Bundesgerichtshof Urteil, 03. Nov. 2003 - II ZR 158/01

bei uns veröffentlicht am03.11.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 158/01 Verkündet am:
3. November 2003
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 3. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Münke, Dr. Gehrlein und
Dr. Strohn

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. April 2001 aufgehoben und das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mannheim vom 5. Juni 2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Gerichtskosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 85 % und die Beklagte zu 15 %.
Die außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 92 % und die Beklagte zu 8 %.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger wendet sich, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse , gegen die ordentliche Kündigung seines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages durch die Beklagte.
Jener Vertrag war mit Wirkung ab 1. März 1994 auf zwei Jahre fest abgeschlossen worden und verlängerte sich, sofern er nicht sechs Monate vor Ablauf gekündigt wurde, um jeweils ein Jahr.
Am 12. März 1999 beschloß eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Beklagten die sofortige Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und die ordentliche Kündigung seines Anstellungsvertrages. Beide Maßnahmen wurden dem Kläger umgehend mitgeteilt. Sie waren die Reaktion der Beklagten darauf, daß der Kläger sich geweigert hatte, eine von der Beklagten vorformulierte Erklärung zu unterschreiben. Darin sollte er bestätigen, daß bestimmte silikonhaltige Kleber bei der Herstellung von Datenträgern für die Automobilindustrie weiterhin verwendet werden dürften, obwohl die Automobilindustrie absolute Silikonfreiheit verlangte.
Landgericht und Oberlandesgericht haben dem auf die Feststellung des Fortbestehens des Anstellungsvertrages gerichteten Klageantrag stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren insoweit weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung zur Abweisung der Klage.
I. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Kündigung sei unwirksam, weil die Beklagte von dem Recht zur ordentlichen Kündigung in einer mit den guten Sitten nicht zu vereinbarenden Weise aus verwerflichen, dem Anstandsgefühl widersprechenden Motiven Gebrauch gemacht habe, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
II. Die ordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers einer GmbH bedarf mit Rücksicht auf seine Vertrauensstellung als organschaftlicher Vertreter der Gesellschaft mit Unternehmerfunktion keines sie rechtfertigenden Grundes. Sie ist, sofern ihre formellen Voraussetzungen erfüllt sind, auch dann wirksam, wenn sie sich auf keinen anderen Grund als den Willen des kündigungsberechtigten Organs stützen kann. Infolgedessen verbietet es sich, die Wirksamkeit einer von der Gesellschaft ordnungsgemäß erklärten ordentlichen Kündigung mit Rücksicht auf die ihr zugrundeliegenden Motive der Gesellschafter zu verneinen. Dies gilt auch dann, wenn die der Kündigung zugrundeliegenden Erwägungen im Einzelfall bekannt oder von der Gesellschaft selbst mitgeteilt sein sollten. Die Gesellschaft verhält sich damit grundsätzlich ordnungsgemäß, wenn sie die sofortige Abberufung aus der Organstellung mit der ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages zu dem vertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Beendigungszeitpunkt verbindet (vgl. § 38 Abs. 1 GmbHG: Abberufung "unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen"). Diese Kündigung trägt ihre Rechtfertigung in
sich; sie ist von dem Geschäftsführer hinzunehmen, auf welchen Erwägungen sie auch beruhen mag.
Aus den vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidungen ergibt sich nichts anderes. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 61, 151 ff.) hat bei seiner Überprüfung der Kündigung eines Arbeitnehmers allein deshalb auf § 138 BGB abgestellt, weil eine Prüfung nach den Kriterien des KSchG nicht möglich war. Auch die Entscheidung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs vom 26. Februar 1970 (KZR 17/68, NJW 1970, 855) betreffend die von einer Mineralölgesellschaft gegenüber ihren Tankstellenverwaltern ausgesprochene ordentliche Kündigung beruht auf der Annahme einer besonderen Schutzwürdigkeit dieses Personenkreises. Eine vergleichbare Schutzbedürftigkeit kann dem Geschäftsführer einer GmbH mit Rücksicht auf die ihm zukommende organschaftliche Leitungsfunktion nicht zugebilligt werden.
Röhricht Goette Münke
Gehrlein Strohn

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(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 38 Widerruf der Bestellung


(1) Die Bestellung der Geschäftsführer ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. (2) Im Gesellschaftsvertrag kann die Zulässigkeit des Widerrufs auf den Fall beschränkt werden, daß wichtige

Referenzen

(1) Die Bestellung der Geschäftsführer ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen.

(2) Im Gesellschaftsvertrag kann die Zulässigkeit des Widerrufs auf den Fall beschränkt werden, daß wichtige Gründe denselben notwendig machen. Als solche Gründe sind insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung anzusehen.

(3) Der Geschäftsführer hat das Recht, um den Widerruf seiner Bestellung zu ersuchen, wenn er wegen Mutterschutz, Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder Krankheit seinen mit der Bestellung verbundenen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen kann und mindestens ein weiterer Geschäftsführer bestellt ist. Macht ein Geschäftsführer von diesem Recht Gebrauch, muss die Bestellung dieses Geschäftsführers

1.
widerrufen und dabei die Wiederbestellung nach Ablauf des Zeitraums der in § 3 Absatz 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes genannten Schutzfristen zugesichert werden,
2.
in den Fällen der Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder der Krankheit widerrufen und dabei die Wiederbestellung nach einem Zeitraum von bis zu drei Monaten entsprechend dem Verlangen des Geschäftsführers zugesichert werden; von dem Widerruf der Bestellung kann abgesehen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
In den in Satz 2 Nummer 2 genannten Fällen kann die Bestellung des Geschäftsführers auf dessen Verlangen für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten widerrufen werden. § 77a Absatz 2 findet auf Bestellungen während des Zeitraums nach den Sätzen 2 oder 3 keine Anwendung, wenn das Beteiligungsgebot ohne den Widerruf eingehalten wäre.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.