Zwar enthält die Richtlinie 2002/22 keinen ausdrücklichen Verweis auf die Möglichkeit, die Eigenkapitalkosten oder den „angemessenen Gewinn“ in die Berechnung der Nettokosten, die das einen Universaldienst erbringende Unternehmen getragen hat, einzubeziehen; eine teleologische Auslegung dieser Richtlinie erlaubt aber eine dahin gehende Schlussfolgerung.

37

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22 stellt die Notwendigkeit heraus, die Durchführung des Universaldienstes sicherzustellen, dabei dem effizientesten und am besten geeigneten Ansatz zu folgen und Marktverfälschungen zu minimieren. Zur Gewährleistung eines Universaldienstes kann, wie es im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/22 heißt, auch die Bereitstellung einiger Dienste für bestimmte Endnutzer zu Preisen gehören, die von denen, die sich aus den üblichen Marktbedingungen ergeben, abweichen. Deshalb hat der Unionsgesetzgeber, wie aus dem 18. Erwägungsgrund der Richtlinie hervorgeht, vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten bei Bedarf Verfahren für die Finanzierung der Nettokosten von Universaldienstverpflichtungen in den Fällen einrichten sollten, in denen nachgewiesen wird, dass die Verpflichtungen nur mit Verlust oder zu Nettokosten, die außerhalb der üblichen geschäftlichen Standards liegen, erfüllt werden können (vgl. Urteil Base u. a., C‑389/08, EU:C:2010:584, Rn. 34).

38

Die Kosten des investierten Kapitals gehören zu den Gesamtkosten, die ein Unternehmen nach üblichen geschäftlichen Standards aufwendet. Sie sind daher auch in die Berechnung der auf die Universaldienstverpflichtungen entfallenden Nettokosten einzubeziehen, um es dem zur Erbringung eines Universaldienstes benannten Unternehmen zu ermöglichen, die entstandenen spezifischen Nettokosten zu erlangen, ohne dass es von den üblichen Marktbedingungen abweicht oder einen Verlust erleidet.

39

Wie sich im Übrigen aus dem 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/22 ergibt, muss jede Finanzierung zum Ausgleich der Nettokosten von Universaldienstverpflichtungen mit den Art. 107 AEUV und 108 AEUV vereinbar sein. Wie die Europäische Kommission ausführt, muss die Auslegung des Begriffs „Nettokosten“ im Sinne dieser Richtlinie somit den Regeln für die Beurteilung des Ausgleichs für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse auf der Grundlage von Art. 107 AEUV Rechnung tragen.

40

Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Ausgleich, der die Gegenleistung für Leistungen bildet, die von den begünstigten Unternehmen zur Erfüllung von Gemeinwohlverpflichtungen erbracht werden, nicht über das hinausgehen darf, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung dieser Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken (vgl. entsprechend Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, C‑280/00, EU:C:2003:415, Rn. 92).

41

Zur Methode der Bewertung der zu berücksichtigenden Eigenkapitalrendite geht aus dem 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/22 hervor, dass die Nettokosten von Universaldienstverpflichtungen ordnungsgemäß berechnet werden müssen und dass jede Finanzierung möglichst geringe verfälschende Auswirkungen auf den Markt und die Unternehmen haben soll. Folglich müsste die Kapitalverzinsung erforderlich und angemessen sein, der zur Erbringung des Universaldienstes getätigten Investition unmittelbar zuzurechnen sein und nicht zu einem übermäßigen Ausgleich zugunsten des betreffenden Erbringers führen.

42

Wie die tschechische Telekommunikationsbehörde und die Kommission ausgeführt haben, geben Rn. 61 der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und Art. 5 Abs. 5 des Beschlusses 2012/21 Anhaltspunkte, wie der „angemessene Gewinn“ entsprechend der Kapitalrendite zu bewerten ist. Diese Mitteilung stellt zwar keine verbindliche Rechtsvorschrift dar, kann aber als Anregung für die Auslegung des Begriffs „Nettokosten“ im Sinne der Richtlinie 2002/22 dienen.

43

Nach Rn. 61 der Mitteilung und Art. 5 Abs. 5 des Beschlusses 2012/21 gilt als „angemessener Gewinn“ die Kapitalrendite, die ein durchschnittliches Unternehmen zugrunde legen würde, um unter Berücksichtigung des jeweiligen Risikos zu entscheiden, ob es die betreffende Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse über den gesamten Zeitraum der Betrauung erbringt. Die Höhe des Risikos hängt vom Wirtschaftszweig, der Art der Dienstleistung und der Ausgestaltung des Ausgleichsmechanismus ab. Die Rendite bezeichnet den internen Ertragssatz, den das Unternehmen während des Betrauungszeitraums mit seinem investierten Kapital erzielt. Sie kann unter Bezugnahme auf vergleichbare Unternehmen bestimmt werden.

44

Im Licht dieser verschiedenen Elemente hat das nationale Gericht zu prüfen, ob der in den nationalen Rechtsvorschriften zugrunde gelegte jährliche Renditesatz den in den Rn. 40 bis 43 dieses Urteils enthaltenen Anhaltspunkten entspricht, wenn er pauschal 14,5 % des Buchwerts des von dem Unternehmen, das zur Erbringung eines Universaldienstes benannt wurde, investierten Eigenkapitals beträgt.

45

Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 12 und 13 der Richtlinie 2002/22 dahin auszulegen sind, dass in den Nettokosten der Universaldienstverpflichtung der „angemessene Gewinn“ des Erbringers dieses Dienstes enthalten sein darf, der in der Eigenkapitalrendite besteht, die ein dem Erbringer des Universaldienstes vergleichbares Unternehmen zugrunde legen würde, um unter Berücksichtigung des jeweiligen Risikos zu entscheiden, ob es die betreffende Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse über den gesamten Zeitraum der Betrauung erbringt.

Zur zweiten und zur dritten Frage

46

Für den Fall, dass das vorlegende Gericht im Anschluss an die von ihm gemäß Rn. 44 dieses Urteils vorzunehmenden Prüfung feststellen sollte, dass die in Rede stehende nationale Regelung nicht den Maßgaben entspricht, die im Rahmen der Antwort auf die erste Frage genannt worden sind, ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, mit denen das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die Art. 12 und 13 der Richtlinie 2002/22 dahin auszulegen sind, dass sie unmittelbare Wirkung entfalten und, wenn ja, ob es möglich ist, sich gegenüber einer Handelsgesellschaft, an der ein Mitgliedstaat 51 % der Aktien hält, auf sie zu berufen.

47

Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Richtlinie selbst keine Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, sondern nur Rechte. Daher kann sich ein Einzelner nicht gegenüber einem Mitgliedstaat auf eine Richtlinie berufen, wenn es sich um eine Verpflichtung des Staates handelt, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Erfüllung einer anderen Verpflichtung steht, die aufgrund dieser Richtlinie einem Dritten obliegt (vgl. Urteile Wells, C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Arcor u. a., C‑152/07 bis C‑154/07, EU:C:2008:426, Rn. 35).

48

Dagegen rechtfertigen bloße negative Auswirkungen auf die Rechte Dritter, selbst wenn sie gewiss sind, es nicht, einem Einzelnen das Recht zu versagen, sich gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat auf die Bestimmungen einer Richtlinie zu berufen (vgl. Urteile Wells, C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Arcor u. a., C‑152/07 bis C‑154/07, EU:C:2008:426, Rn. 36).

49

Im Ausgangsverfahren stehen sich in dem Rechtsstreit, mit dem das vorlegende Gericht befasst ist, Privatpersonen und der betroffene, über die nationale Regulierungsbehörde, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, handelnde Mitgliedstaat gegenüber.

50

Sodann ist festzustellen, dass O2 Czech Republic im Verhältnis zu dem Rechtsstreit, mit dem das vorlegende Gericht befasst ist, ein Dritter ist und nur negative Auswirkungen erleiden kann, die nicht als Verpflichtungen aufgrund der vor dem vorlegenden Gericht angeführten Richtlinien betrachtet werden können. Daraus folgt, dass es unerheblich ist, ob dieses Unternehmen staatlichen Charakter hat.

51

Angesichts dessen ist zu prüfen, ob die Art. 12 und 13 der Richtlinie 2002/22 die Voraussetzungen erfüllen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten.

52

Insoweit kann sich nach ständiger Rechtsprechung der Einzelne in allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Mitgliedstaat auf diese Bestimmungen berufen, wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat (vgl. Urteile Pfeiffer u. a., C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Arcor u. a., C‑152/07 bis C‑154/07, EU:C:2008:426, Rn. 40).

53

Die Art. 12 und 13 der Richtlinie 2002/22 kommen diesen Kriterien nach, da sie klar ausführen, dass eine etwaige Finanzierung der Universaldienstverpflichtungen auf der Grundlage der Berechnung der Nettokosten erfolgen muss, die dahin auszulegen sind, dass sie auch den einer Kapitalrendite entsprechenden „angemessenen Gewinn“ umfassen, und da diese Verpflichtung unbedingt ist. Auch wenn die Richtlinie 2002/22 den nationalen Regulierungsbehörden bei der Umsetzung dieser Bestimmungen einen gewissen Ermessensspielraum belässt, beeinträchtigt dieser Umstand doch nicht die Genauigkeit und Unbedingtheit der sich aus ihnen ergebenden Verpflichtung (vgl. entsprechend Urteil GMAC UK, C‑589/12, EU:C:2014:2131, Rn. 29, 30 und 32).

54

Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass die Art. 12 und 13 der Richtlinie 2002/22 dahin auszulegen sind, dass sie unmittelbare Wirkung entfalten und dass sich ein Einzelner vor einem nationalen Gericht unmittelbar auf sie berufen kann, um gegen eine Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde vorzugehen.

Zur vierten Frage

55

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2002/22 dahin auszulegen ist, dass sie auf die Bestimmung der Höhe der Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen anwendbar ist, die das benannte Unternehmen im Zeitraum vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union, also vom 1. Januar bis zum 30. April des Jahres 2004, erbracht hat.

56

Art. 2 der Beitrittsakte sieht vor, dass die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe und der Europäischen Zentralbank für die neuen Mitgliedstaaten ab dem Tag des Beitritts verbindlich sind und in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und der Beitrittsakte gelten.

57

Wie die Kommission hervorgehoben hat, enthält die Beitrittsakte aber keine besonderen Bestimmungen hinsichtlich der Anwendung der Artikel der Richtlinie 2002/22 vor dem Beitritt der betreffenden Mitgliedstaaten.

58

Da es keine derartigen Bestimmungen gibt, ist die Richtlinie 2002/22 für die Tschechische Republik nach den Art. 2, 53 und 54 der Beitrittsakte ab dem Zeitpunkt ihres Beitritts zur Union anwendbar geworden (vgl. in diesem Sinne Urteil Saldanha und MTS, C‑122/96, EU:C:1997:458, Rn. 14, Beschluss Pannon, C‑143/09, EU:C:2009:564, Rn. 17, Urteil Elektrownia Pątnów II, C‑441/08, EU:C:2009:698, Rn. 32, sowie Beschluss RANI Slovakia, C‑298/09, EU:C:2010:343, Rn. 38).

59

Daraus folgt, dass die Richtlinie 2002/22 dahin auszulegen ist, dass sie nicht auf die Bestimmung der Höhe der Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen anwendbar ist, die das benannte Unternehmen im Zeitraum vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union, also vom 1. Januar bis zum 30. April des Jahres 2004, erbracht hat.

Kosten

60

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Die Art. 12 und 13 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) sind dahin auszulegen, dass in den Nettokosten der Universaldienstverpflichtung der „angemessene Gewinn“ des Erbringers dieses Dienstes enthalten sein darf, der in der Eigenkapitalrendite besteht, die ein dem Erbringer des Universaldienstes vergleichbares Unternehmen zugrunde legen würde, um unter Berücksichtigung des jeweiligen Risikos zu entscheiden, ob es die betreffende Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse über den gesamten Zeitraum der Betrauung erbringt.

2.

Die Art. 12 und 13 der Richtlinie 2002/22 sind dahin auszulegen, dass sie unmittelbare Wirkung entfalten und dass sich ein Einzelner vor einem nationalen Gericht unmittelbar auf sie berufen kann, um gegen eine Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde vorzugehen.

3.

Die Richtlinie 2002/22 ist dahin auszulegen, dass sie nicht auf die Bestimmung der Höhe der Nettokosten der Universaldienstverpflichtungen anwendbar ist, die das benannte Unternehmen im Zeitraum vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union, also vom 1. Januar bis zum 30. April des Jahres 2004, erbracht hat.

 

Unterschriften


( * )   Verfahrenssprache: Tschechisch.

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Telekommunikationsgesetz - TKG 2004 | § 31 Entgeltgenehmigung


(1) Die Bundesnetzagentur genehmigt Entgelte nach § 30 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 Satz 2 1.auf der Grundlage der auf die einzelnen Dienste entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 32 oder2.auf der Grundlage der von ihr vo

Referenzen

(1) Die Bundesnetzagentur genehmigt Entgelte nach § 30 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 Satz 2

1.
auf der Grundlage der auf die einzelnen Dienste entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 32 oder
2.
auf der Grundlage der von ihr vorgegebenen Maßgrößen für die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte für einen Korb zusammengefasster Dienste (Price-Cap-Verfahren) nach Maßgabe des § 33.
Genehmigte Entgelte dürfen die Summe der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung und der Aufwendungen nach § 32 Absatz 2 nicht überschreiten.

(2) Abweichend von Absatz 1 genehmigt die Bundesnetzagentur Entgelte

1.
für Zugangsleistungen zu bestimmten, von einem Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, angebotenen Diensten zu Großhandelsbedingungen, die Dritten den Weitervertrieb im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ermöglichen sollen, durch Gewährung eines Abschlags auf den Endnutzerpreis, der es einem effizienten Anbieter von Telekommunikationsdiensten ermöglicht, eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals auf dem Endnutzermarkt zu erzielen; das Entgelt entspricht dabei mindestens den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung; oder
2.
auf der Grundlage anderer Vorgehensweisen, sofern die Vorgehensweisen nach den Nummern 1 oder 2 besser als die in Absatz 1 genannten Vorgehensweisen geeignet sind, die Regulierungsziele nach § 2 zu erreichen. Im Fall von Satz 1 Nummer 2 gilt bei der Anwendung kostenorientierter Vorgehensweisen § 32 Absatz 2 und 3 entsprechend. Ein Vorgehen nach Satz 1 Nummer 2 ist besonders zu begründen.

(3) Genehmigungsbedürftige Entgelte für Zugangsleistungen des Betreibers eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, sind der Bundesnetzagentur einschließlich aller für die Genehmigungserteilung erforderlichen Unterlagen vor dem beabsichtigten Inkrafttreten vorzulegen. Bei befristet erteilten Genehmigungen hat die Vorlage mindestens zehn Wochen vor Fristablauf zu erfolgen.

(4) Die Bundesnetzagentur kann dazu auffordern, Entgeltgenehmigungsanträge zu stellen. Wird der Aufforderung nicht innerhalb eines Monats nach Zugang Folge geleistet, leitet die Bundesnetzagentur ein Verfahren von Amts wegen ein. Die Bundesnetzagentur soll über Entgeltanträge in der Regel innerhalb von zehn Wochen nach Eingang der Entgeltvorlage oder nach Einleitung des Verfahrens von Amts wegen entscheiden. Abweichend von Satz 3 soll die Bundesnetzagentur über Entgeltanträge, die im Rahmen des Verfahrens nach § 33 vorgelegt worden sind, innerhalb von zwei Wochen entscheiden.