Bundesgerichtshof Urteil, 11. Aug. 2010 - XII ZR 192/08

bei uns veröffentlicht am11.08.2010
vorgehend
Landgericht Magdeburg, 5 O 1879/07, 13.02.2008
Oberlandesgericht Naumburg, 9 U 39/08, 28.10.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 192/08 Verkündet am:
11. August 2010
Beskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Mieter ist verpflichtet, den Vermieter vor Abschluss eines Gewerberaummietvertrages
über außergewöhnliche Umstände aufzuklären, mit denen der
Vermieter nicht rechnen kann und die offensichtlich für diesen von erheblicher
Bedeutung sind.
BGH, Urteil vom 11. August 2010 - XII ZR 192/08 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. August 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter
Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dose und Schilling

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 28. Oktober 2008 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten aus abgetretenem Recht Räumung und Herausgabe eines Ladengeschäfts.
2
Mit Vertrag vom 1. Juni 2007 vermietete die C. Immobilien GmbH und Co. KG (i. F.: Vermieterin), vertreten durch die Klägerin, an den Beklagten in dem von Friedensreich Hundertwasser entworfenen Geschäftshaus in M. ein Ladengeschäft zum Verkauf von Textilien und Sortimenten im Outdoorbereich. Bestandteil des Vertrages war eine als Anlage 5 beigefügte Sortimentsliste vom 23. Mai 2007, die allgemeine Angaben zu dem beabsichtigten Bekleidungsangebot enthält, ohne eine Marke zu nennen. Der Beklagte beabsichtigte , in den Mieträumen nahezu ausschließlich Waren der Marke "Thor Steinar" zu verkaufen, die von der M. GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte war, vertrieben wird. Diese Marke wird in der Öffentlichkeit in einen ausschließlichen Bezug zur rechtsradikalen Szene gesetzt.
3
Nachdem die Klägerin von dem beabsichtigten Angebot der Marke "Thor Steinar" erfahren hatte, versuchte sie, den Beklagten zu einem Verzicht auf die Eröffnung des Ladens oder auf den Vertrieb des Warensortiments der Marke "Thor Steinar" zu bewegen.
4
Am 27. Juli 2007, dem Tag der Eröffnung des Ladens, unterzeichnete der Beklagte auf Wunsch der Klägerin eine Erklärung zum Mietvertrag, in der er versicherte, dass von seinem Gewerbe keine verfassungsrechtlich relevanten Aktivitäten ausgingen und er auch keine rechts- oder linksextremistische Parteien oder Gruppierungen finanziell unterstütze und unterstützen werde. Diese Erklärung wurde auch von dem Vertreter der Klägerin unterzeichnet.
5
Mit Schreiben vom 27. Juli 2007 kündigte die Vermieterin den Mietvertrag aus wichtigem Grund. Sie wiederholte die Kündigung mit Schreiben vom 2. August 2007 und erklärte darüber hinaus die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung.
6
Die Vermieterin hat ihre Ansprüche auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts an die Klägerin abgetreten.
7
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

9
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in NZM 2009, 128 veröffentlicht ist, hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte sei zur Räumung und Herausgabe verpflichtet. Er habe kein Recht zum Besitz, weil die Klägerin den Mietvertrag vom 1. Juni 2007 im Namen der Vermieterin mit Schreiben vom 2. August 2007 wirksam wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB angefochten habe.
10
Der Beklagte sei unter Zugrundelegung seines eigenen Sachvortrags verpflichtet gewesen, der Klägerin im Zuge der Vertragsverhandlungen auch ohne ausdrückliche Nachfrage mitzuteilen, dass er weit überwiegend Ware der Marke "Thor Steinar" verkaufen wolle. Der Beklagte habe nach seinem eigenen Vortrag gewusst, dass es Presseberichterstattung gebe, die dem von ihm angebotenen Warensortiment eine hohe Affinität zur rechten Szene zuweise. In dieser Berichterstattung werde die Meinung vertreten, die Marke "Thor Steinar" werde bevorzugt von Anhängern und Mitgliedern der rechtsradikalen Szene gekauft und getragen und als Erkennungssymbol für die Zugehörigkeit zur "rechten Szene" genutzt. Ausweislich des von dem Beklagten vorgelegten Artikels aus der TAZ vom 2. Mai 2008 sei es in mehreren Fußballstadien der neuen Bundesländer, im Bundestag und im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern verboten, Kleidung des Labels "Thor Steinar" zu tragen. Es lasse sich zwar nach Aktenlage nicht feststellen, dass diese Verbote bereits vor dem Abschluss des Mietvertrages vom 1. Juni 2007 ausgesprochen worden seien. Es spreche aber nichts für das Gegenteil. Zumindest die W. GmbH und Co. KG a.A. habe spätestens am 27. April 2007 für Zuschauer, die Kleidung der Marke "Thor Steinar" tragen, ein Stadionverbot verhängt.
11
Aus öffentlich zugänglichen Quellen wie dem Artikel "Thor Steinar" in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia sei ersichtlich, dass bereits vor dem 1. Juni 2007 Presseberichterstattung existiert habe, die die Marke "Thor Steinar" mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht habe. Bereits aufgrund dieses negativen Bildes der Marke in der Öffentlichkeit sei der Beklagte, unabhängig davon , ob dieses Bild zu Recht bestehe, verpflichtet gewesen, die Vermieterin über den beabsichtigten überwiegenden Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar" aufzuklären.
12
Da das Hundertwasserhaus eine Touristenattraktion darstelle, sei für den Beklagten offensichtlich gewesen, dass es für die Vermieterin bei der Entscheidung über den Abschluss des Mietvertrages von ausschlaggebender Bedeutung gewesen sei, ob eine Presseberichterstattung zu erwarten sei, die den Käuferkreis einer vom Mieter verkauften Marke in Zusammenhang mit der rechtsextremen Szene bringe.
13
Die Verletzung der Aufklärungspflicht sei auch für den Abschluss des Mietvertrages ursächlich gewesen. Aus der umfangreichen Presseberichterstattung und den Reaktionen von Parlamenten und Fußballvereinen auf die Marke "Thor Steinar" könne geschlossen werden, dass die Kenntnis der Vermieterin von dem beabsichtigten Verkauf dieser Marke Einfluss auf ihre Entschließung gehabt hätte. Dass dies der Fall gewesen sei, zeige das anschließende Bemühen der Vermieterin um eine Beendigung des Vertragsverhältnisses.
14
Den dadurch begründeten Anschein der Ursächlichkeit der Täuschung für den Vertragsschluss habe der Beklagte nicht entkräftet. Denn es stehe aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass die Vermieterin, wie der Zeuge D. glaubhaft bekundet habe, bei Nennung der Marke während der Vertragsver- handlungen recherchiert, deren Brisanz bemerkt und deshalb den Vertrag nicht abgeschlossen hätte.
15
Der Beklagte habe die Vermieterin auch arglistig getäuscht. Er habe von der bereits vor Abschluss des Mietvertrages vorhandenen kritischen Presseberichterstattung gewusst und es deshalb mindestens ernsthaft für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass der Mietvertrag bei Kenntnis der Vermieterin von dem beabsichtigten Verkauf der Marke "Thor Steinar" nicht zustande gekommen wäre.
16
Die Anfechtung sei auch nicht durch eine Bestätigung des Mietvertrages gemäß § 144 BGB ausgeschlossen. Eine solche Bestätigung sei, wie eine Würdigung der Zeugenaussagen ergebe, weder durch die schriftliche "Erklärung zum Mietvertrag" vom 27. Juli 2007 noch mündlich erfolgt.

II.

17
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
18
Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe.
19
Der Beklagte kann ein Recht zum Besitz nicht aus dem Mietvertrag vom 1. Juni 2007 herleiten. Denn die Vermieterin hat den Vertrag wirksam gemäß §§ 123 Abs. 1, 124 BGB wegen arglistiger Täuschung angefochten. Der Mietvertrag ist deshalb als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB).
20
1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte die Vermieterin dadurch arglistig getäuscht hat, dass er sie vor Vertrags- schluss nicht über seine Absicht, in den Mieträumen nahezu ausschließlich Waren der Marke "Thor Steinar" zu verkaufen, aufgeklärt hat.
21
a) Zwar besteht bei Vertragsverhandlungen keine allgemeine Rechtspflicht , den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten (Staudinger/Singer/ v. Finckenstein BGB Bearb. 2004 § 123 Rn. 10; MünchKommBGB/Kramer 5. Aufl. § 123 Rn. 16 bis 18; vgl. zum Kaufvertrag: BGH Urteile vom 13. Juli 1983 - VIII ZR 142/82 - NJW 1983, 2493, 2494 und vom 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00 - NJW 2001, 3331, 3332). Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen (BGH Urteil vom 13. Juli 1988 - VIII ZR 224/87 - NJW 1989, 763, 764 m.w.N.).
22
Allerdings besteht nach der Rechtsprechung eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (RGZ 111, 233, 234; vgl. zur Aufklärungspflicht des Vermieters: Senatsurteile vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714, 1718; vom 28. April 2004 - XII ZR 21/02 - NJW 2004, 2674; vom 28. Juni 2006 - XII ZR 50/04 - NJW 2006, 2618, 2619 und vom 15. November 2006 - XII ZR 63/04 - NZM 2007, 144; zur Aufklärungspflicht des Verkäufers: BGH Urteile vom 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00 - NJW 2001, 3331 und vom 25. Oktober 2007 - VII ZR 205/06 - NJW-RR 2008, 258 Rn. 20; Staudinger/ Singer/v. Finckenstein BGB Bearb. 2004 § 123 Rn. 11; MünchKommBGB/ Kramer 5. Aufl. § 123 Rn. 16 bis 18). Davon wird insbesondere bei solchen Tat- sachen ausgegangen, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können (BGH Urteile vom 13. Dezember 1990 - III ZR 333/89 - NJW-RR 1991, 439 und vom 8. Dezember 1989 - V ZR 246/87 - NJW 1990, 975, zu Kaufverträgen). Eine Tatsache von ausschlaggebender Bedeutung kann auch dann vorliegen, wenn sie geeignet ist, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.
23
Die Aufklärung über eine solche Tatsache kann der Vertragspartner redlicherweise aber nur verlangen, wenn er im Rahmen seiner Eigenverantwortung nicht gehalten ist, sich selbst über diese Tatsache zu informieren (vgl. Staudinger/Singer/v. Finckenstein BGB Bearb. 2004 § 123 Rn. 17 m.w.N.).
24
In der Gewerberaummiete obliegt es grundsätzlich dem Vermieter, sich selbst über die Gefahren und Risiken zu informieren, die allgemein für ihn mit dem Abschluss eines Mietvertrages verbunden sind. Er muss allerdings nicht nach Umständen forschen, für die er keinen Anhaltspunkt hat und die so außergewöhnlich sind, dass er mit ihnen nicht rechnen kann. Er ist deshalb auch nicht gehalten, Internetrecherchen zum Auffinden solcher etwaiger außergewöhnlicher Umstände durchzuführen.
25
Für die Frage, ob und in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht besteht , kommt es danach wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an.
26
b) Das Berufungsgericht hat ausgehend von diesen Grundsätzen rechtsfehlerfrei eine Aufklärungspflicht des Beklagten wegen der besonderen Umstände des Falles bejaht.
27
Das Mietobjekt lag in dem von dem Künstler Friedensreich Hundertwasser entworfenen, im Zentrum von M. gelegenen so genannten "Hundertwasserhaus" , das mit einer Gesamtmietfläche von 7000 qm von der Ver- mieterin als Geschäftshaus konzipiert war und aufgrund seiner besonderen Gestaltung eine Attraktion für Touristen und Kunden sein sollte.
28
Nach den revisionsrechtlich nicht angreifbaren Feststellungen des Berufungsgerichts wurde dieses Ziel durch den von dem Beklagten geplanten Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar", die unstreitig in der öffentlichen Meinung ausschließlich der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden, gefährdet. Denn der Verkauf solcher Waren kann zur Folge haben, dass das Hundertwasserhaus in den Ruf gerät, Anziehungsort für rechtsradikale Käuferschichten zu sein und damit ein Ort, an dem - auch aufgrund von Demonstrationen - gewaltsame Auseinandersetzungen zu erwarten sind. Diese, das gesamte Anwesen treffende mögliche rufschädigende Wirkung ist geeignet, Kunden und Touristen fernzuhalten und damit andere Mieter im Anwesen zu einer Minderung oder Beendigung des Mietvertrages zu veranlassen und potentielle Mieter von dem Abschluss eines Mietvertrages abzuhalten. Der Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar" kann deshalb der Vermieterin erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen.
29
Darüber hinaus ist die Vermietung von Räumen zum Verkauf von Waren, die in der öffentlichen Meinung ausschließlich der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden, geeignet, den Vermieter in der öffentlichen Meinung in die Nähe zu rechtsradikalem Gedankengut zu stellen und sich auch deshalb geschäftsschädigend für ihn auszuwirken.
30
Im Hinblick auf diese möglichen gravierenden Auswirkungen war der beabsichtigte Verkauf von Waren dieser Marke für die Vermieterin von erheblicher Bedeutung.
31
Sie durfte darüber auch redlicherweise eine Aufklärung erwarten. Denn sie konnte ohne einen Hinweis auf die Marke nicht erkennen, dass der Beklagte in den Mieträumen Waren verkaufen wollte, die nahezu ausschließlich rechtsradikalen Kreisen zugeordnet werden. Sie hatte auch keine Veranlassung, dies anzunehmen. Denn bei dem Verkauf solcher Waren handelt es sich um einen außergewöhnlichen Umstand, mit dem sie nicht rechnen musste. Darüber hinaus bestand für sie aufgrund der verharmlosenden Angaben des Beklagten zum Sortiment kein Anlass zu einer Nachfrage.
32
Im Hinblick auf diese dem Beklagten bekannten Umstände musste es sich ihm aufdrängen, dass sich die Vermieterin insoweit über die Waren, die er zum Verkauf anbieten wollte, im Irrtum befand und dass der beabsichtigte Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar" für deren Entscheidung, den Mietvertrag abzuschließen, von erheblicher Bedeutung war.
33
Der Beklagte war deshalb nach Treu und Glauben und den Grundsätzen eines redlichen Geschäftsverhaltens verpflichtet, die Vermieterin über den beabsichtigten Verkauf von nahezu ausschließlich Waren der Marke "Thor Steinar" zu informieren.
34
c) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die subjektiven Voraussetzungen für eine arglistige Täuschung durch unterlassene Aufklärung bejaht. Nach seinen Feststellungen wusste der Beklagte, dass die Marke "Thor Steinar" in der öffentlichen Meinung rechtsradikalen Kreisen zugeordnet wird und dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages zumindest in Fußballstadien von W. ein Verbot für das Tragen von "Thor Steinar" bestand. Ihm war deshalb bewusst, dass der Verkauf von Waren dieser Marke in dem von Friedensreich Hundertwasser gestalteten großen Geschäftshaus geeignet war, erhebliche wirtschaftliche Nachteile für die Vermieterin zu verursachen. Daraus ergibt sich, dass er zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass die Vermieterin den Mietvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn sie vor Vertragsschluss Kenntnis von dem beabsichtigten Verkauf der Marke "Thor Steinar" gehabt hätte.
35
d) Das Berufungsgericht hat weiter rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Verletzung der Aufklärungspflicht für den Entschluss der Vermieterin, den Mietvertrag abzuschließen, ursächlich war. Wie oben ausgeführt, handelte es sich bei dem beabsichtigten Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar" um einen Umstand, der angesichts der drohenden wirtschaftlichen Auswirkungen für die Vermieterin von erheblicher Bedeutung war. Diese Annahme wird zusätzlich gestützt durch das Verhalten der Vermieterin nach Kenntniserlangung von diesem Umstand. Sie hat nämlich noch am Tag der Eröffnung des Ladens durch den Beklagten am 27. Juli 2007 versucht, sich von dem Mietvertrag zu lösen.
36
2. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Anfechtung des Mietvertrages auch nicht gemäß § 144 BGB durch eine Vertragsbestätigung der Vermieterin ausgeschlossen.
37
Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine hier allein in Betracht kommende konkludente Bestätigung des anfechtbaren Vertrages nur vorliegt, wenn das Verhalten des Anfechtungsberechtigten eindeutig Ausdruck eines Bestätigungswillens ist und jede andere, den Umständen nach einigermaßen verständliche Deutung ausscheidet (Senatsurteil vom 1. April 1992 - XII ZR 20/91 - NJW-RR 1992, 779, 780; BGH Urteil vom 2. Februar 1990 - V ZR 266/88 - BGHZ 110, 220, 222). Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ebenso wie das Landgericht die Zeugenaussagen dahin gewürdigt, dass weder aus der schriftlichen Erklärung des Beklagten vom 27. Juli 2007, noch aus den mündlichen Besprechungen an diesem Tag, noch aus der Überreichung eines Hundertwasserbildes anlässlich der Geschäftseröffnung auf eine Bestätigung des Mietvertrages durch die Vermieterin geschlossen werden kann. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts ist umfassend und in sich widerspruchsfrei. Sie verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze.
38
3. Die Anfechtung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Mietvertrag zum Zeitpunkt der Anfechtung bereits in Vollzug gesetzt war. Eine auf Abschluss eines Mietvertrages gerichtete Willenserklärung kann auch nach Überlassung der Mietsache wegen arglistiger Täuschung angefochten werden (Senatsurteil vom 6. August 2008 - XII ZR 67/06 - BGHZ 178, 16 Rn. 34 f.).
Hahne RiBGH Prof. Dr. Wagenitz Vézina ist urlaubsbedingt an der Unterschrift verhindert Hahne Dose Schilling
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 13.02.2008 - 5 O 1879/07 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 28.10.2008 - 9 U 39/08 -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 142 Wirkung der Anfechtung


(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen. (2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgesc

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 144 Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts


(1) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. (2) Die Bestätigung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form.

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(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

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(2) Die Bestätigung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen.

(2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 360/00 Verkündet am:
12. Juli 2001
Bürk,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur arglistigen Täuschung durch stillschweigendes Verhalten und durch
Unterlassen bei Abschluß eines Bürgschaftsvertrages.
BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00 - OLG Jena
LG Erfurt
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Stodolkowitz, Dr. Zugehör, Dr. Ganter und Raebel

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 27. April 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Agentur B., deren Inhaberin A. B. war, vermittelte für die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, den Abschluß von Versicherungsverträgen. Der Beklagte war für die Agentur tätig; ob er Abschlußvertreter war oder nur Büroarbeiten verrichtete, ist zwischen den Parteien streitig. Ende 1994/Anfang 1995 meinte die Klägerin festgestellt zu haben, daß die Prämien für abgeschlossene Lebensversicherungen nicht aus eigenen Mitteln der Versicherungsnehmer , sondern aus den bevorschußten Abschlußprovisionen aufge-
bracht worden seien. Sie stornierte sämtliche von der Agentur vermittelten Verträge und forderte die vorschußweise gezahlten Provisionen zurück. Am 26. Januar 1995 gaben A. B. und ihr geschiedener Ehemann R. B. der Klägerin gegenüber jeweils ein "abstraktes Schuldanerkenntnis" über 642.240,89 DM ab. Außerdem verlangte die Klägerin Mitverpflichtungserklärungen der Mitarbeiter der Agentur. Am 1. Februar 1995 gab der Beklagte - ebenso wie zahlreiche andere Mitarbeiter der Agentur - eine Erklärung ab, mit der er sich für alle gegenwärtigen und zukünftigen Verpflichtungen A. B.s aus ihrer "Tätigkeit oder aus sonstigem Rechtsgrund" gegenüber allen namentlich aufgeführten Gesellschaften , die damals zur "Versicherungsgruppe" der Klägerin gehörten, bis zu einem Höchstbetrag, der im Falle des Beklagten 98.323 DM betrug, selbstschuldnerisch und mit der Maßgabe verbürgte, daß er "auf erste schriftliche Anforderung" zu zahlen habe. Mit Schreiben vom 15. März 1995 focht der Beklagte die Bürgschaftserklärung mit der Begründung an, sie sei durch Täuschung und Drohung zustande gekommen.
Die Klägerin verlangt mit der Behauptung, die von der Agentur B. vermittelten Verträge seien nur zum Schein abgeschlossen worden und der Beklagte sei an der "Provisionsbeschaffung" beteiligt gewesen, von ihm die Zahlung der Bürgschaftssumme. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.

I.


Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten sei wirksam zustande gekommen.
1. Die Revision meint, der Bürgschaftsvertrag sei wegen Verstoßes gegen die §§ 3 und 9 AGBG insgesamt unwirksam. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Fragen nicht befaßt. Die Revisionsangriffe sind auf der Grundlage des vorgetragenen und festgestellten Sachverhalts nicht begründet.
Eine formularmäßige Erstreckung der Haftung des Bürgen auf alle bestehenden und künftigen Forderungen des Gläubigers - und, wie hier, noch dazu weiterer mit diesem verbundener Gesellschaften - ist zwar nach § 3 AGBG unwirksam, wenn die Bürgschaft lediglich im Hinblick auf eine bestimmte Verbindlichkeit übernommen worden ist; der Bürge braucht mit einer solchen Ausweitung seiner Verpflichtung nicht zu rechnen, wenn sie sich nicht aus dem Gang der zur Abgabe der Bürgschaftserklärung führenden Verhandlungen ergibt (BGHZ 130, 19, 24 f.). Ebenso verstößt eine weite, über den Anlaß der Verbürgung hinausgehende Zweckerklärung grundsätzlich gegen § 9 AGBG; das gilt, selbst bei einer Höchstbetragsbürgschaft, nicht nur für die Haftungserstreckung auf künftige, sondern auch auf bereits bestehende Ver-
bindlichkeiten (BGHZ 143, 95, 98 ff.). Die Unwirksamkeit der formularmäßigen globalen Zweckerklärung ändert indessen nichts daran, daß der Bürge für die Verbindlichkeit einzustehen hat, die Anlaß der Bürgschaftsübernahme war (BGHZ 143, 95, 102).
Die Revision, die das nicht verkennt, meint, an einem Anlaß für die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten fehle es insgesamt, weil er nach seiner Behauptung - mangels einer Tätigkeit als Versicherungsvertreter - keine noch nicht durch Prämienzahlungen "verdienten" Provisionen erhalten habe. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Anlaß für die Verbürgung waren die vermeintlichen, von der Klägerin auf mehr als 640.000 DM bezifferten Provisionsrückzahlungsansprüche ; das war dem Beklagten bekannt. Die interne Aufteilung dieser Summe auf die einzelnen Mitarbeiter der Agentur - der Zeuge B. will, wie er ausgesagt hat, "die Zahlen willkürlich gegriffen" haben - hat mit der Frage, was Anlaß der Bürgschaft war, nichts zu tun. Die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten erfaßte deshalb im Rahmen des festgesetzten Höchstbetrags eine etwaige Rückzahlungsverbindlichkeit A. B.s gegenüber der Klägerin unabhängig davon, was der Beklagte selbst davon erhalten hatte.
2. Die Revision wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrags im Sinne des § 138 BGB verneint hat. Sie verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , wonach ein Bürgschaftsvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, wenn der Bürge sich in einem Umfang verpflichtet, der seine gegenwärtigen und künftig zu erwartenden Vermögensverhältnisse übersteigt, und durch weitere , dem Gläubiger zurechenbare Umstände - insbesondere durch Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit - zusätzlich so erheblich belastet wird,
daß ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird (Urteil vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 36/98, WM 2000, 514, 516 m.w.N.). Der Beklagte hat indessen schon keine Einzelheiten zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme vorgetragen. Für die Klägerin bestand kein Anlaß, sich danach zu erkundigen; denn der Beklagte war aus ihrer Sicht einer von vielen Mitarbeitern, der von den Provisionsvorschüssen in dem intern festgelegten Umfang profitiert und deshalb am Fortbestand der Agentur ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatte.

II.


Die Revision ist begründet, soweit sie die Ausführungen angreift, mit denen das Berufungsgericht die Behauptung des Beklagten, die ihm abverlangte Bürgschaftserklärung habe auf einer Täuschung beruht, als nicht bewiesen angesehen hat.
1. Das Berufungsgericht hat sich nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten und von ihm selbst wiederholten Beweisaufnahme nicht davon zu überzeugen vermocht, daß der Beklagte durch die Mitarbeiter der Klägerin arglistig getäuscht worden sei. Diese tatrichterliche Würdigung beruht sowohl in verfahrens- als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht auf Rechtsfehlern.

a) Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, daß der Beklagte gewußt habe, welche "Folgen" die Bürgschaft für ihn habe und welchem Zweck (nämlich "den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Agentur zu garantieren")
sie diene. Darum ging es aber bei der Frage, ob der Beklagte arglistig getäuscht worden ist, jedenfalls nicht in erster Linie. Der Beklagte hat behauptet - von dieser Darstellung ist mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich auszugehen -, er hätte die Bürgschaftserklärung nicht abgegeben, wenn er gewußt hätte, daß, wie es später geschehen sei, die Klägerin der Agentur B. keine weiteren Vermittlungsaufträge mehr erteilen und die Auszahlung der noch ausstehenden Provisionen für schon abgeschlossene Versicherungsverträge von einer Untersuchung der Geschäftspraxis der Agentur abhängig machen werde. Schon die Inhaberin habe das Schuldanerkenntnis vom 26. Januar 1995 nur im Hinblick darauf unterschrieben, daß die Klägerin ihr unter dieser Voraussetzung die Auszahlung der weiteren Provisionen in Aussicht gestellt habe.
Nach den protokollierten Aussagen der Zeugen R. und R. B. hatte letzterer den Mitarbeitern gesagt, das Geld - in Form eines Schecks über rund 180.000 DM - werde ausgezahlt, sobald die Bürgschaftserklärungen unterschrieben seien. Die sich darauf gründende Erwartung war - wiederum nach den Zeugenaussagen - den beiden Angestellten der Klägerin, W. und K., die die Abgabe der Bürgschaftserklärungen herbeiführten, bekannt. W. hat als Zeuge erklärt, R. B. habe bei der am 1. Februar 1995 mit den Mitarbeitern der Agentur veranstalteten Zusammenkunft, bei der er und sein Kollege K. anwesend waren, gesagt, die Besicherung der Provisionen sei wichtig, um den Fortbestand der Firma zu garantieren; möglicherweise, so hat sich der Zeuge ausgedrückt , habe der Eindruck bestanden, "daß die künftigen Provisionen fließen würden". Nach der Aussage K.s "motivierte" R. B. die Mitarbeiter, "die Bürgschaften zu unterschreiben, damit endlich Geld fließe". Er selbst habe das nicht gesagt. Er hat aber hinzugefügt: "Wir haben die Aussage des Herrn B. ...
nicht korrigiert". Ein weiterer Mitarbeiter der Agentur, der bereits erwähnte Zeuge R., hat bekundet, bei einer kurz zuvor abgehaltenen ersten Versammlung habe einer der beiden Vertreter der Klägerin mehrmals einen Scheck aus der Jackentasche gezogen und "ansatzweise gezeigt". W. und K. haben bei ihren erstinstanzlichen Aussagen die Taktik geschildert, mit der sie - in Absprache mit A. und R. B. - in der entscheidenden Versammlung am 1. Februar 1995 vorgegangen seien: Die Verhandlung sei in zwei getrennte Tagesordnungspunkte aufgegliedert worden; zunächst sei nur über die Gewährung von Sicherheiten durch die anwesenden Mitarbeiter gesprochen worden; erst, nachdem die Bürgschaftserklärungen unterschrieben gewesen seien, sei "die Frage, wie die Geschäfte betrieben werden", erörtert worden; "wir wollten eine Sache nach der anderen abhandeln". Im Protokoll über die erstinstanzliche Aussage K.s heißt es wörtlich: "Die Bürgschaft wurde zuerst abgefordert, da ich unterstelle, daß wir nach der Erörterung der Probleme über die Ordnungsgemäßheit der Versicherungsverträge die Bürgschaften nicht bekommen hätten". Tatsächlich kam es bei der Erörterung des zweiten Tagesordnungspunkts zu einem von allen Zeugen geschilderten Tumult, bei dem den Versicherungsvertretern die Aktentasche mit den soeben unterschriebenen Bürgschaften für kurze Zeit entrissen wurde und sie sich nur durch gewaltsame Flucht retten konnten, wobei nach der Schilderung, die der in einem anderen Prozeß verklagte Mitarbeiter G. dort bei seiner persönlichen Anhörung gegeben hat, "der eine ... dann noch eine Tür eingetreten" hat.

b) Das Berufungsgericht hat sich mit diesen für die Frage einer arglistigen Täuschung ausschlaggebenden Einzelheiten der Zeugenaussagen nicht befaßt. Diese vermitteln insgesamt den Eindruck, daß die Angestellten der
Klägerin dem Beklagten und den anderen Mitarbeitern der Agentur zwar nicht selbst gesagt haben, nach Abgabe der Bürgschaftserklärungen gebe es Geld, daß sie aber deren für sie erkennbare Erwartung nicht richtig gestellt, sondern stillschweigend ausgenutzt haben. Für die beiden Vertreter der Klägerin scheint danach klar gewesen zu sein, daß die Mitarbeiter der Agentur die Bürgschaften zur Absicherung der Ansprüche der Klägerin nicht übernommen hätten, wenn sie ernstlich damit hätten rechnen müssen, daß die Agentur ihre Tätigkeit für die Klägerin so oder so einstellen mußte.
Das Berufungsgericht hat gemeint, die den Vertretern der Klägerin bekannte , auf Ä ußerungen R. B.s beruhende Erwartung, "daß die künftigen Provisionen fließen würden", begründe für sich allein keine Täuschung, weil "derartiges von den Mitarbeitern der Klägerin ... zu keiner Zeit geäußert worden" sei. Darin liegt ein materiell-rechtlicher Fehler. Dabei spielt es entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung keine Rolle, unter welchen Voraussetzungen die Täuschung durch einen Dritten dem Erklärungsempfänger zuzurechnen ist und ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind; denn die Vertreter der Klägerin haben nach dem für die Revisionsinstanz maßgeblichen Sachverhalt den Beklagten (und die übrigen Bürgen) durch eigenes Verhalten getäuscht. In ihrem Schweigen zu der ihnen bekannten Erwartung lag unter den hier gegebenen Umständen eine Täuschung durch konkludentes Verhalten. Sie hatten, wovon für die Revisionsinstanz auszugehen ist, jene Erwartung auf dem Umweg über die (geschiedenen) Eheleute B. selbst geweckt. Das ist der Aussage der Zeugin A. B. zu entnehmen, die danach ausgesagt hat: "Wir haben uns 'verarscht' gefühlt". Vor diesem Hintergrund war die Taktik, die Erörterungen am 1. Februar 1995 in zwei Teile aufzuspalten und erst nach Abgabe der Bürgschaftserklärungen zu offenbaren, daß man vor weiteren Provisionszahlungen
zunächst die Geschäftspraktiken der Agentur weiter untersuchen wolle, ein Vorgehen, durch das den Adressaten stillschweigend ein unzutreffender Sachverhalt vorgespiegelt wurde. In Wirklichkeit gingen die Vertreter der Klägerin offenbar bereits damals davon aus, daß es sich um ein unzulässiges "Schneeballsystem" handle.
Jedenfalls hätten die Vertreter der Klägerin auf der Grundlage des Geschehens , das der Revisionsentscheidung zugrunde zu legen ist, nicht einfach schweigen dürfen. Eine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die für dessen Entscheidung von Bedeutung sein können, besteht zwar nicht allgemein (BGH, Urteil vom 13. Juli 1983 - VIII ZR 142/82, ZIP 1983, 1073, 1075; vom 15. April 1997 - IX ZR 112/96, WM 1997, 1045, 1047), wohl aber dann, wenn er eine solche Mitteilung aufgrund der konkreten Gegebenheiten nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (BGH, Urteil vom 2. März 1979 - V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; vom 13. Dezember 1990 - III ZR 333/89, WM 1991, 604, 606). Das war hier entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung der Fall. R. B. gab die auf den eigenen Ä ußerungen der Vertreter der Klägerin beruhende Erwartung, es werde "Geld fließen", nicht nur mit ihrem Wissen , sondern sogar in ihrer Gegenwart an die Mitarbeiter der Agentur weiter. Die Vertreter der Klägerin durften unter diesen Umständen nicht schweigen, sondern waren verpflichtet, die Mitarbeiter, für die bei Übernahme der Bürgschaften jene Erwartung offensichtlich von entscheidender Bedeutung war, darüber aufzuklären, daß sie bei der Abgabe der Bürgschaftserklärungen von einer falschen Voraussetzung ausgingen.
2. Da somit für die Revisionsinstanz davon auszugehen ist, daß die Voraussetzungen für eine arglistige Täuschung gegeben sind, und die Anfech-
tungsfrist des § 124 BGB durch das Anfechtungsschreiben des Beklagten vom 15. März 1995 gewahrt ist, kommt es nicht darauf an, daß, worauf die Revision hinweist, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Pflicht zur Rückgängigmachung des Bürgschaftsvertrags auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1997 - V ZR 29/96, WM 1997, 2309, 2311 m.w.N.) in Betracht zu ziehen ist. Ebensowenig ist es jedenfalls in der Revisionsinstanz entscheidungserheblich , daß - auch darauf weist die Revision zutreffend hin - auf dieser Rechtsgrundlage die Inhaberin der Agentur, wenn das von ihr abgegebene Schuldanerkenntnis auf Täuschung beruhen sollte, ihrerseits ein nicht durch Fristablauf verlorengegangenes Recht hätte, sich von dem Anerkenntnis zu lösen. Darauf könnte sich der Kläger als Bürge nach den §§ 767 Abs. 1, 768 Abs. 1 BGB berufen. Gegebenenfalls wird zu prüfen sein, ob die formularmäßige Klausel, mit der die Bürgschaft als solche auf erstes Anfordern ausgestaltet ist, wirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - IX ZR 297/95, WM 1997, 656, 658; vom 2. April 1998 - IX ZR 79/97, ZIP 1998, 905, 906).

III.


Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit - nach Wiederholung der Beweisaufnahme - eine rechtlich einwandfreie Beweiswürdigung vorgenommen werden kann. Der Senat macht dabei von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Kreft Stodolkowitz Zugehör Ganter Raebel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
XII ZR 279/97 Verkündet am:
16. Februar 2000
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Rechtsposition eines Mieters, der ein Ladenlokal in einem erst zu erstellenden
Einkaufszentrum gemietet hat, wenn dieses nach der Eröffnung nicht in der erwarteten
Weise von den Kunden angenommen wird.
BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 - OLG Naumburg
LG Halle
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick und Weber-Monecke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. Oktober 1997 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin eines Einkaufszentrums "C. -C. " in der Innenstadt von H. . Sie bot dem Beklagten über die I. C. M. GmbH (ICM) - unter Vorlage von Grundrißzeichnungen und eines Standortprospekts - Geschäftsräume in dem damals erst noch zu erstellenden C. -C. an. Der Prospekt enthielt unter anderem folgende Angaben:
"... An den Bahnhof angrenzend, am R. platz, beginnt H. 's Fußgängerzone - die L. Straße. Vom Tunnelausgang L. Straße mit Läden und überdachten Verbindungen und über die R. straße führt der direkte Weg in das neue C. -C. . ... ein attraktiver Standort und ein starkes Konzept, das den Erfolg des C. - C. garantiert." Durch Vertrag vom 28. Juni 1994 mietete der Beklagte ein Ladengeschäft mit einer Grundfläche von ca. 35 qm im Passagenbereich des Geschäftszentrums zum Betrieb eines Fachgeschäfts für Wäsche und Dessous. Das Mietverhältnis sollte mit der Übergabe des Objekts, voraussichtlich im November 1995, beginnen und war zunächst auf die Dauer von 10 Jahren abgeschlossen. Der Mietzins sollte monatlich 2.100 DM zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung und Mehrwertsteuer betragen. Als Mietsicherheit hatte der Beklagte vor Übergabe der Mieträume eine Kaution von 8.100 DM zu leisten. Der Mietvertrag enthielt unter anderem nähere Regelungen über die Nutzung der Mieträume, die Betriebspflicht, die Ladenöffnungszeiten und die Verpflichtung des Mieters, einer zu gründenden Werbegemeinschaft anzugehören, sowie über die Aufgaben des Vermieters, unter anderem hinsichtlich der "Organisation eines objektbezogenen Center-Managements", wodurch "die Voraussetzungen und Grundlagen für den wirtschaftlichen Erfolg des Objekts geschaffen und gefördert werden" sollten. Am 15. Oktober 1995 schlossen sich die damaligen Mieter zu einer Interessengemeinschaft zusammen, die gegenüber der Klägerin beanstandete, daß bislang nur 50 % der Läden auf 2/3 der Gesamtfläche vermietet seien. Daraufhin halbierte die Klägerin den jeweils vereinbarten Mietzins. Am 23. Oktober 1995 erhielt der Beklagte die gemieteten Räume übergeben. Die vereinbarte Kaution zahlte er nicht. In der Folgezeit geriet er in wirtschaftliche Schwierigkeiten, die er darauf zurückführte, daß die Klägerin
Zusagen unter anderem über die günstige Verkehrsanbindung sowie über die (Voll-) Belegung des C. -C. nicht eingehalten habe mit der Folge, daß dieses von den Kunden nicht angenommen worden sei. Mit Schreiben vom 7. Februar 1996 erklärte der Beklagte die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses, hilfsweise verlangte er die sofortige Auflösung des Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bzw. wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses. Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Sie hat den Beklagten mit der Klage auf Zahlung der vertraglich vereinbarten Mietkaution in Höhe von 8.100 DM in Anspruch genommen. Der Beklagte hat im Wege der Widerklage die Feststellung begehrt, daß das Mietverhältnis durch die von ihm erklärte fristlose Kündigung beendet sei. Er hat behauptet, die Klägerin habe ihm bei der Anmietung des Objekts umfangreiche Zusicherungen gemacht über die günstige Erreichbarkeit des Einkaufszentrums, das Vorhandensein einer erheblichen Anzahl von Parkplätzen und die Vollvermietung desC. -C. einschließlich der Belegung mit einem Lebensmittelmarkt. Damit habe die Klägerin - und zwar bereits in ihrem Prospekt - die Garantie für das Gesamtkonzept und für den Erfolg des Einkaufszentrums übernommen, der indessen nicht eingetreten sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es hat die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses verneint, da dem Beklagten kein Kündigungsgrund zur Seite gestanden habe. Der Mietvertrag enthalte keine besonderen Zusicherungen der Klägerin. Das von ihr erstellte Exposései unverbindlich gewesen. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage sei ebenfalls nicht anzunehmen.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 1997 eine Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung durchgeführt und sodann - im Hinblick auf eine noch ausstehende schriftliche Zeugenaussage - im Einverständnis der Parteien das schriftliche Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 11. August 1997 (später verlängert bis zum 14. August 1997) und Verkündungstermin am 28. August 1997 (später verlegt auf den 9. Oktober 1997) angeordnet. Durch Urteil vom 9. Oktober 1997 hat das Oberlandesgericht unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die Klage abgewiesen und auf die Widerklage festgestellt, daß der Mietvertrag zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 7. Februar 1996 beendet sei. Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit der Revision, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:

A

Da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Bekanntgabe des Termins nicht vertreten war, ist über die Revision antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81).

B

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

I.

Die Revision erhebt zunächst eine Verfahrensrüge im Zusammenhang mit der Anordnung des schriftlichen Verfahrens durch das Berufungsgericht. Sie macht dazu geltend: Das Oberlandesgericht habe nicht dargelegt, inwieweit der Prozeß nicht auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif gewesen sei. Durch die Anordnung des schriftlichen Verfahrens und die Verkündung des Berufungsurteils am 9. Oktober 1997 - auf die Verhandlung vom 23. Juni 1997 - sei die Dreiwochenfrist des § 310 Abs. 1 ZPO erheblich überschritten worden. Hierauf könne das angefochtene Urteil beruhen , da der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme berührt sei. Diese Rüge hat keinen Erfolg. Die Anordnung des schriftlichen Verfahrens war durch den Umstand bedingt, daß die schriftliche Aussage des Zeugen H. noch ausstand. Aus diesem Grund haben sich beide Parteivertreter ausdrücklich mit dem schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Die Überschreitung der Dreiwochenfrist - im schriftlichen Verfahren allerdings zu bemessen vom Ende der eingeräumten Schriftsatzfrist bis zur Urteilsverkündung -, die aus dienstlichen Gründen, zunächst zum Zwecke einer Nachberatung , erfolgte, hält sich noch in dem Rahmen, den § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorgibt (vgl. BVerfG Beschluß vom 5. Juni 1992 - 2 BvR 1307/91 = NJW-RR 1993, 253).

II.

Die Revision greift auch die materiell-rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts als fehlerhaft an. 1. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, der vertraglich vereinbarte Anspruch der Klägerin auf die Kautionszahlung sei infolge wirksamer fristloser Kündigung des Mietvertrages durch den Beklagten erloschen. Die fristlose Kündigung sei berechtigt gewesen, da dem Beklagten der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache nicht gewährt worden sei, §§ 542, 537 BGB. Hierzu hat das Gericht im einzelnen ausgeführt: Der gemietete Laden habe mehrere Mängel aufgewiesen, die seine Tauglichkeit für den vorgesehenen Zweck entscheidend beeinträchtigt hätten. Das gesamte C. -C. und damit auch das Geschäftslokal des Beklagten sei für Fußgänger aus dem Innenstadtbereich nicht in so bequemer Weise zu erreichen gewesen, daß Kunden auch bei schlechtem Wetter angezogen worden seien. Von dem Fußgängerbereich der L. Straße habe kein überdachter Weg zum C. -C. geführt. Das sei dem Beklagten aber bei der Anmietung zugesagt worden. Hierfür spreche schon der Wortlaut des Standort-Prospekts der den Mietern ausgehändigt worden sei. Außerdem hätten auch die Zeugen B. (B.) und K. (K.) - ebenfalls Mieter im C. - -C. - bekundet, ihnen sei zugesichert worden, man werde das C. - -C. vom Bahnhof trockenen Fußes erreichen können. Diesen Bekundungen sei entgegen den Aussagen der auf der Vermieterseite an den Mietverhandlungen beteiligten Zeugen C. (C.) und G. -S. (G.-S.) zu fol-
gen. Das Fehlen einer Überdachung für die Fußgänger sei ein die Erreichbarkeit des C. -C. betreffender Mangel. Ein weiterer Mangel der Mietsache liege darin, daß am C. -C. weniger als 200 Parkplätze für Mieter und Kunden zur Verfügung ständen, obwohl 600 bis 1200 Parkplätze zugesagt worden seien, wie sich ebenfalls aus den Bekundungen der Zeugen B. und K. ergebe. Ferner sei nach den Aussagen B. und K. das Vorhandensein eines Lebensmittelmarktes mit Vollsortiment unter Beteiligung bekannter Firmen zugesichert worden. Auch das sei ein Umstand, der Kunden anziehen könne. Eingehalten worden sei die Zusicherung jedoch nicht. Schließlich sei nach der Aussage K. zugesichert worden, das Zentrum sei voll vermietet, wodurch eine werbewirksame Anziehung von Kunden zu erwarten gewesen sei. Auch diese Zusicherung sei nicht eingehalten worden. Die Gesamtwürdigung der genannten Umstände führe zu dem Ergebnis, daß ein schwerwiegender Mangel des Mietobjekts im Sinne von § 537 BGB anzunehmen sei. Dieser habe die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Wenn auch der Mieter eines Ladenlokals das Risiko für die Verwertbarkeit des Mietobjekts und die Ertragslage seines Geschäfts selbst zu tragen habe , dürfe er doch darauf vertrauen, daß die objektiven Gegebenheiten, die die Erreichbarkeit der Geschäfte und die generelle Werbewirksamkeit eines Einkaufszentrums beträfen, in der zugesicherten Weise vorhanden seien. Nur auf dieser Grundlage könne er seine Entscheidung, ob er das Geschäftsrisiko an diesem Ort eingehen wolle, sachgerecht abwägen. Wenn ihm Umstände als besonders werbewirksam dargestellt worden seien, dürfe er darauf vertrauen, daß er sich in einem entsprechenden Umfeld einmiete. Wenn sodann mehrere dieser Umstände nachhaltig ausfielen, liege eine erhebliche Hinderung im Gebrauch vor (§ 542 Abs. 2 BGB).
Eine Frist zur Beseitigung der Mängel habe der Beklagte gemäß § 542 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht zu bestimmen brauchen; denn es sei aufgrund der Haltung der Klägerin nicht damit zu rechnen gewesen, daß die Mängel innerhalb zumutbarer Frist behoben werden könnten. So habe die Klägerin durch ihr weiteres Verhalten zu erkennen gegeben, daß sie weitere bauliche Investitionen - insbesondere Schaffung eines überdachten Fußgängerweges und von Parkplätzen - nicht plane. 2. Diese Ausführungen halten, wie die Revision zu Recht geltend macht, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Kündigungsrecht nach § 542 BGB setzt voraus, daß die Mietsache mit einem Fehler im Sinne des § 537 Abs. 1 BGB behaftet ist, oder daß ihr eine besonders zugesicherte Eigenschaft (§ 537 Abs. 2 BGB) fehlt (vgl. Gerber/ Eckert, Gewerbliches Miet- und Pachtrecht 3. Aufl., Rdn. 116).
a) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht und mit nicht zutreffender Begründung das Vorliegen eines Mangels des von dem Beklagten gemieteten Geschäftslokals bejaht. Unter einem Mangel im Sinne von § 537 Abs. 1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache von dem vertraglich geschuldeten Zustand zu verstehen (vgl. BGH Urteil vom 26. September 1990 - VIII ZR 205/89 = BGHR BGB § 537 Abs. 1 Fehler 1 m.w.N.; Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete , 3. Aufl. III B Rdn. 1328 ff; Gerber/Eckert aaO Rdn. 117), wobei sowohl tatsächliche Umstände als auch rechtliche Verhältnisse in bezug auf die Mietsache als Fehler in Betracht kommen können (st.Rspr. vgl. etwa BGH Urteil vom 1. Juli 1981 - VIII ZR 192/80 = NJW 1981, 2405; Senatsurteil vom 11. Dezember 1991 - XII ZR 63/90 = WM 1992, 583, 585, jeweils m.N.). So können bestimmte äußere Einflüsse oder Umstände - etwa die Behinderung
des beschwerdefreien Zugangs zu einem gemieteten Geschäftslokal - einen Fehler des Mietobjekts begründen (vgl. BGH aaO NJW 1981, 2405; Wolf/ Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 7. Aufl. Rdn. 235 ff). Erforderlich ist allerdings, um Ausuferungen des Fehlerbegriffs zu vermeiden, stets eine unmittelbare Beeinträchtigung der Tauglichkeit bzw. eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache (vgl. BGH aaO NJW 1981, 2405 m.N.; Kraemer in Bub/Treier aaO III B Rdn. 1342; auch Staudinger/Emmerich BGB 13. Bearb. Vorbem. zu § 537 Rdn 32), wohingegen Umstände, die die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren, nicht als Mängel zu qualifizieren sind (Wolf/Eckert aaO Rdn. 243). In diesem Sinn scheiden die Umstände, die das Berufungsgericht zur Begründung der allgemeinen Werbewirksamkeit des Einkaufszentrums hervorgehoben hat, von vornherein als Fehler des gemieteten Ladenlokals im Sinne von § 537 Abs. 1 BGB aus. Sowohl das Vorhandensein eines überdachten Zuweges vom Hauptbahnhof zu demC. -C. als auch der Bestand von Parkplätzen in ausreichender Anzahl in der Nähe des Einkaufszentrums sind zwar Umstände, die für die Attraktivität des Einkaufszentrums in der Innenstadtlage von - sogar erheblicher - Bedeutung sein dürften. Sie führen jedoch nicht zu einer unmittelbaren Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit des von dem Beklagten gemieteten Geschäftslokals für Wäsche und Dessous (vgl. BGH aaO NJW 1981, 2405, 2406). Ein Geschäft dieser Art ist auch ohne überdachten Zuweg - grundsätzlich beschwerdefrei und ungehindert - zu erreichen, und zwar auch unabhängig davon, ob ein Kunde, je nach Tageszeit, einen Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Einkaufszentrums oder an entfernterer Stelle findet. Bei einem Geschäft, zu und von dem die Kunden typischerweise
schwerere Lasten zu transportieren haben (wie etwa bei einem Getränkemarkt ), kann das anders sein. Soweit der Beklagte seine fristlose Kündigung darauf gestützt hat, daß das Einkaufszentrum im Zeitpunkt der Eröffnung - und auch später - nicht vollständig vermietet und daß entgegen den Planungen kein Lebensmittelmarkt vorhanden gewesen sei, begründen auch diese Umstände keinen Fehler des Mietobjekts im Sinne von § 537 Abs. 1 BGB. Denn auch sie stellen keine - unmittelbare - Beeinträchtigung der Tauglichkeit der gemieteten Räume zu dem vertraglich vereinbarten Zweck als Geschäftslokal für Wäsche und Dessous dar. Die Möglichkeit, an dem von anderen Geschäften in einem Einkaufszentrum angezogenen Kundenstrom zu partizipieren, kann sich zwar - mittelbar - auf den zu erwartenden Umsatz und damit auf den wirtschaftlichen Erfolg des einzelnen Geschäfts auswirken. Insoweit steht jedoch, wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, nicht die Gebrauchstauglichkeit des Mietobjekts in Frage, sondern das allgemeine unternehmerische Verwendungsund Gewinnerzielungsrisiko, das grundsätzlich bei dem Mieter und nicht bei dem Vermieter liegt (allgemeine Meinung, vgl. nur BGH aaO NJW 1981, 2405 f; Kraemer in Bub/Treier aaO III B Rdn. 1342; Wolf/Eckert aaO Rdn. 168).
b) Das Berufungsgericht hat mehrfach darauf abgehoben, daß die Klägerin bestimmte Zusicherungen bzw. Zusagen erteilt habe, die nicht eingehalten worden seien, und es ist sodann in einer "Gesamtwürdigung der aufgeführten Umstände" zu dem Ergebnis gelangt, daß "ein schwerwiegender Mangel im Sinne des § 537 BGB" vorliege. Diesen Ausführungen ist nicht mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, ob das Oberlandesgericht hiermit das Fehlen zugesicherter Eigenschaften des Mietobjekts im Sinne von § 537 Abs. 2 Satz 1 BGB bejahen wollte.
Sollte das der Fall sein, so hält auch diese Annahme der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Denn die von dem Beklagten geltend gemachten Umstände stellen - schon - keine zusicherungsfähigen Eigenschaften des hier streitigen Mietobjekts im Sinne von § 537 Abs. 2 Satz 1 BGB dar; im übrigen fehlt es auch an der schlüssigen Behauptung einer "zugesicherten" Eigenschaft im Sinne der Vorschrift. Als Eigenschaften im Sinne von § 537 Abs. 2 Satz 1 BGB kommen - entsprechend der Regelung in § 459 Abs. 2 BGB (vgl. Staudinger/Emmerich BGB 13. Bearb. § 537 Rdn. 58; Kraemer in Bub/Treier aaO III B Rdn. 1357; RG, Urteil vom 12. November 1936 - IV 148/36 = JW 1937, 675) - neben der physischen Beschaffenheit die tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen des Mietgegenstandes zu seiner Umwelt in Betracht, die für die Brauchbarkeit und den Wert des Mietobjekts von Bedeutung sind. Diese Beziehungen müssen jedoch ihren Grund in der Beschaffenheit des Mietobjekts selbst haben, von ihm ausgehen, ihm auch für eine gewisse Dauer anhaften und nicht lediglich durch Heranziehung von Umständen in Erscheinung treten, die außerhalb der Mietsache liegen (vgl. BGHZ 111, 75, 78; 79, 183, 185; 114, 263, 266 jeweils m.w.N.). Nach diesem Maßstab scheiden hier zunächst der - überdachte - Zugang vom Hauptbahnhof zu dem Einkaufszentrum, in welchem sich das gemietete Ladenlokal des Beklagten befindet, und das Vorhandensein von zugesagten 600 bis 1200 (statt ca. 200) Parkplätzen im Umfeld des Einkaufszentrums als zusicherungsfähige Eigenschaften der Mietsache selbst aus. Sie haben mit der Beschaffenheit des gemieteten Ladenlokals nichts zu tun. Aber auch eine (augenblickliche) Vollbelegung (Vollvermietung) des C. - C. , unter anderem mit einem für die Anziehung von Kunden gegebenen-
falls wichtigen Lebensmittelmarkt, stellt keine Eigenschaft des einzelnen in dem Einkaufszentrum gemieteten Ladenlokals dar. Zwar wird die Vollvermietung eines Einkaufszentrums für den Mieter des einzelnen Ladenlokals regelmäßig von erheblicher Bedeutung sein. Gleichwohl stellt sie keinen Umstand dar, der dem Mietobjekt - auf Dauer - als "Eigenschaft" anhaftet. Denn auch insoweit fehlt es an dem notwendigen Bezug zu der Beschaffenheit des Mietobjekts , in der die Bedeutung und die Auswirkungen der "Umweltbeziehungen" auf die Mietsache ihren Grund haben müßten. So kann zwar die örtliche Lage eines gemieteten Ladenlokals als Beschaffenheitsmerkmal, d.h. als tatsächliche Beziehung der Mietsache zu ihrer Umgebung, eine zusicherungsfähige Eigenschaft gemäß § 537 Abs. 2 Satz 1 BGB sein, etwa in dem Sinn, daß die Lage in einer Fußgängerzone im Innenstadtbereich, in einem bestehenden Neubaugebiet oder auch in einem Einkaufszentrum in der Innenstadt oder einem außerörtlichen Gewerbegebiet als Eigenschaft zugesichert wird. Ob und in welchem Umfang potentielle Kunden die Fußgängerzone besuchen, die Geschäfte in dem Neubaugebiet aufsuchen, und/oder durch die Attraktivität des - teil- oder vollbelegten - Einkaufszentrums angezogen werden und damit letztlich zu einem wirtschaftlichen Erfolg des Gewerbes in dem gemieteten Ladenlokal beitragen, beurteilt sich hingegen aufgrund von Umständen, die außerhalb des Mietobjekts liegen (vgl. BGHZ 111 aaO) und ihre Ursache nicht in seiner Beschaffenheit haben. Abgesehen davon, daß die von dem Beklagten geltend gemachten Umstände hiernach bereits die Voraussetzungen einer zusicherungsfähigen Eigenschaft im Sinne von § 537 Abs. 2 BGB nicht erfüllen, fehlt es nach dem eigenen Vortrag des Beklagten auch an dem Merkmal der Zusicherung im Sinne von § 537 Abs. 2 BGB. Dazu müßte die Klägerin durch ihre mit den Vertragsverhandlungen betrauten Mitarbeiter über allgemeine Anpreisungen und Be-
schreibungen der Mietsache hinaus vertragsmäßig bindend erklärt haben, die Gewähr für das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften zu übernehmen und für alle Folgen ihres Fehlens eintreten zu wollen (vgl. Wolf/Eckert aaO Rdn. 221; Kraemer in Bub/Treier aaO III B Rdn. 1355; BGHZ 132, 55, 58 zu § 459 Abs. 2 BGB). Eine derartige Zusicherung durch die Klägerin hat der Beklagte nicht (schlüssig) behauptet. Sein allgemeingehaltener Vortrag, die Klägerin habe die Vollvermietung des Einkaufszentrums, das Vorhandensein eines überdachten Zugangs vom Hauptbahnhof zu dem Zentrum und die Erstellung von mehr als 600 Parkplätzen "zugesagt" bzw. "zugesichert", erfüllt die Voraussetzungen des § 537 Abs. 2 BGB nicht. Soweit sich der Beklagte hinsichtlich des überdachten Zugangs auf den Prospekt der Klägerin bezieht, ist diesem schon nach seinem Wortlaut eine entsprechende Aussage nicht zu entnehmen.
c) Da das von dem Beklagten gemietete Geschäftslokal nach den vorstehenden Ausführungen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit einem die Gebrauchstauglichkeit mindernden Fehler behaftet war (§ 537 Abs. 1 BGB) und ihm auch keine zugesicherte Eigenschaft fehlte (§ 537 Abs. 2 BGB), kann das angefochtene Urteil mit der gegebenen Begründung nicht bestehenbleiben. 3. Es kann auch nicht mit anderer Begründung gehalten werden (§ 563 ZPO).
a) Der Beklagte hat in seinem Schreiben vom 7. Februar 1996, mit dem er die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärte, hilfsweise die Auflösung des Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage verlangt.

b) Auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt war er indessen nicht zur vorzeitigen Kündigung des Mietvertrages berechtigt. Zwar können die Grundsätze über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. dazu nur Palandt/Heinrichs BGB 59. Aufl. § 242 Rdn. 113 m.w.N.) dann eingreifen, wenn und soweit der Anwendungsbereich der Gewährleistungsvorschriften nach §§ 537 ff. BGB nicht betroffen ist (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1991 aaO m.w.N.). Fehlt oder entfällt die Geschäftsgrundlage , so führt dies im Regelfall zur Notwendigkeit der Anpassung des Vertrages an die veränderten Umstände. Ist eine Anpassung im Einzelfall nicht möglich oder unzumutbar, so kann ausnahmsweise eine Auflösung des Vertrages verlangt werden (vgl. BGH Urteil vom 26. Oktober 1984 - V ZR 140/83 = WM 1985, 32, 33/34 m.w.N.). Die Auflösung tritt allerdings nicht automatisch als Folge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein, sondern wird durch entsprechende Gestaltungserklärung - beim Mietvertrag in der Regel durch eine für die Zukunft wirkende Kündigungserklärung - herbeigeführt (vgl. BGHZ 101, 143, 150 m.w.N.; Bub in Bub/Treier aaO II Rdn. 651). Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage - hier etwa der dem Vermieter bei Vertragsschluß erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellung und Erwartung des Mieters, in dem gemieteten Ladengeschäft aufgrund einer positiven Entwicklung des angeblich bereits voll vermieteten und bequem erreichbaren Einkaufszentrums Gewinne zu erzielen - ist allerdings grundsätzlich insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen (vgl. BGHZ 74, 370, 373 m.w.N.). Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für den Betroffenen - abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvor-
hergesehene Entwicklung mit unter Umständen existentiell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt (vgl. etwa Senatsurteil vom 13. Dezember 1995 - XII ZR 185/93 = BGHR BGB § 242 Geschäftsgrundlage 54) - regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (vgl. Staudinger/Emmerich aaO Vorbemerkung zu § 537 Rdn. 31 ff.). Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen sich die Anfangsschwierigkeiten , die typischerweise mit einer Existenzgründung oder der Eröffnung eines neuen Ladenlokals verbunden sind, für den Mieter wirtschaftlich negativ auswirken. Aus diesem Grund stand dem Beklagten im vorliegenden Fall kein Recht zur vorzeitigen Beendigung bzw. Kündigung des Mietvertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 242 BGB zu. aa) Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache (BGH aaO NJW 1981, 2405, 2406 m.w.N.; Gerber/Eckert aaO Rdn. 128; Schmidt-Futterer/Eisenschmid , Mietrecht, 7. Aufl. §§ 535, 536 Rdn. 174). Dazu gehört bei der gewerblichen Miete vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich diese Erwartung des Mieters nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters, das dieser nicht auf den Vermieter verlagern kann. bb) Diese im Gewerberaummietrecht angelegte Risikoverteilung ändert sich nicht dadurch, daß das vermietete Geschäft in einem Einkaufszentrum liegt und nicht nur der Mieter, sondern auch der Vermieter erwartet, die notwendige geschäftsbelebende Funktion des Einkaufszentrums werde verwirklicht werden können (BGH aaO NJW 1981, 2406; OLG Koblenz NJW-RR 1989, 400, 401; OLG Düsseldorf BB 1991, 159, 160; OLG München ZMR 1996, 256,
257; teilweise anderer Ansicht für ein projektiertes Einkaufszentrum: OLG Celle NJW 1978, 2510, 2511; allgemein zur Risikoverteilung: BGH Urteil vom 20. Mai 1970 - VIII ZR 197/68 = WM 1970, 907, 908 f.). Wie auch in anderen Geschäftslagen fällt es in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäftes in der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfaßt bei einem erst geplanten Einkaufszentrum neben der Chance, in einem später florierenden Zentrum erhöhte Gewinne zu erzielen, auch das Risiko eines Scheiterns des Gesamtobjekts mit entsprechenden negativen Folgen für das gemietete Einzelgeschäft (vgl. BGH aaO NJW 1981, 2406). Allein der Umstand, daß auch der Vermieter von einem wirtschaftlichen Erfolg des Projekts ausgeht, verlagert das Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko für das einzelne gemietete Geschäft in dem Einkaufszentrum nicht von dem Mieter auf den Vermieter. cc) Die Parteien können allerdings die Risikoverteilung vertraglich ändern und vereinbaren, daß der Vermieter das Geschäftsrisiko des Mieters - ganz oder zum Teil - übernimmt. Ob das der Fall ist, ist durch Auslegung der getroffenen Vertragsvereinbarungen zu ermitteln. Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, eine Auslegung des Mietvertrages vom 28. Juni 1994 unter diesem Gesichtspunkt nicht vorgenommen. Da weitere Feststellungen insoweit jedoch nicht zu erwarten sind, kann der erkennende Senat den Vertrag selbst auslegen (vgl. BGH Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96 = NJW 1998, 1219 m.w.N.). Hierbei ergibt sich, daß der Vertragsinhalt nicht die Annahme rechtfertigt, die Parteien hätten eine Verlagerung des unternehmerischen Geschäftsrisikos von dem Mieter auf den Vermieter vereinbart. Dafür reicht es nicht aus, daß der Mieter in einem projektierten Einkaufszentrum einzelne zusätzliche Vertrags-
pflichten "im Gesamtinteresse" aller Mieter des Zentrums übernommen hat (insoweit teilweise anderer Ansicht OLG Koblenz aaO S. 401). Der Vertrag muß vielmehr konkrete Anhaltspunkte für eine Risikoübernahme durch den Vermieter enthalten. Dabei kann es sich um Vereinbarungen handeln, die den Mieter in seinen unternehmerischen Entscheidungen über das übliche Maß hinaus einschränken, sein Geschäft nach dem äußeren Erscheinungsbild zu einem eingefügten Teil einer Anlage werden lassen (vgl. dazu Sonnenschein EWiR 1987, 1174, Anmerkung zu LG Duisburg 12 O 197/96 oder etwa dem Vermieter das Risiko einer Betriebsunterbrechung auch dann auferlegen, wenn nicht das vermietete Geschäft, sondern nur ein anderer Teil der Anlage dem Publikumsverkehr nicht mehr zugänglich ist (OLG Koblenz aaO S. 402). Solche Vereinbarungen sind dem hier streitigen Vertrag nicht zu entnehmen. Die in den einzelnen Vertragsvorschriften enthaltenen, für Einkaufszentren nicht ungewöhnlichen Regelungen - wie etwa: Beschränkung des Sortiments, Betriebspflicht während der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten, Pflichtmitgliedschaft in der Werbegemeinschaft, Verpflichtung zur Zahlung von Nebenkosten für die Gesamtanlage und zur Mitteilung der Umsätze - führen allein nicht zu einer Verlagerung des unternehmerischen Risikos auf den Vermieter. Die Festlegung des Mietzweckes, hier zum Betrieb eines Geschäftes für Wäsche und Dessous (§ 1 Nr. 4), ist in einem Mietvertrag über Gewerberäume üblich. Soweit nach § 2 Nr. 1 des Vertrages jede Ä nderung des Betriebszwecks und die Übernahme branchenfremder Artikel der Zustimmung des Vermieters bedürfen und die Gestaltung des Sortiments und des Geschäftsbetriebes so erfolgen muß, daß keine Überschneidung mit dem Sortiment eines anderen Geschäfts besteht (§ 2 Nr. 3), handelt es sich zwar um einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit des Mieters; dieser korrespondiert jedoch mit dem festgelegten Vertragszweck und schützt umgekehrt auch den Mieter vor der Konkurrenz durch andere Ge-
schäfte in dem Einkaufszentrum. Hingegen betrifft die Pflicht, die Ladenöffnungszeiten "maximal auszuschöpfen" und für Beleuchtung zu sorgen (§ 2 Nr. 2), in erster Linie das Gesamtinteresse. Ä hnliches gilt für die Nebenkosten, die für die Gesamtanlage zu zahlen sind, insbesondere die Kosten des Hauspersonals und zwar auch insoweit, als von diesem Leistungen für Instandhaltung und Hausverwaltung erbracht werden (§ 7 Nr. 1 Buchst. l), sowie - neben anderem - die Kosten für den Betrieb und die Wartung der Klimaanlage, für die Pflege der Außenanlagen, für die Instandhaltung und Instandsetzung der Gemeinschaftseinrichtungen und -flächen, die Kosten des Center-Managements und die der zur kaufmännischen und technischen Betreuung des Objekts durch vom Vermieter eingesetzten Verwalter (§ 7). Derartige Kosten, die ein Mieter eines Geschäfts in Einzellage nicht zu zahlen hat, hat der Mieter des C. - C. z u dem Zweck übernommen, auf diese Weise für den erhofften wirtschaftlichen Erfolg seines Geschäfts von der Gesamtattraktivität des Einkaufszentrums zu profitieren. Damit läßt sich keine Verlagerung des einzelnen Unternehmerrisikos auf den Vermieter begründen. Ebenso wie ein Unternehmer in einer Einzelgeschäftslage möglicherweise, ohne dazu verpflichtet zu sein, in Außenanlagen in der Umgebung seines Geschäfts investiert, um die Lage attraktiver zu gestalten, steigert ein Mieter in einem Einkaufszentrum seine Umsatzchancen, indem er sich an den Kosten der Gesamtgestaltung des Zentrums beteiligt. Der Mieter erwirbt damit einen (durchsetzbaren) Anspruch gegen den Vermieter auf Verwendung der gezahlten Nebenkosten für die vorgesehene Gestaltung des Umfeldes innerhalb und außerhalb des Einkaufszentrums. Auf die Risikoverteilung für den Fall, daß das Zentrum vom Publikum dennoch nicht angenommen wird und die Kunden ausbleiben, hat dies jedoch keinen Einfluß.
Entscheidend ist insoweit vielmehr, ob der Vermieter durch die Begründung eines Gesamtkonzeptes, in das die einzelnen Mieter finanziell und mit Betriebspflichten vertraglich eingebunden werden, eine Gesamtverkaufsstrategie entwickelt, mit welcher er über die übliche Verwaltung und Koordinierung eines Einkaufszentrums hinaus ein eigenes unternehmerisches Risiko für alle Einzelgeschäfte übernimmt. Das kann äußerlich etwa durch einheitliche Gestaltung der Geschäfte und unternehmerisch durch ein Gesamtmanagement der Anlage geschehen. Hierfür bieten sich jedoch im vorliegenden Fall nach dem Inhalt des Mietvertrages vom 28. Juni 1994 keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Regelung des § 10 des Vertrages über das Center-Management und die Werbegemeinschaft rechtfertigt nicht die Annahme eines "Gesamtmanagements" mit Risikoübernahme durch die Klägerin in dem vorbeschriebenen Sinn. Zwar ist der Klägerin nach § 10 die "Organisation eines objektbezogenen Center-Managements" als Vermieteraufgabe zugewiesen. Insoweit sollte jedoch ersichtlich die - in erster Linie verwaltungstechnische - Organisation angesprochen sein und nicht zugleich die umfassende unternehmerische Verantwortung für die Vermarktungsstrategie übernommen werden, zumal die Werbung durch eine Werbegemeinschaft gestaltet werden sollte, deren Mitglieder alle Mieter sein sollten. Insoweit ist nach § 10 des Vertrages allenfalls die Aufgabe einer Koordinierung zwischen den einzelnen Mietern im Bereich der Werbung auf die Klägerin übertragen worden. Die in § 10 Abs. 5 des Vertrages geregelte Verpflichtung des Mieters, auf Anforderung des Vermieters Auskunft über seine Umsätze in den Mieträumen zu geben, begründet schließlich ebenfalls keine Verlagerung des Geschäftsrisikos auf den Vermieter. Dabei kann offen bleiben, ob bei regelmäßiger, beispielsweise vierteljährlicher Mitteilungspflicht im Zusammenhang mit anderen Umständen etwas anderes gelten könnte. Hier handelt es sich jedenfalls nicht um eine regelmäßige Verpflichtung
des Mieters, sondern nur um die dem Vermieter eingeräumte Möglichkeit, sich im Einzelfall einen Überblick über die Geschäftssituation zu verschaffen. Daraus kann nicht auf eine Verlagerung des Unternehmerrisikos auf den Vermieter geschlossen werden. Die in dem Mietvertrag getroffenen Vereinbarungen halten sich nach alledem sowohl einzeln betrachtet als auch bei einer Gesamtwürdigung insgesamt in dem üblichen Rahmen einer Regelung über die allgemeinen organisatorischen Grundlagen für ein Einkaufszentrum. Eine Verlagerung des typischerweise dem gewerblichen Mieter obliegenden Unternehmerrisikos auf den Vermieter ist ihnen nicht zu entnehmen. dd) Das unternehmerische Risiko kann im Einzelfall auch im Wege einer Garantiezusage bzw. Garantieerklärung - etwa auch für die Sicherstellung der dauerhaften oder jedenfalls langfristigen Vollvermietung (Vollbelegung) eines Einkaufszentrums - von dem Vermieter übernommen werden (vgl. allgemein BGB-RGRK/Ballhaus 12. Aufl. § 306 Rdn. 4) mit der Folge, daß bei Nichteintritt des garantierten Erfolges die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eingreifen können. Dafür, daß die Klägerin - durch ihre Mitarbeiter - eine derartige Garantieerklärung abgegeben hätte, bestehen allerdings im vorliegenden Fall nach dem Vortrag des Beklagten keine Anhaltspunkte. 4. a) Nachdem hiernach der Anwendungsbereich der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften nicht betroffen ist und auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage aus Rechtsgründen nicht zum Zuge kommen, kann dem Beklagten unter Umständen ein Anspruch wegen Verschuldens der Klägerin beim Vertragsschluß zustehen, der Grund für eine fristlose Kündigung - unter Heranziehung des § 554 a BGB - sein kann (vgl. Senatsurteil vom 16. April 1997 - XII ZR 103/95 = NJW E Mietrecht 1997, 150;
Reinstorf in Bub/ Treier aaO II Rdn. 205; BGHZ 111, 75, 82 m.w.N.). Der Anspruch wäre nicht durch die Sonderregelungen der §§ 537 ff. BGB ausgeschlossen, da diese, wie dargelegt, hier nicht eingreifen (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 1997 - XII ZR 192/95 - NJW 1997, 2813; BGH Urteil vom 28. November 1979 - VIII ZR 302/78 = NJW 1980, 777, 779 f.; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 7. Aufl. vor §§ 535, 536 BGB Rdn. 63). Der Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß setzt voraus, daß die Klägerin dem Beklagten (entweder vorsätzlich falsche Angaben über die Mietsache gemacht oder) unter Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht schuldhaft unzutreffende Informationen in Bezug auf das Mietobjekt erteilt hat, die keine zusicherungsfähigen Eigenschaften im Sinne von § 537 Abs. 2 BGB betreffen. Dem Vermieter obliegt grundsätzlich eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Mieter hinsichtlich derjenigen Umstände und Rechtsverhältnisse mit Bezug auf die Mietsache, die - für den Vermieter erkennbar - von besonderer Bedeutung für den Entschluß des Mieters zur Eingehung des Vertrages sind (vgl. Emmerich/Sonnenschein aaO vor §§ 535, 536 Rdn. 63; BGB-RGRK/Gelhaar 12. Aufl. vor § 535 Rdn. 127; Staudinger/ Emmerich aaO Vorbemerkung zu §§ 535, 536 Rdn. 172). Der Umfang der Aufklärungspflicht richtet sich nicht zuletzt nach der Person des Mieters, insbesondere nach dessen für den Vermieter erkennbarer Geschäftserfahrenheit oder Unerfahrenheit.
b) Das Berufungsgericht hat hierzu, von seinem Standpunkt aus konsequent , keine Feststellungen getroffen. Diese sind indessen für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich. So bedarf es tatrichterlicher Prüfung und Feststellung, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Mitarbeiter der Klägerin - über die allgemeine Anpreisung der erwarteten Attraktivität des C. - -C. , auch in dem Standortprospekt, hinaus - dem Beklagten kon-
krete Angaben über bestimmte tatsächliche Umstände, insbesondere etwa die angeblich bereits erfolgte "Vollvermietung" des Einkaufszentrums, gemacht und hierdurch, für sie erkennbar, seinen Entschluß zur Eingehung des Mietvertrages maßgeblich beeinflußt haben. Nur allgemeine, eher unverbindliche Angaben, wie sie das Berufungsgericht im Rahmen seiner Prüfung zu § 537 BGB bisher festgestellt hat, reichen hierfür allerdings nicht aus. Darüber hinaus muß ein etwaiges der Klägerin zuzurechnendes Verschulden ihrer Mitarbeiter tatrichterlich festgestellt werden. Zu diesem Zweck ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Blumenröhr Krohn Gerber Sprick Weber-Monecke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 63/04 Verkündet am:
15. November 2006
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Aufklärungspflicht des Vermieters von nicht haftpflichtversicherungspflichtigen
Baufahrzeugen, wenn für ihn erkennbar der Mieter damit auch am öffentlichen
Straßenverkehr teilnehmen will und diesem die versicherungsrechtliche
Situation unklar ist.
BGH, Urteil vom 15. November 2006 - XII ZR 63/04 - LG Mönchengladbach
AG Mönchengladbach
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß
§ 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 6. September 2006 am
15. November 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
Fuchs, Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 19. März 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend , die ihm von seinem Sohn abgetreten worden sind.
2
Der Sohn des Klägers, der Zeuge K., mietete am 18. Oktober 2001 von der Beklagten einen Radlader. Hierbei handelte es sich um eine selbst fahrende Arbeitsmaschine, der nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 a Straßenverkehrs-ZulassungsOrdnung kein amtliches Kennzeichen zugeteilt war. Außerdem war das Gerät nicht haftpflichtversichert und auch nicht haftpflichtversicherungspflichtig, da seine Höchstgeschwindigkeit 20 km/h nicht überstieg (§ 2 Nr. 6 b Pflichtversicherungsgesetz ). Mit dem Mietvertrag wurde eine Kaskoversicherung für die Maschine abgeschlossen. Der Sohn des Klägers verursachte, als er mit dem Radlader auf öffentlichen Straßen zu einer Baustelle fuhr, allein schuldhaft einen Verkehrsunfall. Er hat deswegen Schadensersatz an seinen Unfallgegner und die Kosten eines Vorprozesses in Höhe von insgesamt 4.314,36 € zahlen müssen. Diesen Betrag macht der Kläger aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte geltend. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

3
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
4
1. Das Landgericht meint eine Pflichtverletzung der Beklagten, auf die der Kläger seinen Anspruch stützen könnte, liege nicht vor:
5
a) Der Kläger habe nämlich seine Behauptung nicht bewiesen, der Zeuge V., der für die Beklagte tätig gewesen sei, habe auf die Nachfrage des Zeugen K. wahrheitswidrig erklärt, der Radlader sei haftpflichtversichert. Die dementsprechende Beweiswürdigung des Amtsgerichts sei nicht zu beanstanden.
6
b) Darüber hinaus habe das Amtsgericht zu Recht eine Verpflichtung der Beklagten verneint, ohne konkrete Nachfrage des Sohns des Klägers darauf hinzuweisen, dass der Radlader bei Benutzung im öffentlichen Straßenverkehr nicht haftpflichtversichert sei. Vielmehr habe der Sohn des Klägers als Inhaber einer gültigen Fahrerlaubnis selbst wissen müssen, dass er solche Schäden zunächst selbst zu ersetzen habe, die er Dritten - und sei es auch mit dem Radlader - schuldhaft zufüge, und zwar ganz unabhängig davon, ob dies im öffentlichen Straßenverkehr oder z.B. auf einer Baustelle geschehe. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, von sich aus auf das Fehlen einer Haftpflichtversicherung hinzuweisen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Sohn des Klägers nachgefragt habe, weshalb der Radlader kein Nummernschild aufweise. Vielmehr habe sich der Sohn des Klägers mit der Erklärung zufrieden gegeben, dass ein solches bei Fahrzeugen mit einer Maximalgeschwindigkeit von 20 km/h nicht erforderlich sei. Hätte der Sohn des Klägers wegen des Bestehens einer Haftpflichtversicherung weiteren Aufklärungsbedarf gehabt, wäre es seine Sache gewesen, den Mitarbeiter der Beklagten entsprechend zu befragen. Der Beklagten habe es somit nach Treu und Glauben nicht oblegen, umfassend über den Umfang des Versicherungsschutzes zu informieren. Deshalb könne ihr auch eine Vertragsverletzung wegen Unterlassung einer solchen Aufklärung nicht vorgeworfen werden.
7
2. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
8
Die Revision macht mit Erfolg geltend, das Berufungsurteil beruhe auf der Verkennung der Informations- und Aufklärungspflichten, die die Beklagte als Vermieterin fahrbarer Baumaschinen gegenüber ihren Kunden treffe.
9
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 2006 - XII ZR 50/04 - NJW 2006, 2618, 2619 m.N.) trifft den Vermieter grundsätzlich eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Mieter hinsichtlich derjenigen Umstände und Rechtsverhältnisse mit Bezug auf die Mietsache, die - für den Vermieter erkennbar - von besonderer Bedeutung für den Entschluss des Mieters zur Eingehung des Vertrages sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann. Das Bestehen der Aufklärungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Person des Mieters und dessen für den Vermieter erkennbare Geschäftserfahrenheit oder -unerfahrenheit. Allerdings ist der Vermieter nicht gehalten, dem Mieter das Vertragsrisiko abzunehmen und dessen Interessen wahrzunehmen. Der Mieter muss selbst prüfen und entscheiden, ob der beabsichtigte Vertrag für ihn von Vorteil ist oder nicht. Es ist seine Sache, sich umfassend zu informieren und zu klärungsbedürftigen Punkten in den Vertragsverhandlungen Fragen zu stellen.
10
Nach Maßgabe dieser Grundsätze musste die Beklagte den Sohn des Klägers im vorliegenden Fall nach Treu und Glauben darüber aufklären, dass der gemietete Radlader nicht haftpflichtversichert war.
11
Zwar wird der durchschnittliche Mieter von selbst fahrenden Baumaschinen diese öfters anmieten und aufgrund seiner Erfahrung mit den Gegebenheiten am Bau auch wissen, dass solche Maschinen auch im öffentlichen Straßenverkehr nicht pflichtversichert sind. Für den Zeugen V., der für die Beklagte handelte, war jedoch erkennbar, dass der Sohn des Klägers insoweit unerfahren war. Denn unstreitig fragte dieser beim Zeugen nach, weshalb die Maschine , obwohl er sie im Straßenverkehr führen wollte, kein amtliches Kennzeichen aufweise. Aus dieser Frage musste der Zeuge weiter schließen, dass dem Sohn des Klägers die versicherungsrechtliche Situation nicht bekannt und somit nicht bewusst war, welchen haftungsrechtlichen Risiken er sich aussetzte, wenn er mit dem Radlader am öffentlichen Straßenverkehr teilnehme. In einem solchen Fall aber gebieten es Treu und Glauben, dass der (wissende) Vermieter den (unwissenden) Mieter über die versicherungsrechtliche Situation aufklärt.
12
Dem Kläger steht daher aus abgetretenem Recht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus Verschulden bei Vertragsschluss (§ 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2, § 249 BGB) zu. Dabei ist davon auszugehen, dass sich der Sohn des Klägers, wenn er aufgeklärt worden wäre, "aufklärungsrichtig" verhalten (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 2006 aaO 2621) und somit den Radlader nicht ohne Haftpflichtversicherung im öffentlichen Straßenverkehr geführt hätte.
13
Der Senat kann jedoch in der Sache nicht selbst entscheiden. Denn vom Schadensersatzanspruch des Klägers sind gegebenenfalls die Kosten abzuziehen , die bei Abschluss einer Haftpflichtversicherung entstanden wären. Die Höhe dieser Kosten ist jedoch nicht dargelegt. Das Landgericht wird außerdem zu prüfen haben, ob der Kläger auch die Kosten des Vorprozesses ersetzt verlangen kann.
Hahne Wagenitz Fuchs Ahlt Vézina
Vorinstanzen:
AG Mönchengladbach, Entscheidung vom 29.04.2003 - 3 C 608/02 -
LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 19.03.2004 - 2 S 100/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 360/00 Verkündet am:
12. Juli 2001
Bürk,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur arglistigen Täuschung durch stillschweigendes Verhalten und durch
Unterlassen bei Abschluß eines Bürgschaftsvertrages.
BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00 - OLG Jena
LG Erfurt
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Stodolkowitz, Dr. Zugehör, Dr. Ganter und Raebel

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 27. April 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Agentur B., deren Inhaberin A. B. war, vermittelte für die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, den Abschluß von Versicherungsverträgen. Der Beklagte war für die Agentur tätig; ob er Abschlußvertreter war oder nur Büroarbeiten verrichtete, ist zwischen den Parteien streitig. Ende 1994/Anfang 1995 meinte die Klägerin festgestellt zu haben, daß die Prämien für abgeschlossene Lebensversicherungen nicht aus eigenen Mitteln der Versicherungsnehmer , sondern aus den bevorschußten Abschlußprovisionen aufge-
bracht worden seien. Sie stornierte sämtliche von der Agentur vermittelten Verträge und forderte die vorschußweise gezahlten Provisionen zurück. Am 26. Januar 1995 gaben A. B. und ihr geschiedener Ehemann R. B. der Klägerin gegenüber jeweils ein "abstraktes Schuldanerkenntnis" über 642.240,89 DM ab. Außerdem verlangte die Klägerin Mitverpflichtungserklärungen der Mitarbeiter der Agentur. Am 1. Februar 1995 gab der Beklagte - ebenso wie zahlreiche andere Mitarbeiter der Agentur - eine Erklärung ab, mit der er sich für alle gegenwärtigen und zukünftigen Verpflichtungen A. B.s aus ihrer "Tätigkeit oder aus sonstigem Rechtsgrund" gegenüber allen namentlich aufgeführten Gesellschaften , die damals zur "Versicherungsgruppe" der Klägerin gehörten, bis zu einem Höchstbetrag, der im Falle des Beklagten 98.323 DM betrug, selbstschuldnerisch und mit der Maßgabe verbürgte, daß er "auf erste schriftliche Anforderung" zu zahlen habe. Mit Schreiben vom 15. März 1995 focht der Beklagte die Bürgschaftserklärung mit der Begründung an, sie sei durch Täuschung und Drohung zustande gekommen.
Die Klägerin verlangt mit der Behauptung, die von der Agentur B. vermittelten Verträge seien nur zum Schein abgeschlossen worden und der Beklagte sei an der "Provisionsbeschaffung" beteiligt gewesen, von ihm die Zahlung der Bürgschaftssumme. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.

I.


Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten sei wirksam zustande gekommen.
1. Die Revision meint, der Bürgschaftsvertrag sei wegen Verstoßes gegen die §§ 3 und 9 AGBG insgesamt unwirksam. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Fragen nicht befaßt. Die Revisionsangriffe sind auf der Grundlage des vorgetragenen und festgestellten Sachverhalts nicht begründet.
Eine formularmäßige Erstreckung der Haftung des Bürgen auf alle bestehenden und künftigen Forderungen des Gläubigers - und, wie hier, noch dazu weiterer mit diesem verbundener Gesellschaften - ist zwar nach § 3 AGBG unwirksam, wenn die Bürgschaft lediglich im Hinblick auf eine bestimmte Verbindlichkeit übernommen worden ist; der Bürge braucht mit einer solchen Ausweitung seiner Verpflichtung nicht zu rechnen, wenn sie sich nicht aus dem Gang der zur Abgabe der Bürgschaftserklärung führenden Verhandlungen ergibt (BGHZ 130, 19, 24 f.). Ebenso verstößt eine weite, über den Anlaß der Verbürgung hinausgehende Zweckerklärung grundsätzlich gegen § 9 AGBG; das gilt, selbst bei einer Höchstbetragsbürgschaft, nicht nur für die Haftungserstreckung auf künftige, sondern auch auf bereits bestehende Ver-
bindlichkeiten (BGHZ 143, 95, 98 ff.). Die Unwirksamkeit der formularmäßigen globalen Zweckerklärung ändert indessen nichts daran, daß der Bürge für die Verbindlichkeit einzustehen hat, die Anlaß der Bürgschaftsübernahme war (BGHZ 143, 95, 102).
Die Revision, die das nicht verkennt, meint, an einem Anlaß für die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten fehle es insgesamt, weil er nach seiner Behauptung - mangels einer Tätigkeit als Versicherungsvertreter - keine noch nicht durch Prämienzahlungen "verdienten" Provisionen erhalten habe. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Anlaß für die Verbürgung waren die vermeintlichen, von der Klägerin auf mehr als 640.000 DM bezifferten Provisionsrückzahlungsansprüche ; das war dem Beklagten bekannt. Die interne Aufteilung dieser Summe auf die einzelnen Mitarbeiter der Agentur - der Zeuge B. will, wie er ausgesagt hat, "die Zahlen willkürlich gegriffen" haben - hat mit der Frage, was Anlaß der Bürgschaft war, nichts zu tun. Die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten erfaßte deshalb im Rahmen des festgesetzten Höchstbetrags eine etwaige Rückzahlungsverbindlichkeit A. B.s gegenüber der Klägerin unabhängig davon, was der Beklagte selbst davon erhalten hatte.
2. Die Revision wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrags im Sinne des § 138 BGB verneint hat. Sie verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , wonach ein Bürgschaftsvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, wenn der Bürge sich in einem Umfang verpflichtet, der seine gegenwärtigen und künftig zu erwartenden Vermögensverhältnisse übersteigt, und durch weitere , dem Gläubiger zurechenbare Umstände - insbesondere durch Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit - zusätzlich so erheblich belastet wird,
daß ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird (Urteil vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 36/98, WM 2000, 514, 516 m.w.N.). Der Beklagte hat indessen schon keine Einzelheiten zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme vorgetragen. Für die Klägerin bestand kein Anlaß, sich danach zu erkundigen; denn der Beklagte war aus ihrer Sicht einer von vielen Mitarbeitern, der von den Provisionsvorschüssen in dem intern festgelegten Umfang profitiert und deshalb am Fortbestand der Agentur ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatte.

II.


Die Revision ist begründet, soweit sie die Ausführungen angreift, mit denen das Berufungsgericht die Behauptung des Beklagten, die ihm abverlangte Bürgschaftserklärung habe auf einer Täuschung beruht, als nicht bewiesen angesehen hat.
1. Das Berufungsgericht hat sich nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten und von ihm selbst wiederholten Beweisaufnahme nicht davon zu überzeugen vermocht, daß der Beklagte durch die Mitarbeiter der Klägerin arglistig getäuscht worden sei. Diese tatrichterliche Würdigung beruht sowohl in verfahrens- als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht auf Rechtsfehlern.

a) Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, daß der Beklagte gewußt habe, welche "Folgen" die Bürgschaft für ihn habe und welchem Zweck (nämlich "den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Agentur zu garantieren")
sie diene. Darum ging es aber bei der Frage, ob der Beklagte arglistig getäuscht worden ist, jedenfalls nicht in erster Linie. Der Beklagte hat behauptet - von dieser Darstellung ist mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich auszugehen -, er hätte die Bürgschaftserklärung nicht abgegeben, wenn er gewußt hätte, daß, wie es später geschehen sei, die Klägerin der Agentur B. keine weiteren Vermittlungsaufträge mehr erteilen und die Auszahlung der noch ausstehenden Provisionen für schon abgeschlossene Versicherungsverträge von einer Untersuchung der Geschäftspraxis der Agentur abhängig machen werde. Schon die Inhaberin habe das Schuldanerkenntnis vom 26. Januar 1995 nur im Hinblick darauf unterschrieben, daß die Klägerin ihr unter dieser Voraussetzung die Auszahlung der weiteren Provisionen in Aussicht gestellt habe.
Nach den protokollierten Aussagen der Zeugen R. und R. B. hatte letzterer den Mitarbeitern gesagt, das Geld - in Form eines Schecks über rund 180.000 DM - werde ausgezahlt, sobald die Bürgschaftserklärungen unterschrieben seien. Die sich darauf gründende Erwartung war - wiederum nach den Zeugenaussagen - den beiden Angestellten der Klägerin, W. und K., die die Abgabe der Bürgschaftserklärungen herbeiführten, bekannt. W. hat als Zeuge erklärt, R. B. habe bei der am 1. Februar 1995 mit den Mitarbeitern der Agentur veranstalteten Zusammenkunft, bei der er und sein Kollege K. anwesend waren, gesagt, die Besicherung der Provisionen sei wichtig, um den Fortbestand der Firma zu garantieren; möglicherweise, so hat sich der Zeuge ausgedrückt , habe der Eindruck bestanden, "daß die künftigen Provisionen fließen würden". Nach der Aussage K.s "motivierte" R. B. die Mitarbeiter, "die Bürgschaften zu unterschreiben, damit endlich Geld fließe". Er selbst habe das nicht gesagt. Er hat aber hinzugefügt: "Wir haben die Aussage des Herrn B. ...
nicht korrigiert". Ein weiterer Mitarbeiter der Agentur, der bereits erwähnte Zeuge R., hat bekundet, bei einer kurz zuvor abgehaltenen ersten Versammlung habe einer der beiden Vertreter der Klägerin mehrmals einen Scheck aus der Jackentasche gezogen und "ansatzweise gezeigt". W. und K. haben bei ihren erstinstanzlichen Aussagen die Taktik geschildert, mit der sie - in Absprache mit A. und R. B. - in der entscheidenden Versammlung am 1. Februar 1995 vorgegangen seien: Die Verhandlung sei in zwei getrennte Tagesordnungspunkte aufgegliedert worden; zunächst sei nur über die Gewährung von Sicherheiten durch die anwesenden Mitarbeiter gesprochen worden; erst, nachdem die Bürgschaftserklärungen unterschrieben gewesen seien, sei "die Frage, wie die Geschäfte betrieben werden", erörtert worden; "wir wollten eine Sache nach der anderen abhandeln". Im Protokoll über die erstinstanzliche Aussage K.s heißt es wörtlich: "Die Bürgschaft wurde zuerst abgefordert, da ich unterstelle, daß wir nach der Erörterung der Probleme über die Ordnungsgemäßheit der Versicherungsverträge die Bürgschaften nicht bekommen hätten". Tatsächlich kam es bei der Erörterung des zweiten Tagesordnungspunkts zu einem von allen Zeugen geschilderten Tumult, bei dem den Versicherungsvertretern die Aktentasche mit den soeben unterschriebenen Bürgschaften für kurze Zeit entrissen wurde und sie sich nur durch gewaltsame Flucht retten konnten, wobei nach der Schilderung, die der in einem anderen Prozeß verklagte Mitarbeiter G. dort bei seiner persönlichen Anhörung gegeben hat, "der eine ... dann noch eine Tür eingetreten" hat.

b) Das Berufungsgericht hat sich mit diesen für die Frage einer arglistigen Täuschung ausschlaggebenden Einzelheiten der Zeugenaussagen nicht befaßt. Diese vermitteln insgesamt den Eindruck, daß die Angestellten der
Klägerin dem Beklagten und den anderen Mitarbeitern der Agentur zwar nicht selbst gesagt haben, nach Abgabe der Bürgschaftserklärungen gebe es Geld, daß sie aber deren für sie erkennbare Erwartung nicht richtig gestellt, sondern stillschweigend ausgenutzt haben. Für die beiden Vertreter der Klägerin scheint danach klar gewesen zu sein, daß die Mitarbeiter der Agentur die Bürgschaften zur Absicherung der Ansprüche der Klägerin nicht übernommen hätten, wenn sie ernstlich damit hätten rechnen müssen, daß die Agentur ihre Tätigkeit für die Klägerin so oder so einstellen mußte.
Das Berufungsgericht hat gemeint, die den Vertretern der Klägerin bekannte , auf Ä ußerungen R. B.s beruhende Erwartung, "daß die künftigen Provisionen fließen würden", begründe für sich allein keine Täuschung, weil "derartiges von den Mitarbeitern der Klägerin ... zu keiner Zeit geäußert worden" sei. Darin liegt ein materiell-rechtlicher Fehler. Dabei spielt es entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung keine Rolle, unter welchen Voraussetzungen die Täuschung durch einen Dritten dem Erklärungsempfänger zuzurechnen ist und ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind; denn die Vertreter der Klägerin haben nach dem für die Revisionsinstanz maßgeblichen Sachverhalt den Beklagten (und die übrigen Bürgen) durch eigenes Verhalten getäuscht. In ihrem Schweigen zu der ihnen bekannten Erwartung lag unter den hier gegebenen Umständen eine Täuschung durch konkludentes Verhalten. Sie hatten, wovon für die Revisionsinstanz auszugehen ist, jene Erwartung auf dem Umweg über die (geschiedenen) Eheleute B. selbst geweckt. Das ist der Aussage der Zeugin A. B. zu entnehmen, die danach ausgesagt hat: "Wir haben uns 'verarscht' gefühlt". Vor diesem Hintergrund war die Taktik, die Erörterungen am 1. Februar 1995 in zwei Teile aufzuspalten und erst nach Abgabe der Bürgschaftserklärungen zu offenbaren, daß man vor weiteren Provisionszahlungen
zunächst die Geschäftspraktiken der Agentur weiter untersuchen wolle, ein Vorgehen, durch das den Adressaten stillschweigend ein unzutreffender Sachverhalt vorgespiegelt wurde. In Wirklichkeit gingen die Vertreter der Klägerin offenbar bereits damals davon aus, daß es sich um ein unzulässiges "Schneeballsystem" handle.
Jedenfalls hätten die Vertreter der Klägerin auf der Grundlage des Geschehens , das der Revisionsentscheidung zugrunde zu legen ist, nicht einfach schweigen dürfen. Eine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die für dessen Entscheidung von Bedeutung sein können, besteht zwar nicht allgemein (BGH, Urteil vom 13. Juli 1983 - VIII ZR 142/82, ZIP 1983, 1073, 1075; vom 15. April 1997 - IX ZR 112/96, WM 1997, 1045, 1047), wohl aber dann, wenn er eine solche Mitteilung aufgrund der konkreten Gegebenheiten nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (BGH, Urteil vom 2. März 1979 - V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; vom 13. Dezember 1990 - III ZR 333/89, WM 1991, 604, 606). Das war hier entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung der Fall. R. B. gab die auf den eigenen Ä ußerungen der Vertreter der Klägerin beruhende Erwartung, es werde "Geld fließen", nicht nur mit ihrem Wissen , sondern sogar in ihrer Gegenwart an die Mitarbeiter der Agentur weiter. Die Vertreter der Klägerin durften unter diesen Umständen nicht schweigen, sondern waren verpflichtet, die Mitarbeiter, für die bei Übernahme der Bürgschaften jene Erwartung offensichtlich von entscheidender Bedeutung war, darüber aufzuklären, daß sie bei der Abgabe der Bürgschaftserklärungen von einer falschen Voraussetzung ausgingen.
2. Da somit für die Revisionsinstanz davon auszugehen ist, daß die Voraussetzungen für eine arglistige Täuschung gegeben sind, und die Anfech-
tungsfrist des § 124 BGB durch das Anfechtungsschreiben des Beklagten vom 15. März 1995 gewahrt ist, kommt es nicht darauf an, daß, worauf die Revision hinweist, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Pflicht zur Rückgängigmachung des Bürgschaftsvertrags auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1997 - V ZR 29/96, WM 1997, 2309, 2311 m.w.N.) in Betracht zu ziehen ist. Ebensowenig ist es jedenfalls in der Revisionsinstanz entscheidungserheblich , daß - auch darauf weist die Revision zutreffend hin - auf dieser Rechtsgrundlage die Inhaberin der Agentur, wenn das von ihr abgegebene Schuldanerkenntnis auf Täuschung beruhen sollte, ihrerseits ein nicht durch Fristablauf verlorengegangenes Recht hätte, sich von dem Anerkenntnis zu lösen. Darauf könnte sich der Kläger als Bürge nach den §§ 767 Abs. 1, 768 Abs. 1 BGB berufen. Gegebenenfalls wird zu prüfen sein, ob die formularmäßige Klausel, mit der die Bürgschaft als solche auf erstes Anfordern ausgestaltet ist, wirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - IX ZR 297/95, WM 1997, 656, 658; vom 2. April 1998 - IX ZR 79/97, ZIP 1998, 905, 906).

III.


Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit - nach Wiederholung der Beweisaufnahme - eine rechtlich einwandfreie Beweiswürdigung vorgenommen werden kann. Der Senat macht dabei von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Kreft Stodolkowitz Zugehör Ganter Raebel

(1) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird.

(2) Die Bestätigung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form.

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a) Das Recht zur Anfechtung der auf Abschluss des Mietvertrages gerichteten Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung wird auch nach Vollzug des Mietvertrages nicht durch die mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften (§§ 536 ff. BGB) und das Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 BGB verdrängt, weil die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung einerseits und die Gewährleistungs- sowie die Kündigungsvorschriften andererseits unterschiedliche Sachverhalte regeln und unterschiedliche Schutzzwecke haben.