Bundesgerichtshof Urteil, 13. Nov. 2000 - II ZR 115/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von 67.312,75 DM in Anspruch.Die Parteien waren Miteigentümer eines Grundstücks in F. und Gesellschafter einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft, die sie zum Zwecke der Bebauung des gemeinsamen Grundstücks mit Eigentumswohnungen sowie der Veräußerung der Wohnungen und restlicher Grundstücksteilflächen gegründet hatten. Durch notariellen Vertrag vom 10. Februar 1995 setzten sie die BGB-Gesellschaft auseinander und hoben die Bruchteilsgemeinschaft auf. Der Beklagte übernahm die "Haftung, alle Ansprüche und Verpflichtungen", die im Zusammenhang "mit dem ... Grundbesitz, seiner Verplanung und Bebauung" standen. Er verpflichtete sich, die Klägerin von jeder Inanspruchnahme freizustellen. Unter VI des Vertrages war geregelt, daß jede Partei berechtigt sei, Ansprüche der Gesellschaft oder Gemeinschaft u.a. gegen den Generalunternehmer , die Architekten und die Statiker gerichtlich oder außergerichtlich geltend zu machen. Soweit einer der Parteien oder ihnen gemeinsam Ansprüche gegen diese Personen zugesprochen würden, heißt es weiter, stehe "das wirtschaftliche Reinergebnis aus solchen Ansprüchen beiden Beteiligten je zur Hälfte zu. ... Die Kosten der Geltendmachung trägt derjenige, der gerichtlich oder außergerichtlich vorgeht. Das Reinergebnis aus der Geltendmachung solcher Ansprüche, also nach Abzug der Kosten bei Gericht, Anwalt und ähnliches steht beiden je zur Hälfte zu". Der Beklagte hat den Generalunternehmer sowie die Architekten B. undG. auf Schadensersatz in Anspruch genommen und von ihnen auf Grund eines am 17. Juni 1996 unter Beitritt der Klägerin vor dem Landgericht Ba. geschlossenen Vergleichs 160.000,-- DM erhalten. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Hälfte des Betrages, der ihm nach Abzug von Gerichts - und Anwaltskosten von der Vergleichssumme verblieben ist.
Der Beklagte ist der Auffassung, eine hälftige Teilung des Reinergebnisses aus der Realisierung von Ansprüchen könne die Klägerin nur verlangen, wenn und soweit die Durchführung des Gesamtprojekts zu einem positiven Ergebnis geführt habe. Tatsächlich sei das Ergebnis jedoch negativ. Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teils der Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Beklagte schuldet der Klägerin den eingeklagten Betrag. I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Regelung unter VI des Auseinandersetzungsvertrages der Parteien sei entgegen der Ansicht der Klägerin einer Auslegung zugänglich. Die Formulierung, das wirtschaftliche Reinergebnis stehe beiden Beteiligten je zur Hälfte zu, deute darauf hin, daß die Aufteilung und Auszahlung des "nach Abzug der Kosten bei Gericht, Anwalt und ähnliches" verbleibenden Reinergebnisses unter einem weiteren Kriterium der Wirtschaftlichkeit stehen sollte. Die von dem Beklagten vertretene Auslegung der Vertragsbestimmung, wonach erst ein positives Ergebnis des Gesamtprojekts die Beteiligungspflicht auslöse, sei durch die in der Berufungsverhandlung durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt worden. Die Aussage des Zeugen Rechtsanwalt L. habe überzeugend belegt, daß die Klägerin bei Abschluß des Vergleichs vom Juni 1996 deutlich zum Ausdruck gebracht habe, sie erhebe auf die vergleichsweise zu zahlende Summe keinen Anspruch. Sie habe derBekundung des Zeugen L. zufolge zudem nur wenige Tage nach Abschluß der Auseinandersetzungsvereinbarung erklärt, sie partizipiere an dem Ergebnis des seinerzeit geplanten Prozesses gegen den Generalunternehmer und die Architekten, wenn bei der Gesamtabwicklung ein Guthaben herauskomme. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat verkannt, daß der maßgebende Vertragstext eindeutig in dem von der Klägerin vertretenen Sinne ist. Infolgedessen hat es auch nicht beachtet, daß es Sache des Beklagten ist darzutun und zu beweisen, daß die Parteien den Vertragstext übereinstimmend in anderem Sinne verstanden haben. Die unrichtige Beurteilung der Beweislast hat seine Beweiswürdigung zum Nachteil der Klägerin beeinflußt. II. Nach dem Wortlaut des Auseinandersetzungsvertrages steht die hälftige Beteiligung an dem wirtschaftlichen Reinergebnis aus Ansprüchen, die eine der Parteien gegen Generalunternehmer und Architekten durchsetzt, der anderen Partei ohne weiteres zu. Der Text enthält keine Einschränkung dahin, daß Voraussetzung ein positives Gesamtergebnis des Projekts sei oder die Vereinbarung unter einem "weiteren Kriterium der Wirtschaftlichkeit" stehe. Es ist lediglich die Rede von einem wirtschaftlichen Reinergebnis aus "solchen Ansprüchen", also Ansprüchen gegen Generalunternehmer, Architekten und ähnlichen Personen, sowie dem Reinergebnis "aus der Geltendmachung solcher Ansprüche" gegen die Genannten, sei sie gerichtlich oder außergerichtlich erfolgt. Daß das Reinergebnis einmal mit dem Attribut wirtschaftlich versehen ist, genügt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht für die Annahme , die Beteiligung des früheren Partners habe nicht allein und unmittelbar von einem Erfolg bei der Geltendmachung der unter VI des Vertrages aufge-
führten Ansprüche abhängen sollen, sondern zusätzlich davon, daß das Projekt insgesamt mit einem Gewinn abgeschlossen werde. In dieser Situation wäre es Sache des Beklagten gewesen zu beweisen, daß die Parteien ihrer Vereinbarung einen anderen Sinn beigemessen haben. III. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beweisaufnahme habe ergeben , daß die Parteien die Regelung unter VI des Vertrages jedenfalls übereinstimmend in der vom Beklagten behaupteten Weise verstanden hätten, beruht auf mehrfacher Verletzung des § 286 ZPO. Das Berufungsgericht hat, wie die Revision mit Recht rügt, entscheidungserhebliches Parteivorbringen übersehen und bei der Beweiswürdigung Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt gelassen. 1. Das Berufungsgericht hat sich nicht mit dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin auseinandergesetzt, sie habe vor Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages dem beurkundenden Notar mit Schreiben vom 31. Januar 1995 mitgeteilt, eine der Bedingungen für ihre Bereitschaft zur Auseinandersetzung sei, daß ihr 50 % der Ansprüche abgetreten würden, die der Beklagte gegen den Generalunternehmer oder die Architekten realisiere, nach Abzug der von dem Beklagten zu finanzierenden Rechtsanwalts- und Gerichtskosten. Das Vorbringen läßt erkennen, daß es der Klägerin seinerzeit darum ging, an etwaigen positiven Ergebnissen von Prozessen unmittelbar beteiligt zu werden, nicht darum, an einem sich erst nach Durchführung des ganzen Projektes ergebenden Gewinn zu partizipieren. Da der Wortlaut unter VI des Vertrages der von der Klägerin gestellten Bedingung entspricht, war das Schreiben
für die Beweiswürdigung von Bedeutung und hätte deshalb vom Berufungsgericht berücksichtigt werden müssen. 2. Das Berufungsgericht hat ferner den übereinstimmenden Vortrag beider Parteien außer Betracht gelassen, die Auseinandersetzung der BGBGesellschaft und die Aufhebung der Gemeinschaft seien auf Wunsch und Veranlassung des Beklagten erfolgt. Dieser habe die Klägerin zum Ausscheiden gedrängt, weil sie von den seinerzeit entstandenen Mehrkosten in Höhe von 800.000,-- DM nichts habe übernehmen wollen und können. Eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen wäre erforderlich gewesen, weil nach der Lebenserfahrung in Betracht zu ziehen war, daß der Beklagte der Klägerin das Ausscheiden durch ein Eingehen auf ihre Forderung, an jeder Realisierung von Ansprüchen sogleich hälftig beteiligt zu werden, erleichtern wollte. Dies gilt um so mehr, als die Parteien nach ihrer - vom Berufungsgericht ebenfalls nicht in seine Erwägungen einbezogenen - übereinstimmenden Darstellung bei Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages noch von einem positiven Ergebnis des Projekts ausgingen. Da ein endgültiges Defizit, wie es dem Beklagten zufolge später eingetreten ist, noch nicht absehbar war, hatte der Beklagte Anlaß, der Klägerin, die nach ihrem Ausscheiden an dem erwarteten Gewinn nicht teilhaben würde, durch die Zusage einer Beteiligung an von dem Generalunternehmer oder den Architekten etwa zu erlangenden Zahlungen entgegenzukommen. 3. Das Berufungsgericht entnimmt der Aussage des Zeugen L. , die Klägerin sei wie der Beklagte bei Abschluß des Vergleichs vom Juni 1996 der Auffassung gewesen, die Forderung stehe auch im Innenverhältnis der Parteien allein dem Beklagten zu. Diese Annahme ist nicht berechtigt. Der Zeuge hat angegeben, die Klägerin habe in jenem Termin seine ausdrückliche Frage, ob
die streitige Forderung im Innenverhältnis allein dem Beklagten zustehe, bejaht. Die Frage bezweckte der - vom Berufungsgericht nicht erwähnten und ersichtlich auch nicht berücksichtigten - weiteren Bekundung des Zeugen zufolge die Klärung, ob die Klägerin, wie dies das Landgericht Ba. vorgeschlagen hatte, neben dem Beklagten als Zahlungsgläubigerin in den Vergleich aufzunehmen war. Das war nach der Auseinandersetzungsvereinbarung der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits nicht der Fall. Der Beklagte war danach im Verhältnis zur Klägerin berechtigt, die Forderung allein geltend zu machen. Vor diesem Hintergrund kommt der Bejahung der Frage des Zeugen durch die Klägerin nicht die ihr vom Oberlandesgericht beigelegte weitere Bedeutung zu, ihr stehe auch intern, dem Kläger gegenüber, eine Beteiligung an einer tatsächlich geleisteten Vergleichszahlung nicht zu. Denn die Frage zielte auf das Verhältnis der hiesigen Parteien zu den Beklagten des Verfahrens vor dem Landgericht Ba. , nicht auf das Verhältnis der hiesigen Parteien zueinander. 4. Das Berufungsgericht hat die Bekundung des Zeugen L. über eine Ä ußerung der Klägerin wenige Tage nach Abschluß der Auseinandersetzungsvereinbarung nicht in ihrem vollen Umfang gewürdigt. Es stützt sich allein darauf , daß die Klägerin dem Zeugen zufolge gesagt habe, sie partizipiere an dem Ergebnis des geplanten Rechtsstreits, wenn bei der Gesamtabwicklung ein Guthaben herauskomme. Nach dem Protokoll des Berufungsgerichts über die Vernehmung des Zeugen lautete der mit "wenn" eingeleitete Nebensatz der Klägerin jedoch: "wenn bei dem ganzen Verfahren bzw. bei der Gesamtabwicklung ein Guthaben herauskomme". Die von dem Zeugen bekundete Ä ußerung der Klägerin war damit mehrdeutig. Mit dem "ganzen Verfahren" kann
auch der einzuleitende Rechtsstreit gegen den Generalunternehmer und die Architekten gemeint gewesen sein. Das hat das Berufungsgericht übersehen. Schließlich hat das Berufungsgericht bei seiner Bewertung der Aussage des Zeugen L. unberücksichtigt gelassen, daß dem Zeugen zufolge beide Parteien im Zeitpunkt der Auseinandersetzung davon ausgegangen sind, das Gesamtprojekt werde mit einem Defizit abschließen, während - wie oben bereits erwähnt wurde - unstreitig ist, daß die Parteien damals noch mit einem Gewinn rechneten. 5. Infolge seiner Verkennung der Eindeutigkeit des Wortlauts der Vereinbarung vom 10. Februar 1995 und seiner unzutreffenden Würdigung der Aussage des Zeugen L. gelangt das Berufungsgericht schließlich auch zu einer unrichtigen Gewichtung der durchweg die Behauptung der Klägerin stützenden Aussagen der Zeugen H. , Notar K. und Notarmitarbeiter A. , die übereinstimmend und im Einklang mit dem Wortlaut von VI des Vertrages bekundet haben, daß vor und bei dessen Abschluß keine Rede davon gewesen sei, daß das Reinergebnis des Gesamtvorhabens für die Auszahlung des streitigen Betrags eine Rolle spielen sollte. 6. Danach hat der Beklagte den ihm obliegenden Beweis, daß die Parteien die Vertragsbestimmung VI abweichend von ihrem Wortlaut verstanden haben, nicht geführt. Das kann der Senat selbst feststellen, weil nach dem Vorbringen der Parteien eine weitere Aufklärung insoweit nicht in Betracht kommt.
IV. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die vom Berufungsgericht - aus seiner Sicht zutreffend - noch nicht geprüften Einwendungen des Beklagten greifen nicht durch: Die mit Schreiben vom 14. November 1998 erklärte Anfechtung des Vertrages vom 10. Februar 1995 wegen arglistiger Täuschung (Anlage B 22) hat nicht zu dessen Nichtigkeit geführt, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 124 Abs. 1 und 2 BGB erfolgte. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen , daß der Beklagte von den Vorgängen, auf die er die Anfechtung gestützt hat, bereits lange vor dem 14. November 1998 Kenntnis hatte. Soweit der Beklagte sich gegenüber dem Zahlungsbegehren auf ein Zurückbehaltungsrecht beruft, fehlt es jedenfalls an der für eine Vollstreckung notwendigen konkreten Bezeichnung der von der Klägerin herauszugebenden Unterlagen. Ein Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen unberechtigter Auftragserteilung und Zahlung an die Firmen S. und Ha. durch die Klägerin läßt sich nicht feststellen. Im Falle S. ist eine Zahlung nicht dargelegt. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin war die unstreitig an die Firma Ha. geleistete Teilzahlung erforderlich, um die für das Bauvorhaben notwendige Fortsetzung der Fliesenarbeiten zu erreichen, da der an sich zur Bezahlung verpflichtete Generalunternehmer mit der Vergütung der Arbeiten in Rückstand geraten war.
V. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils in der Sache selbst zu entscheiden und die Berufung des Beklagten gegen seine erstinstanzliche Verurteilung zurückzuweisen.
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Annotations
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.