Bundesgerichtshof Urteil, 29. Juni 2001 - V ZR 65/00

29.06.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 65/00 Verkündet am:
29. Juni 2001
Kanik,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Schneider, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. November 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zu mehr als 262.667 DM verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 19. November 1998 zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten und zweiten Instanz tragen der Kläger zu 47 % und der Beklagte zu 53 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Mutter des Klägers und der Beklagte waren Miteigentümer verschiedener Grundstücke, über die sie sich mit notariellem Vertrag vom 11. November 1981 auseinandersetzten. Für den Kläger wurde in diesem Ver-
trag ein Ausgleichsanspruch gegen den Beklagten in Höhe von 400.000 DM nebst 12 % Fälligkeitszinsen begründet. Die Fälligkeit trat am 1. Oktober 1983 ein. Nach mehrfachen Übertragungen und Rückübertragungen ist der Kläger seit dem 25. März 1998 wieder Inhaber der Forderung.
Am 20. Mai 1986 war über das Vermögen des Beklagten das Konkursverfahren eröffnet worden. In diesem Verfahren meldete der Kläger die Forderung nebst Zinsen seit dem 1. Dezember 1983 mit dem Zusatz, daß der Anspruch an die D. Bank abgetreten sei, an. Ende 1993 wurde das Konkursverfahren aufgehoben.
Im Rahmen eines Kaufvertrages zur Verwertung gemeinsamer Grundstücke trafen die Parteien am 2. November 1995 die Feststellung, daß der Beklagte bis zu jenem Zeitpunkt aus dem Vertrag vom 11. November 1981 weder die Hauptforderung beglichen noch Zinsen gezahlt habe. Die Zinsen für 1995 zahlte der Beklagte aus dem ihm zustehenden Kaufpreisanteil aus dem Vertrag vom 2. November 1995. 1997 zahlte er die Hauptforderung sowie die Zinsen für 1994 und 1996 sowie 4.000 DM an Zinsen für Januar 1997.
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger die Zinsen für die Zeit vom 1. Oktober 1983 bis zum 31. Dezember 1993 (492.000 DM) verlangt. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr für den Zeitraum ab 1. Dezember 1983 in Höhe von 484.000 DM stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten, die der Senat nur wegen eines Betrages von 221.333 DM (Zinsen für die Zeit von der Konkurseröffnung bis Ende 1990) angenommen hat. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht nimmt an, die Verjährung der Zinsrückstände ab 1. Dezember 1983 sei durch die entsprechende Anmeldung im Konkursverfahren unterbrochen worden. Die Unterbrechung habe mit Veröffentlichung des Konkursaufhebungsbeschlusses am 31. Dezember 1993 geendet, die Verjährung sei dann aber rechtzeitig vor ihrem Eintritt durch den Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides am 22. Dezember 1997 erneut unterbrochen worden.

II.


Der Senat hat die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu den Unterbrechungstatbeständen durch Nichtannahme der Revision im Grundsatz gebilligt. Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht - worauf die Revision zu Recht hinweist - allerdings insoweit, als es um den Zinszeitraum von der Konkurseröffnung an bis Ende 1990 geht.
1. Die Forderungsanmeldung im Konkursverfahren konnte eine Verjährungsunterbrechung nur hinsichtlich der Zinsforderungen bewirken, die Gegenstand des Konkursverfahrens waren (§ 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Das aber waren nach § 63 Nr. 1 KO nur die bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelaufenen Zinsen. Nur diese stellen anmeldbare Konkursforderungen dar. Die während des Konkursverfahrens und später entstandenen Zinsforderungen werden von der Anmeldung nicht erfaßt. Die Verjährung wird folglich auch nicht unterbrochen (Kuhn/Uhlenbrock, KO, 11. Aufl., § 25 Rdn. 10; Jae-
ger/Lent/Weber, KO, 8. Aufl., § 63 Rdn. 1; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 25 Rdn. 45).
Soweit die Revisionserwiderung darauf hinweist, daß die Ausklammerung der laufenden Zinsen aus dem Konkursverfahren letztlich auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhe, führt das nicht zu einer anderen Beurteilung. Jedenfalls nimmt § 63 Nr. 1 KO die seit der Eröffnung des Konkursverfahrens laufenden Zinsen aus dem Verfahren aus und erlaubt dem Gläubiger die unmittelbare Geltendmachung dieser Ansprüche gegen den Gemeinschuldner persönlich (BGHZ 134, 195, 198 m.w.N.). Von § 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB werden sie dann aber auch nicht erfaßt.
Daß der Gesetzgeber das anders hätte regeln können, zeigt - worauf die Revisionserwiderung des weiteren hinweist - die Ausnahmevorschrift des § 226 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 KO (Zinsen im Nachlaßkonkurs) und die jetzige Regelung in der Insolvenzordnung39 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Das berechtigt aber nicht zu einer entsprechenden Auslegung des § 63 Nr. 1 KO gegen den klaren Wortlaut und den Willen des damaligen Gesetzgebers, der das Problem - wie gerade die Ausnahmevorschrift des § 226 Abs. 2 Nr. 1 KO zeigt - gesehen, aber anders geregelt hat.
2. Das hat zur Folge, daß die Zinsforderungen, die nach der Konkurseröffnung und bis Ende 1990 fortlaufend entstanden sind, nach §§ 197, 201 BGB verjährt sind; denn erst das in dem Grundstückskaufvertrag vom 2. November 1995 liegende Anerkenntnis der Zinsforderung dem Grunde nach konnte nach § 208 BGB zu einer erneuten Unterbrechung führen. Zu diesem Zeitpunkt war hinsichtlich des vorgenannten Zeitraums jedoch Verjährung eingetreten.

Die Revisionserwiderung verkennt nicht, daß das Anerkenntnis die bereits verjährten Ansprüche nicht erfaßt (st. Rspr. des BGH, vgl. Urt. v. 9. Oktober 1986, I ZR 158/84, NJW-RR 1987, 288, 289; Urt. v. 27. Juni 1990, IV ZR 115/89, BGHR BGB § 208 Anerkenntnis 3; Urt. v. 21. November 1996, IX ZR 159/95, NJW 1997, 516, 517). Sie meint aber, das Anerkenntnis sei als Verzicht auf die Einrede der Verjährung aufzufassen. Dem ist nicht zu folgen. Weder der Wortlaut des Anerkenntnisses noch die vorgetragenen Umstände lassen auf einen solchen Verzicht schließen. Das Anerkenntnis enthält nur den - zutreffenden - Hinweis darauf, daß dem Kläger nach dem Ursprungsvertrag 12 % Zinsen seit Oktober 1983 zustehen, und es legt fest, daß die Zahlung von 48.000 DM die Ansprüche des Klägers auf die Zahlung der Hauptschuld von 400.000 DM und "etwaiger weiterer Zinsen" unberührt läßt. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, daß sich der Beklagte mit diesem Anerkenntnis zugleich des Rechts der Verjährungseinrede begeben wollte. Daran ändert auch nichts der unter Zeugenbeweis gestellte Vortrag des Klägers, es habe sich um ein "umfassendes Anerkenntnis" gehandelt. Zur Frage eines Einredeverzichts trägt dieser Vortrag nichts bei. Weiterem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung war nicht nachzugehen, da es an einer ordnungsgemäß erhobenen Gegenrüge fehlt.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO:
Wenzel Schneider Krüger Klein Gaier

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 197 Dreißigjährige Verjährungsfrist


(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,1.Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen,2.Herausgabeansprüche

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 209 Wirkung der Hemmung


Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

Insolvenzordnung - InsO | § 39 Nachrangige Insolvenzgläubiger


(1) Im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger werden in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, berichtigt: 1. die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge au

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 201 Beginn der Verjährungsfrist von festgestellten Ansprüchen


Die Verjährung von Ansprüchen der in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 bezeichneten Art beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung, der Errichtung des vollstreckbaren Titels oder der Feststellung im Insolvenzverfahren, nicht jedoch vor der Entstehung des An

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 208 Hemmung der Verjährung bei Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung


Die Verjährung von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs des Gläubigers gehemmt. Lebt der Gläubiger von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung bei Beginn der Verjähru

Referenzen

Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

(1) Im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger werden in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, berichtigt:

1.
die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge auf Forderungen der Insolvenzgläubiger;
2.
die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren erwachsen;
3.
Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten;
4.
Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners;
5.
nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.
Satz 1 Nummer 5 ist nicht anzuwenden, wenn eine staatliche Förderbank oder eines ihrer Tochterunternehmen einem Unternehmen, an dem die staatliche Förderbank oder eines ihrer Tochterunternehmen beteiligt ist, ein Darlehen gewährt oder eine andere einer Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vorgenommen hat.

(2) Forderungen, für die zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart worden ist, werden im Zweifel nach den in Absatz 1 bezeichneten Forderungen berichtigt.

(3) Die Zinsen der Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger und die Kosten, die diesen Gläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren entstehen, haben den gleichen Rang wie die Forderungen dieser Gläubiger.

(4) Absatz 1 Nr. 5 gilt für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Erwirbt ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung, führt dies bis zur nachhaltigen Sanierung nicht zur Anwendung von Absatz 1 Nr. 5 auf seine Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen oder auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.

(5) Absatz 1 Nr. 5 gilt nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 4 Satz 1, der mit 10 Prozent oder weniger am Haftkapital beteiligt ist.

(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen,
2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen,
3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche,
4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden,
5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und
6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.

(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.

Die Verjährung von Ansprüchen der in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 bezeichneten Art beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung, der Errichtung des vollstreckbaren Titels oder der Feststellung im Insolvenzverfahren, nicht jedoch vor der Entstehung des Anspruchs. § 199 Abs. 5 findet entsprechende Anwendung.

Die Verjährung von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs des Gläubigers gehemmt. Lebt der Gläubiger von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung bei Beginn der Verjährung mit dem Schuldner in häuslicher Gemeinschaft, so ist die Verjährung auch bis zur Beendigung der häuslichen Gemeinschaft gehemmt.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.