Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2007 - X ZR 198/02

bei uns veröffentlicht am25.09.2007
vorgehend
Bundespatentgericht, 2 Ni 6/01, 16.05.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 198/02 Verkündet am:
25. September 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. September 2007 durch die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und die Richter Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 16. Mai 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung in Italien vom 19. Oktober 1990 am 16. Oktober 1991 angemeldeten , auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 481 462 (Streitpatents), das eine "Werkzeugmaschine" betrifft und 15 Patentansprüche umfasst. Die Patentansprüche 1 und 8 lauten in der Verfahrenssprache Deutsch wie folgt: "1. Werkzeugmaschine, mit einem Kopf (10) zur Erzeugung eines Laserstrahls , zum Bearbeiten und Trennen von Rohren (3), mit einem Maschinenbett (5), das parallel zu einem Beschickungsmagazin (2) für lange Rohre angeordnet ist und Parallelführungen (6, 7) aufweist, dadurch gekennzeichnet , dass die Parallelführungen (6, 7) einen gesteuert antreibbaren Wagen (8) zum gesteuerten Verschieben eines Rohres (3) in Axi- alrichtung aufnehmen, dass der Wagen (8) ein Spannfutter (9) zur Aufnahme des Rohrendes aufweist und das Spannfutter (9) mit gesteuerter Drehbewegung antreibbar ist und auf den Parallelführungen (6, 7) des Maschinenbettes (5) eine gesteuert verfahrbare Lunette (38) zur Lagerung des Rohres (3) in unmittelbarer Nähe des Kopfes (10) für die Erzeugung eines Laserstrahles vorgesehen ist und zwischen den Parallelführungen (6, 7) entlang des Maschinenbettes (5) Haltearme (24) angeordnet sind, die das Rohr (3) mit seiner Achse (X) in Übereinstimmung mit der Achse (X’) des drehbaren Spannfutters lagern. 8. Werkzeugmaschine nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass in der Nähe des Schneidkopfes (10) dem zu bearbeitenden Rohr (3) eine Haltelunette (38) zugeordnet wird, die von einer Platte aufgenommen ist und diese Platte (39) gesteuert in Längsrichtung der Parallelführungen (6, 7) des Maschinenbettes (5) verschiebbar ist."
2
Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 7 und 9 bis 15 wird auf die Patentschrift verwiesen.
3
Die Klägerin hat das Streitpatent im Nichtigkeitsverfahren im Umfang seines Patentanspruchs 1 und des Patentanspruchs 8 in Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 angegriffen, den Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit geltend gemacht und sich dabei u.a. auf Material zur Laser-Rohrschneideanlage L. der L. mit AG verschiebbarem Schneidkopf (Prospekt (Anl. NK7), Beitrag "CNC-Laser-Rohrschneidemaschine" in der Zeitschrift für wirtschaftliche Fertigung und Automatisierung, September 1987, S. 108 (Anl. NK8)) und die Lieferung einer entsprechenden Maschine an die B. in U. im Jahr 1986, und zu weiteren Rohrbearbeitungsmaschinen (britische Patentschrift 482 437 (Anl. NK18: Bearbeitung von Telegrafenmasten aus Metallrohren mittels stationär angeordneten Schneidbrennern) und japanische Offenlegungsschrift Sho 63-20162 (Anl. NK19: Werkzeugmaschine zum Abschneiden von Rohrstücken mittels eines Schneidbrenners)), gestützt. Zum Beleg des allgemeinen Fachwissens zum Prioritätszeitpunkt hat die Klägerin den Aufsatz von Weck/Mayrose/Schon "Task-Oriented Design and Improve- ment of Laser Machine Tools" in The Industrial Laser Annual Handbook, 1990 Edition (Anl. NK14) vorgelegt, dessen Vorveröffentlichung die Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr ernsthaft in Zweifel gezogen hat. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seines Patentanspruchs sowie seines Patentanspruchs 8, soweit letzterer auf Patentanspruch 1 zurückbezogen ist, für nichtig erklärt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit dem Begehren, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, wobei Patentanspruch 1 hilfsweise die folgende Fassung erhalten soll (Ergänzungen gegenüber Patentanspruch 1 des erteilten Patents kursiv, Streichungen doppelt durchgestrichen): "1. Werkzeugmaschine, mit einem Kopf (10) zur Erzeugung eines Laserstrahls , zum Bearbeiten und Trennen von Rohren (3), mit einem Maschinenbett (5), das parallel zu einem Beschickungsmagazin (2) für lange Rohre angeordnet ist und Parallelführungen (6, 7) aufweist, dadurch gekennzeichnet , dass das Rohr (3) relativ zu dem Kopf (10) zum Erzeugen eines Laserstrahls gesteuert bewegbar ist, wozu die Parallelführungen (6, 7) einen gesteuert antreibbaren Wagen (8) zum gesteuerten Verschieben eines Rohres (3) in Axialrichtung aufnehmen, der dass der Wagen (8) ein Spannfutter (9) zur Aufnahme des Rohrendes aufweist, das und das Spannfutter (9) mit gesteuerter Drehbewegung in beide Drehrichtungen antreibbar ist, dass und auf den Parallelführungen (6, 7) des Maschinenbettes (5) eine gesteuert verfahrbare, selbstzentrierende Lunette (38) zur Lagerung des Rohres (3) auf der dem Spannfutter (9) zu- gewandten Seite in unmittelbarer Nähe des Kopfes (10) für die Erzeugung eines Laserstrahles vorgesehen ist und dass zwischen den Parallelführungen (6, 7) entlang des Maschinenbettes (5) Haltearme (24) angeordnet sind, die entsprechend dem kleinsten oder dem größten Durchmesser des Rohres (3) anordenbar sind und die das Rohr (3) mit seiner Achse (X) in Übereinstimmung mit der Achse (X’) des drehbaren Spannfutters lagern."
4
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil auch gegenüber dem hilfsweise verteidigten Patentanspruch 1.
5
Im Auftrag des Senats hat Professor Dr.-Ing. habil. B. Z. , , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
7
I. Der Senat versteht die angefochtene Entscheidung - wie auch den Angriff der Klägerin - dahin, dass sich die Nichtigerklärung des Streitpatents im Umfang von dessen Patentanspruch 8 nur auf diesen in seiner unmittelbaren Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 bezieht, nicht aber auch in mittelbarer Rückbeziehung über einen oder mehrere der weiteren Patentansprüche 2 bis 7.
8
II. 1. Das Streitpatent betrifft nach Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung eine Werkzeugmaschine mit einem Kopf zur Erzeugung eines Laserstrahls zur Bearbeitung und zum Trennen von Rohren. Sie soll insbesondere zur Endbearbeitung von langen Rohren Verwendung finden. Die Maschine weist ein Maschinenbett auf, das parallel zu einem Beschickungsmagazin für lange Rohre angeordnet ist und Gleitführungen aufweist (Beschr. Sp. 1 Z. 3-9). Das gilt auch für Patentanspruch 1 in seiner hilfsweise verteidigten Fassung.
9
2. Das Streitpatent beschreibt zunächst verschiedene bekannte Rohrschneidemaschinen , die mit einem Laserstrahl arbeiten. Eine bekannte Maschine erlaube nur das Abtrennen von Rohrstücken von einem langen Rohr, nicht aber auch komplexere Arbeitsvorgänge am Werkstück, eine andere lediglich Bearbeitungsvorgänge an kurzen, vorher abgeschnittenen Rohrstücken; eine gesteuerte Bearbeitung und ein Schneidvorgang an sehr langen Rohren seien bei ihr nicht möglich (Beschr. Sp. 1 Z. 29-39). Die Maschine nach der US- Patentschrift 4 809 807 (Anl. NK13) offenbare eine Werkzeugmaschine zum Trennen von langen Rohren (Beschr. Sp. 1 Z. 40-49).
10
3. Durch das Streitpatent soll eine Maschine zur Verfügung gestellt werden , die sowohl ein Abtrennen als auch ein Bearbeiten von Rohren mit unterschiedlichen (neben runden auch quadratischen und rechteckigen) Querschnitten und auch von langen Rohren (Halbzeugen) erlaubt und damit Arbeitsgänge (Trennschnitte) einspart und platz- und kostengünstig betrieben werden kann (vgl. die von Lösungselementen nicht freie Angabe des zu lösenden technischen Problems Beschr. Sp. 1 Z. 50-58).
11
4. Hierzu wird in Patentanspruch 1 des Streitpatents eine Werkzeugmaschine zum Bearbeiten und Trennen von Rohren unter Schutz gestellt, die folgende Merkmale aufweist (zusätzliche Merkmale der hilfsweise verteidigten Fassung kursiv): (1) einen Kopf zur Erzeugung eines Laserstrahls, (2) ein Maschinenbett, (2.1) das Parallelführungen aufweist, (3) einen Wagen zum gesteuerten Verschieben eines Rohrs in Axial- richtung, (3.1) der auf den Parallelführungen angeordnet, (3.2) gesteuert antreibbar ist, (3.2.1) und zwar hin und her, (3.2.2) so dass das Rohr relativ zum Kopf gesteuert bewegbar ist,
(4)
wobei der Wagen ein Spannfutter zur Aufnahme des Rohrendesaufweist , (4.1) das drehbar (4.2) und mit gesteuerter Drehbewegung antreibbar ist (4.2.1) und zwar in beide Drehrichtungen, (5) eine Lunette zur Lagerung des Rohrs auf der dem Spannfutter zugewandten Seite in unmittelbarer Nähe des Kopfs (5.1) auf den Parallelführungen, (5.2) die gesteuert verfahrbar und (5.3) selbstzentrierend ist, (6) Haltearme (6.1) zwischen den Parallelführungen, (6.2) die entlang des Maschinenbetts angeordnet sind und (6.3) das Rohr mit seiner (Längs-)Achse in Übereinstimmung mit der Achse des Spannfutters lagern (6.4) und entsprechend dem kleinsten oder größten Durchmesser des Rohrs angeordnet werden können, (7) ein Beschickungsmagazin für lange Rohre (7.1) in paralleler Anordnung zum Maschinenbett.
12
5. Der Laserstrahl wird dabei als Werkzeug zum Durchtrennen wie zum Bearbeiten des Werkzeugs eingesetzt. Die Lunette kann selbstzentrierend ausgebildet sein (dass sie dies auch sein muss, ergibt sich erst aus der hilfsweise verteidigten Fassung) und eröffnet die Möglichkeit, Rohrstücke und Rohrabfall abzuführen. Bei dem Konzept der geschützten Maschine handelt es sich, wie der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, um das einer sog. 2-D-Maschine , womit die Zahl der Koordinaten mit Relativbewegungen zwischen dem Werkzeug, d.h. hier dem auf die Wirkstelle fokussierenden Laserstrahl und dem Rohr als Werkstück, festgesetzt ist. Die Gesamtrelativbewegung wird dabei durch eine Translationsbewegung des Spannfutters mit dem eingespannten Rohr längs der Parallelführung in Verbindung mit einer Rotationsbewegung des Spannfutters mit dem Rohr erzeugt und kann gesteuert ausgeführt werden. Dadurch , dass das Spannfutter am Rohrende angreift, können sich bei langen Rohren beträchtliche Rohrauskragungen ergeben. Die gesteuerte Bewegung der Lunette bildet dabei stets in unmittelbarer Nähe des Laserkopfs eine ge- naue radiale Lagerstelle aus und minimiert damit Fertigungstoleranzen. Dadurch werden zwei Arbeitsgänge ermöglicht, nämlich die Konturbearbeitung mit Schnitten im Rohrmantel und an der Stirnfläche des Rohrs und das Abtrennen des Werkstücks vom Halbzeug. Diese Arbeitsvorgänge erfolgen üblicherweise nacheinander, können aber auch einzeln für sich ausgeführt werden.
13
Über die Ausgestaltung des Laserkopfs (Merkmal 1) macht Patentanspruch 1 keine näheren Angaben. Die Beklagte meint, dass der Laserkopf während des Bearbeitungsvorgangs stationär verbleiben müsse und nur das Werkstück (Rohr) über die Drehung des Spannfutters und ein Verfahren der Lunette bewegt werde. Ob dies zutrifft oder ob Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht auch Lösungen umfasst, in denen das Werkstück und der Laserkopf während des Bearbeitungsvorgangs bewegt werden, kann freilich offen bleiben, weil sich für die Beurteilung der Patentfähigkeit hieraus keine Unterschiede ergeben. Bei einer patentgemäßen Vorrichtung ist es jedenfalls möglich, das Maschinenkonzept des "bewegten Werkstücks" auch ohne axiale Bewegung des Laserkopfs zu verwirklichen. Jedoch kann bei bestimmten Rohrformen (z.B. rechteckige Rohre mit stark unterschiedlichen Seitenlängen) eine gesteuert schwenkbare Anordnung des Laserkopfs erforderlich sein, die dann eine 3-D-Bearbeitung mit vier Achsen voraussetzt.
14
6. In seiner hilfsweise verteidigten Fassung enthält Patentanspruch 1 einige Präzisierungen. So ist zunächst die Antreibbarkeit des Wagens in beide Richtungen aufgenommen, so dass das Rohr relativ zum Kopf gesteuert bewegbar ist. Dies geht in seinem Gehalt aber nicht über die in Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung enthaltene Anweisung hinaus, den Wagen gesteuert antreibbar auszugestalten, denn diese Anweisung hat bereits die Antreibbarkeit in beide Richtungen und die Bewegbarkeit relativ zum Laserkopf implizit zum Gegenstand. Auch die Drehbarkeit des Spannfutters in beide Drehrichtungen folgt bereits aus der gesteuerten Drehbewegung, wie dies auch der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat. Dass die Lunette nicht nur in unmittelbarer Nähe des Laserkopfs, sondern auch auf der dem Spannfutter zugewandten Seite liegen soll, ergibt sich als Erfordernis der Praxis, weil bestimmte Rohrbearbeitungsvorgänge , z.B. ein mehrfaches Ablängen eines insgesamt längeren Rohrteils , bei dem eine Unterstützung des abgeschnittenen Rohrteils durch die Lunette erforderlich ist, nur bei einer entsprechenden Anordnung der Lunette durchgeführt werden können, und damit für den Konstrukteur beim Betrieb der Vorrichtung auf Grund weniger Versuche. Die Lunette selbstzentrierend auszubilden , war eine auch zum Prioritätszeitpunkt bereits übliche Ausgestaltung, die dem Konstrukteur ohne weiteres zur Verfügung stand, wie dies der gerichtliche Sachverständige bereits in seinem schriftlichen Gutachten auf S. 30, Bild 6, unter Bezugnahme auf Weck, Werkzeugmaschinen Bd. 1, 3. Aufl. 1988, belegt hat. Auch das Streitpatent nimmt im Übrigen nicht für sich in Anspruch, die selbstzentrierende Lunette erst geschaffen zu haben. Dass die Haltearme entsprechend dem kleinsten und größten Durchmesser des Rohrs angeordnet werden können, geht in seinem Aussagegehalt, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben hat, nicht über die Anweisung hinaus, das Rohr in Übereinstimmung mit der Achse des Spannfutters zu lagern.
15
7. Eine Ausführungsform der geschützten Vorrichtung zeigen in schematischer Draufsicht in Zusammenschau die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der Zeichnungen des Streitpatents:
16
Die Vorrichtung (1) weist ein Magazin (2) zur Aufnahme der zu bearbeitenden Rohre (3) auf. Mit einer als bekannt bezeichneten Vorrichtung (4; Beladevorrichtung , näher beschrieben in Beschr. Sp. 3 Z. 39 bis Sp. 4 Z. 21) kann ein Rohr in eine Wartestellung (3’) gefördert werden und aus dieser in das Maschinenbett (5), das zwei Parallelführungen (6, 7) aufweist, auf denen in Richtung der Pfeile (f) gesteuert verschiebbar ein Wagen (8) mit einem gesteuert drehbar angetriebenen Spannfutter (9) angeordnet ist, das das Rohr (3) an seinem Ende spannen kann und nach dessen Ablage auch spannen soll. An einem Ende (5’) des Maschinenbetts (5) ist ein Kopf (10) zur Erzeugung (und nicht etwa nur zur Umlenkung oder Ausrichtung) eines Laserstrahls vorgesehen , der jedenfalls ortsfest sein kann und nach Auffassung der Beklagten auch ortsfest sein muss; der Laserstrahl wird als Werkzeug zum Bearbeiten und Durchtrennen des Rohrs (3) verwendet. Dem Bearbeitungskopf (10) ist eine Abfördereinrichtung (11, in Fig. 2) nachgeordnet. Die Lagerung des Rohrs in der Lunette (38) ist in Fig. 1 und 2 nicht dargestellt, aber in Beschr. Sp. 6 Z. 6 ff. beschrieben. Nach der Schaffung einer genauen Lagerung für das Rohr in der Nähe des Kopfs (10) kann durch Verschiebung der Grundplatte der Lunette Rohrabfall abgeführt werden (Beschr. Sp. 6 Z. 49 - 58).
17
III. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist im Sinn des Art. 54 EPÜ neu. Die Neuheit ist von der Klägerin nicht in Frage gestellt worden. Auch der gerichtliche Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen , dass sie zu bejahen ist.
18
IV. Gegenüber dem Stand der Technik erweist sich, wie auch das Bundespatentgericht angenommen hat, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents für den Fachmann, einen an einer wissenschaftlichen oder Technischen Hochschule ausgebildeten Diplomingenieur des allgemeinen Maschinenbaus und Berufserfahrung bei der Konstruktion von Werkzeugmaschi- nen, als naheliegend (Art. 56 EPÜ). Das gilt gleichermaßen für den hilfsweise verteidigten Patentanspruch 1, dessen zusätzliche Merkmale auch in Zusammenschau mit den Merkmalen des Patentanspruchs in seiner erteilten Fassung nichts enthalten, was eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte. Der nachgeordnete Patentanspruch 8 in unmittelbarer Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 weist ebenfalls keinen erfinderischen Gehalt auf. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent deshalb zu recht in diesem Umfang für nichtig erklärt (Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ; Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).
19
1. a. Im Stand der Technik waren Rohrbearbeitungsmaschinen bekannt, jedoch nicht mit der Gesamtheit der Merkmale der Vorrichtung nach Patentanspruch 1 des Streitpatents. So ermöglichte die Vorrichtung nach der britischen Patentschrift 482 437 (Anl. NK18) zwar eine Bearbeitung von Rohren, aber kein Ablängen, während die Vorrichtung nach der japanischen Offenlegungsschrift Sho 63-20162 (Anl. NK19) zwar ein Ablängen, aber keine Bearbeitung des Rohrs vorsah. Beide Vorrichtungen verwendeten überdies als Werkzeug keinen Laserstrahl, sondern einen Schneidbrenner. Die Laser-Rohrschneideanlage L. der L. AG (Anl. NK7, 8) arbeitet mit einem verschiebbaren Laserschneidkopf und nicht mit einer Verschiebung des Werkstücks. Um vom Stand der Technik zur Lösung des Streitpatents zu kommen, musste der Konstrukteur daher zunächst von den nur für bestimmte Arbeitsvorgänge einsetzbaren Vorrichtungen der britischen Patentschrift und der japanischen Offenlegungsschrift abgehen und eine bei Rohren universell einsetzbare Maschine entwickeln. Hierzu hatte er jedoch Veranlassung, denn der Markt fragte entsprechende Maschinen nach oder es erschloss sich zumindest die Aussicht, mit einer entsprechenden Ausführung auf dem Markt Erfolg zu haben. Hiervon ist der Senat überzeugt, denn bereits die Entwicklung der Laser-Rohrschneideanlage L. spricht dafür, dass für universell einsetzbare Rohrbearbeitungsmaschinen ein Markt vorhanden war. Dies wird durch die Ausführungen von Weck u.a. in "The Industrial Laser Annual Handbook, 1990 Edition" (Anl.
NK14, S. 89 ff.) bestätigt, von deren Veröffentlichung im Juni 1990 der Senat überzeugt ist und der damit zum relevanten Stand der Technik rechnet. In dieser Literaturstelle wird die Integration der Laserbearbeitung in einen Bearbeitungsprozess beschrieben, so am Beispiel des Schneideprozesses und der Oberflächenhärtung. Damit wird deutlich, dass integrierte Bearbeitungsprozesse , wie sie auch das Streitpatent ermöglicht, im Zug der Zeit lagen.
20
b. Der genannte Aufsatz von Weck u.a. beschreibt (S. 76, rechte Spalte), dass die für die Laserbearbeitung von Werkstücken erforderlichen Bewegungsachsen durch Verfahren zur Bewegung des Strahls ("a beam traveling method" ), zur Bewegung des Werkstücks ("workpiece traveling method") oder eine Kombination beider Verfahren ("a combination of both") bereitgestellt werden können. Welches dieser Verfahren anzuwenden war, lag damit zunächst im Belieben des Anwenders. Zwar war mit der Laser-Rohrschneideanlage L. eine Vorrichtung relativ zeitnah vor dem Prioritätstag des Streitpatents auf den Markt gekommen, bei der die Bewegung über den Laserkopf bewirkt wurde , jedoch zeigten schon die britische Patentschrift 482 437 aus dem Jahr 1938 und die nicht lange vor dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlichte japanische Offenlegungsschrift Sho 63-20162, dass eine ortsfeste Anordnung des Schneidwerkzeugs bei gleichzeitiger Bewegung des Werkstücks durchaus im Bereich dessen lag, was für die Rohrbearbeitung und das Ablängen von Rohren in Betracht kam. Von dieser Möglichkeit auch bei der die Bearbeitung mittels Schneidbrenners substituierenden Laserbearbeitung von Rohren Gebrauch zu machen, war daher durch den Stand der Technik nahegelegt. Hierfür bedurfte es nicht einmal des zusätzlichen, schon in der Literatur (Anl. NK14, S. 78: "Beam path length") belegten Arguments, dass mit zunehmender Länge des Laserstrahls insbesondere durch das Divergieren des Strahls Probleme auftreten konnten. Andererseits konnten allerdings die Gestalt und Größe des Werkstücks und der daraus resultierende Platzbedarf gegen eine Bewegung des Werkstücks und für eine Bewegung des Laserkopfs sprechen (vgl. Anl. NK14, S. 78 li. Sp. oben). Letztlich handelte es sich bei der Entscheidung, ob der Laserkopf oder das Werkstück (oder auch beides) bewegt werden soll, um eine im Rahmen der Optimierung der Vorrichtung zu treffende Auswahlentscheidung, die dem recht hoch qualifizierten Konstrukteur keine sein Fachkönnen übersteigende Schwierigkeiten bereiten konnte. Der Konstrukteur konnte und musste in Übereinstimmung mit der vom gerichtlichen Sachverständigen geäußerten Ansicht auch erkennen, dass er die sich bei einem Verfahren des Rohrs und damit unter Umständen nicht unerheblicher Massen stellenden Schwierigkeiten in den Griff bekommen konnte. Der Einschätzung der Klägerin, dass am Prioritätstag des Streitpatents nicht nur die verschiedenen kinematischen Konzepte, sondern auch die maßgeblichen Auswahlkriterien bekannt waren, ist somit beizutreten.
21
Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten wie bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung bestätigen dies. Zutreffend hat dieser darauf hingewiesen (GA 34), dass alle kinematischen Grundvarianten der zweidimensionalen Bearbeitung allgemein, und zwar auch rotationssymmetrischer Teile, sowie detailliert ausgeführte Maschinen zur Bearbeitung und zum Abschneiden kürzerer Rohre mittels Laserschneidens , ein Ablängen von langen Rohren mit feststehendem Werkzeug und rotierendem Werkstück sowie schienengebundene gesteuerte Bewegungsmöglichkeiten in Rohrlängsachse, die Umsetzung des patentgemäßen kinematischen Grundprinzips in einer bestimmten, mechanisch gesteuerten Weise für lange Rohre und damit Maschinenprinzip, Verfahrensprinzip und alle verwendeten Baugruppen der Lösung des Streitpatents bekannt waren. Da bei langen Rohren die Lösung über ein Verfahren des Laserkopfs zu Schwierigkeiten führen musste (vgl. GA 35), verblieb im Prinzip als weitere Möglichkeit das Verfahren des Rohrs.
22
Dies führte den Konstrukteur unmittelbar (auch) zu einer Rohrschneideund Bearbeitungsmaschine, bei der nur das zu bearbeitende oder abzulängen- de Rohr bewegt wird. Damit war die Grundkonzeption der Vorrichtung nach Patentanspruch 1 des Streitpatents für den Fachmann nahegelegt. Gesichtspunkte , die ihn gleichwohl davon abhalten konnten, diesen Weg zu beschreiten, sind nicht zutage getreten.
23
2. Soweit sich der durch das Streitpatent gewährte Schutz auch darauf erstrecken sollte, dass die Vorrichtung die Bearbeitung langer Rohre ermöglicht (diese sind in Patentanspruch 1 nur im Zusammenhang mit dem Beschickungsmagazin genannt), könnte auch dies eine erfinderische Tätigkeit nicht stützen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese langen Rohre nur in der Weise definiert werden könnten, dass sie bei ihrer Bearbeitung einer Unterstützung durch Haltearme, eine Lunette o.a. bedürfen, und nicht über die absolute Länge, wie dies in der mündlichen Verhandlung mit dem gerichtlichen Sachverständigen und den Parteien erörtert worden ist. Lange Rohre in diesem Sinn konnten aber auch schon mit der Laser-Rohrschneideanlage L. bear beitet werden. -
24
Zudem wird die Bearbeitung langer Rohre dadurch erleichtert, dass nicht der Laserkopf, sondern das Rohr selbst verfahren wird. Die Schwierigkeiten, die bei einem Verfahren des Laserkopfs bei der Bearbeitung langer Rohre auftreten konnten, konnten (im Sinn eines erfinderische Tätigkeit nicht begründenden "Bonus-Effekts", vgl. Sen.Urt. v. 10.12.2002 - X ZR 68/99, GRUR 2003, 317, 320 - kosmetisches Sonnenschutzmittel I; v. 12.2.2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693, 695 - Hochdruckreiniger; EPA T 21/81, ABl. EPA 1983, 15 - elektromagnetischer Schalter; EPA T 192/82, ABl. EPA 1984, 415 - Formmassen) sich damit bei einem Verfahren des Rohrs als solche von vornherein nicht mehr auswirken. Eine Ausgestaltung der Vorrichtung für die Bearbeitung langer Rohre kann deshalb nichts Positives zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit beitragen.
25
Dass dabei für die Bearbeitung langer Rohre auch andere Möglichkeiten als die des Streitpatents zur Verfügung gestanden haben mögen, so bei deren Zuführung in der Längsachse die Verwendung eines Durchschiebefutters anstelle eines Spannfutters, steht dem Naheliegen der Lösung des Streitpatents nicht entgegen (vgl. BGHZ 133, 57, 65 - Rauchgasklappe).
26
3. Sich zur Rohrbearbeitung der seit dem Jahr 1960 aufgekommenen Laserschneidetechnik zu bedienen, lag im Zug normaler technischer Entwicklung. Dies wird durch die Laser-Rohrschneideanlage L. (Anl. NK7) und den Aufsatz von Weck u.a. (Anl. NK14) belegt.
27
4. a. Auch die weiteren Merkmale des Patentanspruchs 1, die das kinematische Konzept nicht unmittelbar betreffen, stellen nicht mehr als eine handwerkliche Ausgestaltung der in ihrer Grundkonzeption naheliegenden Vorrichtung dar, die weder für sich noch in Zusammenschau mit den weiteren Merkmalen dieses Patentanspruchs erfinderische Tätigkeit begründen können. Für die zusätzlichen Merkmale des hilfsweise verteidigten Patentanspruchs 1 wurde dies bereits dargelegt (oben II 6). Dies gilt aber auch für die weiteren Merkmale des Patentanspruchs 1 in seiner erteilten Fassung. So zeigt der Prospekt der L. AG (Anl. NK7) eine Laser-Rohrschneideanlage, die Werkstücke zwischen den Rohrenden bearbeitet und abschneidet. Die Anlage weist neben einem Laserschneidkopf ein Maschinenbett auf, in dem ein Spannfutter gelagert ist, und ist mit Parallelführungen zur Führung einer Lunette in Form einer Mitlauflunette versehen. Die Bewegungen des Laserschneidkopfs, der Lunette sowie die Drehbewegung des Spannfutters sind gesteuert (vgl. nur Anl. NK7, S. 4 links oben, S. 6; Anl. NK8, "CNC-Laser-Rohrschneidmaschine", zweiter Absatz ). Wie den Abbildungen in der Anl. NK7 Seite 4 zu entnehmen ist, greift das Spannfutter am Ende des zu bearbeitenden Rohrs an; eine entsprechende Ausgestaltung zeigt auch Fig. 1 der japanischen Offenlegungsschrift Sho 63-20162 (Anl. NK19). Haltearme sind nach dem Prospekt der L.
AG (Anl. NK7) nicht (ausdrücklich) beschrieben und, wie die Klägerin erklärt hat, auch nicht vorhanden. Sie waren aber allgemein bekannt und mussten von einer bestimmten Rohrlänge an auch notwendig eingesetzt werden, wie etwa die genannte japanische Offenlegungsschrift zeigt.
28
b. Ein Beschickungsmagazin vorzusehen, lag im Belieben des Fachmanns. Zum Leistungsergebnis der patentgemäßen Vorrichtung trägt das Beschickungsmagazin für sich nichts bei. Die Anordnung auch eines Beschickungsmagazins stellte damit einen weiteren Schritt zu einer stärker integrierten Maschine dar, den der Konstrukteur nach Belieben vorsehen oder auch weglassen konnte. Die parallele Anordnung zum Maschinenbett ergab sich als zwangsläufige Folge der seitlichen Rohrzuführung. Dass aus dem Stand der Technik auch andere Verfahrensweisen zur Rohrzuführung wie das Durchstecken durch ein Durchsteckfutter bekannt waren, verleiht dem Zuführen über ein seitliches Beschickungsmagazin keinen erfinderischen Rang. Im Gegenteil sprach eine platzsparende Bauweise unter Verzicht auf eine unnötige Längenausdehnung für das seitliche Zuführen.
29
V. Patentanspruch 8 des Streitpatents in seiner unmittelbaren Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 fügt diesem das die Merkmalsgruppe 5 des Patentanspruchs 1 weiter ausgestaltende Merkmal hinzu, dass in der Nähe des Schneidkopfs dem zu bearbeitenden Rohr eine Haltelunette zugeordnet wird, die von einer Platte aufgenommen ist und diese Platte gesteuert in Längsrichtung der Parallelführungen des Maschinenbetts verschiebbar ist. Die Präzisierung liegt dabei ausschließlich darin, dass die Lunette eine Haltelunette ist und von einer Platte aufgenommen wird, und dass diese Platte verschiebbar ist. Damit wird die Lunette des Patentanspruchs 1 lediglich in nahe liegender Weise näher ausgestaltet (vgl. Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau, 13. Aufl. 1974, S. 748 (Anl. NK28)). Dies gilt auch in Zusammenschau mit den weiteren Merkmalen des Patentanspruchs 1 des erteilten Patents wie seiner hilfsweise verteidigten Fassung.
30
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 ZPO.
Scharen Keukenschrijver Mühlens
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.05.2002 - 2 Ni 6/01 (EU) -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2007 - X ZR 198/02

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2007 - X ZR 198/02

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2007 - X ZR 198/02 zitiert 4 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2007 - X ZR 198/02 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2007 - X ZR 198/02 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Dez. 2002 - X ZR 68/99

bei uns veröffentlicht am 10.12.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 68/99 Verkündet am: 10. Dezember 2002 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Ko

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Feb. 2003 - X ZR 200/99

bei uns veröffentlicht am 12.02.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 200/99 Verkündet am: 12. Februar 2003 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Hoc

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 68/99 Verkündet am:
10. Dezember 2002
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Kosmetisches Sonnenschutzmittel
EPÜ Art. 56
Synergistische Effekte, die über die bloße Summenwirkung einer aus mehreren
Stoffen zusammengesetzten Mischung hinausgehen, können als Anzeichen für erfinderische
Tätigkeit gewertet werden. War die Kombination dem Fachmann durch
den Stand der Technik nahegelegt, vermag ein zusätzlicher, wenn auch unerwarteter
und überraschender Effekt die erfinderische Leistung der Kombination allein nicht zu
begründen.
BGH, Urt. v. 10. Dezember 2002 - X ZR 68/99 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens und den
Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 5. November 1998 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 555 460 (Streitpatents), das am 25. August 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der französischen Patentanmeldung vom 29. August 1991 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Französisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patent - und Markenamt unter der Nummer 692 02 759 geführt wird, betrifft ein "Kosmetisches Sonnenschutzmittel" und umfaßt 23 Patentansprüche.
Die Patentansprüche 1 und 23 in der erteilten Fassung lauten in deutscher Übersetzung:
"1. Kosmetische Filter-Zusammensetzung, dadurch gekennzeich- net, daß sie, in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium, mindestens ein Nanopigment von Metalloxiden, ausgewählt aus Oxiden des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm und mindestens einen aus fettlöslichen Polymeren mit Kohlenwasserstoffstruktur und aus Polymeren mit SiloxanStruktur polymeren Träger mindestens einer ultraviolette Strahlungsanteile absorbierenden Gruppierung enthält. 23. Kosmetisches Verfahren zum Schutz der menschlichen Haut und der Haare vor ultravioletter Strahlung von Wellenlängen von 280 bis 400 nm, dadurch gekennzeichnet, daß man auf die Haut oder die Haare eine wirksame Menge einer kosmetischen Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 1 bis 22 aufträgt." Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 22 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat gegen die Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 Teilnichtigkeitsklage erhoben, soweit diese kosmetische Zusammensetzungen betreffen , die als polymeren Träger allein ein Polymer mit Siloxan-Struktur enthalten. Die Klägerin hat geltend gemacht, in diesem Umfang seien die Gegenstände des Streitpatents nicht neu und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte eine neue Fassung der angegriffenen Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 überreicht.
Die Klägerin hat beantragt, das europäische Patent 0 555 460 im Umfang der Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland insoweit für nichtig zu erklären, als sie über den Umfang der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 hinausgehen. Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und das Streitpatent hilfsweise in beschränktem Umfang verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat der Teilnichtigkeitsklage stattgegeben und das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit dieses über die Ansprüche in der neuen Fassung hinausgeht.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte das Streitpatent entsprechend ihren bisherigen Hilfsanträgen im Umfang ihrer (neu formulierten) Ansprüche 24 bis 38 verteidigt und beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Abweisung der Klage im übrigen das europäische Patent 0 555 460 im Umfang der neuen Patentansprüche 1 bis 38 aufrechtzuerhalten, und zwar die Ansprüche 24 bis 38 in folgender Fassung: 24. Kosmetische Filter-Zusammensetzung, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie, in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium, mindestens ein Nanopigment von Metalloxiden, ausgewählt aus Oxiden des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm, und mindestens ein Polymer mit Siloxanstruktur, das mindestens eine ultraviolette Strahlungsanteile-absorbierende Gruppierung trägt, enthält, wobei das Polymer mit Siloxan-Struktur ein Diorganpolysiloxan ist, das in seinem Molekül mindestens eine Einheit der Formel aufweist:
R’a ‰ X-Si-O 3-a (VI)

2

worin gilt: R' bedeutet eine gesättigte oder ungesättigte C1-30Kohlenwasserstoffgruppe , eine halogenierte C1-8Kohlenwasserstoffgruppe oder eine Trimethylsilyloxygruppe, a = 1 oder 2, X = -A-Y, worin A ein aliphatischer oder aromatischer zweiwertiger Kohlenwasserstoffrest mit mindestens zwei Kohlenstoffatomen ist, der gegebenenfalls ein oder mehrere Sauerstoffatome aufweist, und Y den Rest eines Moleküls darstellt, das die UV-Strahlung filtert , welcher ein 2-(2'-Hydroxyphenyl)benztriazolrest ist, der nicht substituiert ist oder an einem der aromatischen Kerne C1-8-Alkyl-, C2-8-Alkenyl-, Halogen-, Alkoxy-, Carboxy-, Hydroxyoder Amino-Substituenten aufweist. 25. Kosmetische Zusammensetzung gemäß Anspruch 24, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die Nanopigmente der Metalloxide einen Durchmesser von 5 bis 50 nm aufweisen. 26. Kosmetische Zusammensetzung gemäß Anspruch 24 oder 25, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Metalloxid Titanoxid ist. 27. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 26, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Nanopigment der Metalloxide ein umhülltes Pigment ist, das einem oder mehreren Oberflächenbehandlungsverfahren chemischer, elektronischer , mechanochemischer oder mechanischer Art mit Verbindungen unterzogen worden ist, die aus Aminosäuren, Bienenwachs , Fettsäuren, Fettalkoholen, anionischen oberflächenaktiven Mitteln, Lecithinen, Natrium-, Kalium-, Zink-, Eisen- oder Aluminiumsalzen von Fettsäuren, Metallalkoxiden, Polyethylen, Siliconen, Proteinen, Alkanolaminen, Siliziumoxiden, Metalloxiden und aus Natriumhexametaphosphat ausgewählt sind. 28. Kosmetische Zusammensetzung gemäß Anspruch 27,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das umhüllte Na- nopigment aus Metalloxiden ein Pigment aus Titanoxid ist, das mit Kieselsäure, Kieselsäure und Aluminiumoxid, Kieselsäure und Eisenoxid, Aluminiumoxid und Silicon, Aluminiumoxid, Aluminiumoxid und Aluminiumstearat, Aluminiumoxid und Aluminiumlaurat , Eisenoxid und Eisenstearat, Zinkoxid und Zinkstearat , Kieselsäure und Aluminiumoxid und Silicon, Kieselsäure und Aluminiumoxid und Aluminiumstearat und Silicon, Triethanolamin, Stearinsäure oder mit Natriumhexametaphosphat umhüllt ist. 29. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 28, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie 0,1 bis 15 vorzugsweise 0,5 bis 10 Gew.% bezogen auf das Gesamtgewicht der Zusammensetzung, mindestens eines Nanopigments aus Metalloxiden enthält. 30. Kosmetische Zusammensetzung gemäß einem der Ansprüche 24 bis 29, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Diorganopolysiloxan zusätzlich Einheiten mit der Formel umfaßt: R'a ½ R'b - SiO 4-b (VII) und Z-Si-O 3-a (VIII)
2
2 worin R' und a die in Anspruch 12 angegebenen Bedeutungen haben, b eine ganze Zahl gleich 1, 2 oder 3 ist, Z = -O-Y, worin Y dieselbe Bedeutung wie in Anspruch 12 hat, und wobei mindestens 40 % der Anzahl der Reste R' den Methylrest bedeuten. 31. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 30, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie ein Polydimethylsiloxan mit gepfropfte(m)(n) 2-(3'-Trimethylen-5'-methyl2' -hydroxyphenyl)benztriazol-Rest(en) enthält. 32. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Anprüche 24 bis 31, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie 0,1 bis 15 vor- zugsweise 0,5 bis 10 Gew.% bezogen auf das Gesamtgewicht der Zusammensetzung, mindestens eines polymeren Filterstoffes mit Siloxan-Struktur enthält. 33. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 32, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Gewichtsverhältnis Nanopigment(e)/polymere(r) Filterstoff(e) 0,1 bis 10 und vorzugsweise 0,5 bis 5 beträgt. 34. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 33, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie eine Zusammensetzung zum Schutz der menschlichen Haut oder ein Sonnenschutzmittel darstellt und in Form einer Lotion, verdickten Lotion, eines Gels, Öls, einer bläschenartigen Dispersion, einer Creme, Milch, eines Puders, Feststoffstäbchens, Schaums oder eines Spray-Produkts vorliegt. 35. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 33, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie eine Zusammensetzung zum Schminken der Wimpern, Augenbrauen oder der Haut darstellt und in fester oder pasteuser, wasserfreier oder wässriger Form einer Emulsion, Suspension oder bläschenartigen Dispersion vorliegt. 36. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 33 zur Verwendung zum Schutz der Haare vor ultravioletten Strahlen, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie in Form eines Shampoo, einer Lotion, eines Gels oder einer Zusammensetzung zur Spülung, zur Aufbringung vor oder nach einer Shampoonierung , vor oder nach einer Färbung oder Entfärbung, vor, bei oder nach einer Dauerwelle oder einem Ausfrisieren, in Form einer Lotion oder eines Gels zum Frisieren oder Behandeln , einer Lotion oder eines Gels zum Bürsten oder zur Wellengebung , eines Lacks für die Haare, einer Zusammensetzung zur Dauerwelle oder zum Ausfrisieren, zur Färbung oder Entfärbung der Haare vorliegt.
37. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 36, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß sie zusätzlich kosmetische Hilfsstoffe enthält, ausgewählt aus Fettkörpern, organischen Lösungsmitteln, Siliconen, Verdickungsmitteln, weichmachenden Mitteln, solaren Filterstoffen für UV-A, UV-B oder eine lange Wellenbande, Antischaummittelen, hydratisierenden Mitteln, Parfüm-Produkten, Konservierungsstoffen, oberflächenaktiven Mitteln, Beladungsmitteln, Sequestriermitteln, anionischen, kationischen, nicht-ionischen oder amphoteren Polymeren oder aus deren Mischungen, Treibmitteln, alkalisch oder sauer machenden Mitteln, Färbemitteln und aus Pigmenten von Metalloxiden mit einer Korngröße von 100 bis 20000 nm. 38. Kosmetisches Verfahren zum Schutz der menschlichen Haut und der Haare vor ultravioletter Strahlung von Wellenlängen von 280 bis 400 nm, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß man auf die Haut oder die Haare eine wirksame Menge einer kosmetischen Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 37 aufträgt. Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Prof. Dr. L. , , hat als gerichtlicher Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein Privatgutachten von Dr. J. F. sowie Versuchsprotokolle vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


Gegenstand des Berufungsverfahrens sind ausschließlich die von der Beklagten neu formulierten Patentansprüche 24 bis 38 des Streitpatents. Sie waren Gegenstand der im Verfahren vor dem Bundespatentgericht gestellten Hilfsanträge der Beklagten und sind gegenüber dem Ausspruch der Teilnichtigerklärung des Bundespatentgerichts weiter eingeschränkt. Soweit die Beklagte das Urteil des Bundespatentgerichts nicht angefochten hat, verbleibt es bei der Teilnichtigerklärung des Streitpatents. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
I.1. Das Streitpatent betrifft eine kosmetische Zusammensetzung, die ultraviolette Strahlung filtert und die in Abmischung mindestens ein Nanopigment eines Metalloxids sowie mindestens ein fettlösliches Polymer enthält.
Die nicht sichtbare ultraviolette Strahlung der Sonne (UV-Licht) schädigt bei längerer Einwirkung die Haut. Für die typische Erscheinung des "Sonnenbrandes" (Hautrötung, Erythem) sind in erster Linie die kürzerwelligen, energiereichen UV-B-Strahlen verantwortlich (280 bis 320 nm). Das längerwellige, energieärmere UV-A-Licht (320 bis 400 nm) kann allerdings auf Grund seiner höheren Intensität zu Langzeitschäden führen, die kurzfristig nicht offenbar werden, wie Hautalterung, chronische Lichtschäden und Hautkrebs. Seit langem wird hoher Schutz im UV-B-Bereich gefordert, da durch die Verringerung der Ozonschicht UV-Strahlen verstärkt auf die Erdoberfläche auftreffen und auch UV-B-Strahlen Langzeitschäden verursachen können. Zum Schutz gegen UV-A-Strahlen waren bisher organische Filter bekannt. Es wurde befürchtet, daß diese organischen Substanzen bei einer Konzentrationserhöhung zum Zwecke eines verstärkten Schutzes in merklichen Mengen die Haut passieren
und vom Gesamtorganismus resorbiert werden könnten. Mögliche unerwünschte Wirkungen für den Anwender waren nicht auszuschließen.
Nach den Angaben der Streitpatentschrift (S. 2 Z. 3 bis 8 der deutschen Übersetzung) sind Sonnenschutzmittel auf der Basis polymerer siloxanischer Trägerstoffe bekannt, die den ultravioletten Anteil absorbieren und den Vorteil aufweisen, das Eindringen der Filterstoffverbindungen in den Organismus herabzusetzen und sogar zu unterdrücken. Ebenso bekannt sind kosmetische Zusammensetzungen , die Metalloxide wie z.B. Titanoxid enthalten (S. 2 Z. 9 bis 11) und infolge ihrer Diffusions- und Reflexionseigenschaften über einen großen Bandbereich als Sonnenschutzmittel geeignet sind. Solche Zusammensetzungen haben jedoch den Nachteil, daß ihre Wirksamkeit gegen ultraviolette Strahlungen bei empfindlicher oder kontinuierlich der Sonnenstrahlung ausgesetzter Haut unzureichend ist (S. 2 Z. 11 bis 17).
2. Das Streitpatent will eine kosmetische Zusammensetzung zur Verfügung stellen, die eine verbesserte Schutzwirkung gegenüber ultravioletter Strahlung in einem Wellenlängen-Bereich von 280 bis 400 nm (UV-B- und UV-A-Bereich) aufweist, und ein Verfahren hierzu.
3. Patentanspruch 24 beschreibt eine kosmetische Filterzusammensetzung ,
(1)
die in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium mindestens ein Nanopigment von Metalloxiden enthält, (1.1) das ausgewählt ist aus Oxiden des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, (1.2) mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm und
(2)
die mindestens ein Polymer mit Siloxanstruktur enthält, (2.1) das mindestens eine ultraviolette Strahlungsanteile absorbierende Gruppierung trägt, (2.2) wobei das Polymer mit Siloxan-Struktur ein Diorganpolysiloxan ist, (2.3) das in seinem Molekül mindestens eine Einheit der Formel aufweist R'a ½ X-Si-O 3-a (VI)

2

worin gilt: (2.3.1) R' bedeutet eine gesättigte oder ungesättigte C1-30-Kohlenwasserstoffgruppe, eine halogenierte C1-8-Kohlenwasserstoffgruppe oder eine Trimethylsilyoxygruppe , (2.3.2) a = 1 oder 2, (2.3.3) X = -A-Y, (2.3.3.1) worin A ein aliphatischer oder aromatischer zweiwertiger Kohlenwasserstoffrest mit mindestens zwei Kohlenstoffatomen ist, der gegebenenfalls ein oder mehrere Sauerstoffatome aufweist, und (2.3.3.2) Y den Rest eines Moleküls darstellt, das die UVStrahlung filtert, (2.3.3.2.1) welcher ein 2-(2'-Hydroxyphenyl)benztriazolrest ist, der nicht substituiert ist oder (2.3.3.2.2) an einem der aromatischen Kerne C1-8-Alkyl-, C2-8Alkenyl -, Halogen-, Alkoxy-, Carboxy-, Hydroxy- oder Amino-Substituenten aufweist. 4. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen erkannte der Durchschnittsfachmann, ein Diplomchemiker, Pharmazeut oder Diplom-Biologe, der sich in das spezielle Fachgebiet der Kosmetik (Kosmetologie) intensiv eingearbeitet hat, daß Patentanspruch 24 des Streitpatents das technische Problem eines erwünschten hohen UV-Schutzes durch Kombination von zwei Komponenten löst: Als (anorganischer) UV-B-Filter werden partikuläre Metalloxide, z.B. Oxide des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm (Nanopigmente) in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium einge-
setzt. Derartige Metalloxide zählen zu den Substanzen, die nicht in gelöster, sondern in partikulärer Form den Lichtschutz erbringen. Die hochdispersiven Metalloxide bewirken Reflexion, Absorption und Streuung der UV-Strahlen, wobei Teilchengrößen über 100 nm zur Reflexion des einstrahlenden Lichts und Teilchengrößen von weniger als 100 nm zur Absorption oder Streuung führen. Wie der Gutachter Dr. F. in seinem Gutachten (S. 5 f. der deutschen Übersetzung ) verdeutlicht hat, verändert eine Verminderung der Teilchengröße die Absorptionskurve. Mit verringerter Teilchengröße vermindert sich die Absorption des sichtbaren Lichts; die UV-A-Absorption nimmt ab und die UV-B-Absorption zu. Titandioxid, wie im Streitpatent beschrieben, ist deshalb als überwiegendes UV-B-Sonnenschutzmittel mit Breitbandspektrumschutz zu klassifizieren.
Als zweite Komponente wird ein (organischer) Polymer-Sonnenschutzfilter mit Siloxan-Struktur (C-Si-O) vom Typ des Diorganopolysiloxan eingesetzt, das z.B. als chemisch daran gebundenen Chromophor das UV-Filtermolekül 2-(2'-Hydroxyphenyl)benztriazol oder Derivate davon (im folgenden als Benztriazol bezeichnet) trägt. Der organische Polymer-Sonnenschutzfilter ist ebenfalls ein Breitbandsonnenschutzmittel in den UV-A- und UV-BWellenlängenbereichen ; er ist aufgrund seiner Polymerstruktur in öligen, lipophilen Trägern einschließlich Silikonölen löslich und erreicht die volle UVAbsorption nur in gelöstem Zustand. Er zeigt eine gute Haftung auf der Haut und wird vom Körper nicht resorbiert.
Durch das Mischen der beiden Breitbandsonnenschutzmittel kommt es zu einer Überlagerung der beiden Absorptionsbereiche und infolgedessen zu einer Verstärkung der Schutzwirkung. Gleichzeitig wird durch die spezielle Wahl der organischen Polymere mit Siloxan-Struktur eine unerwünschte Resorption weitgehend vermieden. Die organischen Polymere werden infolge ihrer Molekülgröße auch in gelöstem Zustand nicht durch die Haut resorbiert. Nanopig-
mente von Metalloxiden werden ebenfalls nicht vom Organismus aufgenommen.
Die vorgeschlagene Kombination verbessert den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zufolge den Schutz mit organischen Polymeren. Da die optimale UV-A-Absorption nur von gelösten Molekülen erreicht wird, können mit dem beanspruchten Polymer höhere Konzentrationen und damit eine verbesserte Schutzwirkung erzielt werden. Als Folge können in Zusammensetzungen die beiden Filtersubstanzen in ihrer Konzentration herabgesetzt werden. Die Kombinationspräparate besitzen eine besonders hohe Effektivität.
II. 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 24 des Streitpatents ist neu (Art. 52 EPÜ). In keiner der in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen wird die erfindungsgemäße Lehre vollständig beschrieben.
2. Die Lehre des Patentanspruchs 24 beruht allerdings nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Der Senat ist aufgrund des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen und dessen Erläuterung sowie dessen Ergänzungen , des Gutachtens von Dr. F. , aufgrund des Vorbringens der Parteien und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, daß die Kombination von zwei bekannten Breitbandsonnenschutzmitteln mit Sonnenschutzwirkung sowohl im UV-B- als auch im UV-A-Wellenbereich, nämlich eines anorganischen UV-Filters mit kolloidalen Metalloxiden und eines organischen UV-Absorbers gemäß Patentanspruch 24, dem einschlägigen Fachmann am Prioritätstag ohne erfinderisches Bemühen nahegelegt war.

a) Metalloxide, vornehmlich Titandioxid mit einer durchschnittlichen Teilchengröße von 200 nm oder mehr, die auf der Haut eine weiße Schicht zurücklassen , wurden viele Jahre als Sonnenschutz verwendet. Der Fachwelt war
am Prioritätstag des Streitpatents aus dem Stand der Technik bekannt, daß die bekannte, aber kosmetisch nicht akzeptable Weißfärbung durch Verringerung der mittleren Teilchengröße der Metalloxid-Pigmente vermieden werden kann.
Die US-amerikanische Patentschrift 5,032,390 beschreibt kosmetische Mittel gegen Sonnenbräune mit Metalloxid-Pigmenten des Zinks und Titans. Dabei wird hervorgehoben, daß "feines" Zinkoxid mit mittlerer Teilchengröße von 70 bis 300 nm und Titanoxid mit mittlerer Teilchengröße von 30 bis 70 nm als UV-Absorber geeignet sind und zugleich in Zubereitungen den Vorteil der Transparenz bieten. Es wird ausgeführt (S. 7 der Übersetzung), das Titanoxid mit einer mittleren Teilchengröße von 40 bis 70 nm zeige zusätzlich zum Schutz im UV-B-Bereich eine erhöhte Absorption und Streuung der Strahlen im UV-ABereich nahe 320 nm. Dies wird in Figur 5 der US-Druckschrift bestätigt. Wenn die dargestellten Kurven auch nicht mathematisch exakt seien, wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt hat, so könne der Fachmann Figur 5 doch das Prinzip entnehmen, daß bei zunehmender Teilchengröße (von 15 nm bis 75 nm) der Höchstpunkt der Absorption aus dem UV-B-Bereich in den UV-ABereich verlagert werde. Bei einer Teilchengröße von 75 nm liegt nämlich der Höchstpunkt der Absorption bereits im UV-A-Bereich; bei kleineren Partikelgrößen , die ebenfalls von den geltenden Patentansprüchen des Streitpatents umfaßt sind, liegen die Maxima noch im Bereich von weniger als 320 nm Wellenlänge und damit im UV-B-Bereich. Diese Abhängigkeit der Absorption von der Teilchengröße des Titandioxids und die Verschiebung der Aktivitätspeaks vom UV-B-Bereich zum UV-A-Bereich bei zunehmender Teilchengröße wird in Figur 3 des Gutachten von Dr. F. bestätigt (S. 6 der Übersetzung).
Der mit der Verwendung von mikrofeinen Metalloxid verbundene Vorteil der Transparenz bei Sonnenschutzmitteln wird auch in der PCT-Anmeldung WO 90/11067 beschrieben, welche die Verwendung von Titandioxid mit einer
mittleren Primärteilchengröße von etwa 15 nm und von mindestens einer weiteren Qualität Titandioxid mit einer mittleren Primärteilchengröße zwischen etwa 30 bis 50 nm in einem kosmetischen Träger vorschlägt: Diese Zusammensetzungen seien auf der Haut im wesentlichen transparent. Größere Partikel seien wegen der Erscheinung der "Weiße" ungeeignet. Das beschriebene Produkt liefere transparente Präparate (S. 1 und 3), die für den Verbraucher in ästhetischer Hinsicht akzeptabel seien. Sonnenschutzmittel mit einem relativ hohen Anteil an Titandioxid, beispielsweise zwischen 5 und 30 %, bewirkten einen ausreichenden Schutz gegen UV-A- und UV-B-Strahlen und seien sogar zur Behandlung von Patienten geeignet, die unter durch Lichteinwirkung bedingten Hautausschlägen litten (S. 9 f.). Ebenso schildert die Druckschrift "Degussa, Schriftenreihe Pigmente: Hochdisperse Metalloxide nach dem AEROSIL-Verfahren , Nr. 56", Titandioxid P 25 mit einer mittleren Primärteilchengröße von etwa 21 nm besitze die Eigenschaften (S. 15), UV-Licht zu absorbieren und in Flüssigkeiten transparent zu sein. Es könne deshalb in kosmetischen und medizinischen Sonnenschutzpräparaten eingesetzt werden (S. 28).

b) Der Fachmann, der sich zur Vermeidung der nicht akzeptierten Weißfärbung für eine kleinere Teilchengröße der Metalloxide entschloß, konnte nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen aus den genannten Druckschriften ohne weiteres entnehmen, daß er mit dem Vorteil der Transparenz eines Sonnenschutzmittels zugleich einen verminderten Schutz gegen ultraviolette Strahlen einhandelte und daß er deshalb zur Verbesserung des Schutzes Maßnahmen ergreifen mußte. Schon wegen der erkannten Gefahr von Schäden durch UV-Strahlen sei der Fachmann veranlaßt gewesen, über eine Optimierung des Schutzes nachzudenken. Einen ersten Hinweis erhielt der Fachmann aus der US-amerikanischen Patentschrift 5,032,390. Aus dieser Druckschrift konnte er den Vorschlag entnehmen, Titanoxid und Zinkoxid zu kombinieren, um dadurch einen verbesserten Breitbandschutz im gesamten
Bereich der UV-Strahlen zu erzielen. Während das Titanoxid mit einer mittleren Teilchengröße von 40 bis 70 nm eine erhöhte Absorption der Strahlen im UV-BBereich nahe einer Wellenlänge von 320 nm zeigt, erreicht Zinkoxid mit einer mittleren Teilchengröße von 250 nm ein deutliches Absorptionsmaximum bei einer Wellenlänge nahe 370 nm im UV-A-Bereich (S. 7 der Übersetzung). Der Fachmann wird bei diesem Vorschlag allerdings auch den Nachteil erkannt haben , daß eine ausgesprochene UV-A-Filterwirkung erst ab höheren Teilchengrößen des Zinkoxids zu erwarten war, diese Teilchengröße aber wegen der Weißfärbung gerade nicht erwünscht war.

c) Verwarf der Fachmann diesen Weg wegen mangelnder Transparenz der Substanz, so erhielt er auf der Suche nach einem geeigneten Filter für den UV-A-Bereich aus der PCT-Anmeldung WO 90/11067 einen Hinweis dahin, daß sich andere Sonnenschutzmittel in die Zusammensetzungen mit Titanoxid einarbeiten lassen und daß als geeignete weitere Sonnenschutzmittel monomere organische Substanzen in Betracht kommen (S. 9), etwa Benzophenone. Einen entsprechenden Ansatz enthält auch die Degussa-Schrift, in der auf Kombinationen mit organischen UV-Absorbern hingewiesen wird (S. 16).
Eine Konkretisierung des organischen UV-Absorbers fand der Fachmann in der französischen Offenlegungsschrift 2 657 351. Diese schlägt als geeigneten organischen Filter kosmetische Zusammensetzungen mit Benztriazol vor. Aus dieser Druckschrift erfuhr der Fachmann, als Chromophor Benzophenon einzusetzen und chemisch mit dem Polymer Polysiloxan zu verknüpfen, sowie eine bessere Löslichkeit in lipophilen Trägern (Silikonöl) vorzusehen (S. 1, Z. 5). Ferner wird darauf hingewiesen, daß dieses Sonnenschutzmittel in Kombination mit anderen UV-Filtern verwendet werden kann, zum Beispiel in Kombination mit Titanoxid (Beispiel 2, S. 13, 14). Für den einschlägigen Fachmann lag es nahe, gerade diesen organischen Filter zu prüfen und eine Kombination mit
Nanopigmenten von Metalloxiden in Erwägung zu ziehen. Wie der gerichtliche Sachverständige in Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat, ist der Fachmann auf der Suche nach Verbesserung seiner Sonnenschutzmittel stets bestrebt, alle auf dem Markt erhältlichen, zugelassenen Hilfsstoffe, die als geeignete Filter in Frage kommen, zu überprüfen. Dazu habe er sich die Anforderungen vor Augen führen müssen, die an ein gutes Sonnenschutzpräparat gestellt werden: UVAbsorption im UV-A- und UV-B-Bereich, hohe Effektivität und geringe Gefahr der Resorption. Dem Fachmann sei bewußt gewesen, daß bei Vermeidung der Weißfärbung eine einzige Filter-Substanz diesen Anforderungen nicht genügen konnte und daß die Kombination von mehreren Filtern zusätzliche Vorteile bot, nämlich die Überlappung der UV-Absorptionsbereiche und damit bei niedrigerer Konzentration der Einzelkomponenten eine erhöhte Gesamteffektivität. Da bekannt gewesen sei, daß hohe Effektivität bei löslichen, d.h. nicht partikulären Zusammensetzungen erzielt werden könne, und zwar dann, wenn möglichst wenig Substanz ungelöst, d.h. in dispergierter Form vorliege, habe es auf der Hand gelegen, unter den organischen UV-A-Filtern (silikon-) öllösliche Substanzen auszuwählen. Zur Vermeidung unerwünschter Resorption des organischen Filters sei ein polymerer Filterstoff in Betracht gekommen, weil dieser infolge der Größe seiner Moleküle nicht durch die Haut dringe. Der Fachmann habe damit nach einem organischen Filter Ausschau halten müssen, der die erstrebten Eigenschaften vereinigte. Deshalb habe es für ihn nahe gelegen, als organischen Filter das in der französischen Offenlegungsschrift 2 657 351 offenbarte Benztriazol mit den als geeignete UV-Filter vornehmlich im UV-B-Bereich wirksamen, bekannten Metalloxiden mit einer Partikelgröße von weniger als 100 nm (Nanopigmenten) zu kombinieren.
d. Eine erfinderische Leistung folgt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus einem "synergistischen" Effekt der nahegelegten Kombination.
aa) Die Beklagte hat zwar durch Vorlage von Versuchsprotokollen (Anlagen Jo1 und Jo5) einen synergistischen Effekt bei speziellen Filterkombinatio- nen experimentell nachgewiesen. Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß sich in den untersuchten Fällen bei der erfindungsgemäßen Kombination ein überadditiver Effekt ergab. Er hat weiter ausgeführt, Effekte von Mischungen lägen zwar oftmals über den erwarteten Additionen der Einzelwirkungen der Komponenten. Hier sei aber eine deutliche Ausprägung vorhanden, die sich auch nicht aus der angewandten Methode erklären lasse. Deutlich werde dies aus den in der Anlage Jo1 Tabelle 2b beschriebenen Versuchen mit Titandioxid-Nanopigment (MetalloxidPigment 2 = 50 nm) und Siloxanpolymer 1 (Benztriazol) (B4) im Vergleich zum erfindungsgemäßen Siloxanpolymer 2 (Cinnamat) (B5). Danach erreicht die Zusammensetzung B1 mit 12 % (erfindungsgemäßem) Pigment 2 allein einen Sonnenschutz-Wert (SPF) von 17,4 (+/- 2,3). Bei der Zusammensetzung B2 mit 12 % (erfindungsgemäßem) Siloxanpolymer 1 als alleiniger Wirksubstanz wird ein SPF-Wert von 6,2 (+/- 0,5) gemessen. Bei Zusammensetzung B3 mit 12 % (nicht erfindungsgemäßem) Polysiloxan 2 (Cinnamat) allein, wird ein SPF-Wert von 3,7 (+/- 0,6) gemessen. In der erfindungsgemäßen Mischung B4 mit 10 % Pigment 2 und 2 % Benztrialzol-Siloxanpolymer 1, d.h. mit einem Gesamtgewicht an Wirksubstanz von 12 %, liegt der SPF-Wert bei 28,7 (+/- 6,2); er ist viel höher als die SPF-Werte der Zusammensetzungen, welche die äquivalente Konzentration (d.h. 12 %) der einzelnen Wirkkomponenten enthalten. Rein additiv , so der gerichtliche Sachverständige, sei für diese Zusammensetzung ein Sonnenschutzfaktor (SPF) von etwa 15,5 zu erwarten gewesen. Nach der Tabelle 2b trete beinahe eine Verdoppelung der Wirkung ein, wenn nur ca. 2 %
des Nanopigments in B1 durch erfindungsgemäßes Siloxanpolymer 1 (Benz- triazol) ausgetauscht werde. Bei dem nicht-erfindungsgemäßen Siloxanpolymer vom Cinnamat-Typ (Siloxan-polymer 2) habe der gemessene SPF bei 16,9 und damit relativ nahe beim erwarteten additiven Wert von 15,2 gelegen. Verdeutlicht werde der Synergismus der speziellen Mischungen in Figur 7 des Gutachtens F. (S. 11 der deutschen Übersetzung), wobei davon auszugehen sei, daß bei kontinuierlichem Ansteigen und Abfallen der SPF-Kurve der gekennzeichnete Punkt in etwa den Maximalpunkt darstelle.
bb) Die Beklagte weist auch zutreffend darauf hin, nirgendwo im vorgelegten Stand der Technik finde sich ein Hinweis, daß ein derartiger synergistischer Effekt jemals beobachtet worden sei oder daß ein Auftreten eines solchen überadditiven Effekts hätte erwartet werden können. Gleichwohl kann im Streitfall ein solcher Effekt der erfindungsgemäßen Zusammensetzung die erfinderische Tätigkeit des Patentanspruchs 24 des Streitpatents nicht begründen.
Synergistische Effekte, die über die bloße Summenwirkung einer aus mehreren Stoffen zusammengesetzten Mischung hinausgehen, können als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden, wenn sie für den Fachmann unerwartet und überraschend sind (Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 5. Aufl., § 4 Rdn. 74; Benkard/Bruchhausen, Patentgesetz, 9. Aufl., § 4 Rdn. 36; Benkard, Europäisches Patentübereinkommen, Art. 56 Rdn. 98). Dies setzt bei der Kombination bekannter Stoffe allerdings voraus, daß Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Kombination als solche nicht nahegelegt war. War die Kombination von zwei Wirkstoffen wie im vorliegenden Fall, dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt, vermag ein zusätzlicher, wenn auch unerwarteter und überraschender Effekt die erfinderische Leistung der Kombination jedenfalls dann nicht zu begründen, wenn - wie hier - für den Fachmann Anlaß
bestand, von dem im Stand der Technik ausgelegten Maßnahmen Gebrauch zu machen. Da - wie dargelegt - die im Prioritätszeitpunkt neu gewonnenen Erkenntnisse zur Schädlichkeit von UV-Strahlen über den gesamten Bereich den Fachmann nach Möglichkeiten zu einer Verbesserung des Sonnenschutzes über das gesamte UV-Spektrum suchen lassen mußten, beschränkte sich die Leistung eher darauf, im Zuge dieser Suche von Kombinationsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, auf die er im Stand der Technik hingewiesen worden war. Der von der Beklagten in den Vordergrund ihrer Argumentation gerückte unerwartete Effekt ist lediglich eine zwangsläufige Folge dieser durch die im Stand der Technik veranlaßten und durch ihn nahegelegten Kombination der im Streitpatent unter Schutz gestellten Maßnahmen; in einem solchen Fall kann auch ein auf einer solchen Kombination beruhender unerwarteter und überraschender Effekt eine erfinderische Tätigkeit allein nicht begründen.
3. Die Lehre der auf den Patentanspruch 24 des Streitpatents unmittelbar oder mittelbar zurückbezogenen Unteransprüche 25 bis 37 sowie des Verfahrensanspruch 38 ist nicht neu, jedenfalls aber durch den Stand der Technik dem Fachmann nahegelegt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf dem nach Art. 29 des 2. PatG˜ndG weiterhin anwendbaren § 110 Abs. 3 PatG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 in Verbindung mit § 97 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 200/99 Verkündet am:
12. Februar 2003
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Hochdruckreiniger
PatG 1981 § 4
Hat die zu seinem typischen Aufgabenkreis gehörende Bewältigung eines konstruktiven
Problems wie die kostengünstigere Herstellung durch Vereinfachung
der Werkzeuge dem Fachmann eine der beanspruchten Lehre entsprechende
Ausgestaltung nahegelegt, beruht diese Lehre auch dann nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit, wenn der Stand der Technik für die damit zugleich erreichte
Verbesserung der Lösung einer weiteren Problemstellung keine hinreichende
Anregung vermittelt hat.
BGH, Urt. v. 12. Februar 2003 - X ZR 200/99 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 12. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20. Juli 1999 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das deutsche Patent 41 38 451 wird für nichtig erklärt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des deutschen Patents 41 38 451 (Streitpatents), das am 22. November 1991 angemeldet worden ist.
Es betrifft einen Hochdruckreiniger und umfaßt sechs Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Hochdruck-Reiniger (1) mit einer Hochdruck-Pumpe (7, 8), die von einem Gehäuse (2) zumindest teilweise umgeben ist,
- mit einer Waschpistole (10), die mit der Hochdruck-Pumpe (7, 8) über einen Schlauch (9) verbunden ist,
- mit an der Unterseite des Gehäuses (2) vorgesehenen Stützrädern (5) und mindestens einem Stützfuß (20), wobei der Hochdruck -Reiniger (1) zum Transport aus einer aufrechten Stellung kippbar ist, und
- mit wenigstens einer am Gehäuse (2) ausgebildeten Steckaufnahme (16, 17) für die Waschpistole (10) bzw. für eine Sprühlanze (18), wobei die Unterseite der Steckaufnahme (16, 17) den Stützfuß (20) bildet."
Wegen der Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Außerdem ist der Beklagte eingetragener Inhaber des unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 687 509, das auf einer Anmeldung vom 23. November 1992 beruht, mit der die Priorität des Streitpatents in Anspruch genommen worden ist. Dieses betrifft ebenfalls einen Hochdruckreiniger.

Die Klägerin hat mit ihrer Nichtigkeitsklage in erster Linie beantragt, das Streitpatent für nichtig zu erklären, und geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, er beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Hilfsweise hat sie beantragt, das Streitpatent mit Wirkung vom 16. April 1999 insoweit für nichtig zu erklären, als es mit seinem Schutzumfang über das europäische Patent 0 687 509 hinausgehe.
Das Bundespatentgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen; den Hilfsantrag hat das Bundespatentgericht für unzulässig gehalten.
Mit ihrer Berufung erstrebt die Klägerin unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Nichtigerklärung des Streitpatents.
Der Beklagte ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Prof. Dr.-Ing. H. B. hat als gerichtlicher Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Das Streitpatent war deshalb gemäß §§ 22, 21 Abs. 1 Nr. 1, 4 PatG für nichtig zu erklären.
1. Das Streitpatent betrifft einen Hochdruckreiniger. Dabei geht es, wie die weitere Beschreibung und die Ausführungsbeispiele erkennen lassen, von einem Gerät aus, das bei Benutzung senkrecht auf eine Unterseite gestellt wird. Derartige Hochdruckreiniger werden zunehmend nicht nur für den industriellen Einsatz, sondern auch für den Gebrauch in Privathaushalten hergestellt. Sie sind, wie beispielsweise der Hochdruckreiniger nach dem deutschen Gebrauchsmuster 91 04 335, vielfach zum Zwecke des leichteren Transports zu ihrem Einsatzort im Bereich der Unterseite des Gerätegehäuses mit Rollen versehen; ein bügelförmiger Transportgriff ermöglicht den Transport in gekippter Stellung. Bei Gebrauch ruht das Gerät einerseits auf diesen Rollen oder einer Kante des Gehäuses in ihrer Nähe; die für einen hinreichend sicheren Stand erforderliche weitere Unterstützung wird durch Standfüße in der Nähe der gegenüberliegenden Kante oder an dieser bewirkt. Für den Einsatz solcher Geräte wird Zubehör benötigt, nämlich eine Waschpistole, mit der der Sprühstrahl ausgelöst werden kann, eine oder mehrere Sprühlanzen, d.h. aufsetzbare Verlängerungen der Waschpistole, die mit unterschiedlichen Sprühköpfen für verschiedene Sprühstrahle ausgestaltet sein können, sowie ein Druckschlauch und ein Elektrokabel. Die Streitpatentschrift setzt bekannte Hoch-
druckreiniger voraus und befaßt sich im wesentlichen mit der Unterbringung des Zubehörs. Die Streitpatentschrift bezeichnet es (Sp. 1 Z. 35-39) als Aufgabe der Erfindung, für die zum Betrieb des Hochdruckreinigers benötigten Zubehörteile eine platzsparende und sichere Transport- und Lagerungsmöglichkeit zu schaffen, wobei zudem eine einfache Herstellung möglich ist.
Vorgeschlagen wird ein Hochdruckreiniger, der folgende Merkmale aufweist :
1 eine Hochdruckpumpe,
1.1 die von einem Gehäuse zumindest teilweise umgeben ist;
2 eine Waschpistole,
2.1 die mit einer Hochdruckpumpe über einen Schlauch verbunden ist,
3 Stützräder,
3.1 die an der Unterseite des Gehäuses vorgesehen sind;
4 mindestens einen Stützfuß;
5 der Hochdruckreiniger ist zum Transport aus seiner aufrechten Stellung kippbar;
6 wenigstens eine Steckaufnahme
6.1 für die Waschpistole
6.2 bzw. für eine Sprühlanze;
6.3 die Unterseite der Steckaufnahme bildet den Stützfuß.
Die Streitpatentschrift bezeichnet es als bei dem aus der deutschen Offenlegungsschrift 34 00 568 bekannten Hochdruckreiniger nachteilig, daß die Steckaufnahme zum Einstecken der Waschpistole aufwendig in der Herstellung sei, weil sie im Gehäuseinneren in Form eines schräg nach unten ragenden Rohres ausgebildet sei. Der mit Rollen versehene transportable Hochdruckreiniger nach dem deutschen Gebrauchsmuster 91 04 335 verfüge nicht über eine geeignete Aufnahme für das Zubehör. Außerdem müßten zum Aufstellen des Gerätes gesonderte Stützfüße aufgesteckt oder aufgeschraubt werden. Der Hochdruckreiniger nach dem deutschen Gebrauchsmuster 79 29 280 schließlich sei zwar an Transportrollen verfahrbar; zum Aufstellen seien aber Stützen vorgesehen, die gesondert am Rahmen über Ausleger auf relativ aufwendige Weise befestigt seien.
Demgegenüber hebt die Streitpatentschrift als Vorzug des Hochdruckreinigers nach Patentanspruch 1 hervor, daß die Steckaufnahme zum Einstekken der Waschpistole in das Gehäuse integriert und damit gewährleistet ist, daß die Waschpistole sowohl beim Transport gesichert als auch für den Einsatz griffbereit ist, wobei der Druckschlauch angeschlossen bleiben kann; als weiteren Vorteil bezeichnet es die Streitpatentschrift, daß gleichzeitig die Un-
terseite der Steckaufnahme als Stützfuß ausgebildet ist, so daß ohne gesondert zu befestigende oder zu montierende Stützfüße eine sichere Aufstellposition und eine einfache Herstellung erreicht werden können (Sp. 1 Z. 43-54).
2. Wie auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, ist der Hochdruckreiniger nach Patentanspruch 1 neu, weil in keiner der entgegengehaltenen Druckschriften ein Gerät gezeigt wird, bei dem die Unterseite der Steckaufnahme für die Waschpistole den Stützfuß bildet.
3. Der Senat ist aufgrund der mündlichen Verhandlung und der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in seinem Gutachten und der Erläuterung und Ergänzung des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, daß der Durchschnittsfachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents unter Einsatz seiner fachlichen Fähigkeiten in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik auffinden konnte.
Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, ist der Durchschnittsfachmann, der sich in der Praxis mit der Entwicklung von Neuerungen auf dem Gebiet von Hochdruckreinigern beschäftigt, ein Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Fachhochschulabschluß oder er hat eine handwerkliche Ausbildung mit einer Weiterqualifizierung zum Maschinenbautechniker. Er verfügt über eine mehrjährige Berufserfahrung in Konstruktion und Entwicklung. In der mündlichen Verhandlung hat der gerichtliche Sachverständige auf Befragen des Senats ausgeführt, daß allerdings bei der Entwicklung von Konsumgütern zunehmend Industriedesigner zugezogen werden , die typischerweise das Design, aber auch die Funktion eines Geräts mitbeeinflussen , wobei es scharfe Abgrenzungen ebensowenig gibt wie feste Re-
geln dafür, in welchem Entwicklungsstadium ein Industriedesigner zugezogen wird. Der Sachverständige hat aber weiter überzeugend dargelegt, daß es auch bei Zuziehung eines Industriedesigners Aufgabe des Technikers bleibt, einen Gehäuseentwurf zu erstellen, bei dem das Zubehör für den Transport sicher untergebracht und eine sichere stabile Halterung gewährleistet ist. Der maßgebliche Durchschnittsfachmann ist danach nicht der Designer, sondern der Techniker.
Bei der Weiterentwicklung der aus dem Stand der Technik bekannten Reiniger mußte es einem solchen Fachmann einerseits um eine bessere Benutzbarkeit , andererseits aber auch um eine vereinfachte und kostengünstigere Herstellung des Geräts gehen, wobei, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats bestätigt hat, die bessere Integration des Zubehörs eine der maßgeblichen Zielvorstellungen bildete. Bei der Verwirklichung dieser Zielvorstellung konnte der Fachmann auf das auf dem Markt befindliche Gerät K... zurückgreifen, bei dem die Integration der Einrichtungen zum Transport des Zubehörs in das Gerät vergleichsweise weit vorangeschritten ist. Auch wenn in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend geklärt werden konnte, ob die vorgesehenen Aufnahmeöffnungen an der Rückwand des Geräts ein Einführen der Zubehörteile bis zu dem unteren Ende der Verkleidung zulassen, oder ob dem in halber Höhe ein Hindernis in Form der technischen Einrichtungen im Weg stand, war hier aber die Aufnahmevorrichtung als solche in das Gerät integriert und bot damit eine - wenn auch nicht in jeder Hinsicht gelungene - Möglichkeit der vereinfachten Mitführung dieser Teile.
Ausgehend von der Zielvorstellung einer Verbesserung dieser Lösung mußte es sich dem Fachmann nach den überzeugenden Ausführungen des
gerichtlichen Sachverständigen, denen der Senat folgt, zunächst aufdrängen, die bei dem bekannten Gerät aus dem Stand der Technik vorgesehenen Füße zu vermeiden. Diese machten, wie der gerichtliche Sachverständige anschaulich und überzeugend geschildert hat, ein aufwendiges, aus mehreren Teilen bestehendes Werkzeug erforderlich, das sich bei Wegfall der Standfüße deutlich vereinfachen läßt. Auch die Streitpatentschrift beschreibt diese Füße als störend und bezeichnet es als Vorzug der von ihr vorgeschlagenen Lösung, daß eine einfache Herstellung erreicht wird, da keine gesonderten Stützfüße befestigt oder montiert werden müssen. Dort wird ausgeführt, daß bei dem Hochdruckreiniger nach dem deutschen Gebrauchsmuster 79 29 280 zum Aufstellen des Geräts Stützen vorgesehen sind, die gesondert am Rahmen über Ausleger auf relativ aufwendige Weise befestigt sind.
Bei Verzicht auf die Standfüße war der erforderliche sichere Stand im Betrieb des Hochdruckreinigers aber nur dann gewährleistet, wenn die Aufgabe des neben den beiden Rädern oder der Gehäusekante in ihrer Nähe erforderlichen weiteren Ruhepunktes von anderen Teilen des Gerätes übernommen wurde. Dazu bot es sich an, die obere Verkleidung des Geräts, die bei der Ausführungsform nach dem Stand der Technik im Betriebszustand auf den Standfüßen auflag, bis zum Boden zu verlängern. Die dafür erforderlichen konstruktiven Maßnahmen hat der gerichtliche Sachverständige überzeugend als im Können des Durchschnittsfachmanns liegend bezeichnet; der Senat schließt sich dem an. Mit dem Sachverständigen ist er weiter der Überzeugung, daß der mit einem solchen Umbau verbundene Aufwand durch die Vorteile im Herstellungsprozeß aus der Sicht des Fachmanns aufgewogen wird.
Mit dieser konstruktiven Änderung war allerdings das Anliegen des Streitpatents, eine vereinfachte Mitnahmemöglichkeit für das Zubehör zu schaffen, nicht, jedenfalls aber nicht in optimaler Weise verwirklicht. Ausgehend von dem Gerät K... , das - worüber auch die Parteien einig sind - dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents am nächsten kommt, kann nicht festgestellt werden, daß der Durchschnittsfachmann dort eine Steckaufnahme für längere Zubehörteile vorfand. Wie das Bundespatentgericht in seiner Entscheidung im Einspruchsverfahren gegen das Streitpatent vom 24. November 1997 (11 W (pat) 33/96) dargelegt hat, sind bei dem K...-Gerät als Zubehörteile nur eine relativ kurze Handspritzpistole und mit dieser verbindbare Stahlrohre und Waschbürsten angegeben und dargestellt. Für die Aufnahme einer an den Druckschlauch angeschlossenen, die Höhe des gesamten Geräts übersteigenden Sprühlanze sind die bei dem K...-Gerät vorgesehenen Steckaufnahmen danach grundsätzlich nicht geeignet. Geht man von dieser Vorstellung aus, mußte sich dem Fachmann bereits aufgrund einfacher Überlegungen aufdrängen, daß einer wesentlich sicheren Aufnahme des Zubehörs durch ein weiteres Einführen in die vorhandenen Öffnungen allein der ausladende Motorbereich in der Mitte des Geräts im Wege stand. Dem um platzsparende und sichere Transport- und Lagerungsmöglichkeiten für alle Zubehörteile bemühten Durchschnittsfachmann boten sich zur Vermeidung dieser als nachteilig empfundenen Gestaltung mehrere handwerkliche Lösungsmöglichkeiten , die, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt hat, alle darin bestanden, den Aufnahmeraum durch eine Verlegung der hierfür bestimmten Öffnung in der Weise vorzusehen, daß die Zubehörteile über die volle Länge der Verkleidung eingesteckt werden können. Da er zugleich die Fußkonstruktion als nachteilig erkannt hatte, lag es dann für ihn nahe, die außenseitig am Gehäuse angebrachte Steckaufnahme so weit zu verlängern, daß
er nicht nur auf zusätzliche Spritzgußteile verzichten, sondern den Boden der Steckaufnahme als Aufstandsfläche des Geräts in gekipptem Zustand nutzen konnte. Da der Fachmann im Interesse eines sicheren Standes des Geräts bestrebt sein mußte, einen möglichst großen Abstand zwischen der Drehachse der Stützräder und dem Aufstandspunkt des Stützpunktes zu erzielen, bot sich der vordere Gehäusebereich, in dem die Steckaufnahme bereits im Stand der Technik angeordnet war, nämlich zugleich für die Anordnung des Stützfußes an. Wie das Ausführungsbeispiel des Streitpatents zeigt, verlangt die erfindungsgemäße Ausgestaltung nicht mehr, als das Gehäuse so auszubilden, daß die Steckaufnahme bis in den Gehäusebereich hinunterreicht, deren Unterseite zugleich den vorderen Stützpunkt (Stützfuß) bildet. Zu dieser Form der Kombination von Stützfuß und Steckaufnahme gelangte der Fachmann bereits durch die jeweils für sich nahegelegte Verlagerung der vorderen Abstützung in den unteren Bereich der zum zweiten Gehäuseteil umgestalteten Verkleidung und die Verlängerung der Steckaufnahme zur sicheren Aufnahme des Zubehörs.
Der damit verbundenen Verneinung einer erfinderischen Tätigkeit steht nicht entgegen, daß der Fachmann bei dieser Lösung nicht unmittelbar von der im Streitpatent angegebenen Aufgabenstellung, sondern von allgemeinen Überlegungen ausgehen mußte, die allerdings nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen von ihm zu erwarten waren und in der allgemeinen Problemstellung lagen. Auf die im Streitpatent bezeichnete subjektive Aufgabe kommt es für die Beurteilung einer erfinderischen Tätigkeit nicht an. Bei der Beurteilung, ob der beanspruchten Lösung eine erfinderische Bedeutung beizumessen ist, muß von dem ausgegangen werden, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet.
Maßgeblich ist nicht, was in der Streitpatentschrift als "Aufgabe" bezeichnet ist, sondern das durch die Erfindung für den Fachmann tatsächlich, d.h. objektiv gelöste technische Problem (Sen. BGHZ 98, 12, 20 - Formstein; Urt. v. 23.01.1990 - X ZR 75/87, GRUR 1991, 522, 523 - Feuerschutzabschluß). Hat die zu seinem typischen Aufgabenkreis gehörende Bewältigung eines konstruktiven Problems wie die kostengünstigere Herstellung durch Vereinfachung der Werkzeuge dem Fachmann eine der beanspruchten Lehre entsprechende Ausgestaltung nahegelegt, beruht diese Lehre auch dann nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn der Stand der Technik für die damit zugleich erreichte Verbesserung der Lösung einer weiteren Problemstellung keine hinreichende Anregung vermittelt hat.
Die Unteransprüche haben, wie dies auch der Beklagte sieht, keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt und sind deshalb ebenfalls für nichtig zu erklären.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)