Bundesgerichtshof Urteil, 09. Sept. 2004 - I ZR 269/01

09.09.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 269/01 Verkündet am:
9. September 2004
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. September 2004 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof.
Dr. Bornkamm und Pokrant, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. September 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I. Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 28. Februar 2001 stattgegeben. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 17. Mai 2001 begründet hat. Das Berufungsgericht hat die Be-

rufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Die Parteien haben gemäß § 313a ZPO a.F. auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet.
II. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten als unzulässig angesehen. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Berufungsbegründung der Beklagten keine bestimmte Bezeichnung der Berufungsgründe i.S. des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. enthält. Dem Berufungsgericht kann nicht bei seiner Ansicht zugestimmt werden, daß die Berufungsbegründung trotz des Umstands, daß in der Berufungsbegründungsschrift auf beigefügte Anlagen Bezug genommen worden ist, und auch bei Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles nicht den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. genügt.
1. Der Umstand, daß die Anlagen nur dem Gericht, nicht auch dem Gegner vorgelegt worden sind, ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - schon deshalb unerheblich, weil es nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. ausreichte , die Berufungsbegründung bei Gericht einzureichen.
2. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß eine Bezugnahme auf andere Schriftstücke nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. nur ausnahmsweise als zulässig anzusehen war. Mit den förmlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung bezweckte diese Vorschrift, daß sich der Berufungsanwalt die Berufungsbegründung völlig zu eigen macht und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für deren Inhalt übernimmt. Auch

sollte das Berufungsgericht in die Lage versetzt werden, sich möglichst schnell und sicher darüber unterrichten zu können, welche Gründe im einzelnen gegen die in dem angefochtenen Urteil enthaltene tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes geltend gemacht werden (vgl. BGHZ 13, 244, 247).
Diesen Zwecken ist aber im vorliegenden Fall, abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts, noch genügt.
Das Berufungsgericht hat nicht gewürdigt, daß die Berufungsbegründungsschrift neben (unzulässigen) pauschalen Bezugnahmen auf Schriftsätze, die im Ausgangsverfahren oder im vorliegenden Verfahren in erster Instanz eingereicht worden sind, auch genau bezeichnete Bezugnahmen auf bestimmte Stellen anderer Schriftsätze, die in Abschrift beigefügt waren, enthält. An den in Bezug genommenen Schriftsatzstellen ist insbesondere im einzelnen dargelegt, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen die Beklagte gegenüber der Klage ein prioritätsälteres Gegenrecht an einer Unternehmensbezeichnung "Audison" geltend machen könne. Mit den konkreten Bezugnahmen und der Beifügung der entsprechenden Schriftsätze in Abschrift hat der Berufungsanwalt der Beklagten inhaltlich klargestellt, daß er sich das in Bezug genommene Vorbringen zu eigen macht (vgl. dazu auch MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl., § 519 Rdn. 6). Das behauptete Gegenrecht war, sein Bestehen unterstellt , geeignet, der Klage insgesamt die Grundlage zu entziehen.
Eine Beglaubigung der in Bezug genommenen Schriftsätze war unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles entbehrlich. In der Rechtsprechung wird allerdings grundsätzlich als äußerer Nachweis, daß der Berufungsanwalt die Verantwortung für das in Bezug genommene Vorbringen übernimmt, gefordert, daß die betreffenden Schriftsätze von dem Berufungsanwalt unter-

schrieben oder beglaubigt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 11.12.1958 - II ZB 18/58, LM § 519 ZPO Nr. 37). Davon sind jedoch Ausnahmen vor allem in Fällen gemacht worden, in denen die Forderung eines solchen äußeren Merkmals der Verantwortungsübernahme eine bloße Förmelei gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 18.3.1993 - I ZR 48/91, NJW 1993, 1866; BAGE 17, 186, 189 f. = NJW 1966, 565, 566; BAG AP § 519 ZPO Nr. 20). Einer Beglaubigung der in Bezug genommenen , der Berufungsbegründungsschrift beigefügten Anlagen bedurfte es hier nicht, weil nach den gegebenen Umständen schon rein äußerlich, auch ohne Beiziehung der Akten des Parallelverfahrens, von vornherein kein Zweifel daran bestehen konnte, daß der Berufungsanwalt die Verantwortung für sein Vorbringen einschließlich der Bezugnahmen übernehmen wollte. Dies gilt schon deshalb, weil es sich bei den betreffenden Anlagen ausweislich des Briefkopfes um Schriftsätze handelte, die von denselben Prozeßbevollmächtigten der Beklagten im Berufungsrechtszug des Ausgangsverfahrens bei demselben Senat des Berufungsgerichts eingereicht worden waren. Es kommt hinzu, daß es in den ursprünglich als ein einziges Verfahren geführten Rechtstreitigkeiten im

wesentlichen um denselben Streitstoff geht und beide Parteien des vorliegenden Verfahrens auch an dem Parallelverfahren beteiligt sind. Der Zweck der förmlichen Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. war danach auch ohne die anwaltliche Beglaubigung der Anlagen der Berufungsbegründungsschrift erfüllt.
v. Ungern-Sternberg Bornkamm Pokrant
Mühlens Schaffert

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 313a Weglassen von Tatbestand und Entscheidungsgründen


(1) Des Tatbestandes bedarf es nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. In diesem Fall bedarf es auch keiner Entscheidungsgründe, wenn die Parteien auf sie verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Pro

Referenzen

(1) Des Tatbestandes bedarf es nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. In diesem Fall bedarf es auch keiner Entscheidungsgründe, wenn die Parteien auf sie verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen worden ist.

(2) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestands und der Entscheidungsgründe nicht, wenn beide Parteien auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten. Ist das Urteil nur für eine Partei anfechtbar, so genügt es, wenn diese verzichtet.

(3) Der Verzicht nach Absatz 1 oder 2 kann bereits vor der Verkündung des Urteils erfolgen; er muss spätestens binnen einer Woche nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht erklärt sein.

(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden im Fall der Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen oder wenn zu erwarten ist, dass das Urteil im Ausland geltend gemacht werden wird.

(5) Soll ein ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe hergestelltes Urteil im Ausland geltend gemacht werden, so gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisurteilen entsprechend.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.