Bundesgerichtshof Urteil, 16. Mai 2002 - VII ZR 479/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht von den Beklagten restlichen Werklohn aus einem Pauschalpreisvertrag sowie Vergütung für zusätzlich erbrachte Leistungen. Die Beklagten beauftragten die Fa. E -Hus A/S, eine Gesellschaft norwegischen Rechts, im Juli 1993 mit der Errichtung eines Sportstudios in M. zu einem Pauschalpreis von zuletzt 1.469.711,50 DM brutto. Die E -Hus trat ihre Ansprüche aus dem Vertrag am 1. März 1994 an die Klägerin ab.Während und nach der Bauausführung rügten die Beklagten zahlreiche Mängel und forderten deren Beseitigung. Ohne förmliche Abnahme eröffneten sie am 19. Juni 1994 das Sportstudio. Den von der Klägerin errechneten Restwerklohn in Höhe von 362.925,05 DM einschließlich der Vergütung für zusätzliche Leistungen zahlten sie nicht. Die Klägerin hat Klage auf Zahlung von 362.925,05 DM erhoben. Die Beklagten haben zunächst ein Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht und schließlich in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 1996 erklärt, daß sie Minderung des Werklohns verlangten. Hilfsweise haben sie mit Kosten in Höhe von 5.987,66 DM aufgerechnet, die ihnen durch die Einschaltung von Drittfirmen entstanden sind. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat es als erwiesen angesehen , daß zahlreiche Mängel vorliegen, die eine Minderung in Höhe von mehr als 1 Mio. DM rechtfertigten. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin eine neue Schlußrechnung über einen Betrag von 341.140,58 DM brutto erstellt, in dem Fahrtkosten sowie die Vergütung für Baustellenberäumung, Baustrom und Stellung eines Krans enthalten sind. Diesen Betrag hat sie zuzüglich Zinsen zuletzt verlangt. Das Berufungsgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Die Beklagten verfolgen mit der Revision die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das für das Schuldverhältnis maûgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). Die Parteien haben deutsches Recht vereinbart.II.
1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Werklohnanspruch sei fällig. Die Beklagten hätten das Werk dadurch abgenommen, daû sie am 19. Juni 1994 das Sportstudio, wenn auch nur zur Schadensminderung, bezogen und eröffnet hätten. Die Beklagten könnten keine Minderung verlangen, da es an der erforderlichen Fristsetzung zur Mängelbeseitigung und Ablehnungsandrohung fehle. Diese sei auch nicht entbehrlich gewesen. Die Beklagten hätten keine Tatsachen dafür vorgetragen, daû ihr Vertrauen auf eine ordnungsgemäûe Mängelbeseitigung durch die Klägerin nachhaltig erschüttert gewesen sei. 2. Das hält den Angriffen der Revision nur zum Teil stand. Die Beklagten können Minderung des fälligen Werklohns der Klägerin verlangen.a) Im Ergebnis zutreffend ist die Ansicht des Berufungsgerichts, der Werklohnanspruch sei fällig.
Allerdings liegt eine Abnahme durch die Beklagten nicht vor. Diese haben zwar das Sportstudio am 19. Juni 1994 eröffnet. Darin kann jedoch keine konkludente Abnahme gesehen werden. Die Beklagten haben das Werk nicht als im wesentlichen vertragsgemäû gebilligt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfolgte die Eröffnung nur zur Schadensminderung. Die Beklagten hatten bereits vor dem Bezug mit Schreiben vom 27. März 1994 wesentliche Mängel gerügt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2000 - VII ZR 310/99, BGHZ 146, 250, 262 und Urteil vom 10. Juni 1999 - VII ZR 170/98, BauR 1999, 1186, 1188 = ZfBR 1999, 327, 328). Sie haben in diesem Schreiben ferner darauf hingewiesen, daû der Bau nur mangelfrei abgenommen werde. Auch in der Folgezeit kam es zu keiner Abnahme. Vielmehr rügten die Beklagten wiederholt Mängel und forderten deren Beseitigung. Die gemeinsame Baustellenbesichtigung am 27. Juli 1994 mit Fertigung eines Mängelprotokolls allein besagt nichts dazu, daû die Beklagten nunmehr das Werk als im wesentlichen vertragsgemäû anerkannt hätten. Der Werklohn ist jedoch deshalb fällig, weil die Beklagten nur noch Minderung , nicht mehr Erfüllung des Vertrages verlangen. Damit wurde das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt. Das hat zur Folge, daû der Werklohnanspruch auch ohne Abnahme fällig wird (BGH, Urteil vom 23. November 1978 - VII ZR 29/78, BauR 1979, 152 und Urteil vom 16. September 1999 - VII ZR 456/98, BGHZ 142, 278, 281).
b) Die Voraussetzungen des § 634 BGB für eine Minderung liegen vor. aa) Das Berufungsgericht hat zu den von den Beklagten gerügten Mängeln keine Feststellungen getroffen. Diese sind daher in der Revisionsinstanz zu Gunsten der Beklagten zu unterstellen. Neben zahlreichen weiteren Mängeln wurden danach im Bereich der Duschen für die Wände keine Feuchtraumplat-
ten, sondern nässeempfindliche Gipskartonplatten verwendet (Mangelbeseitigungskosten rund 118.000 DM). Im gesamten Naûbereich wurden die Bodenfliesen auf nässeempfindlichem Anhydridestrich verlegt, eine Abdichtung zwischen Fliesen und Estrich fehlt (Mangelbeseitigungskosten rund 47.600 DM). Die Trittschalldämmung der Geschoûdecke unter dem Kampfsportraum und dem Gymnastikraum ist ungenügend (Mängelbeseitigungskosten mindestens 800.000 DM). bb) Ob die Beklagten wirksam eine Frist zur Mangelbeseitigung mit Ablehnungsandrohung gesetzt haben, kann offen bleiben. Denn eine Fristsetzung war entbehrlich. Das Berufungsgericht hat bei seiner gegenteiligen Beurteilung das Verhalten der Klägerin nicht umfassend gewürdigt. Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist entbehrlich, wenn sie reine Förmelei wäre. Das gilt vor allem dann, wenn der Unternehmer seine Pflicht zur Gewährleistung schlechthin bestreitet oder wenn er die Beseitigung des Mangels in anderer Weise ernsthaft verweigert. Maûgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Das gesamte Verhalten des Unternehmers ist zu würdigen , auch seine spätere Einlassung im Prozeû (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2000 - VII ZR 488/99, BauR 2001, 667, 669 = ZfBR 2001, 177 = NZBau 2001, 211, 212 m.w.N.). Die Klägerin hat die mangelhafte Trittschalldämmung, die bereits in der Mängelliste vom 26. Januar 1995 aufgeführt ist, sowie die erstmals in der Klageerwiderung gerügten Mängel an Fuûboden und Wänden des Naûbereichs stets und auch noch in der Berufungsinstanz bestritten und eine Nachbesserung verweigert. Es ist nichts dafür ersichtlich, daû eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung eine Änderung dieser Einstellung hätte bewirken können.
Daraus, daû sich die Klägerin vorprozessual zur Beseitigung einzelner, weniger schwerwiegender Mängel bereit erklärt hat, folgt nichts anderes. Daraus ergibt sich insbesondere nicht, wie sie sich bei Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung hinsichtlich der mit einem wesentlich höherem Kostenaufwand zu beseitigenden anderen Mängel verhalten hätte. Für die Klägerin war das Interesse der Beklagten erkennbar, die Mängelbeseitigung möglichst schnell und in einem Zuge durchzuführen, so daû die Störungen des Geschäftsbetriebs möglichst gering blieben. An einer Behebung lediglich einzelner Mängel konnte ihnen nicht gelegen sein. Dann umfaût die Weigerung der Klägerin, die schwerer wiegenden Mängel zu beseitigen, sämtliche am Bauwerk aufgetretenen Mängel (BGH, Urteil vom 22. November 1984 - VII ZR 287/82, BauR 1985, 198, 199 f. = ZfBR 1985, 79, 80). Aus ihren Schreiben vom 27. September 1999 und 24. November 1999 kann die Klägerin nichts zu ihren Gunsten herleiten. Sie teilt zwar den Beklagten zunächst mit, daû sie die im Urteil des Landgerichts festgestellten Mängel beseitigen möchte, weist aber zugleich im Widerspruch hierzu darauf hin, daû sie gegen das Urteil Berufung eingelegt habe. Die in dem Schreiben vom 24. November 1999 schlieûlich angesprochenen Reparaturen betreffen wiederum nur einzelne, weniger schwerwiegende Mängel.
III.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Klägerin habe aufgrund des Vertrages über die vereinbarte Pauschalvergütung hinaus auch Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen für die Gestellung eines Mobilkrans, den Baustrom und die Räumung der Baustelle sowie der Fahrtkosten.2. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Revision bezüglich dieses Anspruchs keine Klageänderung vor, über deren Zulassung das Berufungsgericht hätte entscheiden müssen. Die Kosten für den Mobilkran, das Räumen der Baustelle und den Baustrom waren bereits Gegenstand der Klage. Im Berufungsrechtszug kam aufgrund der neu erstellten Schluûrechnung einerseits die Position Fahrtkosten hinzu, andererseits wurde die Klageforderung insgesamt reduziert. Beides bewegt sich im Rahmen des § 264 Nr. 2 ZPO.
b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen jedoch seine Entscheidung nicht. Ausreichend substantiierter Vortrag der Klägerin zu diesen von den Beklagten auch der Höhe nach bestrittenen Forderungen fehlt. aa) Hinsichtlich des Mobilkrans enthält der Vertrag folgende Regelung: "Wenn die Umstände so sind, daû ein Mobilkran verlangt wird, werden die Mehrkosten dem Käufer auferlegt." Daû ein Mobilkran verlangt wurde, ist bisher weder von der Klägerin vorgetragen noch vom Berufungsgericht festgestellt. bb) Nach Abschnitt 5.6 der Vertragsbestandteil gewordenen Angebotsbeschreibung enthält der Montagepreis nicht die Reisekosten zum Bauplatz. Sie sind von den Beklagten zusätzlich zu tragen. Der Vortrag der Klägerin zur Höhe der Fahrtkosten ist jedoch nicht schlüssig. Sie nennt lediglich den Endbetrag von 6.947,20 DM. Nachprüfbarer Vortrag zu der Anzahl der gefahrenen Kilometer und zu der zu Grunde gelegten Kilometerpauschale fehlt. cc) Nach dem Vertrag "sorgt" der Bauherr "für ... Elektrizität ..., Aufräumen ist nicht die Pflicht des Verkäufers". Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt hieraus nicht ohne weiteres eine Kostentragungspflicht der Be-
klagten. Das Berufungsgericht hat nicht bedacht, daû anders als bei der Regelung über die Kosten für den Mobilkran und die Fahrtkosten hier eine ausdrückliche Aussage darüber, wer die Kosten zu tragen hat, fehlt. Zudem sind auch bei diesen Positionen die geltend gemachten Beträge in keiner Weise nachprüfbar aufgeschlüsselt.
IV.
Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird die Feststellungen zu den von den Beklagten behaupteten Mängeln und zu den Voraussetzungen der von der Klägerin begehrten zusätzlichen Vergütung nachzuholen haben. Für den Fall, daû es erneut einen Anspruch der Klägerin bejaht, weist der Senat auf folgendes hin: Die Beklagten haben hilfsweise mit den Kosten aufgerechnet, die ihnen durch die Beauftragung von Drittfirmen zur Verhinderung eines weiteren Wassereintritts entstanden sind. Das Berufungsgericht hat die Aufrechnung nicht durchgreifen lassen. Seine Begründung, die Beklagten hätten die ausgeführten Arbeiten nicht genügend konkretisiert, und das angebotene Sachverständigengutachten sei kein geeignetes Beweismittel, trägt diese Entscheidung jedoch nicht. Die Beklagten haben vorgetragen, daû die Arbeiten ausgeführt wurden, um Wassereintritt im Naûbereich des ersten Obergeschosses zu verhindern. Um welche Arbeiten es sich handelte, ergibt sich aus der von ihnen vorgelegten Rechnung der Firma H.. Zu den von den Beklagten behaupteten Mängeln hat der vom Landgericht beauftragte Sachverständige K. Stellung genommen. Beidieser Sachlage kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, ein Sachverständiger könne nachträglich nicht mehr beurteilen, ob durch die Firma H. Mängel beseitigt wurden, die auf fehlerhafter Bauausführung beruhten.
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(1) Die Vergütung ist bei der Abnahme des Werkes zu entrichten. Ist das Werk in Teilen abzunehmen und die Vergütung für die einzelnen Teile bestimmt, so ist die Vergütung für jeden Teil bei dessen Abnahme zu entrichten.
(2) Die Vergütung des Unternehmers für ein Werk, dessen Herstellung der Besteller einem Dritten versprochen hat, wird spätestens fällig,
- 1.
soweit der Besteller von dem Dritten für das versprochene Werk wegen dessen Herstellung seine Vergütung oder Teile davon erhalten hat, - 2.
soweit das Werk des Bestellers von dem Dritten abgenommen worden ist oder als abgenommen gilt oder - 3.
wenn der Unternehmer dem Besteller erfolglos eine angemessene Frist zur Auskunft über die in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Umstände bestimmt hat.
(3) Kann der Besteller die Beseitigung eines Mangels verlangen, so kann er nach der Fälligkeit die Zahlung eines angemessenen Teils der Vergütung verweigern; angemessen ist in der Regel das Doppelte der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten.
(4) Eine in Geld festgesetzte Vergütung hat der Besteller von der Abnahme des Werkes an zu verzinsen, sofern nicht die Vergütung gestundet ist.
Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
- 1.
nach § 635 Nacherfüllung verlangen, - 2.
nach § 637 den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, - 3.
nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 638 die Vergütung mindern und - 4.
nach den §§ 636, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.