Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2003 - I ZR 84/01

published on 18/12/2003 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2003 - I ZR 84/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 84/01 Verkündet am:
18. Dezember 2003
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Einkaufsgutschein II
RabattG § 1

a) Die Zuwendung von Einkaufsgutscheinen über 10 DM aus Anlaß des Geburtstags
von Kunden ist kein Preisnachlaß i.S. des § 1 RabattG (Ergänzung
zu BGH, Urt. v. 22.5.2003 - I ZR 8/01, GRUR 2003, 1057 = WRP 2003, 1428
- Einkaufsgutschein I).

b) Die Änderung der Rechtsprechung stellt kein die Hauptsache erledigendes
Ereignis dar.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2003 - I ZR 84/01 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 18. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher,
Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Februar 2001 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Karlsruhe - Kammer für Handelssachen in Pforzheim - vom 13. April 2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte betreibt ein Versandhandelsunternehmen. Sie verschickte an Personen aus ihrer Kundenkartei zu deren Geburtstag einen "Geburtstags- Gutschein" über 10 DM. Die Einlösung des Gutscheins war an einen Mindestbestellwert von 80 DM geknüpft und mußte innerhalb von 14 Tagen erfolgen.
Der klagende Wettbewerbsverein hat die Werbung mit dem Gutschein als Verstoß gegen das Rabattgesetz und gegen § 1 UWG beanstandet. Er hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, in Zeitungsanzeigen und/oder sonstigen Werbeträgern zu Zwecken des Wettbewerbs darauf hinzuweisen, daß sie den Besitzern ihres Gutscheins Preisnachlässe gewährt, und/oder den Besitzern dieser Gutscheine Preisnachlässe zu gewähren, insbesondere Gutscheine folgenden Inhalts auszugeben: "Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Geburtstag am (...) zur Feier des Tages für Sie: Einen 10,- DM Geburtstagsgutschein und unser ganz persönliches Geburtstagsgedicht!" Des weiteren hat der Kläger die Zahlung einer Abmahnkostenpauschale in Höhe von 290 DM nebst Zinsen verlangt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat der Unterlassungsklage unter Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform
"GEBURTSTAGSGUTSCHEIN persönlich ausgestellt zum ... Wert Ihres persönlichen W. -Geburtstags-Gutscheins: 10 DM Lassen Sie Ihren Geburtstagsgutschein nicht verfallen! 10 DM stehen Ihnen jederzeit zur freien Verfügung! FÜR IHRE BESTELLWÜNSCHE AN W. : JA, ich bestelle zu den beliebten und vorteilhaften W. -KatalogBedingungen ... Mindestbestellwert DM 80,- ... ... BITTE INNERHALB 14 TAGEN EINLÖSEN!" unter dem Gesichtspunkt eines gemäß § 1 UWG unzulässigen übertriebenen Anlockens stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung der Abmahnkostenpauschale verurteilt.
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer (zugelassenen) Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.
Nach der Aufhebung des Rabattgesetzes hat der Kläger im Hinblick auf die zwischenzeitliche Gesetzes- und Rechtsprechungsänderung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt; hilfsweise hat er beantragt, die Revision zurückzuweisen. Die Beklagte ist der Erledigungserklärung entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:


I. Die Erledigung der Hauptsache kann vom Kläger im Revisionsverfahren jedenfalls dann noch einseitig erklärt werden, wenn das Ereignis, das die Hauptsache erledigt haben soll (hier: Aufhebung des Rabattgesetzes), als solches außer Streit steht (vgl. BGHZ 106, 359, 368; BGH, Urt. v. 25.1.1996 - VII ZR 26/95, NJW 1996, 1280, 1281; Urt. v. 15.3.1996 - V ZR 316/94, NJW 1996, 1814). Zu prüfen ist daher nunmehr, ob die Klage bis zu dem geltend gemachten erledigenden Ereignis zulässig und begründet war und, wenn das der Fall ist, ob sie durch dieses Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, ist die Hauptsacheerledigung festzustellen ; anderenfalls ist die Klage abzuweisen (st. Rspr.; vgl. BGHZ 91, 126, 127; 106, 359, 366 f.; 135, 58, 62; BGH, Urt. v. 2.3.1999 - VI ZR 71/98, NJW 1999, 2516, 2517).
II. Danach ist die Klage im Streitfall abzuweisen, weil sie bereits vor der vom Kläger als erledigendes Ereignis angesehenen Aufhebung des Rabattgesetzes unbegründet war.
1. Das Verhalten der Beklagten war, wie sich aus den Ausführungen des Senats in der nach den getroffenen Feststellungen einen nahezu identischen Sachverhalt behandelnden Entscheidung "Einkaufsgutschein" ergibt (Urt. v. 22.5.2003 - I ZR 8/01, GRUR 2003, 1057 = WRP 2003, 1428), schon zu der Zeit, als das Rabattgesetz noch in Kraft war, nicht unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens nach § 1 UWG unlauter.
2. Dem Kläger stand zu der Zeit, zu der das Rabattgesetz noch galt, der streitgegenständliche Unterlassungsanspruch im übrigen auch nicht aus §§ 1, 12 RabattG, § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu.
Ein Preisnachlaß i.S. des § 1 RabattG lag nur dann vor, wenn dem Normalpreis ein (niedrigerer) Sonderpreis gegenübergestellt wurde. Der Preisnachlaß , der in der Schenkung einer an sich entgeltlichen Leistung liegt, stellte daher keinen Preisnachlaß i.S. des § 1 RabattG dar (BGH, Urt. v. 26.2.1965 - Ib ZR 51/63, GRUR 1965, 489 - Kleenex, insoweit nicht in BGHZ 43, 278; Urt. v. 29.4.1993 - I ZR 92/91, GRUR 1993, 774, 775 = WRP 1993, 758 - Hotelgutschein ). Nach der insoweit maßgeblichen Auffassung der mit der Werbung angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BGHZ 117, 230, 232 - Rent-o-mat; BGH, Urt. v. 20.1.1994 - I ZR 250/91, GRUR 1994, 390 = WRP 1994, 310 - Anzeigen-Einführungspreis) verhielt es sich im Streitfall entsprechend. Denn die Beklagte gab danach ihre Waren zum unveränderten Normalpreis ab und brachte von diesem lediglich einen einmaligen und nicht auf eine bestimmte Ware bezogenen Gutschriftsbetrag in Abzug (OLG Hamburg WRP 1996, 774, 776; a.A. OLG Stuttgart OLG-Rep 1999, 29, 30; GroßKomm.UWG/Gloy, § 1 RabattG Rdn. 105).
III. Die Klage wäre im übrigen auch dann abzuweisen gewesen, wenn sie sich zuletzt allein wegen einer nach ihrer Erhebung eingetretenen Änderung der Rechtsprechung als nicht mehr gemäß § 1 UWG begründet dargestellt hätte (vgl. OLG Frankfurt am Main GRUR 1995, 150, 151; Pastor/Ahrens/Ulrich, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 37 Rdn. 17; Großkomm.UWG/Jacobs, Vor § 13 Rdn. D 278; Baumbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 91a Rdn. 133). Die Änderung der Rechtsprechung ist kein den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigendes Ereignis. Das Risiko eines niemals auszuschließenden Wandels der
Rechtsprechung liegt beim Kläger, der sich bei seiner Anspruchsverfolgung auf die bisherige Rechtsprechung stützt (Pastor/Ahrens/Ulrich aaO Kap. 37 Rdn. 17). Dafür spricht insbesondere die Erwägung, daß der Kläger auch derjenige ist, der im umgekehrten Fall, d.h. wenn sich die Rechtsprechung nach der Klageerhebung zu seinen Gunsten ändert, von der Fortentwicklung der Rechtsprechung profitiert. Das gilt - anders als im Fall der Gesetzesänderung (vgl. dazu BGHZ 37, 233, 246 f.) - unabhängig davon, ob der Beklagte den Anspruch im Hinblick auf diese Änderung umgehend anerkennt, auch in kostenmäßiger Hinsicht (a.A. für den - vorliegend nicht gegebenen - Fall, daß sich die seit jeher einhellige Rechtsprechung zum Nachteil des Beklagten ändert, OLG Celle OLG-Rep 2002, 125).
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Ullmann Bornkamm Büscher Schaffert Bergmann
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Annotations

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

(1) Die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.

(2) In der Abmahnung muss klar und verständlich angegeben werden:

1.
Name oder Firma des Abmahnenden sowie im Fall einer Vertretung zusätzlich Name oder Firma des Vertreters,
2.
die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Absatz 3,
3.
ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet,
4.
die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände,
5.
in den Fällen des Absatzes 4, dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist.

(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und den Anforderungen des Absatzes 2 entspricht, kann der Abmahnende vom Abgemahnten Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen.

(4) Der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nach Absatz 3 ist für Anspruchsberechtigte nach § 8 Absatz 3 Nummer 1 ausgeschlossen bei

1.
im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten oder
2.
sonstigen Verstößen gegen die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) und das Bundesdatenschutzgesetz durch Unternehmen sowie gewerblich tätige Vereine, sofern sie in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen.

(5) Soweit die Abmahnung unberechtigt ist oder nicht den Anforderungen des Absatzes 2 entspricht oder soweit entgegen Absatz 4 ein Anspruch auf Aufwendungsersatz geltend gemacht wird, hat der Abgemahnte gegen den Abmahnenden einen Anspruch auf Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen. Der Anspruch nach Satz 1 ist beschränkt auf die Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs, die der Abmahnende geltend macht. Bei einer unberechtigten Abmahnung ist der Anspruch nach Satz 1 ausgeschlossen, wenn die fehlende Berechtigung der Abmahnung für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar war. Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.