Bundesgerichtshof Urteil, 08. Sept. 2009 - X ZR 15/07

bei uns veröffentlicht am08.09.2009
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 15/05, 22.11.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 15/07 Verkündet am:
8. September 2009
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die
Richter Keukenschrijver, Asendorf, Dr. Berger und Dr. Grabinski

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. November 2006 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlichten europäischen Patents EP 0 921 380 (Streitpatent I). Es ist am 1. Dezember 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 5. Dezember 1997 angemeldet worden, die ihrerseits am 19. November 1998 zur Erteilung des Patents DE 197 53 913 (Streitpatent II) geführt hatte. Ein Einspruch des Klägers gegen das Streitpatent I ist durch die rechtskräftige Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 17. März 2006 zurückgewiesen worden.
2
Die beiden Streitpatente haben nach ihrem Titel eine "Wiegevorrichtung für Absetzkipper und dgl." zum Gegenstand und umfassen jeweils neun übereinstimmend formulierte Patentansprüche, die mit der Nichtigkeitsklage insgesamt angegriffen werden. Patentanspruch 1 der Streitpatente lautet: "Wiegevorrichtung für ein schwenkbeweglich hängend gelagertes, die Nutzlast aufnehmendes Lade- oder Greifbauteil an einem Fahrzeug , wie die Mulde an einem Absetzkipper, der Greifer an einem Kran oder die Schaufel an einem Bagger, mit einem Schwenkbeschlag , der einerseits an der fahrzeugseitigen Schwenkachse festlegbar ist, und der andererseits eine Aufnahme für das Lade- oder Greifbauteil schafft, dadurch gekennzeichnet, dass der Schwenk- beschlag (1) einen Wiegestab (3) aufweist, der an seinen beiden Enden gelagert und mit dem Schwenkbeschlag (1) verbunden ist, und an dem in seinem mittleren Bereich ein Druckübertragungsbauteil zur Einleitung der Gewichtskraft des Lade- oder Greifbauteils anschließt, wobei der Wiegestab (3) als quer zur fahrzeugseitigen Schwenkachse liegende Drehachse ausgebildet ist, und wobei unterhalb des Wiegestabs (3) ein Schwenklager mit einer zur fahrzeugseitigen Schwenkachse parallelen Schwenkachse vorgesehen ist."
3
Die nachgeordneten Unteransprüche 2 bis 9 sind auf Patenanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar zurückbezogen. Wegen ihres Wortlauts wird auf die Patentschriften Bezug genommen.
4
Der Kläger macht geltend, dass der Gegenstand der Streitpatente nicht schutzfähig sei gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn insbesondere die deutsche Offenlegungsschrift 40 26 561 (Anlage 5), die belgische Patentschrift BE 909 929 (Anlage D2 des Einspruchsverfahrens beim EPA) und die britische Patentschrift 1 577 341 (Anlage 19) bildeten. Außerdem hat sich der Kläger zur Begründung dafür, dass zum Prioritätszeitpunkt Wiegevorrichtungen mit den Merkmalen des Patentgegenstands durch den Stand der Technik jedenfalls nahe gelegt gewesen seien, unter anderem auf eine Wiegevorrichtung des niederländischen Unternehmens W. B.V. (Anlagen 6b und 10/2) als offenkundige Vorbenutzung berufen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
5
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent I mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland und auch das Streitpatent II für nichtig erklärt.
6
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen.
7
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. habil. G. K. , Technische Universität D. , Lehrstuhl für Baumaschinen- und Fördertechnik, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


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Die Berufung ist zulässig. Insbesondere besteht ein Rechtsschutzbedürfnis der Beklagten auch hinsichtlich des Streitpatents II fort, das mit der Zurückweisung des Einspruchs des Klägers gegen das Streitpatent I durch die Entscheidung des Europäischen Patentamts vom 17. März 2006 wirkungslos geworden ist (Art. II § 8 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜbkG). Denn vom Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens hängen der Bestand und die Durchsetzbarkeit der vom Landgericht Düsseldorf durch rechtskräftiges Urteil vom 22. September 2005 erkannten Ansprüche der Beklagten wegen Verletzung dieses Patents ab (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2002 - X ZR 118/99). Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
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I. 1. Die Streitpatente betreffen eine Wiegevorrichtung für Fahrzeuge wie beispielsweise Absetzkipper, mit der die Nutzlast von aufzunehmenden Gütern bestimmt werden soll, die mittels eines Lade- oder Greifbauteils schwenkbeweglich an einem beweglichen Hubarm aufgehängt sind. Der in den Streitpatenschriften beispielhaft erwähnte Begriff der "Mulde" steht dabei allgemein für die eine Nutzlast aufnehmenden Lade- oder Greifbauteile an einem Fahrzeug (vgl. Streitpatent I Sp. 4, Tz. 0018).
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Bei derart schwenkbeweglich aufgehängten Mulden besteht nach der Beschreibung der Streitpatente die Schwierigkeit, die geladene Nutzlast korrekt zu erfassen. Außerdem sei bei solchen Wiegeeinrichtungen nachteilig, dass sie an einer exponierten Stelle angeordnet und hierdurch Beschädigungen möglich seien, wenn beispielsweise ein Absetzkipper durch einen baumbestandenen Weg zu einer Deponie fahre.
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Im Stand der Technik waren nach der Beschreibung des europäischen Streitpatents u.a. aus der deutschen Offenlegungsschrift 40 26 561 (Anlage 5) und aus der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung EP 543 440 A1 (Anlage
2) Wiegevorrichtungen mit einem Schwenkbeschlag bekannt, bei dem der Wiegestab bzw. der Messwertaufnehmer mit der fahrzeugseitigen Schwenkachse des Schwenkbeschlags zusammenfiel oder eine Schwenkachse bildete, die parallel zur fahrzeugseitigen Schwenkachse lag. Die Beschreibung der Streitpatente führt hierzu aus, dass quer zur fahrzeugseitigen Schwenkachse angreifende Kräfte, wie sie beim Pendeln der Last auftreten können, den Messwertaufnehmer unzulässig belasten und falsche Messergebnisse hervorrufen könnten. Soweit die Vorrichtung nach der europäischen Patentanmeldung EP 543 440 A1 (Anlage 2) eine Schwenkbeweglichkeit in anderen Richtungen durch ein in der oberen Gehäusehälfte befindliches Lager ermögliche und dort auch eine weitere Schwenkachse vorsehe, die quer zur fahrzeugseitigen Schwenkachse verlaufe, bemängelt die Beschreibung der Streitpatente, dass diese Wiegevorrichtung durch ihre vielen Schwenkachsen und ihren zweiteiligen Gehäuseaufbau eine große Bauhöhe aufweise , die je nach Anwendungsgebiet hinderlich sein könne.
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2. Durch die Streitpatente soll eine Wiegevorrichtung zur Verfügung gestellt werden, die eine kompakte, geschützte und mechanisch unempfindliche Konstruktion und Wiegeergebnisse mit hoher Genauigkeit ermöglicht. In ihren Ausführungen zur Erreichung dieses Ziels befassen sich die Streitpatentschriften allein mit der Gestalt einer Einbauvorrichtung und behandeln nicht, wie die eigentliche Gewichtsmessung ausgeführt wird und wie hierzu die in der Vorrichtung verwendete Wägezelle ausgestaltet ist. Nach der Beschreibung der Streitpatente kann der Wiegestab durch Anordnung innerhalb des Schwenkbeschlags gut beschützt und durch Kräfte, die eine Schwenkbewegung um ihn bewirken, nicht unzulässig belastet werden, da er patentgemäß eine Schwenkachse für derartige Bewegungen bilde. Kräfte, die demgegenüber eine Pendelbewegung in Längsrichtung des Wie- gestabs bewirkten, belasteten den Wiegestab ebenfalls nicht unzulässig, da unterhalb des Wiegestabs ein Schwenklager für derartige Bewegungen vorgesehen sei. Der Wiegestab als Messwertaufnehmer werde daher von der Übertragung von Schwenkbewegungen völlig freigehalten und lediglich durch die Gewichtskraft der angehängten Last belastet.
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3. Hierzu wird durch den Patentanspruch 1 unter Schutz gestellt eine Wiegevorrichtung für ein schwenkbeweglich hängend gelagertes, die Nutzlast aufnehmendes Lade- oder Greifbauteil an einem Fahrzeug, wie die Mulde an einem Absetzkipper, der Greifer an einem Kran oder die Schaufel an einem Bagger, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen: 1. Ein Schwenkbeschlag (1)
a) ist einerseits an der fahrzeugseitigen Schwenkachse festlegbar ,
b) schafft andererseits eine Aufnahme für das Lade- oder Greifbauteil
c) und weist einen Wiegestab (3) auf.
2. Der Wiegestab (3)
a) ist an seinen beiden Enden gelagert
b) und mit dem Schwenkbeschlag (1) verbunden
c) und ist als quer zur fahrzeugseitigen Schwenkachse liegende Drehachse ausgebildet.
3. Ein Druckübertragungsbauteil zur Einleitung der Gewichtskraft des Lade- oder Greifbauteils schließt an den mittleren Bereich des Wiegestabs (3) an.

4. Ein Schwenklager
a) ist unterhalb des Wiegestabs (3) angeordnet und
b) weist eine zur fahrzeugseitigen Schwenkachse parallele Schwenkachse auf.
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4. a) Einer Erläuterung bedarf der Begriff der "fahrzeugseitigen Schwenkachse". Bereits aus dem Umstand, dass der Schwenkbeschlag an ihr zu befestigen ist, folgt, dass es sich bei der fahrzeugseitigen Schwenkachse nicht um ein Bauteil des Schwenkbeschlags handelt, sondern der Schwenkbeschlag auf eine am Fahrzeug vorhandene Achse zurückgreift. Dieses Verständnis einer vom Fahrzeug vorgegebenen Schwenkachse (welche durch das Schwenklager (18) des Schwenkbeschlags verläuft) wird durch die Patentbeschreibung gestützt, in der zur Erläuterung der Figur 2 der dort zur Befestigung des Schwenkbeschlags verwendete Haltebolzen mit dem Bezugszeichen 4 dahingehend charakterisiert wird, dass er als "Austauschbauteil" anstelle eines Gelenkzapfens in eine Gelenkbohrung (5) eines Hubarms (6) eingesetzt ist (Streitpatent I Sp. 3, Tz. 0017). Dementsprechend führt die Patenbeschreibung weiter aus, dass zur Befestigung des Schwenkbeschlags anstelle des Haltebolzens (4) der fahrzeugseitig vorhandene Lagerzapfen verwendet werden könne (Streitpatent I Sp. 4, Tz. 0027). Wenngleich der Schwenkbeschlag nicht selbst die obere Achse zur Verfügung stellt, sondern hierfür eine fahrzeugseitig festgelegte Achse nutzt, gehört das Vorhandensein einer solchen Achse, um die er schwenken kann, zum Gegenstand des Patentanspruchs 1. Dieser Auslegung des Patentanspruchs steht die Patentbeschreibung, die maßgeblich auf die mittlere Schwenkachse und das untere Schwenklager abstellt (Streitpatent I Sp. 2, Tz. 0011), nicht entgegen, da sich die dortige Nichterwähnung der schwenkbeweglichen Befestigung des Beschlags an der oberen Achse unschwer damit erklären lässt, dass diese Befestigungsform als selbstverständlich vorausgesetzt ist. Patentanspruch 1 definiert mithin drei Achsen des Schwenkbeschlags, von denen die Vorrichtung zwei Achsen selbst zur Verfügung stellt und eine (obere) voraussetzt.
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b) Das Merkmal 2 c, das den Wiegestab als "quer zur fahrzeugseitigen Schwenkachse liegende Drehachse" charakterisiert, und das Merkmal 4 b, das "eine zur fahrzeugseitigen Schwenkachse parallele Schwenkachse" ausweist, sind nicht auf die Fahrzeugrichtung, sondern nur auf die Richtung der fahrzeugseitigen Schwenkachse bezogen formuliert. Hierzu wird in der Beschreibung der Streitpatente allerdings erläutert und durch die Figuren 2 und 3, welche die Befestigung des Beschlages am Hubarm des Absetzkippers erkennen lassen, auch illustriert, dass die durch das Schwenklager (18) geführte fahrzeugseitige Schwenkachse Schwenk- und Pendelbewegungen des Schwenkbeschlags in Längsrichtung des Fahrzeugs ermöglicht (Streitpatent I Sp. 4, Tz. 0022), während das als Drehachse ausgebildete Bauteil des Wiegestabs (3) Schwenk- und Pendelbewegungen quer zur Längsrichtung des Fahrzeugs aufnehmen kann (Streitpatent I Sp. 4, Tz. 0023).
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5. Ein Ausführungsbeispiel der patentgemäßen Wiegevorrichtung zeigen die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 und 2. Figur 1 bildet die erste Ausführungsform des patentgemäßen Schwenkbeschlags in Seitenansicht ab, Figur 2 eine Stirnansicht auf die Vorrichtung von Figur 1 mit der fahrzeugseitigen Befestigung des Schwenkbeschlags mittels des Haltebolzens (4), der in die Gelenkbohrung (5) am Hubarm des Fahrzeugs (6) eingesetzt ist.


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Das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 zeigt dabei eine Ausbildung des Wiegestabs (3) als Schwenkachse in der durch den (Unter-)Anspruch 2 gekennzeichneten Form. Dort ist ein Ring (15) vorgesehen, der um den Wiegestab drehbar ist und die Schwenkbewegung um den Wiegestab ermöglicht (Streitpatent I Sp. 2, Tz. 0012). Den Ring (15) umgreift eine Hülse (14), die an eine Lasche (12) anschließt, auf die die Gewichtskräfte der Nutzlasten über das durch den Schwenkbolzen (8) verbundene Einhängeblech (9) übertragen werden. Der Ring (15) bildet damit bei diesem Ausführungsbeispiel das auf den Wiegestab (3) einwirkende Druckübertragungsbauteil und weist eine Wulst (16) auf, die in eine Nut (17) des Wiegestabs greift. Dies stellt nach der Patentbeschreibung sicher, dass die Krafteinleitung in den Wiegestab stets an derselben definierten Stelle erfolgt (Streitpatent I Sp. 3 f., Tz. 0021).
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II. Das Patentgericht hat die Streitpatente für nichtig erklärt, weil deren Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe (§§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG; Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG; Art. 138, 56 EPÜ). Es hat hierzu ausgeführt , aus Anlage 5 (deutsche Offenlegungsschrift 40 26 561) sei eine Wiegevor- richtung für ein schwenkbeweglich hängend gelagertes, die Nutzlast aufnehmendes Lade- oder Greifbauteil an einem Fahrzeug bekannt. Bei der Nutzlast handele es sich um die Mulde an einem Absetzkipper. Die Vorrichtung weise mit dem dreieckigen Aufhängekörper (3) einen Schwenkbeschlag auf, der an der fahrzeugseitigen Schwenkachse festlegbar sei und eine Aufnahme für das Lade- oder Greifbauteil schaffe. Der Schwenkbeschlag umfasse einen als Drehachse ausgebildeten Wiegestab (4). Der Wiegestab sei mit dem Schwenkbeschlag durch eine Schraube (19) verbunden und an einem seiner beiden Enden sowie in einem mittleren Bereich durch Lager (20) gelagert. Am anderen Ende des Wiegestabs befinde sich ein Druckübertragungsbauteil zur Einleitung der Gewichtskraft des Ladeund Greifbauteils. Unterhalb des Wiegestabs sei ein Schwenklager mit einer zur fahrzeugseitigen Schwenkachse parallelen Schwenkachse vorgesehen, das durch die eine Kette (5) tragenden Stifte und die Seitenwände des Aufhängekörpers (3) verwirklicht sei. Bei dieser bekannten Wiegevorrichtung werde die Kraft an einem Ende des Wiegestabs eingeleitet. Dies führe zu dessen einseitiger Verbiegung durch die von der Nutzlast ausgeübte Gewichtskraft, was wiederum eine ungleichmäßige Belastung und Abnutzung der Lager hervorrufe. Dies habe die nachteilige Folge, dass die freie Schwenkbarkeit des als Drehachse ausgebildeten Wiegestabs behindert und die Messgenauigkeit beeinträchtigt werde. Der Fachmann habe daher Veranlassung, Änderungen an der Krafteinleitung und der Lagerung des Wiegestabs vorzunehmen. Zu seinem Fachwissen gehöre, dass eine gleichmäßige Lagerung des Wiegestabs an seinen beiden Enden und durch mittige Einleitung der Gewichtskraft erreicht werden könne. Derart gelagerte Wiegestäbe seien beispielsweise aus Anlage 19 (britische Patentschrift 1 577 341) bekannt. Die Figuren 4 und 5 von Anlage 19 beträfen ein Ausführungsbeispiel, in dem der Einsatz des Wiegestabs in einer Vertäuvorrichtung für Schiffe gezeigt werde. Dabei sei ein Schwenkbeschlag (37, 39) vorgesehen, der mit dem Haken (38) ein schwenkbeweglich gelagertes Greifbauteil aufweise und eine Aufnahme für das Greifbauteil schaffe. Der Wiegestab (10) sei an seinen beiden Enden gela- gert und mit dem Schwenkbeschlag verbunden, wobei die Gewichtskraft im mittleren Bereich des Biegestabs eingeleitet werde. Auch wenn die Vorrichtung besonders für die Vertäuung von Schiffen ausgebildet sei, halte dies den Fachmann nicht davon ab, einzelne die Lagerung des Wiegestabs und die Krafteinleitung betreffende Merkmale aufzugreifen und bei einem Fahrzeug einzusetzen. Dies biete sich für den Fachmann auch deshalb an, weil in Anlage 19 auf andere Einsatzgebiete wie Kräne oder Förderbänder und Aufzüge hingewiesen werde, die ebenfalls auf dem Gebiet der Verkehrstechnik lägen. Es liege daher für den Fachmann nahe, bei der Wiegevorrichtung nach Anlage 5 einen an seinen Enden gelagerten Wiegestab mit mittiger Krafteinleitung vorzusehen. Wegen der in Anlage 19 angesprochenen verschiedenen Möglichkeiten zur Anordnung des Wiegestabs innerhalb der Vorrichtung erhalte der Fachmann außerdem den Hinweis, dass es auf die räumliche Ausrichtung des Wiegestabs nicht ankomme. Er ziehe daher in Betracht, bei der Wiegevorrichtung nach Anlage 5 den Wiegestab quer zur fahrzeugseitigen Schwenkachse auszubilden, und entscheide sich für diese Lösung, weil sich dann Schwenkbewegungen der Nutzlast wegen der senkrecht zueinander stehenden Schwenkachsen der Wiegevorrichtung nicht mehr auf den Wiegestab auswirkten.
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III. Dieser Beurteilung durch das Patentgericht ist nicht beizutreten.
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1. Der Gegenstand der Streitpatente wird weder durch die schriftlichen Entgegenhaltungen noch durch die behauptete offenkundige Vorbenutzung vorweggenommen. Die Vorrichtung nach Patenanspruch 1 ist in den erstinstanzlich eingeführten Entgegenhaltungen nicht in allen ihren Merkmalen beschrieben und mithin neu (§ 3 Abs. 1 PatG, Art. 54 EPÜ). Davon, dass der streitpatentgemäße Gegenstand nicht in allen seinen Merkmalen in den Entgegenhaltungen beschrieben worden ist, geht auch der gerichtliche Sachverständige aus.
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a) Die hinsichtlich ihres Offenbarungsgehalts bereits vom Patentgericht im Einzelnen gewürdigte deutsche Offenlegungsschrift 40 26 561 (Anlage 5), die bereits im Erteilungsverfahren hinsichtlich des europäischen Streitpatents berücksichtigt worden ist, sieht weder vor, dass bei jener gattungsgemäßen Wiegevorrichtung der Wiegestab an seinen beiden Enden gelagert ist (Merkmal 2a), noch, dass sich die Drehachse des Wiegestabs von der fahrzeugseitigen Schwenkachse unterscheidet und dabei quer zu ihr verläuft (Merkmal 2c). Anders als bei den Streitpatenten schließt das Druckübertragungsteil auch nicht im mittleren Bereich des Wiegestabs an (Merkmal 3). Weiterhin ist unterhalb des Wiegestabs nicht ein Schwenklager mit einer Schwenkachse vorgesehen, wie es der definierten Achsenanzahl des Patentanspruchs 1 entspricht (Merkmal 4/4b), sondern es sind zwei Schwenklager mit Stiften zur Befestigung von zwei Schäkeln offenbart, welche die oberen jeweils schwenkbaren Kettenglieder (5) aufnehmen.
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b) Gegenstand der belgischen Patentschrift BE 909 929, auf die ebenfalls bereits das europäische Streitpatent zum Stand der Technik Bezug nimmt, ist eine Wiegevorrichtung für Hebezeuge aller Art wie beispielsweise Baustellenkräne und Aufzüge. Diese Patentschrift offenbart eine Wiegevorrichtung für ein schwenkbeweglich hängend gelagertes Lade- oder Greifbauteil. Die Vorrichtung, die nach der Patentbeschreibung vorteilhafterweise zwischen den Ringen in der Kette des Hebezeugs montiert wird, enthält einen Schwenkbeschlag, der einen als Drehachse ausgebildeten Wiegestab aufweist. Entgegen den Ausführungen der Streitpatentschrift I (Sp. 1, Tz. 0004) offenbart die Entgegenhaltung BE 909 929 zwar, dass der Wiegestab (25) an seinen beiden Enden (27 u. 29) auf Auflagen (21 u. 23) gelagert ist (vgl. Übersetzung L5, S. 3 1. Abs.; siehe auch Anspruch 4). Nicht vorgesehen ist jedoch, dass der Schwenkbeschlag (3) an einer fahrzeugseitigen Schwenkachse festlegbar ist (Merkmal 1a) und dass über ein gesondertes Druckübertragungsbauteil die Gewichtskraft in den Wiegestab eingeleitet wird (Merkmal 3). Zudem befindet sich unterhalb des Wiegestabs lediglich ein Kettenring und kein Schwenklager (Merkmal 4), das eine Schwenkbewegung um eine definierte Achse ermöglicht und damit eine Bewegungsführung gewährleistet. Außerdem lässt sich der Entgegenhaltung nicht entnehmen, dass die Drehachse des Wiegestabs quer zur fahrzeugseitigen Schwenkachse liegt (Merkmal 2c).
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c) Die hinsichtlich ihres Offenbarungsgehalts ebenfalls schon vom Patentgericht gewürdigte britische Patentschrift 1 577 341 betrifft eine Lastmessvorrichtung und bezieht sich mit ihrem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 auf eine Schiffsbefestigungseinrichtung mit einer Hakenvorrichtung zum Festmachen von Trossen (siehe S. 3 Z. 32 f. mit dem dort verwendeten Begriff "cable mooring hook"), wie sie zum Anlegen eines Schiffs am Kai verwendet wird. Bei dieser Vorrichtung ist nicht vorgesehen, dass der Beschlag (36) an einer oberen fahrzeugseitigen Schwenkachse festlegbar ist (Merkmal 1a). Auch liegt beim ersten Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 die Drehachse des Wiegestabs (10) nicht quer zu einem (fahrzeugseitigen) Schwenklager (Merkmal 2c), sondern sie ist mit der Schwenkachse des im Drehzapfen (37) befindlichen Schwenklagers identisch, die den Sockelteil (36) mit dem Drehzapfen verbindet. Dieses Schwenklager ist zudem nicht parallel zu der unterhalb des Wiegestabs liegenden durch den Bolzen (40) gebildeten Schwenkachse ausgerichtet (Merkmal 4b).
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Wie bereits das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, werden in der britischen Patentschrift 1 577 341 (Anlage 19) darüber hinaus als weitere Ausführungsbeispiele offenbart (S. 3 Z. 45 - 50), dass der Wiegestab (10) anstelle des Bolzens mit dem Bezugszeichen 40 (erste Ausführungsalternative) oder des Bolzens mit dem Bezugszeichen 41 (zweite Ausführungsalternative) eingesetzt werden kann, weil diese ebenfalls die gesamte Zugkraft übertragen. Dann läge die Drehachse des Wiegestabs zwar quer zur Schwenkachse, mit welcher der Sockelteil (36) drehbar mit dem Drehzapfen (37) verbunden wird. Bei der ersten Ausführungsalternative , bei welcher der Haken (38) unmittelbar das auf den Wiegestab einwirkende Druckübertragungsbauteil darstellen würde, gäbe es allerdings überhaupt kein unterhalb des Wiegestabs angeordnetes Schwenklager (Merkmal 4), das durch eine definierte Schwenkrichtung und hierdurch bestimmte Bewegungsführung gekennzeichnet ist. Bei der zweiten Variante würden die Seitenteile (39), welche dann die Druckübertragung bewirken, nicht an den mittleren Bereich des Wiegestabs anschließen (Merkmal 3).
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d) Neu ist der Gegenstand des Anspruchs 1 der Streitpatente auch gegenüber der von dem Kläger als offenkundige Vorbenutzung geltend gemachten gattungsgemäßen Wiegevorrichtung des niederländischen Unternehmens W. B.V. (Anlagen 6b und 10/2).
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Die W. -Konstruktionszeichnung, deren Gegenstand im Einspruchsverfahren vor dem EPA als nächstliegender Stand der Technik angesehen worden ist, offenbart zwar eine Wiegevorrichtung für ein schwenkbeweglich hängend gelagertes Ladebauteil an einem Fahrzeug mit einem Schwenkbeschlag (10), der einerseits an der fahrzeugseitigen Schwenkachse (A) festlegbar ist und andererseits eine Aufnahme für das Ladebauteil schafft. Unterhalb der zwei mit dem Schwenkbeschlag verbundenen Wiegestäbe (12) befindet sich ein Schwenklager (7) mit einer Schwenkachse, die zur fahrzeugseitigen Schwenkachse parallel liegt. Die W. -Wiegevorrichtung verfügt jedoch anders als die patentgemäße Vorrichtung nicht über einen Wiegestab, der an seinen beiden Enden gelagert ist (Merkmal 2a), sondern über zwei Wiegestäbe (12), die jeweils nur an einem ihrer beiden Enden gelagert sind. Diese Wiegestäbe sind nicht als Drehachse ausgebildet (Merkmal 2c). Auch schließt sich das Druckübertragungsbauteil (13) nicht im mittleren Bereich des Wiegestabs an (Merkmal 3), sondern jeweils an dem äußeren Ende der Wiegestäbe.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist nach dem Ergebnis der
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mündlichen Verhandlung nicht dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt und ist damit als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend zu werten (§ 4 Satz 1 PatG, Art. 56 EPÜ). Die im Stand der Technik bekannten Lösungen gaben dem Fachmann weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit Veranlassung, den mit den Streitpatenten vorgeschlagenen Lösungsweg zu beschreiten. Dabei ist in Übereinstimmung mit der Auffassung des Patentgerichts und des gerichtlichen Sachverständigen davon auszugehen, dass es sich bei dem Durchschnittsfachmann um einen Ingenieur mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss etwa der Fachrichtung Maschinenbau handelt, der über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Wägetechnik und in der Entwicklung von Wiegevorrichtungen verfügt.
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Der wesentliche Gedanke der von den Streitpatenten gefundenen Lösung für das Problem, den Wiegestab von der Übertragung von Schwenkbewegungen freizuhalten und ihn damit von Störgrößen für das Messsignal fernzuhalten, liegt in dem gestalterischen Vorschlag, den Wiegestab, um den geschwenkt werden kann, oben und unten durch quer zu ihm liegende parallele Schwenkachsen zu schützen. Der gerichtliche Sachverständige hat zwar überzeugend dargelegt, dass in der Fachwelt schon vor der Anmeldung des deutschen Streitpatents insbesondere Querkräfte als häufigste und unangenehmste Störgröße in der Wägetechnik bekannt gewesen seien und dass damit auch das Anliegen der Streitpatente, die Wägegenauigkeit über die Krafteinleitung in die Wägezelle mittels geeigneter Wägezellenlager zu beeinflussen, bekannt gewesen sei. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass gerade die Lösung entsprechend der patentgemäßen Vorrichtung für die Fachwelt am Prioritätstag nahegelegen hat, haben sich jedoch nicht ergeben.
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a) Die deutsche Offenlegungsschrift 40 26 561 (Anlage 5) hat dem Fachmann keine Anregung für eine streitpatentgemäße Weiterentwicklung gegeben. Das durch die Streitpatente zu lösende Problem, den Wiegestab gegen Schwenk- und Pendelbewegungen der Mulde sowohl in fahrzeugseitiger Längsrichtung als auch in Querrichtung zu schützen, wird in dieser Entgegenhaltung nicht erörtert. So findet sich auch kein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass mit der Kettenaufhängung in den beiden unterhalb des Aufhängek örpers (3) befindlichen Schäkeln ein gewisser Bewegungsfreiheitsgrad quer zur fahrzeugseitigen Schwenkachse geschaffen ist. Hiermit sah das Konstruktionsprinzip nach der Offenlegungsschrift bereits eine Vorkehrung zur Abwehr von Störkräften auf den Messvorgang vor, obgleich ein Kettenring kein Schwenklager mit einer bestimmten Schwenkachse und einer hierdurch bestimmten Bewegungsführung darstellt. Diese technische Konstruktion eines Schutzes des Wiegestabs vor Pendelbewegungen der Mulde mag zwar nachteilig sein, weil wegen des geringen Spielraums der Schäkel innerhalb des Aufhängekörpers (3) die Gefahr einer Verkantung mit dessen Seitenblech oder eines Drucks auf das Seitenblech besteht, wenn ein seitlicher Zug an den Ketten (5) auftritt. Gründe, warum ein solcher Nachteil einer bei Auftreten einer seitlichen Zugkomponente möglichen Störgröße für das Messergebnis den Fachmann veranlasst haben könnte, die Identität zwischen der fahrzeugseitigen Schwenkachse und der Drehachse des Wiegestabs aufzulösen und sodann die Drehachse des Wiegestabs quer zur fahrzeugseitigen Schwenkachse anzuordnen, sind jedoch nicht ersichtlich. Dafür wäre nicht nur eine Weiterentwicklung, sondern eine Neukonstruktion der Vorrichtung unter völliger Umgestaltung des mit dem Portalarm (2) verbundenen Beschlags und des die Druckübertragung bewirkenden Aufhängekörpers (3) erforderlich gewesen. Dabei hätte in eine Neukonstruktion im Sinne der Streitpatente auch die Lagerung des Wiegestabs und die Krafteinleitung in dessen mittleren Bereich und mithin die Ausgestaltung des Wiegestabs einbezogen werden müssen. Gerade eine Änderung an der Krafteinleitung und Lagerung des Wiegestabs hätte sogar eine Bauartänderung bedeutet. Denn die vom Patentgericht als nachteilig angesehene einseitige Verbiegung des Wiegestabs, die mit dem endseitigen Anschluss des Druckübertragungsbauteils und der damit einhergehenden Einleitung der von der Nutzlast ausgeübten Gewichtskraft am Ende des Wiegestabs verbunden ist, entspricht typischerweise der nach dem Konstruktionsprinzip der Offenbarungsschrift gewählten Art des Wiegestabs. Dort ist er als ein Scherstab ausgebildet. Nach Darstellung des Sachverständigen kommen Wiegestäbe üblicherweise als Scherstäbe zur Anwendung. Da bei derartigen Scherstäben typischerweise nur eine seitliche Abstützung erfolgt ist, lässt sich auch die Ausgestaltung des Wiegestabs als einseitig gelagerter Scherstab nicht als konstruktionsbedingter Nachteil ansehen, der dem Fachmann unter Zugrundlegung der Offenlegungsschrift zu einer Neukonstruktion der Wiegevorrichtung hätte Veranlassung geben können.
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b) Aus der als Vorbild noch am ehesten in Betracht zu ziehenden britischen Patentschrift 1 577 341 (Anlage 19) lassen sich keine hinreichenden Anregungen entnehmen, die den Fachmann in Richtung auf die Lehre der Streitpatente hätten weisen können.
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Eine Kombination dieser Entgegenhaltung mit jener aus der Offenlegungsschrift 40 26 561 (Anlage 5), wie sie das Patentgericht vorgenommen hat, liegt zunächst schon deshalb fern, weil die Vorrichtung nach der deutschen Offenlegungsschrift eine Identität zwischen der fahrzeugseitigen Schwenk- und der Drehachse des Wiegestabs vorsieht, weshalb - jenseits einer völligen Neukonstruktion - Überlegungen über die Ausrichtung einer gesonderten Drehachse des Wiegestabs leer laufen. Überdies bezieht sich das in Rede stehende Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 in der Entgegenhaltung nach der britischen Patentschrift 1 577 341 (Anlage 19) auf einen Verankerungshaken zum Anlegen eines Schiffs und betrifft damit nicht nur ein fremdes technisches Gebiet. Vielmehr stellt sich bei solchen Befestigungen, bei denen seitlich angreifende Seilzugkräfte gemessen werden, das Problem von Pendelbewegungen, wie sie bei schwenkbeweglich hängenden Lasten auftreten können, ersichtlich nicht. Dementsprechend enthält die britische Patentschrift keinen Hinweis darauf, ob die Wiegevorrichtung gemäß Figur 4 über- haupt für ein schwenkbeweglich hängend gelagertes Lade- oder Greifbauteil an einem Fahrzeug genutzt werden könnte. Eine schwenkbewegliche Fixierung des Sockels (36) der (Schiffs-)Befestigung an einem Fahrzeug liegt eher fern, wie die von der Beklagten mit Anlage L5 vorgelegte Abbildung aus dem Prospekt über die vom britischen Unternehmen S. UK Ltd. verwendete Lastmessvorrichtung illustriert.
32
Obgleich sich bei einer solchen Vorrichtung die Probleme, um deren Lösung es bei der Lehre der Streitpatente geht, nicht stellen, hat der Senat zugunsten des Klägers unterstellt, dass von dem Fachmann, der den Schutz des Wiegestabs gegen eine Übertragung von Schwenkbewegungen hängender Lasten zu verbessern sucht, erwartet werden konnte, diese Schrift für seine Entwicklungstätigkeit zu Rate zu ziehen. Jedoch haben die in Kenntnis der Streitpatente gegebenen Antworten des Sachverständigen auf die Befragung nach einem Anlass für den Fachmann, den Beschlag (36) mit einer zusätzlichen oberen Achse zu versehen , um zu einer Anordnung der Schwenkachsen in der von den Streitpatenten definierten Form zu gelangen, kein eindeutiges Bild ergeben. Ausgehend von den sonstigen Möglichkeiten, welche die Entgegenhaltung offenbart, bedarf es einer solchen Lösung nicht. Denn oberhalb des eine Drehachse bildenden Wiegestabs kann eine quer dazu verlaufende Drehachse ohne jede weitere Änderung der Vorrichtung geschaffen werden, indem von der als zweite Ausführungsalternative beschriebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, den Wiegestab an die Stelle des in Figur 4 gezeigten Bolzens 41 zu setzen. Nach den Erläuterungen, die der gerichtliche Sachverständige zu seiner auch im schriftlichen Gutachten vertretenen These gegeben hat, dass prinzipiell nur zwei quer zueinander verlaufende Drehachsen nötig seien, sind bereits durch eine solche Ausführung Störgrößen zu vermeiden , die aus Pendelbewegungen herrühren: In der einen Richtung ist nämlich eine Drehung um den Wiegestab möglich und auch ein Pendeln in der anderen Richtung belastet den Wiegestab nicht, weil oberhalb eine quergerichtete Drehachse vorhanden ist. Der Senat hat sich daher nicht davon überzeugen können, dass die britische Patentschrift zu einer streitpatentgemäßen Weiterentwicklung hat anregen können.
33
c) Die Ausgestaltung der gattungsgemäßen Wiegevorrichtung des niederländischen Unternehmens W. B.V. gab dem Fachmann ebenfalls keine Anregung und ohne unzulässige rückschauende Betrachtung auch keinen Anlass zur Auffindung der im Patentanspruch 1 geschützten Lösung. Aufgrund der vorstehend - unter II 1 d - genannten technischen Unterschiede zur streitpatentgemäßen Vorrichtung wäre auch bei der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung durch die W. -Wiegevorrichtung als Ausgangspunkt fachmännischer Überlegungen eine Neukonstruktion nötig, die eine über bloß handwerkliche Arbeit hinausgehende erfinderische Tätigkeit des Fachmanns erfordert hätte. Denn ohne eine umfängliche Umgestaltung des Schwenkbeschlags (10) und des Druckübertragungsbauteils (13) ließen sich auch hier die beiden (Scher-)Wiegestäbe nicht durch einen einzigen beidseitig gelagerten und als Drehachse ausgebildeten (Biege -)Wiegestab ersetzen, in dessen mittlerem Bereich punktuell die Druckübertragung angreift. Für die Beurteilung, ob der Fachmann zu einer solch komplexen Veränderung ohne Kenntnis der Lehre der Streitpatente veranlasst war, ist zu berücksichtigen , dass auch das Konstruktionsprinzip der W. -Vorrichtung bereits eine Lösung für das von den Streitpatenten aufgegriffene Problem geboten hat, den Wiegestab gegen Schwenk- und Pendelbewegungen der Mulde sowohl in fahrzeugseitiger Längsrichtung als auch in Querrichtung zu schützen: Der Schwenkbeschlag (10) ist über einen quer zur Fahrtrichtung verlaufenden Bolzen an der fahrzeugseitigen Schwenkachse (A) zu befestigen, wobei dort die von zwei Schrauben mit den Bezugszeichen 3 und 9 gebildete weitere Achse vorgesehen ist, die längs zur Fahrtrichtung liegt. Hierdurch sind zwei senkrecht zueinander stehende Bewegungsfreiheitsgrade geschaffen. Weiteren Schutz der beiden Wiegestäbe (12) bewirkt das zur fahrzeugseitigen Schwenkachse (A) parallel liegende Schwenklager (7) unterhalb der Wiegestäbe. Eine Vermeidung von Querkräften, die auf den Wiegestab einwirken, wie sie die streitpatentgemäße Lösung durch die Ausbildung des Wiegestabs als Drehachse bietet, wird durch die W. - Vorrichtung zwar nicht erreicht; nach dessen Konstruktionsprinzip stehen die Wiegestäbe bei einer Schrägstellung der Mulde vielmehr ebenfalls schräg, wie die Beklagte mit den von ihr vorgelegten CAD-Abbildungen gemäß Anlagen L13 und L14 veranschaulicht hat. Daraus hat sich für den Fachmann indes noch nicht die Anregung ergeben, den Wiegestab als quer zur fahrzeugseitigen Schwenkachse stehende Drehachse auszubilden.
34
d) Schließlich hat der Senat vor dem Hintergrund des Standes der Technik, wie ihn u.a. die vorgenannten Entgegenhaltungen widerspiegeln, auch nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die von den Streitpatenten vorgeschlagene Lösung bereits auf Grund des allgemeinen Fachwissens und des stets vorhandenen Strebens nach Verbesserung vorhandener Lösungen nahegelegen hat. Wenngleich aus den vorgenannten Entgegenhaltungen alle Einzelmerkmale der beanspruchten Lösung bekannt gewesen sind und die Fachwelt um die Problemstellung , für die die Lehre der Streitpatente eine Lösung bietet, gewusst hat und sie auch einige der diesbezüglichen Grundaussagen etwa der Veröffentlichung von D. Green (Anlage 15) hat entnehmen können, stellt die streitpatentgemäße Konstruktion gegenüber den bekannten gattungsmäßigen Wiegevorrichtungen, bei denen der Schwenkbeschlag an der fahrzeugseitigen Schwenkachse zu befestigen ist, doch eine komplexe Veränderung dar, die Überlegungen in ganz unterschiedliche Richtungen voraussetzt. Mangels konkreter Vorbilder als Ausgangspunkt für die streitpatentgemäße Vorrichtung mag sich mit den Ausführungen des Sachverständigen zwar eine aus der Sachlogik des technischen Problems herzu- leitende Möglichkeit begründen lassen, dass der Fachmann den Weg der Erfindung als den als sachgerecht erkennbaren hätte gehen können. Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es allerdings - abgesehen von den Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist - in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, Urt. v. 30.04.2009 - Xa ZR 92/05, GRUR 2009, 746 Tz. 20 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung).
35
3. Mit Patentanspruch 1 haben auch die jeweils auf diesen rückbezogenen Unteransprüche Bestand.
36
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 91 ZPO.
Scharen Keukenschrijver Asendorf Berger Grabinski
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 22.11.2006 - 4 Ni 15/05 -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 4


Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese

Patentgesetz - PatG | § 3


(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

Patentgesetz - PatG | § 22


(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist. (2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

Gesetz über internationale Patentübereinkommen - IntPatÜbkG | § 6 Das Deutsche Patent- und Markenamt als ausgewähltes Amt


(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt

Gesetz über internationale Patentübereinkommen - IntPatÜbkG | § 8 Veröffentlichung der internationalen Anmeldung


(1) Die Veröffentlichung einer internationalen Anmeldung nach Artikel 21 des Patentzusammenarbeitsvertrags, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, hat die gleiche Wirkung wie die Veröffentlichung eines Hinweises nach § 32 Abs.

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Nov. 2002 - X ZR 118/99

bei uns veröffentlicht am 12.11.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 118/99 Verkündet am: 12. November 2002 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesger
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 08. Sept. 2009 - X ZR 15/07.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2010 - X ZR 17/07

bei uns veröffentlicht am 20.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am: X ZR 17/07 20. Juli 2010 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtsho

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(1) Die Veröffentlichung einer internationalen Anmeldung nach Artikel 21 des Patentzusammenarbeitsvertrags, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, hat die gleiche Wirkung wie die Veröffentlichung eines Hinweises nach § 32 Abs. 5 des Patentgesetzes für eine beim Deutschen Patentamt eingereichte Patentanmeldung (§ 33 des Patentgesetzes). Ein Hinweis auf die Veröffentlichung wird im Patentblatt bekanntgemacht.

(2) Ist die internationale Anmeldung vom Internationalen Büro nicht in deutscher Sprache veröffentlicht worden, so veröffentlicht das Deutsche Patent- und Markenamt die ihm zugeleitete Übersetzung der internationalen Anmeldung von Amts wegen. In diesem Fall treten die Wirkungen nach Absatz 1 erst vom Zeitpunkt der Veröffentlichung der deutschen Übersetzung an ein.

(3) Die nach Artikel 21 des Patentzusammenarbeitsvertrags veröffentlichte internationale Anmeldung gilt erst dann als Stand der Technik nach § 3 Abs. 2 des Patentgesetzes, wenn die in § 4 Abs. 2 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 118/99 Verkündet am:
12. November 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 12. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens
und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12. Januar 1999 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des deutschen Patents 40 26 777 (Streitpatents I), das am 24. August 1990 angemeldet worden ist. Es betrifft einen Satz zylindrischer Körper für Osteosynthesearbeiten und umfaßt

acht Patentansprüche. Der Beklagte ist weiter eingetragener Inhaber des unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 472 017 (Streitpatents II), das auf einer Anmeldung vom 31. Juli 1991 beruht, mit der die Priorität der vorgenannten deutschen Patentanmeldung in Anspruch genommen worden ist und das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter Nr. 591 03 027 geführt wird. Dieses betrifft einen Satz zylindrischer Körper mit an der Außenfläche angeformtem Gewinde und umfaßt zwölf Patentansprüche.
Die Klägerin greift mit ihrer Teilnichtigkeitsklage jeweils die Patentansprüche 1, 2, 5 und 7 der Streitpatente an. Die angegriffenen Ansprüche des Streitpatents I lauten wie folgt:
"1. Satz zylindrischer Körper für Osteosynthesearbeiten, von denen jeder ein in Form einer Schraubenlinie in der Außenfläche ausgeformtes Gewinde aufweist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Gewinde auch bei unterschiedlichen Außendurchmessern (d) der zylindrischen Körper gleiche Steigung (h) besitzt.
2. Satz zylindrischer Körper nach Anspruch 1, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Gewinde auch bei unterschiedlichen Kerndurchmessern (d ) der zylin- k drischen Körper gleiche Steigung (h) besitzt.
5. Satz zylindrischer Körper nach einem der vorhergehenden Ansprüche,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß der Durchmes- ser der ersten Gewindegänge dem der Gewindegänge der nächstkleineren zylindrischen Körper angenähert ist und sich dann vergrößert.
7. Satz zylindrischer Körper nach einem der vorhergehenden Ansprüche, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die zylindrischen Körper als Knochenschrauben und/oder Gewindebohrer ausgebildet sind."
Die angegriffenen Ansprüche des Streitpatents II haben in der Verfahrenssprache Deutsch folgenden Wortlaut:
"1. Satz zylindrischer Schrauben mit unterschiedlichen Außendurchmessern , wobei die Schrauben ein in Form einer Schraubenlinie in der Außenfläche ausgeformtes Gewinde aufweisen, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß trotz unterschiedlicher Außendurchmesser (d) der Schraube das Gewinde jeder Schraube gleiche Steigung (h) besitzt, wobei sich die Außendurchmesser der Schrauben durch derart kleine Beträge unterscheiden, daß bei Anwenden aufeinanderfolgender Schrauben ein Verletzen der vorher vorhandenen Gewindegänge nicht eintritt.

2. Satz zylindrischer Schrauben nach Anspruch 1, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Gewinde auch bei unterschiedlichen Kerndurchmessern (d ) gleiche k Steigung (h) besitzt.
5. Satz zylindrischer Schrauben nach einem der vorhergehenden Ansprüche, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß der Durchmesser der ersten Gewindegänge dem der Gewindegänge der nächstkleineren Schrauben angenähert ist und sich dann vergrößert.
7. Satz zylindrischer Schrauben nach einem der vorhergehenden Ansprüche, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die zylindrischen Körper als Knochenschrauben für Osteosynthesearbeiten ausgebildet sind."
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand der von ihr angegriffenen Patentansprüche der Streitpatente sei nicht neu, beruhe aber jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Schrauben, für die in diesen Patentansprüchen Schutz beansprucht werde, seien aus der DIN-Norm für Knochenschrauben bekannt. Die Zusammenfassung zu einem Satz sei nicht geeignet, eine Abgrenzung zum Stand der Technik herbeizuführen. Der Kern der unter Schutz gestellten Lehre liege nicht in einem Satz an sich bekannter Schrauben, son-

dern in der spezifischen chirurgischen Operationstechnik, die aber als solche nicht schutzfähig sei.
Die Klägerin hat beantragt,
im Umfang ihrer Teilnichtigkeitsklage die Streitpatente - das Streitpatent II für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland - für nichtig zu erklären.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat die Streitpatente hilfsweise in anderer Fassung verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat der Teilnichtigkeitsklage in vollem Umfang stattgegeben.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung und dem Antrag,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Prof. Dr. med. habil. Dr.-Ing. W. P. hat als gerichtlicher Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die Berufung hat Erfolg. Die Nichtigkeitsklage ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet, weil sich nicht feststellen läßt, daß der Gegenstand der Patentansprüche 1 der Streitpatente nicht patentfähig ist.
I. 1. Die vom Bundespatentgericht für begründet erachtete Teilnichtigkeitsklage ist zulässig. Eine auf den Mangel der Patentfähigkeit gestützte Klage auf Nichtigerklärung eines in Kraft stehenden Patents erfordert nicht den Nachweis eines rechtlichen Interesses (Sen.Urt. v. 13.01.1998 - X ZR 82/94, GRUR 1998, 904 - Bürstenstromabnehmer). Die förmliche Nichtigerklärung eines Patents, dem keine Schutzwürdigkeit zukommt, liegt für sich schon im öffentlichen Interesse und macht damit die Nichtigkeitsklage statthaft (Sen.Urt. v. 15.05.1990 - X ZR 119/88, GRUR 1990, 667 - Einbettungsmasse). Eine Grenze findet die Zulässigkeit allerdings in Fällen, in denen die Durchführung des Nichtigkeitsverfahrens gegen Treu und Glauben verstößt (Sen.Urt. v. 02.06.1987 - X ZR 97/86, GRUR 1987, 900, 901 - Entwässerungsanlage). Besteht aber für den Nichtigkeitskläger die Möglichkeit einer Beeinträchtigung, wenn das Patent bestehenbleibt, hat er ein Rechtsschutzinteresse an dessen Beseitigung (Sen.Urt. v. 15.05.1990, aaO - Einbettungsmasse). Im vorliegenden Fall ist das Streitpatent I zwar durch die Erteilung des Streitpatents II gemäß Art. II § 8 IntPatÜG wirkungslos geworden. Die Klägerin wird jedoch von dem Beklagten in einem parallelen Verletzungsverfahren aus beiden Streitpa-

tenten in Anspruch genommen. Es besteht deshalb auch ein Rechtsschutzbe- dürfnis, soweit die Klägerin die teilweise Vernichtung des Streitpatents I anstrebt.
2. Beide Streitpatente befassen sich mit einem Satz zylindrischer Schrauben und dazugehörigen Gewindebohrern.
Beide Streitpatentschriften erläutern die den Gegenstand ihrer Patentansprüche 1 bildende Lehre am Beispiel eines Knochenschrauben- oder Gewindebohrersatzes. Wie in beiden Beschreibungen eingangs ausgeführt, werden Knochenschrauben meist in Kombination mit Platten- und Stabsystemen angewendet, um Knochen und Knochenteile in einer bestimmten Stellung und Ausrichtung zueinander zu fixieren. Die Streitpatentschriften beschreiben zunächst die herkömmliche, z.B. aus der US-Patentschrift 4 943 292 bekannte Osteosynthese an Röhrenknochen, bei der eine mit Löchern versehene Platte mittels Knochenschrauben, die durch diese Löcher hindurchgreifen, am Knochen fixiert wird. Die Ruhigstellung der Knochen oder Knochenteile erfolgt durch Anpressen an die Platte mittels der Schrauben. Die Knochenschrauben werden verankert in Bohrkanälen, in die mit Gewindebohrern ein Gewinde eingeschnitten worden ist. Die Schraubenköpfe der Knochenschrauben finden auf der dem Knochen gegenüberliegenden Seite in den angeschrägten Schraubenlöchern ein Widerlager. Den größten Teil des Halts finden die Knochenschrauben dabei in der kortikalen Knochenrinde, während in der Spongiosa und in der Markhöhle kein wesentlicher Widerhalt zu erreichen ist. Die im Knochen verankerten Knochenschrauben werden in ihrem Verlauf im Knochen praktisch nur auf Zug beansprucht. Findet die verwendete Schraube nicht rich-

tig Halt, so werden - wie die Streitpatentschriften ausführen - herkömmlicherweise Schraubmuttern an der platten abseitigen Knochenseite auf eine längere Schraube aufgedreht, um so eine gewisse Stabilität zu gewährleisten.
Gegenüber dieser herkömmlichen Osteosynthese an Röhrenknochen bezeichnen die Streitpatentschriften das Verplattungsverfahren an der Wirbelsäule als problematischer. Anders als bei normalen Röhrenknochen lassen die anatomischen Verhältnisse hier die Fixierung eines Knochens an einer Knochenplatte in der Regel nur durch eine einzige Knochenschraube zu. Die für eine knöcherne Konsolidierung erforderliche Ruhigstellung ist dadurch erschwert , daß nahezu das ganze Körpergewicht auf dieser fixierenden Schraube lastet. Während bei Röhrenknochen die Schraube immer in zwei Knochenrinden verankert wird, werden bei der Wirbelsäulenfixation die Schrauben durch die engen Knochenverbindungen zwischen dem vorn liegenden Wirbelkörper und dem hinten liegenden Wirbelbogen eingedreht. Diese Knochenbrücken -Bogenwurzeln - Pedikel - haben im sagittalen Schnitt die Form einer Zwirnspule, wobei nur im mittleren, d.h. dem engen Abschnitt eine gute direkte Kraftübertragung auf die zentral verlaufende und nur hier mit der Knochenrinde tangentialen Kontakt aufnehmende Schraube erfolgen kann. Nach den Streitpatentschriften ist die Dimension der zu wählenden Gewindebohrer und Knochenschrauben in jedem Fall unbekannt. Eine stabile Verankerung einer Knochenschraube setzt aber eine auf den gegebenen Durchmesser des Knochenkanals abgestimmte Dimensionierung des Gewindebohrers und vor allem des Gewindepins voraus. Unterdimensionierungen beinhalten die Gefahr der Instabilität der Knochenschraubenverbindung und des Implantatabbruchs. Überdimensionierungen der Implantate können leicht neurologische Komplikationen

bis zu Querschnittslähmungen nach sich ziehen, da unmittelbar neben den Pedikeln die Nervenwurzeln und das Rückenmark liegen.
Die so beschriebene Problematik soll gemäß Streitpatent I (Sp. 2 Z. 36-40) dadurch gelöst werden, daß ein Schrauben- bzw. Gewindebohrersatz geschaffen wird, mit dem es möglich ist, den Querdurchmesser eines Knochenkanals zu bestimmen und trotz mehrmaliger Anwendung das Gewinde nicht zu zerstören. Das Streitpatent I schlägt dazu in seinem Patentanspruch 1 einen Satz zylindrischer Körper für Osteosynthesearbeiten vor, wobei sich die Merkmale des Anspruchs - der Merkmalsgliederung des Bundespatentgerichts entsprechend - wie folgt gliedern lassen:
1. Jeder zylindrische Körper eines Satzes
1.1 weist in der Außenfläche
1.2 ein Gewinde auf, das
1.2.1 in Form einer Schraubenlinie ausgeformt ist.
2. Das Gewinde besitzt
2.1 auch bei unterschiedlichen Außendurchmessern (d) der zylindrischen Körper
2.2 die gleiche Steigung (h).

Die Streitpatentschrift II beschränkt sich nicht auf Schrauben und Ge- windebohrer, die für Osteosynthesearbeiten verwendet werden, sondern beansprucht allgemein einen Satz Schrauben und führt dazu in der Beschreibung aus, daß diese bei Osteosynthesearbeiten und in Holz, Kunststoff oder weichen Metallen einsetzbar sind (Streitpatentschrift II Sp. 3 Z. 21-23). Die Streitpatentschrift II schildert es als Problem, eine Schraubenkonstruktion zu schaffen , die bei ausgelockertem Gewinde bei gleicher Gewindecharakteristik einen neuen Festsitz schafft und einen Gewindebohrer, der ein neues Gewinde nachschneidet bei optimaler Verankerung der einzusetzenden Schraube (Sp.3 Z.13-18). Sie schlägt dazu einen Satz zylindrischer Schrauben vor, die folgende Merkmale aufweisen:
1. Die zylindrischen Schrauben eines Satzes verfügen über unterschiedliche Außendurchmesser.
1.1 Jede Schraube
1.1.1 weist in der Außenfläche
1.1.2 ein Gewinde auf, das
1.1.3 in Form einer Schraubenlinie ausgeformt ist.
2. Das Gewinde jeder Schraube besitzt

2.1 trotz unterschiedlicher Außendurchmesser (d)
2.2 gleiche Steigung (h).
3. Die Außendurchmesser der Schrauben unterscheiden sich durch derart kleine Beträge,
3.1 daß ein Verletzen vorher vorhandener Gewindegänge nicht eintritt,
3.2 wenn aufeinanderfolgende Schrauben verwendet werden.
Nach Patentanspruch 1 der Streitpatentschrift I soll damit ein Satz von Gewindebohrer und dazu passenden Knochenschrauben geschaffen werden, wobei unabhängig von ihrem Außendurchmesser diese so gestaltet sind, daß sie die gleiche Steigung aufweisen. Dies soll verhindern, daß bei Anwendung des nächstgrößeren Gewindebohrers eine Beschädigung des durch den vorher eingesetzten Gewindebohrer geschnittenen Gewindes erfolgt. Dadurch soll es möglich sein, bei Handhabung des Gewindebohrers den Widerstand abzutasten , der sich dem Gewindebohrer stellt, so daß ermittelt werden kann, wann sich die äußeren Gewindegänge in der kortikalen Knochenrinde befinden. Beim Auslockern einer Schraube soll dagegen mit dem Gewindebohrersatz ermöglicht werden, ein neues, einen festen Halt verschaffendes Gewinde nachzuschneiden und eine im Durchmesser größere Schraube einzusetzen. Als entscheidend bezeichnet es die Streitpatentschrift I, daß durch das mehr-

malige Anwenden von Gewindebohrern das Gewinde nicht geschädigt wird (Streitpatentschrift I Sp. 2 Z. 68 - Sp. 3 Z. 2).
Das Streitpatent II entspricht dem, soweit es um den Anwendungsbereich der Osteosynthese geht, wortgleich (Sp. 3 Z. 40-57), nennt aber als weitere Einsatzmöglichkeit die Herstellung von Schraubverbindungen in Holz, Kunststoff und weichen Metallen (Sp. 3, Z. 21-23).
II. 1. Der Senat ist nicht davon überzeugt, daß der Gegenstand der Ansprüche 1, 2, 5 und 7 der Streitpatente im angegriffenen Umfang nicht neu ist und auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Es kann deshalb nicht festgestellt werden, daß Nichtigkeitsgründe nach § 22 Abs. 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG (bezogen auf das Streitpatent I) und Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ in Verbindung mit Art. 54 Abs. 1, 2 und Art. 56 EPÜ (bezogen auf das Streitpatent II) vorliegen.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Lehre der Streitpatente neu ist, ist darauf abzustellen, wie der Fachmann durchschnittlichen Könnens im Prioritätszeitpunkt diese Lehre verstanden hat.
2. Als einen solchen Fachmann sieht der Senat in Übereinstimmung mit dem Bundespatentgericht und dem gerichtlichen Sachverständigen einen Ingenieur mit Fachhochschulabschluß an, der sich mit der Entwicklung und Fertigung von Schrauben befaßt, außerdem jedenfalls einfache medizinische Grundkenntnisse erworben hat und bezüglich der spezifischen medizinischen

Probleme mit einem Chirurgen, Unfallchirurgen oder Orthopäden in engem Kontakt steht.
3. Dieser Fachmann versteht, wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, unter "Satz" nicht eine Mehrheit von Einzelgegenständen, die in beliebiger Weise zu einem Gebinde zusammengestellt sind. Vielmehr entnimmt der Fachmann dem Begriff "Satz", daß es sich um eine Zusammenfassung unter technischen Gesichtspunkten handelt, bei der gleichartige Gegenstände unterschiedlichen, aufeinander abgestimmten Ausmaßes zu einem Zweck funktionsbestimmt zusammengefügt werden. Dabei sieht er in der funktionalen Abstimmung das entscheidende Kriterium. Etwa im Handel angebotene Einzelteile versteht er dagegen , auch wenn es sich um eine Mehrzahl handelt, ohne eine solche Abstimmung ebensowenig als "Satz" wie ein Sortiment, das nach anderen als funktionalen Gesichtspunkten, etwa solchen eines vermuteten Bedarfs des Kunden oder anderen verkaufsorientierten Gesichtspunkten, im Handel zusammengestellt wird. Dabei gehören nach dem Verständnis des Fachmanns zu einem "Satz" mindestens drei Einzelteile, ein Paar von zwei Einzelteilen ist danach noch kein "Satz".
4. Bei diesem Verständnis des Begriffs "Satz" kann schon mangelnde Neuheit des Gegenstands der Patentansprüche 1 der Streitpatente nicht festgestellt werden.
Die DIN-Normen, namentlich die DIN 20410 Teil 1 für Sägegewinde (Anl. K 15), geben in diesem Sinne keinen "Satz" von Schrauben oder Kno-

chenschrauben an, sondern beschreiben eine genormte Reihe gleichartiger Schrauben oder Knochenschrauben unterschiedlicher Größe, die jedoch nicht funktional aufeinander abgestimmt sind, um einen bestimmten Zweck zu erreichen.
Auch der Auszug aus C.-D. "Instrumentation in Spine Surgery" (Anl. K 5) nimmt die Lehre der Streitpatente danach nicht neuheitsschädlich vorweg. Zwar läßt sich dem Abschnitt "Vertebralschrauben", wie der gerichtliche Sachverständige dies in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, entnehmen, daß von drei Schrauben zwei geringe Größenunterschiede und gleiche Gewindesteigung aufweisen. Bei diesen handelt es sich aber nach dem Verständnis des Begriffs "Satz" noch nicht um einen solchen, sondern um ein Paar. Zudem lassen sich dieser Schrift, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, keine Maßnahmen entnehmen, aufgrund derer sich mit der Verwendung eines solchen Paars eine Verbesserung der Primärstabilität erzielen ließe, da es den Autoren dieser Schrift vielmehr um die Verbesserung der mechanischen Festigkeit durch Erhöhung des Kerndurchmessers geht; Hinweise auf die Bedeutung der Abstimmung der Gewindesteigung in einem "Satz" finden sich hier nicht.
Über zwei Schrauben hinausgehende Zusammenstellungen im Sinne eines "Satzes" sind auch in keiner der übrigen Entgegenhaltungen beschrieben.
5. Der Senat hat ebenfalls nicht feststellen können, daß die Lehre der Patentansprüche 1 der Streitpatente sich für den Durchschnittsfachmann am Prioritätstag in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.

Ein solcher Fachmann konnte ein Bedürfnis für die unter Schutz gestellte Lehre von sich aus nicht erkennen. Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, wird auch der Chirurg oder Orthopäde, mit dem der Durchschnittsfachmann in engem Kontakt steht, die Problematik, einen festen Sitz der Knochenschraube zu erreichen, in erster Linie dadurch zu lösen versuchen, daß er, aufgrund seiner Erfahrung als Operateur, die Pedikeloder Knochenschraube so auswählt, daß diese im entsprechenden Knochenabschnitt die notwendige Stabilität gewährleistet. Ein ungelöstes Bedürfnis ergab sich danach nur für den Fall, daß mit der zunächst gewählten Schraube kein fester Sitz erreicht wurde und deshalb eine Schraube mit größerem Durchmesser einzusetzen war.
Der gerichtliche Sachverständige hat zur Überzeugung des Senats dargelegt , daß schon fraglich ist, ob der Durchschnittsfachmann überhaupt das Problem erkannte, daß beim Einsatz einer Knochenschraube mit größerem Durchmesser nur dann eine stabilere Verbindung entstehen konnte, wenn diese Knochenschraube ein Gewinde mit gleicher Steigung besaß und daß bei Verwendung einer Schraube mit abweichender Gewindesteigung das vorhandene vorgeschnittene Gewinde zerstört wurde. Dafür hatte er insbesondere keine Anhaltspunkte aus dem allgemeinen Stand der Schraubenverbindungstechnik , wo ein entsprechendes Problem nicht auftritt. Im technischen Bereich stellt sich vielmehr, wie der gerichtliche Sachverständige auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, das Problem nicht ausreichender Stabilität einer Schraubenverbindung nicht, weil zum einen die vorgegebenen Werkstoffeigenschaften von Holz, Kunststoff oder Metall es ermöglichen, von

vornherein zu bestimmen, welche Schraube zur Erzielung einer festen Verbin- dung nötig ist, und zum anderen, weil im Fall von Fehlversuchen der Techniker bei diesen Materialien andere Abhilfemöglichkeiten ergreift als diejenige, die die Streitpatente lehren. Beim Einbringen von Schrauben in Holz werden entweder selbstschneidende Schrauben verwendet, die in jedem Fall im Holz einen festen Halt finden, oder Schrauben, die eine Vorbohrung definierten Durchmessers erfordern und dann stabil eingebracht werden können. Sollte ausnahmsweise, beispielsweise aufgrund eines zu großen Vorbohrungsdurchmessers , kein stabiler Halt zu erzielen sein, so wird entweder eine Schraube nächstgrößeren Durchmessers benutzt oder ein neuer in der Nähe gelegener Einbringungsort gewählt. Die Einbringung in das bereits benutzte Schraubenloch bereitet dabei keine Schwierigkeiten und setzt auch keine Schraube mit gleicher Steigung voraus, weil Holz ein kompakter Werkstoff ist, der ohne Rücksicht auf die Steigung des Gewindes die Schraube größeren Durchmessers aufnimmt. Bei Schraubverbindungen mit metallischen Werkstoffen muß regelmäßig ein Innengewinde vorgeschnitten werden, mit der Folge, daß nur eine Schraube eingebracht werden kann, die ein mit dem Gewindeloch identisches Gewinde hat. Stabilität ist dann zwangsläufig gegeben. Die Verwendung unterschiedlicher Gewinde ist bei Metallschraubverbindungen grundsätzlich nicht möglich, da die Werkstoffeigenschaften nahezu keine Verformung tolerieren. Eine Ausnahme bilden lediglich die sogenannten Interferenzschraubensysteme , bei denen bewußt zwei unterschiedliche Gewinde bestimmter vordefinierter Ausgestaltung kombiniert werden, damit diese sich nach bestimmter Einschraubtiefe gegeneinander verklemmen und dann keiner weiteren Sicherung mehr bedürfen.

Der Senat hat danach Zweifel, ob der Durchschnittsfachmann das Pro- blem überhaupt erkannt und nach einer Lösung im Sinne der Lehre der Streitpatente gesucht hat. Diese Zweifel verstärken sich dadurch, daß der gerichtliche Sachverständige sich selbst nicht sicher war, ob er derartige Überlegungen angestellt oder zur Lösung der Streitpatente gefunden hätte.
Bei diesem Beweisergebnis konnte der Senat nicht die Überzeugung gewinnen, daß der Gegenstand der Streitpatente, soweit es sich um die Anwendung auf dem Gebiet der Osteosynthese handelt, für den Durchschnittsfachmann nahegelegen hätte. Für die Anwendung auf anderen Gebieten, die nach dem Streitpatent II von dessen Patentanspruch 1 umfaßt sind, gilt dies ebenso, da, wie bereits dargestellt, auf diesen Gebieten der Fachmann in erster Linie an andere Lösungen denkt, wenn er Schraubverbindungen im Sinne eines festeren Halts verbessern will.
Die mit der Teilnichtigkeitsklage ebenfalls angegriffenen Unteransprüche 2, 5 und 7 der Streitpatente haben weitere Ausgestaltungen der Lehre der Patentansprüche 1 der Streitpatente zum Gegenstand, sind auf diese rückbezogen und werden daher durch deren Patentfähigkeit ebenfalls getragen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Asendorf

(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist.

(2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Hat der Anmelder zu einer internationalen Anmeldung, für die das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist, beantragt, daß eine internationale vorläufige Prüfung der Anmeldung nach Kapitel II des Patentzusammenarbeitsvertrags durchgeführt wird, und hat er die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat angegeben, in dem er die Ergebnisse der internationalen vorläufigen Prüfung verwenden will ("ausgewählter Staat"), so ist das Deutsche Patent- und Markenamt ausgewähltes Amt.

(2) Ist die Auswahl der Bundesrepublik Deutschland vor Ablauf des 19. Monats seit dem Prioritätsdatum erfolgt, so ist § 4 Absatz 2 und 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Artikels 23 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages Artikel 40 Absatz 2 des Patentzusammenarbeitsvertrages tritt.

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.