Bundesgerichtshof Urteil, 27. Feb. 2019 - 2 StR 408/18

bei uns veröffentlicht am27.02.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 408/18
vom
27. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:270219U2STR408.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Februar 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Prof. Dr. Eschelbach, Zeng, Meyberg,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 6. April 2018 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen zweier Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen (Fälle II. 13 und 14 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in elf Fällen sowie des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in sechzehn Fällen schuldig ist;
c) der gesamte Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel sowie die insoweit der Nebenklägerin im Rechtsmittelverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Jugendschutzkammer tätige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in elf Fällen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in achtzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten führen zur (teilweisen) Verfahrenseinstellung und zur Aufhebung des Strafausspruchs; die weiter gehende Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.
I. Revision der Staatsanwaltschaft
2
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Verfahrenseinstellung in den Fällen II. 13 und 14 der Urteilsgründe und zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
3
1. Zwar ist die Revision der Staatsanwaltschaft ausdrücklich auf das Strafmaß beschränkt. Diese Beschränkung ist jedoch nicht wirksam. Denn das Landgericht hat – wie es selbst festgestellt hat – zwei Taten des schweren sexuellen Missbrauchs in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen (Fälle II. 13 und 14 der Urteilsgründe) ausgeurteilt, die nicht angeklagt waren, so dass insoweit das Verfahren eingestellt werden muss. Dieser Rechtsfehler , der zu einer Änderung des Schuldspruchs (zu Gunsten) des Angeklagten führt, ist untrennbar mit der Strafzumessung in diesen Fällen verknüpft, so dass der Strafausspruch in den genannten Fällen nicht isoliert angefochten werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 – 4 StR 130/03).
4
2. Das Verfahren war hinsichtlich zweier Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen (Fälle II. 13 und 14 der Urteilsgründe) einzustellen und der Schuldspruch entsprechend zu korrigieren.
5
3. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
a) Die Einstellung des Verfahrens in den Fällen II. 13 und 14 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der insoweit erkannten Einzelstrafen (insoweit auch zu Gunsten des Angeklagten gemäß § 301 StPO).
7
b) Die übrigen Einzelstrafen und auch der Gesamtstrafenausspruch weisen Rechtsfehler auf.
8
Bereits die bei der Gesamtstrafenbildung und durch Bezugnahme (wohl) auch bei den Einzelstrafen ohne nähere Erläuterung zu Gunsten des Angeklagten herangezogene Erwägung, die Geschädigte sei in den Angeklagten verliebt gewesen, wird von den Feststellungen nicht ohne Weiteres getragen. Die Urteilsgründe vermögen insbesondere nicht zu vermitteln, ob die Strafkammer ein Verliebtsein das zum Beginn des Tatzeitraums erst acht Jahre alten Opfers schon allein daraus abgeleitet hat, dass die Geschädigte sich nach eigener Aussage beim Angeklagten wohl fühlte, bei ihm bleiben wollte und ihn deshalb in mehrfacher Hinsicht entlastet hat.
9
Eine darüber hinausgehende Liebesbeziehung wird auch vom Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht belegt. Da auch nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann, dass die maßgebliche Urteilspassage infolge eines technischen Versehens Eingang in das Urteil gefunden hat, ist insoweit ein Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten zu besorgen.
10
Als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweist sich zudem die Erwägung zu Gunsten des Angeklagten, dieser habe ein Geständnis abgelegt. Den Urteilsgründen ist an anderer Stelle zu entnehmen, dass der Angeklagte die Tatvorwürfe bestritten haben soll.
II. Revision des Angeklagten
11
Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung aufgrund der Sachrüge führt zur Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Taten zu Ziff. II. 13-14 der Urteilsgründe, zur entsprechenden Korrektur des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs.
12
1. Der nach Einstellung des Verfahrens verbleibende Schuldspruch weist durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf.
13
Die der Verurteilung zugrundeliegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand. Soweit die Revision beanstandet, im Einzelnen nä- her angeführte Aussagen von Zeugen seien „nicht hinreichend“ berücksichtigt, ersetzt sie lediglich die Beweiswürdigung in der angegriffenen Entscheidung, ohne hiermit Rechtsfehler aufzuzeigen.
14
2. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
15
a) Die Verfahrenseinstellung (Fall II. 13 und 14 der Urteilsgründe) führt zum Wegfall der entsprechenden Einzelstrafen.
16
b) Der Strafausspruch in den verbleibenden Fällen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
17
aa) Allerdings ist die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte sei bei sämtlichen Taten alkoholbedingt enthemmt gewesen, ohne in seiner Einsichtsoder Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen zu sein, frei von Rechtsfehlern. Denn wenn auch aufgrund der Angaben der Nebenklägerin feststeht, dass der Angeklagte jeweils alkoholisiert gewesen ist, fehlen doch konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer intoxikationsbedingten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit.
18
bb) Auch mit dem Einwand, das Landgericht habe die besondere Stigmatisierung des Angeklagten durch die mediale Berichterstattung nicht berücksichtigt , dringt die Revision nicht durch. Denn dabei handelt es sich um einen Hinweis auf einen urteilsfremden Umstand, mit dem der Angeklagte im Revisionsverfahren nicht gehört werden kann. Soweit die Revision des Weiteren beanstandet , das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Angeklagte sich als alleinerziehender Vater um die Kinder habe kümmern müssen, erschließt sich dem Senat schon nicht, warum dies ein Umstand sein soll, der hinsichtlich der abgeurteilten Straftaten strafmildernd zu Gunsten des Angeklagten hätte Berücksichtigung finden müssen. Jedenfalls stellt dies keinen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar, den das Landgericht in den Blick nehmen musste.
19
cc) Der Strafausspruch ist allerdings insoweit rechtlich durchgreifend bedenklich, als das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten zwar bei der Gesamtstrafenfestsetzung ein Geständnis berücksichtigt hat, dies jedoch – abgesehen von einer bloß formelhaften Bezugnahme bei der Begründung der Gesamtstrafe – nicht erkennbar bei den Einzelstrafen gewichtet hat. Hierzu wäre die Strafkammer gehalten gewesen, sollte der Angeklagte – was allerdings nach den Urteilsgründen unklar bleibt – ein Geständnis abgelegt haben.
20
c) Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
VRiBGH Dr. Franke Krehl Eschelbach ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl Zeng Meyberg

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Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2003 - 4 StR 130/03

bei uns veröffentlicht am 22.05.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 130/03 vom 22. Mai 2003 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Mai 2003, an der teilgeno

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 130/03
vom
22. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Mai 2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird
a) das Verfahren in den Fällen 17 und 19 der Anklage (Verkaufsfälle vom 27. Oktober 1999 und 15. Dezember 1999) eingestellt. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angekagten entstandenen notwendigen Auslagen;
b) das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 20. September 2002 im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch geändert und wie folgt neu gefaßt: Der Angeklagte wird wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 4. Oktober 2001 und unter Auflösung der dort verhängten Gesamtfreiheitsstrafe sowie unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Demmin – Zweigstelle Malchin – vom 10. Juli 2000 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt.
Der Verfall eines Wertersatzes in Höhe von 36.240,37 EURO wird angeordnet.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Amtsgericht Demmin – Zweigstelle Malchin – hatte den Angeklagten durch Urteil vom 10. Juli 2000 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und „die sichergestellten Betäubungsmittel“ eingezogen. Unter Einbeziehung der Strafe aus dem amtsgerichtlichen Urteil verurteilte das Landgericht Neubrandenburg den Angeklagten nach Abtrennung des Verfahrens hinsichtlich vier der angeklagten Taten am 4. Oktober 2001 wegen weiterer Betäubungsmittelstraftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Ferner ordnete das Landgericht in diesem Urteil den Wertersatzverfall in Höhe von 70.380,- DM an. Eine Entscheidung über die im amtsgerichtlichen Urteil angeordnete Einziehung traf das Landgericht nicht. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten im abgetrennten Verfahrensteil des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen schuldig befunden und ihn unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus den beiden genannten früheren Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es den Verfall eines Wertersatzes in Höhe von 562,42 EURO angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Mit ihrem beschränkten
Rechtsmittel erstrebt sie die Ergänzung der Urteilsformel um den Ausspruch über die Aufrechterhaltung der neben den einbezogenen Strafen in den früheren Urteilen angeordneten Maßnahmen. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel führt zur Teileinstellung des Verfahrens und hat im übrigen den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Das Verfahren wird hinsichtlich der Fälle 17 und 19 der Anklage (Verkaufsfälle vom 27. Oktober 1999 und 15. Dezember 1999) eingestellt. Der Verfolgung dieser als selbständige Fälle des unerlaubten Handeltreibens angeklagten und abgeurteilten Taten steht das Verfahrenshindernis des Verbrauchs der Strafklage entgegen. Wie das angefochtene Urteil selbst feststellt (UA 15), hat der Angeklagte in diesen beiden Fällen an seinen Abnehmer M. jeweils 100 Ecstasy-Tabletten sowie einmal zehn und das zweite Mal 20 Briefchen Amphetamin verkauft. Die Ecstasy-Tabletten stammen jeweils aus Einkäufen des Angeklagten, die das Landgericht in dem in diesem Verfahren nach Abtrennung ergangenen Urteil vom 4. Oktober 2001, deren Einzelstrafen in das angefochtene Urteil einbezogen worden sind, bereits rechtskräftig abgeurteilt hat. Der Verkauf des Amphetamins an M. bildete in diesen beiden Fällen zusammen mit dem gleichzeitigen Verkauf der EcstasyTabletten jeweils eine natürliche Handlung und deshalb jeweils sowohl materiell- als auch prozeßrechtlich eine Tat des unerlaubten Handeltreibens nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, und zwar unabhängig davon, ob das Amphetamin von dem Angeklagten jeweils zusammen mit den Ecstasy-Tabletten erworben worden war. Dies folgt daraus, daß die im früheren Urteil als selbständige Fälle des unerlaubten Handeltreibens abgeurteilten Einkäufe der Ecstasy-Tabletten in Bezug auf die jeweilige Gesamtmenge sämtliche Teilakte bis zur Veräußerung zu jeweils einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit verbinden (BGHSt 30, 28, 31), mit der die Verkäufe des Amphetamins jeweils
zumindest in einem Teilakt zusammentreffen. Die rechtskräftige Aburteilung des Handeltreibens mit den Ecstasy-Tabletten – und damit der Strafklageverbrauch – erfaßt deshalb hier entgegen der Auffassung des Landgerichts (UA 18) nicht nur den Verkauf der jeweils 100 Ecstasy-Tabletten, sondern auch die beiden Verkaufsfälle von Amphetamin (vgl. BGHR BtMG § 29 Strafklageverbrauch 1).
Das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs hat der Senat von Amts wegen zu prüfen. Dem steht hier die Teilrechtskraft des angefochtenen Urteils infolge der Beschränkung des Rechtsmittels auf den Maßnahmenausspruch nicht entgegen (BGHSt 6, 304, 305 f.; 13, 128 f.; MeyerGoßner StPO 46. Aufl. Einl. Rdn. 151 m.w.N.). Denn die von der Beschwerdeführerin mit der Revision beanstandete Wertersatzverfallanordnung ist eine einheitliche Maßnahme mit Bezug zu allen dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Taten, deren Verfolgung deshalb auch insgesamt hinsichtlich eines Verfahrenshindernisses der Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt.
Die Einstellung in den Fällen 17 und 19 der Anklage führt zur Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der insoweit erkannten Einzelstrafen von fünf und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Der Senat braucht die Sache jedoch nicht an das Landgericht zurückzuverweisen, sondern kann in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst entscheiden. Ausgehend von der durch das Urteil vom 4. Oktober 2001 rechtskräftig verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten, die nicht unterschritten werden darf (h.A.; BGHSt 7, 180, 183; BGH, Beschluß vom 4. Oktober 2001 – 4 StR 329/01; Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 55 Rdn. 6; Rissing – van Saan in LK StGB 11. Aufl. § 55 Rdn. 28; a.A. Bringewat Die Bildung der Gesamtstrafe
Rdn. 273 ff.), setzt er die neue Gesamtstrafe auf vier Jahre und sieben Monate Freiheitsstrafe fest. Der Angeklagte ist dadurch nicht beschwert, denn der Senat kann angesichts der verbleibenden zwei Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten ausschließen, daß der Tatrichter ohne Berücksichtigung der von der Einstellung betroffenen beiden Einzelstrafen es bei der durch die im früheren Urteil erkannte Gesamtstrafe als Untergrenze belassen hätte.
2. Der Ausspruch über den Wertersatzverfall hat keinen Bestand.

a) Die Einstellung des Verfahrens in den Fällen 17 und 19 der Anklage entzieht auch dem auf diese Fälle entfallenden Teil der Anordnung des Wertersatzverfalls im angefochtenen Urteil die Grundlage. Ausgehend von der Berechnung des Landgerichts (UA 23) sind deshalb von dem Verfallsbetrag von 1.100,- DM die Verkaufserlöse von insgesamt 30 Amphetaminbriefchen zu je 20,- DM in Abzug zu bringen. Daraus errechnet sich ein verbleibender isolierter Verfallsbetrag in Höhe von 500 ,- DM bzw. umgerechnet 255,65 EURO.

b) Der Senat kann jedoch nicht auf eine Wertersatzverfallsanordnung in dieser Höhe erkennen, weil das Landgericht – wie auch die Urteilsgründe ausweisen (UA 23) – im Zusammenhang mit der nachträglichen Gesamtstrafenbildung die Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 70.380 DM aus dem Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 4. Oktober 2001 entgegen § 55 Abs. 2 StGB unberücksichtigt gelassen hat. Dies beanstandet die Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht.
Liegen die Voraussetzungen des § 55 StGB vor, so sind – wie bei gleichzeitiger Aburteilung aller Taten – Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen gleicher Art durch das spätere Urteil einheitlich anzuordnen. Über
sie ist deshalb, sofern ihre Voraussetzungen auch in Bezug auf die Taten bestehen, die dem späteren Urteil zugrunde liegen, grundsätzlich durch den neuen Gesamtstrafenrichter neu zu entscheiden (Bringewat aaO. Rdn. 135, 142 ff.; Lackner/Kühl aaO. § 55 Rdn. 17; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 55 Rdn. 53, 54, jew. m.w.N.). Dieser hat sich dabei auf den Standpunkt des früheren Tatrichters zu stellen. Denn der Angeklagte soll durch die Entscheidung nach § 55 StGB so gestellt werden, als wenn über alle einzubeziehenden Straftaten gleichzeitig befunden worden wäre; er darf deshalb dadurch, daß seine Taten in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht benachteiligt, soll dadurch aber auch nicht bervorzugt werden (st. Rspr.; BGHSt 7, 180, 182; 43, 79, 80 m.w.N.). Dies wird regelmäßig dazu führen, daß der aufgrund einheitlicher Anordnung im neuen Urteil festzusetzende Verfallsbetrag nicht niedriger ausfallen darf als in der früheren Entscheidung.

c) Der Senat kann auch insoweit in der Sache selbst entscheiden und auf einen einheitlichen Wertersatzverfall in Höhe der Summe aus dem Verfallsbetrag des früheren Urteils (70.380 DM = 35.984,72 EURO) und des nach der Teileinstellung verbleibenden Verfallsbetrages des angefochtenen Urteils (500 DM = 255,65 EURO) erkennen, d.h. auf 70.880 DM = 36.240,37 EURO. Denn das angefochtene Urteil weist aus, daß das Landgericht, hätte es die Vorschrift des § 55 Abs. 2 StGB zutreffend angewendet, keinen niedrigeren Verfallsbetrag festgesetzt hätte. Mit dieser neuen Entscheidung ist die Verfallsanordnung im früheren Urteil des Landgerichts Neubrandenburg gegenstandslos im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB, weil sie von der neuen Entscheidung in ihrer Wirkung mit umfaßt ist.
3. Die Revision bleibt erfolglos, soweit sich das Rechtsmittel gegen die unterbliebene Aufrechterhaltung der im Urteil des Amtsgerichts Demmin – Zweigstelle Malchin – vom 10. Juli 2000 angeordneten Einziehung der „sichergestellten Betäubungsmittel“ richtet.
Eines Ausspruchs über die Aufrechterhaltung der Einziehung bedurfte es im angefochtenen Urteil nicht, weil die Einziehung erledigt war. Diese Rechtsfolge ergibt sich zwar nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB, der eher dafür sprechen könnte, daß ein Ausspruch über die Aufrechterhaltung im früheren Urteil angeordneter Maßnahmen stets zu erfolgen hat, soweit diese nicht ausnahmsweise „durch die neue Entscheidung“ gegenstandslos werden. Eine solche am bloßen Wortlaut orientierte Auslegung verfehlt jedoch ihren Sinn in den Fällen, in denen die Maßnahme zwar nicht „durch die neue Entscheidung“, aber auf andere Weise ihre Erledigung gefunden hat. Deshalb ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß in einem früheren Urteil verhängte Maßnahmen nicht nur durch spätere Anordnung weiterer, sie in ihrer Wirkung mitumfassenden Maßnahmen im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB „gegenstandslos“ werden, sondern auch dann, wenn die tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen für ihre (weitere) Vollstreckung entfallen sind, wie dies bei tatsächlicher Erledigung durch Zeitablauf, etwa einer nach § 69 a StGB bestimmten Sperrfrist, angenommen wird (vgl. BGHSt 42, 306, 308 m.w.N.).
Die Regelung des § 55 Abs. 2 StGB trägt dem Umstand Rechnung, daß mit der nachträglichen Gesamtstrafenentscheidung diese die alleinige Vollstreckungsgrundlage bildet. Ist aber eine im früheren Urteil angeordnete Maßnahme – aus welchen Gründen auch immer – erledigt, so fehlt es an der Notwendigkeit, gleichwohl über ihre Aufrechterhaltung zu befinden, wenn dies
auch regelmäßig unschädlich, in Zweifelsfällen sogar sinnvoll sein wird. Eine solche Notwendigkeit bestand hinsichtlich der im früheren Urteil des Amtsgerichts Demmin angeordneten Einziehung nicht, weil nicht nur das Eigentum an den betreffenden Gegenständen mit der Rechtskraft jenes Urteils nach § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG i.V.m. § 74 e StGB auf den Staat übergegangen war (vgl. dazu BGH NJW 1979, 2113; OLG Köln NJW 1953, 1564; Stree in Schönke/Schröder StGB aaO. Rdn. 59), sondern hier die Betäubungsmittel auch bereits sichergestellt waren und es deshalb insoweit keiner weiteren Vollstreckung mehr bedurfte.
Bei dieser Sachlage brauchte der Senat nicht zu entscheiden, welche Folgen sich unter dem Gesichtspunkt des „Verschlechterungsverbots“ im Rahmen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (vgl. dazu Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 55 Rdn. 19; Rissing – van Saan in LK aaO. Rdn. 45, jew. m.N.) ergeben können, wenn der frühere Gesamtstrafenrichter in die von ihm gebildete Gesamtstrafe eine Strafe aus einem weiteren Urteil einbezieht, aber rechtsirrig versäumt auszusprechen, daß die daneben verhängte Maßnahme aufrechterhalten bleibt.
Tepperwien Maatz Kuckein Athing Ernemann

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.