Bundesgerichtshof Urteil, 28. Sept. 2000 - VII ZR 57/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von den Beklagten Architektenhonorar. Er erbrachte Architektenleistungen für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses. Die Beklagten sollten dafür nach mündlicher Verhandlung einen Pauschalpreis von 83.000 DM bezahlen, den der Kläger in einem von den Beklagten "akzeptierten" Auftragsschreiben bestätigt hatte. Der Kläger verlangte in einem Vorprozeß eine auf der Basis dieser Pauschalpreisabrede und unter Berücksichtigung erfolgter Teilzahlungen berechnete Restforderung von54.720 DM. Diese Klage wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 1995 rechtskräftig abgewiesen. Die Klageabweisung war damit begründet worden, daß die Pauschalpreisvereinbarung wegen fehlender Schriftform unwirksam sei, so daß der Kläger nur die Mindestsätze der HOAI verlangen könne. Deren Ermittlung sei mangels Kenntnis der hierfür maßgebenden Kosten nicht möglich. Der Klageanspruch sei damit "in vollem Umfang nicht schlüssig". Der Kläger erstellte danach eine Honorarschlußrechnung nach Mindestsätzen über netto 93.208,90 DM und verlangt als Teilbetrag 54.720 DM. Nach Abzug von Gegenforderungen aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen begehrt er von den Beklagten noch 47.357,39 DM zuzüglich Zinsen. Die Beklagten haben sich in erster Linie damit verteidigt, daß über die Klageforderung bereits rechtskräftig entschieden sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat, soweit die Forderung Gegenstand des Berufungsverfahrens war, die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zu der Frage der Rechtskraft der Vorentscheidung zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Honorarforderung des Klägers in Höhe des im Vorprozeß rechtshängig gewesenen Betrages von 54.720 DM sei rechtskräftig abgewiesen. Es handle sich nicht um einen anderen Streitgegenstand , weil der Kläger aus demselben Vertragsverhältnis für die nämlichen, von ihm erbrachten Architektenleistungen Vergütung verlange. Die Auslegung des Urteils im Vorprozeß, dessen Rechtskraft unabhängig von der materiellen Richtigkeit der Entscheidung zu bestimmen sei, ergebe, daß die Honorarforderung des Klägers in Höhe von 54.720 DM endgültig abgewiesen worden sei. Der Klageanspruch sei als "in vollem Umfang unschlüssig" angesehen worden. Dem Urteil lasse sich nicht entnehmen, daß die Klage wegen fehlender prüffähiger Schlußrechnung als derzeit unbegründet abgewiesen worden sei.II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung teilweise nicht stand. Das Berufungsgericht durfte die Klage nicht wegen des Einwandes der Rechtskraft der Vorentscheidung abweisen.Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Klage des Vorprozesses und die Klage im anhängigen Prozeß denselben Streitgegenstand betreffen (1). Unrichtig ist indes seine Auslegung, die frühere Klage sei nicht als derzeit, sondern als endgültig unbegründet abgewiesen worden (2). 1. Gegenstand eines Rechtsstreits ist der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung aufgefaßte eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt , aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Der Klagegrund geht über die Tatsachen hinaus, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (BGH, Urteile vom 11. Juli 1996 - III ZR 133/95, NJW 1996, 3151 = BGHR ZPO § 322 Abs. 1, Streitgegenstand 1; vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1). Danach betreffen die beiden Honorarklagen denselben Streitgegenstand. Der Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger seinen Anspruch herleitet, ist der Architektenvertrag über die Errichtung eines Mehrfamilienhauses. Der Honoraranspruch ergibt sich gemäß § 631 Abs. 1 BGB aus der Vergütungsvereinbarung. Dadurch, daß die HOAI bei einer gemäß § 4 Abs. 4 unwirksamen Vergütungsvereinbarung dem Architekten einen Anspruch auf Honorar nach den Mindestsätzen einräumt, ändert sich der Lebenssachverhalt nicht. 2. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht den Umfang der Rechtskraft der Vorentscheidung verkannt hat.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 27. Oktober 1994 - VII ZR 217/93, BGHZ 127, 254, 259 m.w.N.) ist die Honorarklage eines Architekten als zur Zeit unbegründet abzuweisen, wenn die Klageabweisung auf das Fehlen einer prüffähigen Schlußrechnung und damit auf fehlende Fälligkeit gestützt wird. Unschädlich ist, wenn dies nicht im Tenor zum Ausdruck gebracht wird, sondern sich erst in Auslegung der Urteilsgründe erschließt. Der Senat hat dementsprechend klargestellt, daß eine Klage als derzeit unbegründet abgewiesen worden ist, nachdem er durch Auslegung der Urteilsgründe zu dem Ergebnis gelangt war, daß die Klage vom Berufungsgericht wegen Fehlens einer prüfbaren Schlußrechnung abgewiesen worden war (Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, BauR 2000, 430 = ZfBR 2000, 118 = NJW 2000, 653).
b) Die Entscheidungsgründe des Ersturteils, aus denen sich Tragweite und Gegenstand des klageabweisenden Urteils ergeben (vgl. BGH, Urteile vom 2. Dezember 1981 - IV b ZR 638/80, BGHZ 82, 246, 254; vom 18. November 1993 - IX ZR 244, 92, BGHZ 124, 164, 166; Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl. vor § 322 Rdn. 31 m.w.N.), sind dahingehend zu verstehen, daß die Klage im Vorprozeß nicht als unbegründet, sondern als derzeit unbegründet abgewiesen worden ist. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in seiner Entscheidung vom 12. Mai 1995 die Klage deswegen abgewiesen, weil es für die Abrechnung nach den Mindestsätzen an der Darstellung der maßgeblichen anrechenbaren Kosten fehle und der Klageanspruch "in vollem Umfang unschlüssig" sei. Damit ist über die Prüfbarkeit der Honorarrechnung und folglich über die Fälligkeit der Honorarforderung entschieden worden. Die Prüfung der Fälligkeit ist nur ein Teil der Schlüssigkeitsprüfung. Der Kläger war nicht gehindert, die Fälligkeit
durch nachträgliche Erstellung einer prüffähigen Schlußrechnung herbeizuführen.
Ullmann Hausmann Wiebel Kuffer Kniffka
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(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.
(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.
(1) Werden dem Auftragnehmer nicht alle Leistungsphasen eines Leistungsbildes übertragen, so dürfen nur die für die übertragenen Phasen vorgesehenen Prozentsätze berechnet und vereinbart werden. Die Vereinbarung hat in Textform zu erfolgen.
(2) Werden dem Auftragnehmer nicht alle Grundleistungen einer Leistungsphase übertragen, so darf für die übertragenen Grundleistungen nur ein Honorar berechnet und vereinbart werden, das dem Anteil der übertragenen Grundleistungen an der gesamten Leistungsphase entspricht. Die Vereinbarung hat in Textform zu erfolgen. Entsprechend ist zu verfahren, wenn dem Auftragnehmer wesentliche Teile von Grundleistungen nicht übertragen werden.
(3) Die gesonderte Vergütung eines zusätzlichen Koordinierungs- oder Einarbeitungsaufwands ist in Textform zu vereinbaren.
(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.
(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.
(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.