Bundesgerichtshof Urteil, 14. Dez. 2004 - X ZR 3/03
published on 14/12/2004 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 14. Dez. 2004 - X ZR 3/03
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Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 3/03 Verkündet am:
14. Dezember 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck
und Asendorf
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 34. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. November 2002 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist die Nichte der Klägerin zu 2, die gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Kläger zu 1, der Beklagten mit notariellem Vertrag vom
31. März 1992 eine Eigentumswohnung übertrug. Im Vertrag wurde ein "Kaufpreis" von 53.000,-- DM vereinbart, der im wesentlichen durch Übernahme von Grundpfandrechten und diesen zugrundeliegenden Darlehensverbindlichkeiten zu zahlen war. Ferner verpflichtete sich die Beklagte u.a., den Klägern auf Lebenszeit eine wertgesicherte Monatsrente von 400,-- DM zu zahlen; diese Verpflichtung wurde durch eine Reallast gesichert.
Vor Abschluß des notariellen Vertrages hatten die Parteien privatschriftlich vereinbart, daß die Wohnung "nicht an Fremde verkauft" werden dürfe.
Nach einem Familienstreit entzweiten sich die Parteien.
Mit Schreiben des mit dem folgenden Verkauf befaßten Notars vom 19. Dezember 1995 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie wolle die Wohnung aus finanziellen Gründen verkaufen. Sie bot den Klägern die Zahlung von 75.000,-- DM gegen Verzicht auf die Zahlung der vereinbarten Rente und Löschung der Reallast im Grundbuch an. Ehe noch die Kläger widersprachen, veräußerte die Beklagte eine Woche später die Wohnung mit notariellem Vertrag vom 27. Dezember 1995.
Die Kläger widerriefen daraufhin die von ihnen als Schenkung angesehene Zuwendung der Eigentumswohnung wegen groben Undanks.
Das Landgericht hat nach Einholung eines Gutachtens zum Wert der Eigentumswohnung der auf Zahlung von 137.000,-- DM gerichteten Klage in Höhe von 81.479,34 DM stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf Klageabweisung weiter.
Die Kläger treten dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen ist.
I. Das Berufungsgericht hat festgestellt, der Übertragung der Eigentumswohnung liege eine gemischte Schenkung zugrunde. Das greift die Revision ohne Erfolg an.
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt: Leistung der Kläger und Gegenleistung der Beklagten stünden objektiv in einem auffallenden Mißverhältnis. Der Verkehrswert der Wohnung habe 300.000,-- DM betragen, dem Gegenleistungen im Wert von 175.110,-- DM gegenübergestanden hätten (53.000,-- DM "Kaufpreis", 25.000,-- DM für gleichfalls übernommene Beerdigungs - und Grabpflegekosten, 10.000,-- DM für Arbeitsleistungen (Malerarbeiten ) des Ehemannes der Beklagten und 87.110,-- DM Barwert des Rentenanspruchs der Kläger). Den Parteien sei - wie die Beweisaufnahme ergeben habe - auch bewußt gewesen, daß die Gegenleistung nicht den vollen Wert der
Wohnung abgedeckt habe und ein überschießender - nicht summenmäßig feststehender - Teil Schenkung gewesen sei.
2. Die Revision beanstandet zunächst, daß das Berufungsgericht unter Berufung auf höchstrichterliche Rechtsprechung angenommen hat, ein auffallendes , grobes Mißverhältnis zwischen den wirklichen Werten von Leistung und Gegenleistung lasse auf die Einigkeit der Vertragspartner über die teilweise Unentgeltlichkeit schließen. Die vom Berufungsgericht angeführten Entscheidungen (BGHZ 82, 274, 281, BGH, Urt. v. 6.3.1996 - IV ZR 374/94, NJW-RR 1996, 754, 755) beträfen gemischte Schenkungen im Rahmen insbesondere von Pflichtteilsergänzungsansprüchen und seien auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art schwerlich übertragbar. Darauf kommt es indessen schon deshalb nicht an, weil das Berufungsgericht den von der Revision beanstandeten Rechtssatz zwar angeführt hat, seine Überzeugung davon, daß sich die Parteien über die (teilweise) Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig gewesen seien, aber rechtsfehlerfrei auf das Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme gestützt hat.
3. Die Revision rügt ferner, das Berufungsgericht habe verkannt, daß nicht die objektiven Werte, sondern die subjektiven Vorstellungen der Parteien nicht nur dafür maßgeblich seien, ob überhaupt (teilweise) eine Schenkung gewollt gewesen sei, sondern auch dafür, wie hoch der Schenkungsanteil habe sein sollen. Abgesehen davon, daß dies die Frage, ob überhaupt eine (gemischte ) Schenkung vorliegt, nicht berührt, ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden , wenn sich das Berufungsgericht bei der tatrichterlichen Feststellung des Schenkungsanteils am objektiven Wertverhältnis orientiert hat, nachdem es gleichfalls und unbeanstandet festgestellt hat, daß sich die Parteien hierzu kei-
ne konkreten Vorstellungen gemacht haben. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auf der Grundlage eines dazu eingeholten Sachverständigengutachtens den abgezinsten Barwert der Rentenverpflichtung ermittelt und dem Wert der Eigentumswohnung gegenübergestellt; die Abzinsung dient der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von Leistung und Gegenleistung zum Zeitpunkt der Schenkung und ist daher entgegen der Auffassung der Revision sachlich geboten.
II. Dagegen hält die Begründung der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand, mit der das Berufungsgericht die Voraussetzungen eines Widerrufs der Schenkung wegen groben Undanks bejaht hat.
1. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt: Der grobe Undank liege in dem Weiterverkauf der Wohnung ohne Rücksprache mit den Klägern. Der Beklagten sei bekannt gewesen, daß die Kläger ihr die Wohnung überlassen hätten, um sie im Familienbesitz zu halten. Die Beklagte hätte vor einer Veräußerung der Wohnung diesen Wunsch der Kläger berücksichtigen und hierüber mit ihnen sprechen müssen, um ihnen so die Gelegenheit zu geben, die Wohnung eventuell zurückzukaufen. Dies gelte selbst dann, wenn die Wohnung, wie die Beklagte behaupte, sich nicht vollständig selbst getragen habe, wobei sich jedoch allenfalls eine geringe Differenz ergebe. Eine Veräußerung der Wohnung ohne Rücksprache mit den Klägern zum Zwecke der Kapitalisierung des Wohnungswertes einschließlich des Schenkungsanteils allein zum eigenen Vorteil sei daher grob undankbar.
2. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe verkannt, daß wirtschaftliche Zwänge, die den Beschenkten zu seiner Verhaltensweise zwängen, die
Bejahung von grobem Undank ausschließen könnten. Die Beklagte habe dargelegt , daß die monatlichen Kosten der Wohnung (einschließlich der an die Kläger zu zahlenden Rente) 1.427,21 DM bzw. seit Ende 1995 1.466,41 DM betragen hätten, während die Bruttomiete 1.328,30 DM betragen habe, so daß sich ein monatliches Minus von 98,91 DM bzw. 138,11 DM ergeben habe, das für eine vierköpfige Familie mit einem Netto-Durchschnittseinkommen von 2.235,22 DM nicht tragbar gewesen sei. Habe demzufolge die Beklagte die Wohnung nicht mehr halten können, folge aus dem Verkauf keineswegs automatisch eine undankbare Gesinnung. Das Berufungsgericht stelle im übrigen zu geringe Anforderungen an die Erfüllung der Rechtsbegriffe "grober Undank" und "schwere Verfehlung".
3. Die Rüge hat im Ergebnis Erfolg.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt der Widerruf einer Schenkung nach § 530 Abs. 1 BGB nicht nur eine objektiv schwere Verfehlung des Beschenkten voraus, sondern erfordert auch, daß die Verfehlung Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten ist, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen läßt, die der Schenker erwarten kann (s. statt aller nur BGHZ 145, 35, 38). Zu dieser subjektiven Voraussetzung für die Herausgabeverpflichtung des Beschenkten hat das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
Zwar trifft die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die wirtschaftliche Zwangslage der Beklagten verkannt, die Begründung des Berufungsgerichts nicht unmittelbar. Denn dieses hat die Undankbarkeit der Beklagten nicht aus dem Verkauf als solchem, sondern aus der unterlassenen Rück-
sprache mit den Klägern hergeleitet, zu der ihre wirtschaftliche Situation die Beklagte durchaus nicht zwang. Wenn sich jedoch, was die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausschließen, die Beklagte zumindest subjektiv in einer wirtschaftlichen Zwangslage befand, die es ihr wirtschaftlich untragbar erscheinen ließ, die Eigentumswohnung zu halten, versteht es sich andererseits auch nicht von selbst, daß die Veräußerung ohne Rücksprache mit den Klägern Ausdruck einer undankbaren Einstellung der Beklagten diesen gegenüber war. Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang von einer Veräußerung der Wohnung zum Zwecke der Kapitalisierung des Wohnungswertes einschließlich des Schenkungsanteils allein zum eigenen Vorteil spricht, läßt es unberücksichtigt, daß sich die Beklagte wirtschaftlich allein selbst geschädigt hat, indem sie sich der (teilweise) geschenkten Wohnung deutlich unter Wert begeben hat, während den Klägern der durch die Reallast gesicherte Rentenanspruch erhalten blieb. Jedenfalls aus der - zu unterstellenden - subjektiven Sicht der Beklagten konnte in der gegebenen Situation eine Rücksprache mit den Klägern wirtschaftlich nur den Sinn haben, diese zu weiteren finanziellen Leistungen zu veranlassen, wie sie das Berufungsgericht mit der Möglichkeit eines Rückkaufs selbst anspricht. Eine andere Möglichkeit wäre ein (teil- oder zeitweiser) Verzicht der Kläger auf die Rentenzahlung gewesen, der die Beklagte und ihre Familie finanziell entlastet hätte. Wenn die Beklagte es angesichts der entstandenen Zwistigkeiten zwischen den Parteien unterlassen hat, mit einem solchen Ansinnen an die Kläger heranzutreten, muß dies nicht notwendigerweise auf eine undankbare Einstellung gegenüber den Klägern hindeuten. Vielmehr ist es möglich, daß die Beklagte weniger aus Undankbarkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den Klägern, denn aus Unbeholfenheit und Scham die Veräußerung ohne Rücksprache mit den Klägern in die Wege geleitet hat.
In diesem Fall lägen die Voraussetzungen für einen Schenkungswiderruf nicht vor.
III. Der Rechtsstreit ist daher zur erneuten Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei dieser Prüfung wird das Berufungsgericht das gesamte Vorbringen der Parteien, einschließlich der Angaben, die die Beklagte bei ihrer persönlichen Anhörung gemacht hat, in die Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen des groben Undanks einzubeziehen haben.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
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(1) Eine Schenkung kann widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht.
(2) Dem Erben des Schenkers steht das Recht des Widerru
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Annotations
(1) Eine Schenkung kann widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht.
(2) Dem Erben des Schenkers steht das Recht des Widerrufs nur zu, wenn der Beschenkte vorsätzlich und widerrechtlich den Schenker getötet oder am Widerruf gehindert hat.