Bundesgerichtshof Urteil, 03. Mai 2012 - 3 StR 46/12

bei uns veröffentlicht am03.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 46/12
vom
3. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Mai 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. November 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
2
Das Urteil hat keinen Bestand, denn die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei der Täter, entbehrt einer sie tragenden rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
3
1. Nach den Feststellungen unterhielten der Angeklagte und die später getötete E. , in Spanien eine Beziehung, die Frau E. aber schließlich beendete. Im November 2010 übersiedelte sie nach Düsseldorf. Der Angeklagte wollte die Trennung nicht akzeptieren und versuchte mehrfach, auch unter Drohungen, Frau E. zur Fortsetzung der Beziehung zu bewegen. Spätestens am 17. Februar 2011 reiste er nach Düsseldorf, machte dort ihren Aufenthalt ausfindig und wartete am Abend des Folgetags auf der Straße vor ihrer Wohnung auf ihre Heimkehr. Frau E. erschien gegen 20.00 Uhr. Der Angeklagte trat auf sie zu und begann, neben ihr her zu gehen. Als sie ihn zum Weggehen aufforderte, ergriff er ihren Oberarm. Frau E. begann zu schreien und versuchte, sich dem Zugriff des Angeklagten zu entwinden. Dabei geriet sie in eine knieende Position vor dem Angeklagten, der ihr darauf mit Wucht in das Gesicht trat. Sie fiel nach hinten auf den Rücken und blieb auf der Straße liegen. Nun zog der Angeklagte ein mitgeführtes Küchenmesser hervor, "rammte" es Frau E. , um sie zu töten, in den rechten Unterbauch und ergriff sodann die Flucht. Der Stich eröffnete die große rechte Beckenvene, weshalb Frau E. wenig später infolge Verblutens verstarb. Der Angeklagte wurde wegen der Tat später in Spanien festgenommen und am 28. März 2011 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert.
4
2. Aussagen mehrerer Tatzeugen ergaben keine Hinweise auf die Identität des Täters. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt aufgrund einer Gesamtschau der nachfolgenden Beweisanzeichen:
5
Am Griff des Tatmessers sowie an der von Frau E. getragenen Jacke sei nach den Ausführungen der angehörten Sachverständigen Spurenmaterial isoliert worden, das "in allen 16 untersuchten Systemen" mit den molekulargenetischen Eigenschaften des Angeklagten übereinstimme. "Unter An- wendung biostatistischer Berechnungsmethoden" ergebe sich "so" eine Wahrscheinlichkeit von eins zu mehr als zehn Milliarden, dass die Spuren vom Angeklagten herrührten. Desweiteren habe der Angeklagte am Morgen des Tattages Frau E. am Telefon (erneut) damit gedroht, sie umzubringen, wenn sie nicht zu ihm zurückkomme, und geäußert, heute sei ihr "letzter Tag". Schließlich hätten auch mehrere Zeugen bestätigt, dass der Angeklagte am Tattag in Düsseldorf gewesen sei und sich (allerdings insoweit erfolglos) nach dem Aufenthalt von Frau E. erkundigt habe.
6
3. Diese der Feststellung der Täterschaft des Angeklagten zugrunde liegende Beweiswürdigung enthält wesentliche Darlegungsmängel, die durchgreifende rechtliche Bedenken gegen ihre Tragfähigkeit begründen.
7
a) Das Urteil verhält sich nicht hinreichend zu den Berechnungsgrundlagen , aus denen abzuleiten ist, dass das am Tatort gesicherte Spurenmaterial mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 1 : 10 Milliarden vom Angeklagten herrührt.
8
aa) Ist dem Tatrichter mangels Sachkunde eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens eines Sachverständigen nicht möglich, so genügt es allerdings, dass er sich von der Sachkunde des Gutachters überzeugt und sich danach dem Ergebnis des Gutachtens anschließt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 1996 - 1 StR 170/96, NStZ-RR 1996, 258). Jedoch muss er in diesem Falle die wesentlichen Anknüpfungspunkte und Schlussfolgerungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit und sonstiger Rechtsfehlerfreiheit erforderlich ist (BGH aaO; Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39; Beschluss vom 8. April 2003 - 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232; Urteil vom 15. Januar 2003 - 5 StR 223/02, NStZ 2003, 307). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich dabei nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (BGH, Beschluss vom 7. Mai 1996 - 1 StR 170/96, NStZRR 1996, 258).
9
Für DNA-Vergleichsgutachten gilt nichts anderes. Zwar ist das in der forensischen Praxis gebräuchliche PCR-Verfahren, das dazu dient, aus der Probe sowie aus der Vergleichsprobe jeweils eine bestimmte Anzahl in der KernDNA auftretender Systeme (sog. short tandem repeats; STR) eindeutig zu identifizieren , um so (zunächst) Übereinstimmungen festzustellen, inzwischen in seinen Abläufen so weit standardisiert, dass es im Urteil keiner näheren Darlegungen hierzu bedarf. Kein in diesem Sinne standardisiertes Verfahren ist aber die im zweiten Schritt an die so gewonnenen Daten anknüpfende Wahrscheinlichkeitsberechnung , denn die Aussage darüber, mit welcher statistischen Häufigkeit ein bestimmtes Merkmal oder eine bestimmte Merkmalskombination auftritt , hängt zunächst von einer wertenden Entscheidung des Gutachters ab, welche Vergleichspopulation er ausgehend von der genetischen Herkunft des Täters heranzieht und inwieweit er aufgrund voneinander unabhängiger Vererbung der übereinstimmenden Merkmale die sog. Produktregel anwendet. Um dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Wahrscheinlichkeitsberechnung auf ihre Plausibilität zu ermöglichen, verlangt der Bundesgerichtshof deshalb in ständiger Rechtsprechung die Mitteilung ihrer Grundlagen im Urteil (Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12; Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ-RR 2012, 53; Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159; Beschluss vom 5. Februar 1992 - 5 StR 677/91, NStZ 1992, 601; Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320). Hierzu gehören - zumindest wenn der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört - eine hin- reichend deutliche Umschreibung der zum Vergleich herangezogenen Bevölkerungsgruppe sowie jedenfalls die Häufigkeit der einzelnen als übereinstimmend festgestellten Merkmale in dieser Vergleichspopulation sowie eine Aussage dazu, inwieweit in wissenschaftlich zulässiger Weise die sog. Produktregel zur Anwendung kam.
10
bb) Diesen Maßstäben wird hier die bloße Mitteilung im Urteil, unter Anwendung biostatistischer Berechnungsmethoden ergebe sich eine Wahrscheinlichkeit von eins zu mehr als zehn Milliarden, nicht gerecht. Weder werden die Faktoren erkennbar, auf denen dieses rechnerische Ergebnis beruht, noch wird ersichtlich, inwieweit der Gutachter bei der Auswahl der Vergleichspopulation mögliche aus der ethnischen Herkunft des Angeklagten - eines marokkanischen Staatsangehörigen - herrührende Besonderheiten berücksichtigt hat.
11
b) Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil.
12
Allerdings ergibt sich allein schon aus der Aussage der Sachverständigen , die am Tatort gesicherte DNA stimme in allen 16 untersuchten Systemen mit der des Angeklagten überein, ein deutliches - wenngleich gegenüber der rechtsfehlerfreien Feststellung auch der biostatistischen Häufigkeit der ermittelten Merkmale in seiner Aussagekraft eingeschränktes - Beweisanzeichen für die Täterschaft des Angeklagten. Der Senat hat daher erwogen, ob das Landgericht bei der Würdigung der Beweise auch dann zu keinem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn es statt der für die Urheberschaft des Angeklagten als Spurenleger sprechenden biostatistischen Häufigkeit der Merkmalskombination lediglich die von der Sachverständigen bekundeten Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen berücksichtigt hätte.

13
Jedoch hielte die Beweiswürdigung für diesen Fall aus anderen Gründen der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand; denn jedenfalls angesichts des geringeren Beweiswerts einer bloßen Übereinstimmung des jeweiligen DNA-Materials in den untersuchten Systemen käme es dann maßgeblich auf die anderen vom Landgericht herangezogenen Indizien an. Soweit sich das Landgericht indes tragend auch darauf stützt, der Angeklagte habe Frau E. am Morgen des Tattages telefonisch mit dem Tode bedroht, bleibt die Beweiswürdigung ihrerseits lückenhaft. Wie es zu dieser Feststellung gelangt ist, teilt das Landgericht nicht mit. Insbesondere beruht sie ersichtlich nicht auf den von der Zeugin H. wiedergegebenen Äußerungen von Frau E. , der Angeklagte trachte ihr nach dem Leben, denn nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils fand das geschilderte - überdies wohl eher allgemein gehaltene - Gespräch bereits etwa zwei Wochen vor der Tat statt.
Becker Pfister Hubert
Mayer Menges

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 412/07
vom
2. Oktober 2007
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Oktober 2007 gemäß § 349 Abs.
4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. Juni 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts entwendete der Beschuldigte im März 2005 in einem Supermarkt ein Päckchen Tabak im Wert von 4,15 € und führte dabei ein Klappmesser mit feststellbarer Klinge und ein SchweizerMesser bei sich. Anfang November 2005 hinderte er eine Bekannte daran, seine Wohnung zu verlassen. Außerdem schlug er auf sie ein und verletzte sie erheblich.
3
Die Unterbringungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Anordnung nach § 63 StGB setzt u. a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustandes voraus, der zumin- dest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 63 Rdn. 6). Sie bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Den danach zu stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht hat weder ausreichend dargelegt, dass der Beschuldigte zu den Tatzeiten schuldunfähig war (nachstehend 1.), noch ausreichend dessen Gefährlichkeit begründet (nachstehend 2.).
4
1. Wenn sich der Tatrichter - wie hier - darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH NStZ 2003, 307; NStZ-RR 2003, 232 jeweils m. w. N.). Daran fehlt es hier. Zum Beleg dafür, dass der Beschuldigte nicht fähig war, seiner vorhandenen Unrechtseinsicht gemäß zu handeln, hat die Strafkammer lediglich ausgeführt, bei dem Beschuldigten bestehe "neben einer dissozialen Störung und einer Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit eine chronifizierte schwere schizophrene Psychose mit ausgeprägten Störungen der Handlungsübersicht, der Kritikfähigkeit, der adäquaten Selbsteinschätzung, des verinnerlichten Wertgefühles und der Impulskontrolle". Es fehlt eine Darlegung, wie dieses Störungsbild auf den Beschuldigten und seine Handlungsmöglichkeiten in den konkreten Tatsituationen eingewirkt hat. Hierauf kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn bei dem Täter eine Schizophrenie diagnostiziert worden ist. Die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich allein genommen nicht zur Feststellung einer - generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden - Schuldunfähigkeit (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie 3. Aufl. S.151). Dass sich der Beschuldigte bei beiden Taten jeweils in einem akuten Schub der Krankheit befunden hätte (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 16. Mai 2007 - 2 StR 96/07), ist nicht erkennbar. Zu dem Diebstahl mit Waffen sind über die den Tatbestand erfüllende Handlung hinaus weitere Umstände nicht festgestellt. Bei der gefährlichen Körperverletzung nebst Freiheitsberaubung hat der Beschuldigte sich vor und nach der Tat situationsangepasst verhalten.
5
2. Vergleichbar knapp und damit angesichts des erheblichen Eingriffs, der mit der Unterbringung nach § 63 StGB verbunden ist, ebenfalls nicht ausreichend hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten begründet. Auch hier ist es dem Sachverständigen gefolgt und hat lediglich ausgeführt, es bestehe "ein erhebliches Risiko der Begehung weiterer ähnlicher Straftaten", es sei "jederzeit mit schwersten Gewalttaten aufgrund der psychotischen Situationsverkennung zu rechnen". Es fehlt eine Auseinandersetzung damit, dass der Beschuldigte nach den getroffenen Feststellungen letztmals Anfang 1998 bestraft worden und auch in den 15 Monaten zwischen der Tat und der vorläufigen Unterbringung nicht wieder auffällig geworden ist.
6
3. Über die Voraussetzungen der Unterbringung des Beschuldigten muss deshalb - sinnvollerweise auch unter Auswertung der Erkenntnisse im Zusammenhang mit dessen mehrfachen Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken - erneut entschieden werden.
7
4. Der neue Tatrichter wird im Hinblick darauf, dass das Opfer (und einzige Beweismittel) bezüglich der gefährlichen Körperverletzung selbst erheblich alkoholisiert war, auch der Darstellung der Beweiswürdigung größere Aufmerksamkeit zu widmen haben.
8
5. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer
5 StR 223/02

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 15. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
15. Januar 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt N
als Verteidiger,
Rechtsanwältin M
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, des Nebenklägers und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18. Juli 2001 werden verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Die Kosten der Revisionen des Nebenklägers und des Angeklagten fallen dem jeweiligen Beschwerdeführer zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen Totschlags zehn Jahre Freiheitsstrafe verhängt, hat ihn unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und hat seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Revision eingelegt. Während sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts wendet und darüber hinaus die Strafzumessung angreift, beanstanden Staatsanwaltschaft und Nebenkläger, daß der Angeklagte nicht wegen Mordes verurteilt worden ist. Außerdem rügen sie, das Landgericht habe sich mit der Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht zutreffend auseinandergesetzt und das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen ungeprüft übernommen. Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.


Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
Am Vorabend der Tat begab sich der bereits angetrunkene Ange- klagte in eine Gaststätte, wo er zunächst eine tätliche Auseinandersetzung mit einem entfernten Bekannten provozierte. Kurze Zeit später wurde er beschuldigt , gegen das vor der Gaststätte abgestellte Fahrzeug des Zeugen S getreten und möglicherweise auch versucht zu haben, dieses zu entwenden. Da jedoch zunächst keine Beschädigungen an dem PKW festzustellen waren, ließ der Zeuge die Sache auf sich beruhen und kehrte – ebenso wie der Angeklagte – in die Gaststätte zurück. Dort wurde er von dem empörten Angeklagten beschimpft und kurzfristig auch mit einem Butterflymesser bedroht. Im Verlauf des Abends nahm der Angeklagte weiter Alkohol zu sich und konsumierte auch Rauschgift.
Gegen 1.00 Uhr des folgenden Tages machte sich das spätere Tatopfer , die 62jährige T , auf den Heimweg. Auf Bitten des Gastwirts nahm sie neben dem Zeugen V auch den ihr bis dahin unbekannten Angeklagten in ihrem Wagen mit, da beide in einem Ort auf der Wegstrecke der Frau T wohnten. Dort angekommen, stieg zunächst der Zeuge aus, wobei ihm der Angeklagte behilflich war, sein Fahrrad aus dem Kofferraum zu heben. Als Frau T bei der Weiterfahrt auf einem unbefestigten Weg langsam fahren mußte, stach der Angeklagte plötzlich mit dem Butterflymesser auf sie ein und brachte ihr insgesamt 31 Stich- und Schnittverletzungen bei. Nachdem T aufgrund der erlittenen schweren Verletzungen immer schwächer geworden war, drängte der Angeklagte sie aus dem Auto; die Frau verblutete am Wegesrand.
Mit dem PKW seines Opfers fuhr der Angeklagte anschließend zur Wohnung eines befreundeten Paares, wo er sich im folgenden verborgen hielt. Nach drei Tagen wurde er dort festgenommen; unter der Kranzleiste des Küchenschranks wurde die EC-Karte der Getöteten gefunden.
Zur Schuldfähigkeit hat die sachverständig beratene Strafkammer festgestellt, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund vorherigen Alkohol- und Drogenmißbrauchs im Sinne von § 21 StGB erheblich eingeschränkt war.

II.


Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Daß der Tatrichter angesichts der massiven Vorgehensweise des Angeklagten (bedingten) Tötungsvorsatz angenommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Strafzumessung enthält keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.

III.


Ebenfalls ohne Erfolg bleiben die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen von Habgier und niedrigen Beweggründen abgelehnt hat, halten rechtlicher Prüfung stand. Auch daß die Strafkammer die Mordmerkmale der heimtückischen und grausamen Begehungsweise nicht erkennbar geprüft hat, begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.
1. Ein Täter handelt aus Habgier, wenn sich die Tat als Folge eines noch über bloße Gewinnsucht hinaus gesteigerten abstoßenden Gewinnstrebens darstellt (BGHSt 29, 317, 318; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 8 m. w. N).
Dies hat das Landgericht im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei verneint. Dabei hat es sich ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Angeklagte , der sich an die Tat und deren Vorgeschichte nicht erinnern will, mit der Absicht gehandelt hat, sich den PKW seines Opfers und/oder die ECKarte zuzueignen. Die Strafkammer vermochte jedoch nicht auszuschließen, daß der Angeklagte erst nach dem Zustechen den Gedanken faßte, unter Benutzung des Fahrzeugs zu flüchten. Bei dieser Erwägung hat sie nicht übersehen, daß der Angeklagte kurz vor der Tat verdächtigt worden war, sich möglicherweise in Diebstahlsabsicht dem Fahrzeug des Zeugen S genähert zu haben, hat diesen nicht bewiesenen Umstand dann aber zu Recht außer Betracht gelassen. Es liegt ebenfalls im Rahmen tatrichterlicher Beurteilung, wenn das Landgericht es im Hinblick auf die EC-Karte der Getöteten für möglich hält, daß er diese erst nach der Tat entdeckt und dann an sich genommen hat. Allerdings hat die Strafkammer in dem hier gegebenen Zusammenhang die erheblichen Vorstrafen des Angeklagten wegen Diebstahls , Raubes und gefährlicher Körperverletzung nicht ausdrücklich in die Beweiswürdigung mit einbezogen. Angesichts der ausführlichen Darstellung dieser früheren Straftaten im Urteil ist jedoch auszuschließen, das Landgericht könne deren mögliche indizielle Bedeutung nicht bedacht haben.
2. Auch daß die Strafkammer das Vorliegen niedriger Beweggründe abgelehnt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Beweggründe sind niedrig, wenn sie als Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert sind und auf tiefster Stufe stehen (vgl. BGHSt 42, 226, 228; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 9 m. w. N.). In subjektiver Hinsicht muß hinzukommen, daß sich der Täter bei der Tat der Umstände bewußt ist, die seine Beweggründe als niedrig erscheinen lassen, und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann (BGHSt 28, 210, 212; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11 und 15). Ob dies der Fall ist, bedarf insbesondere bei plötzlichen
Situationstaten genauerer Prüfung (vgl. BGH StV 2000, 20, 21, BGH NStZ 2001, 87; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 12 m. w. N.).
Aus welchen Motiven der Angeklagte T getötet hat, konnte letztlich nicht zuverlässig geklärt werden. Von Habgier hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht zu überzeugen vermocht. Für das Vorliegen anderer Motive fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Gestützt auf die Aussage des Zeugen V , wonach auf der Heimfahrt eine ruhige Atmosphäre herrschte und der Angeklagte sich unauffällig verhielt, sieht die Strafkammer auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß T den Angeklagten kurz vor der Tat verärgert oder in anderer Weise in Wut versetzt haben könnte. Angesichts des gesamten Tatbildes einschließlich der Vorgeschichte, der psychischen Verfassung und der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten ist die Annahme des Landgerichts, der zur Tatzeit erheblich unter Alkohol- und Drogeneinfluß stehende Angeklagte habe die Tat nicht ausschließbar in einem affektiven Durchbruch ohne Vorplanung aus dem Augenblick heraus begangen, nicht fernliegend.
Einer Prüfung, ob sich darüber hinaus die Annahme niedriger Beweggründe auch deshalb verbot, weil fraglich erscheint, daß sich der zur Tatzeit in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkte Angeklagte bei seinem nicht ausschließbar spontan geführten Angriff der etwaigen Niedrigkeit seiner Beweggründe bewußt war, bedurfte es daher nicht.
3. Des weiteren begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, daß die Strafkammer nicht erkennbar geprüft hat, ob der Angeklagte T heimtückisch oder grausam getötet hat.
Zwar liegt es nicht fern, daß T arg- und wehrlos war, als der Angeklagte sie mit Tötungsvorsatz angriff. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe und insbesondere dem ausführlich dargestellten Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen entnimmt der Senat jedoch,
daß der Tatrichter jedenfalls die subjektiven Voraussetzungen der Heimtükke , nämlich das Bewußtsein, die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers auszunutzen , sicher ausgeschlossen hat; entsprechende Ausführungen waren danach nicht unerläßlich. Auch die Staatsanwaltschaft hat ihre Anklage nicht auf das Mordmerkmal der Heimtücke gestützt.
Die Feststellungen belegen bereits nicht die objektiven Voraussetzungen einer grausamen Begehungsweise im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB. Jedenfalls durfte das Landgericht auch hier annehmen, daß dem Angeklagten das Bewußtsein fehlte, dem Opfer beim Tötungsvorgang besondere Qualen zuzufügen. Die Nichterörterung dieser Gesichtspunkte stellt deshalb keinen Rechtsfehler dar, zumal da die Staatsanwaltschaft auch dieses Mordmerkmal in der Anklage nicht benannt hat.
4. Im Ergebnis ohne Erfolg bleibt schließlich auch die weitere sachlichrechtliche Beanstandung zur erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit.
Die hierzu getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen W , dem das Landgericht gefolgt ist. Die hiergegen geltend gemachten Bedenken, das Landgericht habe es bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit an der gebotenen eigenverantwortlichen Prüfung des Gutachtens (vgl. BGHSt 7, 238; 12, 311; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 32; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 92) fehlen lassen, sind unbegründet. Das Landgericht hat nach eingehender Darstellung des Gutachtens zusammenfassend ausgeführt, daß angesichts der Erläuterungen des Sachverständigen keine Zweifel daran bestehen , daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt bei erhaltener Einsichtsfähigkeit erheblich in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt und damit vermindert schuldfähig gewesen sei (UA S. 44). Daß die Strafkammer sich genügend mit dem Sachverständigen auseinandergesetzt hat, lassen auch die Urteilsausführungen zur Persönlichkeit des Angeklagten erkennen, die das Gutachten eng mit der Frage der Schuld verknüpft. In diesem Zusammen-
hang teilt das Urteil im einzelnen mit, aus welchen Gründen es sich dem Gutachten des Sachverständigen anschließt und sich dessen Ausführungen zu eigen macht (UA S. 34).
Davon abgesehen darf sich der Tatrichter auch mangels genügender eigener Kenntnisse auf dem für die Urteilsfindung maßgeblichen Wissensgebiet darauf beschränken, sich der Beurteilung des Sachverständigen hinsichtlich der einschlägigen Fachfragen anzuschließen, wenn er die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergibt, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit und sonstiger Rechtsfehlerfreiheit erforderlich ist (vgl. BGHSt 7, 238; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 32 m. w. N.). Dies ist im vorliegenden Fall mehr als ausreichend geschehen. Insbesondere hat der Sachverständige auch zu den von den Beschwerdeführern angeführten Gesichtspunkten Stellung genommen, die nach Auffassung der Revision eine erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten in Frage stellen. Dies gilt namentlich im Hinblick auf das Nachtatverhalten des Angeklagten, das keine Störungen seines Leistungsverhaltens oder sonstige auf eine erheblich eingeschränkte Steuerungsfähigkeit hinweisenden Auffälligkeiten erkennen ließ. Der Sachverständige hat dieses Phänomen nachvollziehbar damit erklärt, daß hier das zusätzlich zu dem Alkohol genossene Rauschgift bei dem ohnehin zu Aggressionen neigenden Angeklagten einen affektiven
Durchbruch begünstigt haben könnte, wobei der Sachverständige dies ausdrücklich nur auf den Tatzeitpunkt bezieht (UA S. 41, 42). Mit einem unauffälligen Nachtatverhalten des alkoholgewohnten Angeklagten ist diese Bewertung vereinbar (vgl. BGHR StGB § 21 Alkoholauswirkungen 6; Blutalkoholkonzentration

4).


Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 41/12
vom
6. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 6. März 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. Oktober 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und mit Freiheitsberaubung in zwei Fällen zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
2
Das Urteil hat keinen Bestand, denn die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei an der Tat beteiligt gewesen, entbehrt einer sie tragenden rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
3
1. Nach den Feststellungen drangen der Angeklagte und zwei unbekannt gebliebene Mittäter am Abend des 14. November 2006 maskiert in das Wohnhaus der Eheleute H. ein, sprühten diesen Pfefferspray ins Gesicht und fesselten sie mit Damenstrumpfhosen. Während einer der Täter die Eheleute bewachte, durchsuchten die beiden anderen das Haus und nahmen Bargeld sowie Wertgegenstände an sich. Durch die Drohung, Frau H. mit einem Messer einen Finger abzuschneiden, veranlassten sie die Geschädigten schließlich zur Herausgabe eines weiteren im Haus befindlichen Bargeldbetrages. Danach verbrachten sie die Eheleute in die Garage, banden sie dort mit den Strumpfhosen auf Gartenstühlen fest und entfernten sich mit ihrer Beute.
4
Wie das Landgericht weiter feststellt, fiel einem der Täter beim Herausziehen der zur Fesselung der Geschädigten mitgebrachten Strumpfhosen unbemerkt der Stummel einer vor dem Eindringen in das Haus gerauchten Zigarette aus der Jackentasche, den er eingesteckt hatte, um Spuren in Tatortnähe zu vermeiden. Im Filter fand sich DNA, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 8,6 Billionen vom Angeklagten herrührt. Die Geschädigten selbst konnten die Täter lediglich dahin beschreiben, dass sie mit osteuropäischem Akzent sprachen sowie schlank und sportlich waren, zwei von ihnen etwa 1,70 m groß, der dritte etwas größer.
5
2. Zu der Überzeugung, der Angeklagte sei einer der drei Täter gewesen , gelangt das Landgericht aufgrund folgender Überlegungen:
6
Ein "starkes Indiz" hierfür sei die DNA-Spur auf dem von den Tätern hinterlassenen Zigarettenrest. Auch die Personenbeschreibungen der Geschädig- ten sprächen "letztlich … nicht gegen die Täterschaft des Angeklagten". "Insge- samt" habe es sich von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt aufgrund der gesicherten DNA-Spur "sowie der Art und Weise, wie der Zigarettenrest während der Tat … [in das Wohnzimmer der Geschädigten] gelangt sein muss."
7
Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, denn aus den - im Übrigen rechtsfehlerfrei festgestellten - Umständen, unter denen der Zigarettenrest in die Wohnung der Geschädigten gelangte, ergeben sich keine (zusätzlichen ) Beweisanzeichen, die für die Identität des Angeklagten als einer der drei Täter sprechen könnten. Andererseits misst das Landgericht den Personenbeschreibungen der Geschädigten für die Frage der Identifizierung der Täter offensichtlich keinen Beweiswert zu; die DNA-Spur erachtet es schließlich nur als ein "starkes", für den Nachweis der Täterschaft des Angeklagten für sich allein indes nicht ausreichendes Indiz.
8
3. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, ein Beruhen des Urteils auf dem Mangel mit der Erwägung auszuschließen, das Landgericht hätte bereits dem Umstand, dass die am Zigarettenrest gesicherte DNA mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vom Angeklagten herrührt, einen ausschlaggebenden Beweiswert beimessen müssen. Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht davon aus, dass das Ergebnis eines DNA-Vergleichsgutachtens nur als ein - wenn auch bedeutsames - Indiz anzusehen ist, das der Würdigung im Zusammenhang mit anderen für die Täterschaft sprechenden Beweisanzeichen bedarf; denn ein solches Gutachten enthält lediglich eine abstrakte, biostatistisch begründete Aussage über die Häufigkeit der festgestellten Merkmale bzw. Merkmalskombinationen innerhalb einer bestimmten Population (Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320). Zwar hat der Bundesgerichtshof in einer späteren Entscheidung abweichend hiervon die Auffassung vertreten, bei einem festgestellten Seltenheitswert im Millionenbereich könne allein das Ergebnis eines DNA-Vergleichsgutachtens für die tatrichterliche Überzeugungsbildung dahin ausreichen, die Tatortspur stamme vom Angeklagten (Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159). Dem ist umgekehrt jedoch nicht zu entnehmen, ein solcher Schluss sei - was allein zu einer anderen Beurteilung der Beruhensfrage führen könnte - ab einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in jedem Falle als zwingend anzusehen. Darüber hinaus bleiben dem Senat auch Zweifel, ob die in dieser Entscheidung aufgeführten Gründe die Aufgabe der überkommenen Rechtsprechung überhaupt rechtfertigen konnten; denn die zwischenzeitlich erreichte Standardisierung der molekulargenetischen Untersuchungsmethoden hat zwar die Zuverlässigkeit der Feststellung übereinstimmender Merkmale in Probe und Vergleichsprobe erhöht, indes nichts an der das genannte Urteil vom 12. August 1992 tragenden Erwägung geändert, dass am Ende nur eine Aussage über abstrakte biostatistische Wahrscheinlichkeiten steht.
9
4. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
10
Zwar ist das in der forensischen Praxis gebräuchliche PCR-Verfahren, das dazu dient, aus der Probe sowie aus der Vergleichsprobe jeweils eine bestimmte Anzahl in der Kern-DNA auftretender Systeme (sog. short tandem repeats; STR) eindeutig zu identifizieren und so einen Vergleich zu ermöglichen , inzwischen in seinen Abläufen so weit standardisiert, dass es im Urteil keiner Darlegungen hierzu bedarf. Dies gilt jedoch nicht für die an die so gewonnenen Daten anknüpfende Wahrscheinlichkeitsberechnung, denn sie erfordert zunächst die Auswahl einer in Betracht kommenden Vergleichspopulation und beispielsweise Überlegungen zur Anwendbarkeit der sog. Produktregel. Um dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Berechnung auf ihre Plausibili- tät zu ermöglichen, verlangt der Bundesgerichtshof deshalb in ständiger Rechtsprechung die Mitteilung der Berechnungsgrundlagen im Urteil (Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ-RR 2012, 53; Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159; Beschluss vom 5. Februar 1992 - 5 StR 677/91, NStZ 1992, 601; Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320). Hierzu gehören neben Verbreitungswahrscheinlichkeiten auch die eindeutige Kennzeichnung der verglichenen Systeme (Basenfolgemuster), die Zahl der Wiederholungen in den beiden zugehörigen Allelen sowie eine hinreichend deutliche Umschreibung der herangezogenen Vergleichspopulation.
Becker Pfister Hubert
Mayer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 362/11
vom
12. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. Oktober 2011 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 14. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Einzelfreiheitsstrafe von sieben Jahren und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Essen vom 29. Mai 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Gegenstand der Verurteilung ist ein Überfall am 16. Januar 2003 auf ein Juweliergeschäft in Aachen, bei dem fünf zum Teil mit scharfen Pistolen bewaffnete Täter Schmuck und Uhren im Wert von knapp 100.000 Euro erbeuteten. Am Tatort ließen die Täter u.a. eine Umhängetasche zurück, an deren auf den Tragriemen aufgesetzter Handytasche eine DNA-Spur festgestellt wurde , "die dem Angeklagten zugeordnet werden konnte" (UA 9).
3
2. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Für die DNA-Spur auf der Umhängetasche habe er keine Erklärung. Er habe sich 2002/2003 überwiegend im belgischen Raum aufgehalten, sei lediglich ein Mal im August/September 2002 am Aachener Hauptbahnhof umgestiegen, jedoch nicht in die Stadt gegangen.
4
Das Landgericht hält die Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall für erwiesen. Es stützt sich dabei vor allem auf die DNA-Spur auf der Handytasche. Der Einlassung des Angeklagten, der das Entstehen der Spur nicht habe erklären können und wollen, sei als Schutzbehauptung zu werten. Nach der "festen Überzeugung der Kammer" könne der Angeklagte, wäre er nicht am Überfall beteiligt gewesen, das Vorhandensein der Spur durchaus erklären; auf Erinnerungslücken oder auf Nichtwissen könne er sich nicht berufen. Darüber hinaus sprächen weitere Indizien für die Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall. So habe er sich zur fraglichen Zeit nach seiner eigenen Einlassung immerhin in der Aachener Grenzregion aufgehalten, spreche die russische Sprache - nach Zeugenangaben hätten die Täter mit einem russischen bzw. osteuropäischen Dialekt gesprochen - und die Täter hätten insbesondere auch Uhren der Marke "Vacheron Constantin" entwendet, die "in Osteuropa besonders beliebt" seien. Schließlich sei der Angeklagte wegen eines gleichartigen Delikts - Überfall unter Waffeneinsatz auf einen Juwelier in Aalst im Mai 2003 - in Belgien zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
5
3. Die vom Revisionsführer und dem Generalbundesanwalt gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH 4 StR 285/10 vom 28. Oktober 2010; st. Rspr.).
6
Legt man dies zugrunde, stellt sich die Beweiswürdigung hier in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft dar. Zunächst rügt die Revision zu Recht, dass das Landgericht zur Begründung seiner Feststellung, es habe sich eine DNA-Spur des Angeklagten auf der Handytasche der Umhängetasche befunden, pauschal auf ein "Gutachten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen vom 30.3.2011 in Verbindung mit dessen Mitteilung vom 3.2.2009" verweist (UA 11). Zwar handelt es sich bei der molekulargenetischen Untersuchung von DNASpurenträgern um ein standardisiertes Verfahren, bei dem die Darlegungsanforderungen in den Urteilsgründen geringer sind, als dies normalerweise bei Sachverständigengutachten der Fall ist, und es insbesondere keiner Darlegung der Untersuchungsmethode bedarf. Um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die auf das Gutachten gestützte Überzeugung des Landgerichts auf rechtsfehlerfreier Grundlage beruht, hätte es gleichwohl in den Urteilsgründen neben der Berechnungsgrundlage zumindest der Mitteilung bedurft , mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte als Spurenleger in Betracht kommt. Denn was das Ergebnis der DNA-Analyse betrifft, bedarf es regelmäßig jedenfalls eines Seltenheitswertes im Millionenbereich, um die Überzeugung des Tatrichters zu begründen, dass eine bestimmte Spur vom Angeklagten herrührt (BGH NStZ 2009, 285).
7
Die Beweiswürdigung ist aber auch deshalb lückenhaft, weil das Landgericht sich nicht ausreichend mit der für die Täterschaft des Angeklagten ent- scheidenden Frage auseinandersetzt, ob zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang verstand sich angesichts von Gegenstand und Ort, an dem die Spur sichergestellt wurde, nicht von selbst. Das Landgericht stützt sich dabei entscheidend auf die Erwägung, dass der Angeklagte das Vorhandensein der Spur nicht plausibel erklären "konnte bzw. wollte" (UA 11). Insoweit kann dahinstehen, ob dies - wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt hat - bereits deshalb als rechtsfehlerhaft zu beurteilen ist, weil die im Urteil wiedergegebenen Angaben des Angeklagten nicht als Teileinlassung, sondern als pauschales Bestreiten zu werten sind, mithin das Landgericht unzulässigerweise aus seinem Schweigen für ihn nachteilige Schlüsse gezogen hat (vgl. etwa BGH NStZ 2007, 417; 2009, 705).
8
Jedenfalls hätte sich das Landgericht mit Rücksicht auf den allenfalls geringen Beweiswert des von ihm für ausschlaggebend erachteten Umstandes damit auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit die Spur möglicherweise auf andere Weise als durch unmittelbare Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall an die Umhängetasche gelangt sein konnte. Dazu hätte es weiterer Feststellungen und Erörterungen im Urteil bedurft. Um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Schlussfolgerung des Landgerichts auf einer tragfähigen Grundlage beruht, hätte die Kammer - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - etwa mitteilen müssen, um welche Art von Spurenträger es sich handelt und an welcher Stelle der Tasche diese gesichert wurde. Namentlich die Feststellung des Spurenträgers - z.B. Fingerspur oder Haar des Angeklagten - hätte indiziell dafür sein können, ob die DNA-Spur auf die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort hinweist oder auch ohne Verbindung zum Tatgeschehen dorthin gelangt sein konnte. Für die Frage des Zusammenhangs zwischen der DNA-Spur und der Tat konnte schließlich von Bedeutung sein, ob an der Tasche weitere DNA-Spuren von anderen Personen gefunden wurden.
9
4. Das Urteil beruht auf den erörterten Lücken bei der Beweiswürdigung. Das Landgericht hat den weiteren von ihm angegebenen Indizien für die Anwesenheit des Angeklagten zur Tatzeit am Tatort, die zudem sämtlich nur einen schwachen Beweiswert besitzen, ausdrücklich nur ergänzende und keine entscheidende Bedeutung beigemessen (UA 12).
Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 722/08
vom
21. Januar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
____________________________
Jedenfalls bei einem Seltenheitswert im Millionenbereich kann das Ergebnis der
DNA-Analyse wegen der inzwischen erreichten Standardisierung der molekulargenetischen
Untersuchung für die Überzeugungsbildung des Tatrichters dahin
, dass die gesicherte Tatortspur vom Angeklagten herrührt, ausreichen,
wenn die Berechnungsgrundlage den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
aufgestellten Anforderungen entspricht.
BGH, Beschl. vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08 - LG Karlsruhe
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2009 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Karlsruhe vom 24. September 2008 wird als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 17. Dezember
2008 bemerkt der Senat:
Zutreffend war das Landgericht vorliegend bereits aufgrund des Ergebnisses
der DNA-Analyse, wonach mit einem statistisch errechenbaren Häufigkeitswert
von 1:256 Billiarden davon auszugehen ist, dass die Spur vom Angeklagten
herrührt, davon überzeugt, dass die am Tatort gesicherte Hautabriebspur
vom Angeklagten stammt.
Jedenfalls bei einem Seltenheitswert im Millionenbereich kann wegen der
inzwischen erreichten Standardisierung der molekulargenetischen Untersuchung
das Ergebnis der DNA-Analyse für die Überzeugungsbildung des Tatrichters
dahin, dass die am Tatort gesicherte DNA-Spur vom Angeklagten herrührt,
ausreichen, wenn die Berechnungsgrundlage den von der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 38, 320, 322 ff.) aufgestellten Anforderungen
entspricht. Davon unabhängig hat das Tatgericht die Frage zu beurteilen, ob
zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang besteht.
Nack Kolz Hebenstreit
Elf Jäger