Bundesgerichtshof Urteil, 07. Mai 2001 - II ZR 63/00

bei uns veröffentlicht am07.05.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
II ZR 63/00 Verkündet am:
7. Mai 2001
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Mai 2001 durch die Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Kraemer und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. Januar 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt den Beklagten als Gesamtschuldner auf Ausgleich in Anspruch, nachdem er eine Steuerschuld der A. GmbH & Co. KG beglichen hat, an der die Parteien gleich hohe Beteiligungen hielten. Der Beklagte verteidigt sich gegen die Klage durch Aufrechnung mit - bestrittenen - Gegenansprüchen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen , weil es Gegenansprüche des Beklagten in einer die Klagforderung übersteigenden Höhe aufgrund des Ergebnisses seiner Beweisaufnahme für erwiesen ansah. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von
117.069,07 DM nebst Zinsen verurteilt, weil es Gegenforderungen des Beklagten nur in Höhe von 4.105,21 DM für bewiesen gehalten hat. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner Revision unter Hinweis darauf , daß das Amtsgericht D. am 29. September 1999 über sein Vermögen das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet hat.

Entscheidungsgründe:


I. Da der Kläger im Verhandlungstermin trotz dessen ordnungsgemäßer Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die ihn betreffende Revision des Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 82).
II. Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das angefochtene Urteil ist unter Verstoß gegen die §§ 240, 249 ZPO ergangen.
Über das Vermögen des Beklagten ist durch Beschluß des Amtsgerichts D. am 29. September 1999 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das vorliegende Streitverfahren betrifft die Insolvenzmasse. Es ist deshalb durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen worden, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird, § 240 Satz 1 ZPO.
Die Unterbrechung eines Verfahrens bedeutet seinen Stillstand kraft Gesetzes. Ein während der Unterbrechung ergangenes Urteil ist den Parteien gegenüber ohne rechtliche Wirkung, § 249 Abs. 2 ZPO, und daher anfechtbar (vgl. Zöller/Greger, ZPO 22. Aufl. § 240 Rdn. 3, § 249 Rdn. 10). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Unterbrechung erst nach der mündlichen Verhandlung eingetreten ist, auf der das Urteil beruht, § 249 Abs. 3 ZPO. Ein Fall des § 249 Abs. 3 ZPO liegt nicht vor, da die dem Berufungsurteil zugrundeliegende mündliche Verhandlung am 20. Dezember 1999, also während der Unterbrechung stattfand.
Das sonach unzulässig ergangene Berufungsurteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit durch Zurückverweisung an das Berufungsgericht wieder in das Stadium zurückzuversetzen, in dem er sich bei Eintritt der Unterbrechung befunden hat.

Henze Goette Kurzwelly
Kraemer Münke

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 240 Unterbrechung durch Insolvenzverfahren


Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 557 Umfang der Revisionsprüfung


(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. (2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den

Zivilprozessordnung - ZPO | § 331 Versäumnisurteil gegen den Beklagten


(1) Beantragt der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen. Dies gilt nicht für Vorbringen zur Zuständ

Zivilprozessordnung - ZPO | § 249 Wirkung von Unterbrechung und Aussetzung


(1) Die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens hat die Wirkung, dass der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt. (2) Die während der Unterbrechung oder

Referenzen

(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar sind.

(3) Das Revisionsgericht ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf das angefochtene Urteil nur geprüft werden, wenn die Mängel nach den §§ 551 und 554 Abs. 3 gerügt worden sind.

(1) Beantragt der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen. Dies gilt nicht für Vorbringen zur Zuständigkeit des Gerichts nach § 29 Abs. 2, § 38.

(2) Soweit es den Klageantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen; soweit dies nicht der Fall, ist die Klage abzuweisen.

(3) Hat der Beklagte entgegen § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 nicht rechtzeitig angezeigt, dass er sich gegen die Klage verteidigen wolle, so trifft auf Antrag des Klägers das Gericht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung; dies gilt nicht, wenn die Erklärung des Beklagten noch eingeht, bevor das von den Richtern unterschriebene Urteil der Geschäftsstelle übermittelt ist. Der Antrag kann schon in der Klageschrift gestellt werden. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist auch insoweit zulässig, als das Vorbringen des Klägers den Klageantrag in einer Nebenforderung nicht rechtfertigt, sofern der Kläger vor der Entscheidung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

(1) Die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens hat die Wirkung, dass der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt.

(2) Die während der Unterbrechung oder Aussetzung von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen sind der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung.

(3) Durch die nach dem Schluss einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung wird die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert.

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

(1) Die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens hat die Wirkung, dass der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt.

(2) Die während der Unterbrechung oder Aussetzung von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen sind der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung.

(3) Durch die nach dem Schluss einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung wird die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert.