Bundesgerichtshof Urteil, 10. Dez. 2008 - 2 StR 338/08

published on 10/12/2008 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Dez. 2008 - 2 StR 338/08
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 338/08
vom
10. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Appl,
Cierniak,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 25. Februar 2008 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten der "besonders schweren Vergewaltigung tateinheitlich mit vorsätzlicher Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung sowie der Vergewaltigung tateinheitlich mit vorsätzlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie der vorsätzlichen Körperverletzung in drei Fällen tateinheitlich mit Freiheitsberaubung sowie der Nötigung tateinheitlich mit Freiheitsberaubung, ferner der versuchten Nötigung und der Freiheitsberaubung sowie der Bedrohung in zwei Fällen" schuldig gesprochen und deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
2
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechtes rügt. Sein Rechtsmittel ist im Ergebnis unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte der Nebenklägerin , mit der er eine intime Beziehung hatte, in den Fällen 1 bis 6 der Urteilsgründe Körperverletzungen zugefügt, sie bedroht, der Freiheit beraubt und einmal versucht, sie zu nötigen.
4
Bezüglich der Taten 7 bis 10 der Urteilsgründe hat der Tatrichter im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
5
Am 18. August 2007 wartete der Angeklagte vor dem Haus der N. in Frankfurt am Main. Als diese das Haus verließ, packte er sie an den Haaren, hielt ihr ein Rasiermesser an den Hals und schlug sie auf den Kopf. Er zwang sie unter Drohungen zum Einsteigen in seinen Wagen und verbrachte sie gegen ihren Willen und unter Zufügung weiterer Schläge zu seiner Wohnung in Wiesbaden (= Fall 7). Dort musste sie in die Wohnung mitkommen. Er schloss die Tür ab und zwang die N. mit Schlägen das Telefon zu benutzen. Unter Drohungen mit dem Rasiermesser sowie weiteren Schlägen und Tritten zwang er sie zu Anal- und Oralverkehr. Er verlangte dann, dass sie sich beim Geschlechtsverkehr mit seinem Mobiltelefon filmen lasse. Als sie sich trotz weiterer Drohungen weigerte, ging er in die Küche, holte eine Weinflasche und schlug ihr diese auf den Kopf, um zu erzwingen, dass sie sich filmen lasse. Er erreichte, dass sowohl Anal- als auch Vaginalverkehr gefilmt wurden (= Fall 8). Nach einer längeren Pause verlangte er von der N., ein "Schriftstück" zu verfassen. Da sie dies nicht wollte, schlug er sie erneut und bedrohte sie, weshalb sie das Schriftstück erstellte (= Fall 9). Nachdem die N. vom Angeklagten gezwungen worden war, ihre Haare innerhalb einer Minute zu waschen, brachte er sie ins Schlafzimmer und erreichte durch Schläge und Drohungen mit weite- ren Schlägen, dass sie bei ihm den Oralverkehr vornahm. Durch erneute Schläge erzwang er dann Vaginal- und Analverkehr (= Fall 10).

II.

6
Der Schuldspruch in den Fällen 7-10 der Urteilsgründe begegnet rechtlichen Bedenken.
7
Der Tatrichter, der meint, die Vergewaltigungen seien durch die Freiheitsberaubung nicht zu Tateinheit verbunden (UA S. 73) hat nicht erkannt, dass sich der Angeklagte einer Geiselnahme (§ 239 b StGB) schuldig gemacht haben kann und dieses Dauerdelikt aufgrund seines Unrechtsgehalts geeignet ist, die während seiner Begehung vom Angeklagten verwirklichten weiteren Straftaten zu Tateinheit im Sinne von § 52 StGB zu verklammern. Zutreffend weist der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift darauf hin, dass sich die Bemächtigungslage spätestens in der Wohnung des Angeklagten stabilisiert hatte und dieser dann entsprechend seinen Vorstellungen das Opfer mit Todesdrohungen zu verschiedenen Handlungen und Duldungen nötigte. Danach kommt eine Verklammerung - je nach Vorsatz des Angeklagten - ab Fall 7, spätestens aber ab Fall 8 der Urteilsgründe in Betracht. Diese Verklammerung hätte zur Folge, dass alle in den Fällen 7 (bzw. 8)-10 der Urteilsgründe begangenen Delikte als tateinheitlich zur Geiselnahme begangen anzusehen wären. Danach würden zwar die in den Fällen 7-10 ausgeurteilten Freiheitsberaubungen hinter der Geiselnahme zurücktreten, doch würden sowohl die besonders schwere Vergewaltigung, die Körperverletzungen, und die Nötigung als auch die zweite Vergewaltigung in Tateinheit stehen. Durch die nach Fall 8 eingetretene erhebliche Zäsur ist der Tatrichter insoweit zutreffend von zwei Vergewaltigungen ausgegangen. Die Körperverletzung im Fall 8 stellt sich jedoch als eine gefährliche im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB dar, da die Weinflasche, mit der der Angeklagte der N. auf den Kopf geschlagen hat, ein "anderes gefährliches Werkzeug" war.
8
Trotz dieser rechtlichen Bedenken gegen den Schuldspruch in den Fällen 7 bis 10 war das Rechtsmittel des Angeklagten zu verwerfen.
9
Der Senat schließt aus, dass der Angeklagte dadurch beschwert ist, dass er nicht wegen gefährlicher statt einfacher Körperverletzung und nicht zusätzlich wegen Geiselnahme verurteilt wurde. Letzteres hätte zwar zu einer teilweisen Änderung der Konkurrenzen geführt, den Angeklagten aber im Ergebnis, insbesondere hinsichtlich der Gesamtstrafe, nicht besser gestellt.
10
Eine "Konkurrenzkorrektur" bedeutet in aller Regel - so auch hier - keine Verringerung des verwirklichten Tatunrechts; denn es kommen keine Delikte in Wegfall.
11
Auch im Übrigen ist die Revision aus den zutreffenden Gründen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift unbegründet. Frau VRi'inBGH Rothfuß Fischer Dr. Rissing-van Saan ist wegen Erkrankung an der Unterschriftsleistung verhindert. Fischer Appl Cierniak
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

3 Referenzen - Gesetze

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 22/07/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 156/10 vom 22. Juli 2010 in der Strafsache gegen wegen Geiselnahme u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Juli 2010, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Ri
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.