Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 408/10
vom
1. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Februar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie der Nebenkläger B. und F. S. sowie R. M. wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26. Januar 2010 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Mordes freigesprochen und im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die allein gegen den Freispruch gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
1. Die Staatsanwaltschaft hat, soweit es die Revisionen betrifft, dem Angeklagten zur Last gelegt, er habe am 5. März 1999 zwischen 7.33 Uhr und 7.36 Uhr die später getötete Arzthelferin M. in der Tiefgarage ihres Arbeitsplatzes abgepasst, um sie davon abzubringen, seine Tochter Sa.
mittags nach der Schule abzuholen, wie es diese miteinander am vorangegangenen Abend vereinbart hatten. Der Angeklagte habe befürchtet, dass seine Tochter der M. - welche die Patenschaft für die Tochter übernommen hatte - bei diesem Treffen von seinen sexuellen Handlungen ihr gegenüber berichten könnte. Bei dem Zusammentreffen in der Tiefgarage sei es zunächst zu einer verbalen, dann aber körperlichen Auseinandersetzung gekommen, worauf der Angeklagte nunmehr in Tötungsabsicht mit einem Messer mehrfach auf M. einstach, so dass sie kurze Zeit später noch am Tatort ihren Verletzungen erlag.
3
2. Demgegenüber hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen :
4
Am Abend des 4. März 1999 besuchte die später getötete M. etwa gegen 17.15 Uhr überraschend den Angeklagten und dessen Kinder in dessen Wohnung. Sie hatte entweder kurz vor dem Besuch oder erst während des Besuchs den Entschluss gefasst, ohne Wissen des Angeklagten zwischen der geschiedenen Ehefrau des Angeklagten und deren Tochter Sa. am 5. März 1999 ein Treffen zu arrangieren, weil es bisher immer Schwierigkeiten bezüglich des Umgangsrechts gab.
5
Während des Besuches kam es zwischen dem Angeklagten und M. zu einer Meinungsverschiedenheit bzw. einem Streit wegen der Ausübung des Umgangsrechts der geschiedenen Ehefrau des Angeklagten mit den gemeinsamen Kindern Sa. und St. . Bevor M. die Wohnung verließ, vereinbarte sie mit der Tochter Sa. für den folgenden Tag (dem Tattag 5. März 1999), dass sie Sa. von der Schule abholen wird. Diese Verabredung bekam der Angeklagte nicht mit.
6
Am Morgen des Tattages war die Tiefgarage am Arbeitsplatz M. s noch nahezu leer. Etwa um 7.30 Uhr hielt sich im zweiten Untergeschoss dieser Tiefgarage eine unbekannte männliche Person auf, welche ihr helles Fahrzeug der Mittelklasse im hinteren Teil der Garage mit der Front zur Garagenwand abgestellt hatte. Der nicht näher identifizierte Mann hielt sich zu diesem Zeitpunkt - kurze Zeit vor dem eigentlichen Tatgeschehen - hinter seinem Pkw am geöffneten Kofferraumdeckel auf.
7
Kurz darauf fuhr M. mit Ihrem Pkw in die Tiefgarage ein und stellte ihr Auto nahe bei dem Stellplatz des Pkws der unbekannten männlichen Person ab. Sie verließ ihr Fahrzeug, um sich über das nahe gelegene Treppenhaus zu ihrer Arbeitsstätte zu begeben.
8
Unmittelbar danach, zwischen 7.33 Uhr und 7.36 Uhr, kam es zwischen dem unbekannten Mann und M. zunächst zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung, wobei er dieser mehrere Schläge gegen den Kopf bzw. ins Gesicht versetzte. Sodann hielt die unbekannte männliche Person M. ein größeres feststehendes Messer mit einer Klingenlänge von etwa 18 cm gegen den Hals, um sein Opfer zu bedrohen. In der Folge stach der Täter mit dem Messer mindestens zweimal auf M. wuchtig in den Bereich der Brust und zweimal in den Rücken ein. Einer der beiden Stiche im Bereich der Brust eröffnete sowohl den Herzbeutel als auch die große Körperschlagader und durchtrennte die Lungenschlagader. M. erlag ihren Verletzungen noch am Tatort.
9
Der Täter verließ anschließend fluchtartig mit seinem Fahrzeug die Tiefgarage , wobei er beim Herausfahren das einfahrende Fahrzeug eines Zeugen behinderte und bei der Weiterfahrt beinahe eine weitere Zeugin überfuhr, welche die Straße überquerte.
10
Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt Halter eines Pkws der Marke Audi 80, Farbe weiß, welcher ein ähnliches Aussehen aufweist wie das von den Zeugen beschriebene Fahrzeug des Täters in der Tiefgarage.
11
Trotz umfangreicher Ermittlungen konnte die Tat zunächst nicht aufgeklärt werden. Etwa acht Jahre später, im Mai 2007, gab es einen Hinweis einer Zeugin, wonach der Angeklagte sich eines sexuellen Missbrauchs zum Nachteil seiner Tochter Sa. schuldig gemacht haben sollte. In diesem Zusammenhang wurden auch die Ermittlungen wegen des Tötungsdelikts wieder aufgenommen.
12
3. Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Mordes aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es sich von der Täterschaft des Angeklagten nicht mit der „erforderlichen Sicherheit“ überzeugen konnte.
13
Zwar habe seine damalige Lebensgefährtin Bi. dem Angeklagten zunächst ein falsches Alibi gegeben und behauptet, dieser sei zur Tatzeit mit ihr im Bett gelegen, obgleich er tatsächlich mit seinem Pkw unterwegs gewesen war. Jedoch seien am Tatort keine Spuren festgestellt worden, die den unmittelbaren Schluss zugelassen hätten, dass der Angeklagte die unbekannte männliche Person gewesen sei, welche sich zur Tatzeit in der Tiefgarage aufhielt und M. tötete. Auch konnte das Landgericht nicht feststellen, dass die am Tatort aufgefundene Messerscheide, welche einer Messerscheide ähnelte, die der Angeklagte jedenfalls noch im Jahr 1996 besaß, die des Angeklagten war. Die am Tatort festgestellten Fahrzeugspuren seien dem Fahrzeug des Angeklagten nicht zuzuordnen. Weiterhin sei eine zusammen mit Straßenschmutz unter den Fingernägeln der Hände der Getöteten gesicherte geringfügige männliche DNA-Spur nicht dem Angeklagten zuordenbar. Schließlich seien bei der frühestens fünf Stunden nach der Tat durchgeführten Durchsuchung der Wohnung und des Pkws des Angeklagten keine Spuren aufgefunden worden, die auf ihn als Täter hindeuteten.

II.


14
Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie enthält einen durchgreifenden Erörterungsmangel bei der Beurteilung des Beweiswerts der Alibibehauptung des Angeklagten.
15
1. Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder - wie hier - lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07, Rn. 18; vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109).
16
2. Bezüglich der Alibibehauptung ist das Urteil lückenhaft; das Landgericht hat nicht geprüft, ob es sich hierbei um eine Vorwegverteidigung mit Täterwissen gehandelt hat. Folgendes ist dazu festgestellt:
17
Am Tattag war die Polizei bereits ab 12.30 Uhr in der Wohnung des Angeklagten anwesend (UA S. 23, 24). Danach wurde der Angeklagte auf die Polizeidienststelle „vorgeladen bzw. mitgenommen“. Die erste Vernehmung des Angeklagten (als Zeuge, UA S. 14) fand zwischen 14.00 und 15.00 Uhr statt. Dort behauptete er ein Alibi (UA S. 41). Welche konkreten Angaben er zu seinem Alibi machte, ist nicht festgestellt (UA S. 41). Jedenfalls benannte er seine damalige Lebensgefährtin Bi. als Alibizeugin, die allerdings „mit Wissen des Angeklagten“ falsche Angaben gegenüber der Polizei machte.
18
Die Zeugin Bi. gab bei dieser polizeilichen Vernehmung - die genaue Uhrzeit ist nicht festgestellt - an, sie habe zusammen mit dem Angeklagten im Bett gelegen und beide hätten bis 8.00 Uhr geschlafen. Vom Vortag der Tat um 23.00 Uhr bis 9.00 Uhr am Tattag seien sie zusammen im Schlafzimmer gewesen. Diese Angaben erweiterte sie bei ihrer nochmaligen Vernehmung am 22. März 1999 dahin, dass sie um 5.00 Uhr und nochmals um 7.00 Uhr aufgewacht sei; dabei sei der Angeklagte immer neben ihr im Bett gelegen. Zwischen 9.00 Uhr und 9.30 Uhr seien sie aufgestanden (UA S. 41). Außerdem sei der Angeklagte zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr auf seinem Mobiltelefon angerufen worden.
19
Nachdem die Zeugin in der Hauptverhandlung wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage festgenommen worden war, räumte sie ein, dass diese Angaben unrichtig gewesen seien. Sie könne nur noch sagen, der Angeklagte habe neben ihr im Bett gelegen, als sie „vor 9.00 Uhr“ aufwachte. Sie habe keinen Anhaltspunkt zu der Annahme gehabt, dass der Angeklagte zuvor das Bett verlassen und sich danach wieder zu ihr gelegt habe (UA S. 37, 42).
20
Zu den falschen Angaben sei sie „vom Angeklagten bzw. dessen Bruder veranlasst“ worden (UA S. 41). Am Tattag - die Uhrzeit dieses Kontakts und die Umstände, wie dieser Kontakt zustande gekommen ist, sind nicht festgestellt - habe der Bruder des Angeklagten auf sie eingeredet, weshalb sie gegenüber der Polizei am Tattag „entsprechende Angaben“ gemacht habe. Die erweiterten Angaben am 22. März 1999 seien auf eine entsprechende Absprache mit dem Angeklagten zurückzuführen.
21
3. Diese Alibibehauptung war, wie der Angeklagte später sogar selbst einräumte, falsch. Vielmehr war er zur Tatzeit gerade nicht zu Hause, sondern mit seinem Pkw unterwegs (UA S. 35, 36, 40) und sein Mobiltelefon war zwischen 6.00 Uhr und 8.45 Uhr ausgeschaltet. Wo er sich in dieser Zeit aufgehalten hat, konnte das Landgericht nicht feststellen. Frühestens „vor 9.00 Uhr“ war er wieder zu Hause (UA S. 37).
22
Dass der Angeklagte kein Alibi hat und versucht hat, sich später ein falsches Alibi zu verschaffen, spreche zwar - so das Landgericht - „zunächst“ für seine Täterschaft. Bei näherer Betrachtung der ihn belastenden Umstände werde deren Gewicht allerdings relativiert. Bezüglich der Alibibehauptung hält es das Landgericht nämlich nicht für ausgeschlossen, dass der Angeklagte, der bei seiner polizeilichen Vernehmung „erkennbar unter Verdacht“ stand, mit der An- gabe des falschen Alibis „schlicht die aus seiner Sicht Erfolg versprechende Verteidigungsmethode wählte, um sich gegen den ihn offenbar erhobenen Vorwurf zu verteidigen“ (UA S. 58).
23
4. Mit dieser Bewertung ist der Beweiswert der falschen, nämlich erlogenen Alibibehauptung indes nur unzureichend erörtert. Die Alibibehauptung wurde nämlich nicht nur widerlegt; der Angeklagte hat sich vielmehr mit Hilfe der Alibizeugin Bi. „ein falsches Alibi verschafft“ (UA S. 41).
24
Das Landgericht hat sich zwar damit auseinandergesetzt, dass die Zeugin Bi. dem Angeklagten für die Tatzeit zunächst ein falsches Alibi gegeben hat. Deren Aussage erfolgte „mit Wissen des Angeklagten“ und wurde „vom Angeklagten bzw. dessen Bruder veranlasst“. Zu den näheren Umständen der Entstehung der Aussage der Zeugin Bi. hat das Landgericht hingegen keine Feststellungen getroffen, obwohl sich deren Erörterung hier aufdrängte. Für den Beweiswert der erlogenen Alibibehauptung war nämlich erörterungsbedürftig, zu welchem Zeitpunkt und aus welchen Gründen die Zeugin sich zu der falschen Alibibehauptung veranlasst sah. Gerade diese Fragen sind aber entscheidend dafür, ob ihrer Alibibehauptung Wissen hinsichtlich der Tatzeit zugrunde lag, welches ihr der Angeklagte dann vermitteln konnte, wenn er selbst der Täter war.
25
Deshalb hätte es insbesondere auch näherer Feststellungen bedurft, zu welchem konkreten Zeitpunkt die Zeugin Bi. erstmals zugunsten des Angeklagten die falsche Alibibehauptung aufstellte.
26
Sofern die Zeugin die Alibibehauptung bereits beim Eintreffen der Polizei in der Wohnung des Angeklagten in der Mittagszeit des Tattages vorgebracht hat, kann dies darauf zurückzuführen sein, dass sie bereits zuvor von Tat und Tatzeit Kenntnis hatte, namentlich zuvor schon vom Angeklagten zu der falschen Behauptung veranlasst wurde.
27
Falls die Angabe der Zeugin Bi. zutreffen sollte, der Bruder des Angeklagten habe sie zur Falschangabe gegenüber der Polizei gedrängt, wäre hingegen denkbar, dass diese Angabe erst am Nachmittag des Tattages erfolgt ist, weil der Bruder bis zum ersten Eintreffen der Polizei und der Mitnahme des Angeklagten zur Vernehmung noch nicht anwesend war. In diesem Fall bliebe allerdings weiter offen, wie und weshalb der Bruder des Angeklagten - ohne eigene Kenntnis der Tatumstände - sie zu ihrer Aussage veranlasst hat.
28
Hinzu kommt: Wenn der Angeklagte der Täter war und deshalb Kenntnis von Zeit und Ort der Tat hatte und zudem um die erforderliche Fahrzeit von der Wohnung zum Tatort von etwa 30 Minuten (UA S. 43) wusste, konnte es Sinn machen, auf die Zeugin einzuwirken, die Alibibehauptung in der Vernehmung vom 22. März 1999 weiter zu „präzisieren“: Zusätzlich noch für den Zeitpunkt 7.00 Uhr, als auch für den nachfolgenden Zeitraum zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr. Wenn der Angeklagte hingegen nicht der Täter war und mit der falschen Alibibehauptung lediglich eine „Erfolg versprechende Verteidigungsmethode“ gewählt hätte, hätte schon die Bestätigung ausgereicht, dass er beim Aufwachen kurz vor 9.00 Uhr neben der Zeugin im Bett gelegen habe.
29
Hätte der Angeklagte danach über den Zeitpunkt der Tatbegehung Täterwissen gehabt und hätte er die Zeugin Bi. zur Falschaussage veranlasst und sie sodann als Alibizeugin benannt, noch bevor ihm die Tatzeit bekannt sein konnte, dann wäre die so erlogene Alibibehauptung ein stärkeres Belastungsindiz. Es käme ernsthaft in Betracht, dass es sich hierbei um eine Vor- wegverteidigung mit Täterwissen handelte (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 1999 - 5 StR 689/98, NStZ 1999, 423, 424) und nicht bloß - wie vom Landgericht angenommen - um ein Verteidigungsverhalten, zu dem auch ein Unschuldiger Zuflucht nehmen kann. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die Gesamtwürdigung des Landgerichts mit den übrigen Beweisumständen anders ausgefallen wäre, wenn Grund für die Alibibehauptung eine Vorwegverteidigung mit Täterwissen gewesen wäre.
30
5. Darüber hinaus ist die Feststellung, der Angeklagte habe nicht gewusst , dass die später Getötete seine Tochter Sa. am folgenden Tag von der Schule abholen wollte, nicht tragfähig begründet.
31
Insoweit hat das Landgericht nämlich nur festgestellt, die Tochter des Angeklagten habe angegeben, sie wisse nicht, ob sie ihrem Vater etwas von der Verabredung mit M. gesagt habe. Es könne durchaus sein, dass diese Verabredung beim Hinausgehen nach dem Besuch am Abend vor der Tat getroffen wurde und ihr Vater davon nichts mitbekommen habe (UA S. 19). Danach ist allenfalls offen geblieben, ob der Angeklagte von dem Treffen wusste und ob er dementsprechend eine Motivation haben konnte, dieses Treffen am Tattag zu verhindern, weil er möglicherweise befürchten musste, dass seine Tochter der M. von den sexuellen Missbrauchshandlungen des Angeklagten berichten könnte. Damit ist die Feststellung der Nichtkenntnis des Angeklagten nicht tragfähig begründet. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, auch diesen Umstand näher aufzuklären.
32
6. Der Freispruch unterliegt daher der Aufhebung. Nack Wahl Graf Jäger Sander

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18
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Im Strafprozess gibt es keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Tatgerichts, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht (z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes ), wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr., vgl. etwa Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06; NJW 2005, 1727; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 454/09
vom
27. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. April
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 6. April 2009 aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen mit einem Verkürzungsumfang von insgesamt mehr als 180.000 Euro zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen diesen Teilfreispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
In der Anklageschrift vom 22. Dezember 2008 wird dem Angeklagten zur Last gelegt, in 29 Fällen Umsatzsteuer und in 34 Fällen Lohnsteuer hinterzogen zu haben sowie in 35 Fällen im Sinne von § 266a StGB Arbeitsentgelt vorenthalten zu haben.
3
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, vom Jahr 2000 bis zum dritten Quartal des Jahres 2005 als Geschäftsführer der F. GmbH (im Folgenden: F. GmbH) fortlaufend Arbeitnehmer beschäftigt zu haben , die entweder überhaupt nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden seien oder für die er den zuständigen Einzugsstellen niedrigere als tatsächlich gezahlte Löhne gemeldet habe. Die insoweit nicht gemeldeten Lohnaufwendungen habe er auch in den Lohnsteueranmeldungen der Gesellschaft nicht angegeben.
4
Um zu verschleiern, dass die von der F. GmbH gezahlten Löhne „schwarz“ ausgezahlt worden seien, habe der Angeklagte veranlasst, dass Scheinrechnungen (Abdeckrechnungen) der Firmen „D. “, „K. -Bau“, „I. GmbH“ sowie der Firma „G. “ in die Buchhaltung der F. GmbH aufgenommen worden seien. Die in den Rechnungen enthaltenen Umsatzsteuern habe der Angeklagte zu Unrecht in die Umsatzsteuervoranmeldungen der GmbH aufgenommen.
5
Schließlich habe der Angeklagte von der F. GmbH an die Kl. GmbH sowie die Firma E. erbrachte Umsätze nicht gegenüber den Finanzbehörden angemeldet und dadurch Umsatzsteuern hinterzogen.
6
Insgesamt habe der Angeklagte hierdurch mehr als 316.000 Euro an Umsatzsteuern und 327.000 Euro an Lohnsteuern verkürzt sowie Beitragsanteile zur Sozialversicherung von mehr als 304.000 Euro nicht an die Einzugsstellen abgeführt.

II.

7
1. Das Landgericht hat den Angeklagten aufgrund seines Geständnisses wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen mit einer Gesamtverkürzungssumme von 180.000 Euro an Umsatzsteuern verurteilt. Die Verurteilung bezieht sich auf die Voranmeldungszeiträume November und Dezember 2003 und April bis Juli 2004 sowie auf das II. und III. Quartal 2005. Das Landgericht hat insoweit festgestellt , dass der Angeklagte in diesen Zeiträumen Ausgangsumsätze an die Kl. GmbH im Umfang von insgesamt mehr als 103.000 Euro und an die Firma E. in der Höhe von mehr als 1,2 Mio. Euro nicht in die für die F. GmbH beim Finanzamt einzureichenden Umsatzsteuervoranmeldungen aufgenommen hatte.
8
2. Hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume August bis Dezember 2004 und I. Quartal 2005 hat das Landgericht das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Im Übrigen hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen.
9
3. Bezüglich des Teilfreispruchs hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
10
Der Angeklagte ist seit der Gründung der F. GmbH im Jahr 2000 einziger Gesellschafter und eingetragener Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Die F. GmbH wurde in den Jahren 2000 bis 2005 im Bereich Trockenbau tätig und erbrachte hierbei im Wesentlichen Trockenbau- und Verputzarbeiten. Dabei setzte die Gesellschaft sowohl eigene Arbeitnehmer als auch Subunternehmer ein. Dass der Angeklagte hierbei zu Unrecht Vorsteuern aus Scheinrechnungen der Firmen „D. “, „K. -Bau“, I. GmbH“ sowie der Firma „G. “ geltend gemacht habe, konnte das Landgericht „nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit“ feststellen. Dasselbe gilt für den Vorwurf, der Angeklagte habe die in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge als „Schwarzlöhne“ an Arbeitnehmer der F. GmbH ausbezahlt. Vielmehr hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dass die genannten Firmen nicht ausschließbar als Subunternehmer der F. GmbH tätig gewesen und die Rechnungsbeträge an diese Firmen auch ausbezahlt worden sind.
11
Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es ist der Ansicht, dass dem Angeklagten - abgesehen von der Umsatzsteuerhinterziehung hinsichtlich der nicht angemeldeten Ausgangsumsätze - die ihm vorgeworfenen Taten nicht mit der für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden konnten.

III.

12
Die Staatsanwaltschaft hat die Revision wirksam auf den Teilfreispruch beschränkt. Damit sind auch die Strafaussprüche hinsichtlich der Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in den Voranmeldungszeiträumen November und Dezember 2003 sowie April bis Juli 2004 und das II. und III. Quartal 2005 vom Revisionsangriff ausgenommen. Denn die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Nichtanmeldung von Ausgangsumsätzen einerseits und durch unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern andererseits stellt für jeden Voranmeldungszeitraum eine einheitliche Tat der Steuerhinterziehung im materiell -rechtlichen Sinn dar. Maßgeblich für den materiell-rechtlichen Tatbegriff sind die steuerlichen Erklärungspflichten (vgl. zur Hinterziehung von Einkommensteuer BGH wistra 2009, 465). Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist deshalb grundsätzlich als einheitliche, selbständige Tat im Sinne des § 53 StGB zu werten; bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist ebenfalls im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von einer selbständigen Tat auszugehen (vgl. BGH wistra 2005, 30 und wistra 2008, 266; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 305).
13
Die Strafaussprüche werden hier auch nicht etwa deswegen vom Revisionsangriff umfasst, weil die von der Staatsanwaltschaft gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts vorgebrachten Einwände die von der Verurteilung erfassten Voranmeldungszeiträume ebenfalls betreffen. Denn der Wortlaut der Beschränkung der Revision auf den „Teilfreispruch“ ist eindeutig; zudem können die vom Teilfreispruch erfassten Tatvorwürfe losgelöst von den vom Schuldspruch umfassten Taten beurteilt werden.
14
Auch bei einer Tatserie von Steuerhinterziehungen bleiben die Einzeltaten rechtlich und tatsächlich selbständig und sind einer isolierten Bewertung zugänglich. Ist dies aber der Fall, gebietet die den Rechtsmittelberechtigten eingeräumte Gestaltungsmacht über den Verfahrensgegenstand, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Das Revisionsgericht kann und darf diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird, wenn und soweit der angegriffene Entscheidungsteil trennbar ist, also losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft und beurteilt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGHSt 29, 359, 364). So verhält es sich auch hier.
15
Hätte die Staatsanwaltschaft neben den Teilfreisprüchen auch - soweit der Angeklagte verurteilt worden ist - die Strafaussprüche angreifen wollen, um im Hinblick auf ungerechtfertigte Vorsteueranmeldungen und damit einen größeren Schuldumfang höhere Einzelstrafen erreichen zu können (vgl. dazu BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 17), hätte sie dies bei der Revisionsbeschränkung klar zum Ausdruck bringen müssen.

IV.

16
Der Teilfreispruch hat keinen Bestand; er leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.
17
Es kann dahinstehen, ob - was nahe liegt - das Urteil bereits den formellen Anforderungen, die an eine Freispruchsbegründung zu stellen sind (vgl. dazu BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 5, 10) nicht genügt. Jedenfalls hält die Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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1. Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 2008, 22, 24; 2007, 18, 19; jew. m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jew. m.w.N.). Der revisionsge- richtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2005, 147; NStZ 2004, 35, 36; wistra 1999, 338, 339; jew. m.w.N.).
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2. Gemessen an diesen Maßstäben kann die Beweiswürdigung keinen Bestand haben.
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a) In der Beweiswürdigung muss sich das Tatgericht mit allen festgestellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen. Dabei muss sich aus den Urteilsgründen selbst ergeben, dass es die Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung einbezogen hat. Denn die Indizien können in ihrer Gesamtheit dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln, auch wenn eine Mehrzahl von Beweisanzeichen jeweils für sich allein nicht zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreicht (BGH NStZ-RR 2003, 369 f. m.w.N.).
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Hier hat sich das Landgericht mit den einzelnen den Angeklagten belastenden Indizien lediglich isoliert auseinandergesetzt und dabei jeweils die Wertung getroffen, dass hiermit der Beweis für einen den Angeklagten belastenden Geschehensablauf nicht zu führen sei. Diese Vorgehensweise lässt besorgen, dass das Landgericht den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und so den Blick dafür verloren hat, dass auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen können (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 45; BGH, Beschl. vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09).
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b) Die Beweiswürdigung ist auch deswegen durchgreifend rechtsfehlerhaft , weil das Landgericht mehrere dem Angeklagten günstige Umstände als „nicht ausschließbar“ unterstellt hat, obwohl hierfür keine tatsächlichen Anhaltspunkte gegeben waren. Zudem hat es auch Einlassungen des Angeklagten als „nicht zu widerlegen“ angesehen, für deren Richtigkeit keine Anhaltspunkte ersichtlich waren.
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So hielt das Landgericht etwa für nicht ausschließbar, dass die Arbeiter der verschiedenen Gewerke jeweils nacheinander auf der Baustelle ihre Tätigkeiten verrichteten und sich daher auch nicht kannten (UA S. 36). Zudem hielt es für nicht ausgeschlossen, dass eine Person namens „Ka. oder auch ein anderer“ die Firma Kö. ohne das Wissen der Inhaberin dieser Firma für eigene Zwecke benutzt habe (UA S. 37). Auch sonst könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Namen der als „Scheinfirmen“ bezeichneten Firmen von Nichtberechtigten für eigene Zwecke verwendet worden seien (UA S. 39). Der „Nachweis von Scheinrechnungen“ lasse sich auch nicht dadurch führen, dass auf dem Computer des Angeklagten Blankorechnungsformulare der Firma Kö. gefunden worden sind. Vielmehr sei die Einlassung des Angeklagten „nicht zu widerlegen“, er habe „aus Gefälligkeit“ Rechnungen für andere Firmen ausgedruckt (UA S. 27, 37). Ebenso sei dem Angeklagten „nicht zu widerlegen“, dass Mängelrügen bereits vor der Rechnungsstellung mit den Subunternehmern besprochen worden seien, so dass „ein Nachweis“ von Scheinrechnungen aufgrund unterlassener Korrekturen in diesen Rechnungen nicht zu führen sei (UA S. 38). Die Vermutung, die von der Staatsanwaltschaft als Scheinfirmen angesehenen Firmen hätten mit den bei den Sozialbehörden gemeldeten Arbeitnehmern die in der Buchhaltung der F. GmbH erfassten Umsätze nicht erwirtschaften können, könne „schon deshalb nicht bewiesen“ werden, weil „nicht ausgeschlossen“ sei, dass diese Firmen ihrerseits Subunternehmer oder Arbeitnehmer beschäftigten, die nicht bei den Sozialbehörden angemeldet ge- wesen seien (UA S. 38). Auch wenn sich bei Zugrundelegung tatsächlicher Fremdleistungen der Firmen Kö. und K. -Bau ein kalkulatorischer Verlust ergebe, sei dies „zum Nachweis“ der dem Angeklagten angelasteten Vorwürfe nicht geeignet; denn „unwiderlegt“ habe der Angeklagte sich eingelassen, es würden regelmäßig beim Arbeitsamt überhöhte Auftragssummen genannt, um ausländische Arbeitnehmer nicht nur bei den vom Arbeitsamt genehmigten, sondern auch an anderen Baustellen einsetzen zu können (UA S. 38).
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Diese Ausführungen lassen besorgen, das Landgericht habe nicht beachtet , dass es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZRR 2003, 371; BGH, Urt. vom 21. Juni 2007 - 5 StR 532/06). Jedenfalls stellt es einen Rechtsfehler dar, wenn eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können (BGH, Urt. vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09). So verhält es sich hier. Insbesondere für die fernliegende Annahme des Landgerichts, alle vier verfahrensgegenständlichen vom Angeklagten als Subunternehmer bezeichneten Firmen könnten von Nichtberechtigten für eigene Zwecke verwendet worden seien (UA S. 39), sind vom Landgericht keine tatsächlichen Anhaltspunkte dargelegt worden.
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c) Unter diesen Umständen ist auch die sehr knapp gehaltene Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände (UA S. 39) rechtsfehlerhaft.
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Allein daraus, dass ein bestimmtes Ergebnis nicht fern oder sogar nahe liegt, folgt zwar nicht, dass das Tatgericht im Einzelfall nicht auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann. Verwirft es jedoch die nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten und führt zur Begründung seiner Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten nur Schlussfolgerungen an, für die es nach der Beweisaufnahme keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, oder die als eher fern liegend zu betrachten sind, so muss in der Gesamtwürdigung erkennbar werden , dass sich das Tatgericht dieser besonderen Konstellation bewusst ist. Andernfalls besteht nämlich die Besorgnis, dass das Tatgericht überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 248 f.). So verhält es sich hier. Die Sache bedarf daher neuer tatgerichtlicher Prüfung und Entscheidung, soweit das Landgericht den Angeklagten freigesprochen hat. Nack Wahl Hebenstreit Graf Jäger