Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juni 2002 - V ZR 140/01

bei uns veröffentlicht am28.06.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 140/01 Verkündet am:
28. Juni 2002
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Juni 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 26. Februar 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 6. Februar 1992 erwarben die Beklagten von der Klägerin ein 10.186 qm großes Grundstück in B. bei M. zum Preis von 615.000 DM, wovon 509.300 DM auf den Grund und Boden entfielen. In § 8 heißt es u.a.:
"Nachbewertung (1) Die Parteien sind sich darüber einig, daß wegen des noch nicht funktionsfähigen Grundstücksmarktes eine verläßliche Ermittlung des Verkehrswertes des verkauften Grund und Bodens zur Zeit nicht möglich ist. Dem zwischen Verkäufer und Käufer vereinbarten Kaufpreis liegt daher im Hinblick auf
den Grund und Boden ein vorläufiger Wertansatz zugrunde. Die Parteien vereinbaren daher die Durchführung einer Nachbewertung nach Maûgabe folgender Absätze: (2) ... (3) Bei der Nachbewertung ist der Verkehrswert des verkauften Grund und Bodens zum 31.1.1994 ("Nachbewertungsstichtag" ) festzustellen. ... (4) Von dem zu zahlenden Differenzbetrag gemäû Abs. 6 dieser Vorschrift ist ein Freibetrag in Höhe von 3 % p.a. abzuziehen. (5) Eine Nachbewertung ist mit für die Parteien verbindlicher Wirkung durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen für Grundstücksbewertung als Schiedsgutachter durchzuführen. ... (6) Soweit der von dem Sachverständigen zum Nachbewertungsstichtag festgestellte Wert des verkauften Grund und Bodens den nach Abs. 2 dieser Vorschrift in den Kaufpreis eingegangenen Wert überschreitet, erhöht sich der Kaufpreis nachträglich um den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag, höchstens jedoch um DM 20,- pro qm. ..."
Mit Gutachten vom 16. Mai 1994 ermittelte die Sachverständige M. einen Verkehrswert des Grundstücks von 611.000 DM. Daraufhin verlangte die Klägerin von den Beklagten die Zahlung von 95.598 DM zuzüglich 24.145,58 DM Zinsen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie weiterhin die Durchsetzung ihrer Klage verfolgt.

Entscheidungsgründe:

I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei den Nachbewertungsklauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des AGBGesetzes. Diese seien nach § 9 AGBG unwirksam, weil sie die Beklagten in unangemessener Weise benachteiligten. Auch aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung seien die Beklagten nicht zur Zahlung eines höheren Kaufpreises verpflichtet, weil die nach dem Wegfall der unwirksamen Klauseln entstandene Regelungslücke nicht geschlossen werden könne.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.


1. Zu Unrecht hält das Berufungsgericht den von der Klägerin verfolgten Zahlungsanspruch für unbegründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei den hier streitigen Nachbewertungsklauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG oder um Individualvereinbarungen handelt. Die Klauseln sind nämlich in beiden Fällen wirksam.

a) Die Preisbestimmung unterliegt der freien Disposition der Vertragsparteien. Sie sind daher nicht gehindert, bei dem Verkauf von Grundstücken deren spätere Nachbewertung mit der Folge einer eventuellen Änderung des ursprünglich festgelegten Kaufpreises zu vereinbaren. Das kann sowohl individual vertraglich als auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geschehen.

b) Gegen die Wirksamkeit individuell ausgehandelter Nachbewertungsklauseln bestehen von vornherein keine Bedenken. Handelt es sich dagegen um Allgemeine Geschäftsbedingungen, sind sie ebenfalls wirksam. Das hat der Senat bereits mit Urteil vom 26. Januar 2001 (BGHZ 146, 331), dem nahezu wortgleiche Klauseln zugrunde liegen, und auch danach mehrfach (Urt. v. 11. Mai 2001, V ZR 491/99, WM 2001, 1305, 1306; Urt. v. 22. Februar 2002, V ZR 251/00, ZIP 2002, 808) entschieden. Hieran wird festgehalten.
aa) Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, daû die Klauseln nicht so ungewöhnlich sind, daû sie nach § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden sind. Für den maûgeblichen Erwerberkreis (Investoren) war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbar, daû es im Beitrittsgebiet noch keinen funktionsfähigen Grundstücksmarkt gab und deswegen die Vereinbarung eines angemessenen Kaufpreises vielfach nicht möglich war; auch lag es auf der Hand, daû die Grundstückspreise zunächst einmal stiegen. Auf diese Umstände wurde hier eingangs der Nachbewertungsklauseln ausdrücklich hingewiesen; dementsprechend wurde der Kaufpreis für den Grund und Boden als "vorläufiger Wertansatz" bezeichnet. Damit ist ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt (vgl. Senat, BGHZ 109, 197, 201) zu Lasten der Beklagten ausgeschlossen.
Auch eine erhebliche Abweichung vom dispositiven Recht, die ebenfalls eine Ungewöhnlichkeit im Sinne des § 3 AGBG begründen kann (Senatsurt. v. 26. Mai 2000, V ZR 49/99, WM 2000, 2099, 2100 m.w.N.), liegt nicht vor. Die in Nr. 4 der Anlage IX zum Vertrag über die Schaffung einer Wirtschafts-, Währungs - und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (Erster Staatsvertrag,
BGBl. II S. 518, 566) enthaltenen Grundsätze, nach denen bereits vor dem 3. Oktober 1990 wegen eines fehlenden funktionsfähigen Grundstücksmarkts und entsprechender Marktpreise im Beitrittsgebiet eine Nachbewertung auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden konnte (Senatsurt. v. 26. Januar 2001, aaO), sind auch auf die hier streitigen Klauseln anwendbar. Die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unterschieden sich nämlich nicht wesentlich von denen vor dem 3. Oktober 1990.
bb) Die Klauseln unterliegen auch keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 911 AGBG, denn es handelt sich um Preishauptabreden. Sie bestimmen den endgültigen Preis des Grundstücks, indem sie solche Regelungen treffen, die auch aus der Sicht der Beklagten die zukünftige, bei Vertragsschluû noch nicht ausreichend bezifferbare Geldforderung nach allgemeinen Kriterien deutlich bestimmbar umschreiben. Das macht die Klauseln nach § 8 AGBG kontrollfrei. Dem steht nicht entgegen, daû sie einen Erhöhungsvorbehalt zugunsten der Verkäuferin vorsehen und die preisbildenden Faktoren - bei nicht erzielbarem Einvernehmen der Vertragsparteien - durch einen Sachverständigen ermittelt werden sollen; auch wird nicht in den Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung eingegriffen (siehe im einzelnen Senatsurt. v. 22. Februar 2002, aaO).

III.


Das Berufungsurteil hat somit keinen Bestand. Es ist aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,
damit es die für die Höhe des Anspruchs der Klägerin erforderlichen Feststellungen treffen kann. Falls das aufgrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens nicht möglich sein sollte, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben , ob es die Leistungsbestimmung unter Beachtung der Freibetragsklausel nach § 319 Abs. 1 BGB durch Urteil treffen muû (vgl. dazu Senatsurt. v. 26. Januar 2001, aaO, 339 f).
Wenzel Tropf Krüger
Klein Gaier

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 319 Unwirksamkeit der Bestimmung; Ersetzung


(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt,

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Bundesgerichtshof Urteil, 26. Mai 2000 - V ZR 49/99

bei uns veröffentlicht am 26.05.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 49/99 Verkündet am: 26. Mai 2000 K a n i k , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 49/99 Verkündet am:
26. Mai 2000
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
AGBG § 3
Die Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach der Erwerber eines
Grundstücks nach Besitzübergang bis zur Fälligkeit des Kaufpreises Nutzungszinsen
zahlen muß, ist nicht ungewöhnlich im Sinne des § 3 AGBG.
BGH, Urt. v. 26. Mai 2000 - V ZR 49/99 - OLG Naumburg
LG Halle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Dr. Vogt, Tropf, Schneider und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 22. Dezember 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
In diesem Umfang wird - unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Oberlandesgerichts Naumburg vom 21. Juli 1998 - die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 6. November 1997 zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisions- und des Berufungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten entstandenen Kosten, die dieser zur Last fallen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariellem Vertrag vom 28. August 1992 erwarb die Klägerin von der T. ein 55.153 qm großes Grundstück, welches Teil eines noch
zu erschließenden Gewerbegebiets werden sollte. Als vorläufigen Kaufpreis vereinbarten die Vertragsparteien einen Betrag von 827.295 DM, der nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung und Vorliegen der zur Eigentumsumschreibung erforderlichen Genehmigungen fällig war. In § 4 Abs. 3 heißt es: "Der vorläufige Kaufpreis ist ab Besitzübergang bis zur Kaufpreisfälligkeit mit 8 % p.a. zu verzinsen." § 4 Abs. 6 Satz 3 und 4 lauten: "Der Kaufpreis wird dem Käufer bis 31. August 1994 gestundet. Sollte jedoch vor Ablauf der Stundungsfrist eine weitere Veräußerung an einen Bauträger oder Investor erfolgen, so tritt die Fälligkeit vier Wochen nach dem Zeitpunkt ein, nachdem die Kaufpreiszahlung aus der Weiterveräußerung an den Käufer (Kommune) fällig ist." Wegen des Kaufpreisanspruchs und der Zinsen unterwarf sich die Klägerin der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
Besitzübergang war der 21. März 1993. Die nach § 4 Abs. 5 des Vertrags vereinbarten Fälligkeitsvoraussetzungen traten am 30. August 1994 ein. Für den dazwischenliegenden Zeitraum hat die Beklagte von der Klägerin Zinsen in Höhe 95.598,53 DM verlangt. Die Klägerin hat daraufhin den Kaufvertrag insoweit angefochten, als sie sich über die Rechtsfolgen der Regelung des § 4 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 6 Satz 3 im Irrtum befunden habe.
Die T. hat ihre Ansprüche aus dem Kaufvertrag an die Beklagte abgetreten. Die Beklagte ließ sich eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde erteilen und beantragte mit Schreiben vom 25. Juni 1997 bei dem zuständigen Landkreis die Zulassung der Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin.
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Zwangsvollstreckung aus der Kaufvertragsurkunde, weil die Zinsklausel nichtig, wenigstens aber wegen Verstoßes gegen Vorschriften des AGBG unwirksam sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt, soweit sie auf den Anspruch aus der Zinsklausel gestützt wird. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei der Zinsklausel um eine allgemeine Geschäftsbedingung, welche die Beklagte der Klägerin bei Vertragsschluß gestellt habe. Sie sei nach § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden, weil die Klägerin nicht mit vor Fälligkeit des Kaufpreises anfallenden Zinsen hätte rechnen können. Darüber hinaus sei die Klausel auch nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.

II.


Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Allerdings bestehen keine Bedenken gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , daß die Wirksamkeit der Zinsklausel nach den Vorschriften des AGBG zu beurteilen ist. Auch die Revision zieht nicht in Zweifel, daß die Klausel einem von der Beklagten für viele gleichgeartete Fälle verwendeten Vertragsmuster entstammt. Vielmehr wendet sie sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Klausel nicht individuell ausgehandelt worden sei. Damit bleibt sie jedoch erfolglos. Sie kann nämlich nicht auf einen - ihrer Partei obliegenden (vgl. BGH, Urt. v. 19. Juni 1996, VIII ZR 189/95, WM 1996, 2025, 2027 m.w.N.) - Vortrag in den Tatsacheninstanzen verweisen, wonach die Zinsregelung ernsthaft zur Disposition gestanden und die Klägerin sich ausdrücklich mit ihr einverstanden erklärt hätte. Dies wäre aber für ein Aushandeln im Sinne von § 1 Abs. 2 AGBG erforderlich gewesen (vgl. BGH, Urt. v. 27. März 1991, IV ZR 90/90, NJW 1991, 1678, 1679; Urt. v. 5. Dezember 1995, X ZR 14/93, NJW-RR 1996, 783, 787).
2. Mit Erfolg rügt die Revision dagegen die Anwendung des § 3 AGBG durch das Berufungsgericht. Es nimmt zu Unrecht an, die Zinsklausel sei so ungewöhnlich, daß die Klägerin mit ihr nicht zu rechnen brauchte.

a) Fehlerhaft ist bereits seine Ausgangsüberlegung, daß die Zinsklausel ohne inneren Zusammenhang mit der Überlassung von Nutzungen stehe. Die Klausel sieht eine Verzinsung für die Zeit zwischen dem Besitzübergang, von dem ab der Klägerin die Nutzungen des Kaufpreises zustehen, und der Fälligkeit des Kaufpreises vor. Deutlicher kann der Zusammenhang zwischen Zinspflicht und Nutzungsberechtigung nicht zum Ausdruck kommen. Außerdem ergibt sich aus der Stellung der Klausel innerhalb des Vertrags und ihrem Sinnzusammenhang mit den übrigen Bestimmungen zur Höhe des Kaufpreises, daß
nicht etwa eine von der Nutzung des Grundstücks abgekoppelte zusätzliche Gegenleistung der Klägerin vereinbart werden sollte. Darin unterscheidet sich dieser Fall von dem der Senatsentscheidung vom 24. Februar 1995 (V ZR 244/93, NJW 1995, 1827), die das Berufungsgericht für seine Auffassung heranzieht. Die dortigen Vertragsparteien hatten neben dem Kaufpreis als weitere Gegenleistung die Zahlung von Vorfälligkeitszinsen vereinbart, die in keinem Zusammenhang mit der Überlassung von Nutzungen standen. Hier begründet die Zinsklausel dagegen die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung eines Entgelts dafür, daß sie das Grundstück nutzen darf, bevor sie den Kaufpreis zahlen muß.

b) Die Vereinbarung von Nutzungszinsen ist nicht so ungewöhnlich, daß sie nach § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden ist. Der hier maßgebliche Erwerberkreis muß nämlich damit rechnen, daß die Nutzung des Grundstücks nicht unentgeltlich gestattet wird, solange der Kaufpreis nicht bezahlt werden muß. Es entspricht allgemein bekannter Praxis im Geschäftsleben, dem Nichteigentümer die Nutzung von Wirtschaftsgütern nur gegen Entgelt zu gestatten. Nichts anderes gilt für den nichtkaufmännischen Grundstücksverkehr. Nutzt der Käufer aufgrund vertraglicher Vereinbarung das Grundstück schon vor Kaufpreisfälligkeit, erlangt er einen wirtschaftlichen Vorteil. Der lag hier darin, daß die Klägerin sofort nach Besitzübergang mit den Vorbereitungen zur Vermarktung des Grundstücks beginnen konnte. Dadurch verschiebt sich das von den Vertragsparteien vereinbarte Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung einseitig zugunsten des Käufers, ohne daß es dafür einen rechtfertigenden Grund gibt. Daß die Höhe des Entgelts hier nicht in einem bestimmten Betrag, sondern in einem vom-Hundert-Satz des Kaufpreises vereinbart wurde, ändert nichts.


c) Ungewöhnlich kann eine Klausel auch dann sein, wenn sie vom dispositiven Recht erheblich abweicht (vgl. BGH, Urt. v. 21. November 1991, IX ZR 60/91, NJW 1992, 1234, 1236). Das ist hier jedoch nicht der Fall. § 452 BGB steht der Zinsregelung nicht entgegen. Die Vorschrift setzt eine andere Fallgestaltung voraus. Darauf, daß sie nach der überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung die Fälligkeit des Kaufpreises voraussetzt (MünchKomm-BGB/H.P. Westermann, 3. Aufl., § 452 Rdn. 3; Palandt/Putzo, BGB, 59. Aufl., § 452 Rdn. 3; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 452 Rdn. 10; Staudinger/Köhler, BGB [1995], § 452 Rdn. 7; Dänekamp, NJW 1994, 2271 ff; Schmenger, BWNotZ 1995, 53 ff; ebenso LG Heidelberg, NJW 1994, 1225; a.A. OLG Oldenburg, NJW-RR 1987, 722; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 333; KG Berlin, KG-Report 1998, 140; OLG Düsseldorf, OLG-Report 1999, 169 [rechtskräftig, die dagegen gerichtete Revision hat der Senat nicht angenommen ]; Planck/Knoke, BGB, 4. Aufl., § 452 Anm. 2; Semler, NJW 1995, 1727 ff), kommt es nicht an. Einmal geht es hier - anders als bei § 452 BGB - um eine Regelung für die Dauer der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages, zum anderen um eine Nutzungsverzinsung ab Besitzübergang bis zur Kaufpreisfälligkeit. Für die Zeit ab Kaufpreisfälligkeit nach § 4 Abs. 5 des Vertrags sind keine Nutzungszinsen vorgesehen, so daß die allein diesen Zeitraum betreffende Stundungsvereinbarung die den davor liegenden Zeitraum betreffende Zinsregelung nicht als überraschend erscheinen lassen kann.

d) Auf die weiteren Rügen der Revision, die darauf abzielen, daß die Klägerin die Klausel kannte und deshalb von ihr nicht mehr überrascht werden konnte, kommt es somit nicht mehr an.
3. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, die Zinsklausel sei nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam. Es geht hier nicht um die Vereinbarung von Vorfälligkeitszinsen, sondern von Nutzungszinsen. Sie benachteiligt die Klägerin nicht unangemessen (BGH, Urt. v. 1. März 2000, VIII ZR 77/99, WM 2000, 925, 926 f).
4. Schließlich bestehen auch keine Bedenken gegen die Zinshöhe. Die Klausel führt dazu, daß die Klägerin ein monatliches Nutzungsentgelt von 5.515,30 DM zahlen soll, was einem Betrag von lediglich 0,10 DM/qm entspricht.
5. Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 6. März 1986 (VII ZR 195/84, NJW 1986, 1805) steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen, weil die zu beurteilenden Sachverhalte nicht vergleichbar sind. In jenem Fall war es gerade nicht so, daß der Kaufpreis wegen der dem Erwerber vor Fälligkeit eingeräumten Befugnis zur Nutzung des Kaufgegenstands verzinst werden sollte; vielmehr begann die Zinspflicht bereits vor Vertragsabschluß und bestand unabhängig von der Besitzübergabe. Deswegen beinhaltet die dortige Zinsklausel eine versteckte Erhöhung des Kaufpreises, mit der niemand zu rechnen braucht. Davon kann hier jedoch keine Rede sein.
6. Die Zinsvereinbarung ist auch nicht wegen der von der Klägerin erklärten Anfechtung nichtig. Ein Anfechtungsgrund lag nämlich nicht vor, weil die Klägerin keinem Irrtum im Sinne des § 119 BGB unterlag.
7. Für die von der Klägerin ebenfalls geltend gemachte Sittenwidrigkeit des Vertrags gibt es keine Anhaltspunkte.

8. Schließlich besitzt die Klägerin auch keinen Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (c.i.c.). Eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten ist nicht ersichtlich.

III.


Nach allem ist die Klage in vollem Umfang unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 95, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Vogt Tropf Schneider Lemke

(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.

(2) Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben treffen, so ist der Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.