Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2007 - XII ZB 92/06

bei uns veröffentlicht am23.05.2007
vorgehend
Amtsgericht Bamberg, X 7/00, 13.12.2001
Landgericht Bamberg, 3 T 132/04, 11.04.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 92/06
vom
23. Mai 2007
in dem Verfahren über die Ersetzung einer zerstörten oder abhanden
gekommenen Gerichtsentscheidung
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
UrkErsVO § 6 Abs. 4
Beschwerdeentscheidungen im Verfahren über die Ersetzung einer zerstörten
oder abhanden gekommenen Gerichtsentscheidung unterliegen keiner weiteren
Anfechtung. Gegen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann
ein beschwerter Beteiligter mit der Anhörungsrüge (hier § 29 a FGG) vorgehen;
für sonstige Einwendungen bleibt ihm nur die Möglichkeit der Gegenvorstellung.
BGH, Beschluss vom 23. Mai 2007 - XII ZB 92/06 - AG Bamberg
LG Bamberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Mai 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bamberg vom 11. April 2006 wird auf ihre Kosten verworfen. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
A.S. hat den Vater der Antragstellerin mit einem vom Notar J. in B. am 29. März 1940 beurkundeten Vertrag an Kindes statt angenommen. Das Amtsgericht B. soll die Annahme – gemäß dem damals geltenden § 1741 BGB a.F. – in einem im April 1940 verkündeten Beschluss bestätigt haben. Die Antragstellerin begehrt die Ersetzung dieses – nicht auffindbaren – Beschlusses; sie stützt ihr Begehren auf die Verordnung über die Ersetzung zerstörter oder abhanden gekommener gerichtlicher oder notarischer Urkunden vom 18. Juni 1942 (RGBl. 1942, S. 395) i.d.F. vom 1. Januar 1964 (BGBl. III 1964, 315-4: im Folgenden: ErsVO).
2
Das Amtsgericht hat dem Antrag durch Beschluss vom 13. Dezember 2001 stattgegeben. Den Antrag des Beteiligten K.S., des Adoptivbruders der Antragstellerin, auf erneute Einleitung des Ersetzungsverfahrens nach § 6 Abs. 2 ErsVO hat es am 24. Juni 2004 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten K.S. hat das Landgericht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses durch Beschluss vom 17. Dezember 2004 als unzulässig verworfen. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte K.S. "weitere Beschwerde" eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die weitere Beschwerde als außerordentliches Rechtsmittel behandelt und wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit für zulässig und begründet erachtet; es hat das Verfahren mit Beschluss vom 25. Juli 2005 an das Landgericht zurückverwiesen.
3
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 11. April 2006 die Entscheidung des Amtsgerichts Bamberg vom 13. Dezember 2001 aufgehoben und den Antrag auf Ersetzung des die Annahme als Kind bestätigenden Beschlusses zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der vom Landgericht "analog §§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, 27 FGG" zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.
5
1. Nach § 6 Abs. 4 ErsVO ist gegen Beschwerdeentscheidungen im Verfahren über die Ersetzung von Gerichtsentscheidungen ein weiteres Rechtsmittel nicht zulässig (vgl. BGH Beschluss vom 18. Mai 1961 – VII ZB 5/61 – NJW 1961, 1405). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht, da weder das Rechtsstaatsprinzip (Art. 103 Abs. 1 GG) noch der allgemeine Justizgewährungsanspruch in Form der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) die Überprüfung von Gerichtsentscheidungen in einem Instanzenzug gebieten (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 995, 996).
6
2. Nach der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht steht § 6 Abs. 4 ErsVO der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen. Diese vorkonstitutionell ergangene Vorschrift schließe nur die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht aus, stelle aber keine bewusste Ausnahme von der grundsätzlich eröffneten Möglichkeit der Rechtsbeschwerde dar. Es gelte deshalb die "Grundregel" des § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO, wonach das Rechtsbeschwerde-gericht an die Zulassung gebunden sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
7
a) Für das Beschwerdeverfahren sind nach § 6 Abs. 3 Satz 1 ErsVO die Vorschriften des FGG maßgebend, denn Gegenstand des Ersetzungsverfahrens ist ein die "Annahme als Kind" bestätigender Beschluss des Vormundschaftsgerichts. Bestimmungen der Zivilprozessordnung sind im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit – soweit eine entsprechende Anwendung nicht ausdrücklich vorgesehen ist – nur dann entsprechend heranzuziehen, wenn eine Regelungslücke besteht, die eine Anwendung von Normen der Zivilprozessordnung ungeachtet der Besonderheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gebietet (BGH Beschluss vom 14. Dezember 1989 – IX ZB 40/89 – NJW 1990, 1794, 1795). Das Rechtsmittelsystem der freiwilligen Gerichtsbarkeit, das eine Anrufung des Bundesgerichtshofs außerhalb des Vorlegungsverfahrens nach § 28 Abs. 2 FGG nicht vorsieht, weist eine solche Regelungslücke nicht auf. Es enthält – sieht man von der Anschlussbeschwerde ab – eine abschließende Regelung (BGH Beschluss vom 14. Dezember 1989 – IX ZB 40/89 – NJW 1990, 1794, 1795); eine Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist ihm fremd (vgl. aber § 73 FamFG-E).
8
b) Zudem ist auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein "außerordentliches" Rechtsmittel zu einem höheren Gericht – z.B. wenn der Instanzenweg erschöpft ist – nicht möglich, selbst wenn die Endentscheidung gegen Verfahrensgrundrechte verstößt oder aus einem anderen Grund greifbar gesetzeswidrig ist (OLG Thüringen FGPrax 2006, 115 f; KG FamRZ 2005, 918, 919; für den Geltungsbereich der ZPO vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 159, 14, 18 f. = FamRZ 2004, 1191, 1199 und vom 20. Oktober 2004 – XII ZB 35/04 – FamRZ 2005, 191, 192). Ein solches gesetzlich nicht geregeltes Rechtsmittel widerspräche dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtsmittelklarheit (BVerfG FamRZ 2003, 995, 999 unter C IV 2b).
9
3. Der Senat ist auch nicht an die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht gebunden. Durch die Zulassung wird dem Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde zugänglich gemacht, wenn sie nach dem Gesetz grundsätzlich statthaft ist. Sie wird aber nicht in den Fällen eröffnet, in denen die Anfechtbarkeit gesetzlich ausgeschlossen ist. Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung des Beschwerdegerichts kann nicht durch dessen Ausspruch einer Anfechtung unterworfen werden. Eine solche Entscheidung bleibt – auch bei irriger Rechtsmittelzulassung – unanfechtbar (Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2005 – XII ZB 189/03 – FamRZ 2005, 1481; vom 20. Oktober 2004 – XII ZB 35/04 – FamRZ 2005, 191 und vom 21. April 2004 – XII ZB 279/03 – FamRZ 2004, 1191, 1192).
10
4. Soweit die Antragstellerin Verfahrensverstöße behauptet, hätten diese allenfalls mit der Rüge nach § 29 a FGG oder mit der Gegenvorstellung gegenüber dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden können. Hahne Weber-Monecke RiBGH Prof. Dr. Wagenitz ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. RiBGH Fuchs ist Hahne urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Hahne Dose
Vorinstanzen:
AG Bamberg, Entscheidung vom 13.12.2001 - X 7/00 -
LG Bamberg, Entscheidung vom 11.04.2006 - 3 T 132/04 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2007 - XII ZB 92/06

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2007 - XII ZB 92/06

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2007 - XII ZB 92/06 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1741 Zulässigkeit der Annahme


(1) Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung ein

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 73 Anschlussrechtsbeschwerde


Ein Beteiligter kann sich bis zum Ablauf einer Frist von einem Monat nach der Bekanntgabe der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen einer Anschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwe

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2007 - XII ZB 92/06 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2007 - XII ZB 92/06 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2004 - XII ZB 35/04

bei uns veröffentlicht am 20.10.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 35/04 vom 20. Oktober 2004 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 628, 567 Abs. 1 Zur Anfechtung der Ablehnung, eine Scheidungsfolgesache abzutrennen. BGH, Beschluß vom 20.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2007 - XII ZB 92/06.

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2008 - XII ZB 209/06

bei uns veröffentlicht am 23.01.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 209/06 vom 23. Januar 2008 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FGG §§ 19, 68 b Ein Beschluss, der sich darauf beschränkt, einen Sachverständigen mit der Erstellung eines medizi

Referenzen

(1) Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme mitgewirkt oder einen Dritten hiermit beauftragt oder hierfür belohnt hat, soll ein Kind nur dann annehmen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(2) Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind nur allein annehmen. Ein Ehepaar kann ein Kind nur gemeinschaftlich annehmen. Ein Ehegatte kann ein Kind seines Ehegatten allein annehmen. Er kann ein Kind auch dann allein annehmen, wenn der andere Ehegatte das Kind nicht annehmen kann, weil er geschäftsunfähig ist oder das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Ein Beteiligter kann sich bis zum Ablauf einer Frist von einem Monat nach der Bekanntgabe der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen einer Anschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussrechtsbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen und zu unterschreiben. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen, als unzulässig verworfen oder nach § 74a Abs. 1 zurückgewiesen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 35/04
vom
20. Oktober 2004
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 628, 567 Abs. 1
Zur Anfechtung der Ablehnung, eine Scheidungsfolgesache abzutrennen.
BGH, Beschluß vom 20. Oktober 2004 - XII ZB 35/04 - OLG Zweibrücken
AG Pirmasens
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Oktober 2004 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof.
Dr. Wagenitz und Fuchs

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat vom 12. Februar 2004 wird auf Kosten des Antragsgegners als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 1.000 €.

Gründe:

I.

Zwischen den Parteien ist ein Scheidungsverfahren rechtshängig. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Antrag des Antragsgegners abgelehnt, dem Scheidungsantrag wegen unzumutbarer Härte gemäß § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO vor der Entscheidung über die Folgesache Güterrecht stattzugeben. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht mit der Begründung als unzulässig verworfen, das Rechtsmittel sei nicht statthaft. Mit der - wegen dieser Frage zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsgegner sein Begehren, die Folgesache Güterrecht aus dem Scheidungsverbund abzutrennen, weiter.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht statthaft. 1. Nach der Neufassung des Beschwerderechts durch das Zivilprozeßreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 1887, 1902 ff.) kann der Bundesgerichtshof gegen Beschlüsse des Beschwerdegerichts ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angerufen werden. Danach ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder wenn das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluß zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Gegen Beschlüsse, durch die eine sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen wurde, ist die Rechtsbeschwerde nach dem Gesetz nicht allgemein eröffnet. Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zwar zugelassen. Der Senat ist aber an die Zulassung durch das Beschwerdegericht nicht gebunden. Durch die Zulassung wird dem Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde nur dann zugänglich gemacht, wenn sie nach dem Gesetz an sich statthaft ist. Sie wird dagegen nicht in den Fällen eröffnet, in denen die Anfechtbarkeit einer Entscheidung gesetzlich ausgeschlossen ist (BGH Beschlüsse vom 12. September 2002 - III ZB 43/02 - NJW 2002, 3554; vom 8. Oktober 2002 - VI ZB 27/02 - NJW 2003, 211 und vom 10. Dezember 2003 - IV ZB 35/03 - FamRZ 2004, 437). Eine solche Entscheidung bleibt - auch bei irriger Rechtsmittelzulassung - unanfechtbar. Das gilt erst recht, wenn schon das Rechtsmittel zu dem Beschwerdegericht nicht statthaft war (Senatsbeschlüsse vom 21. April 2004 - XII ZB 279/03 - FamRZ 2004, 1191, 1192 und vom 6. Oktober 2004 - XII ZB 137/03 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Das war hier aber der Fall.
2. Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß gegen die Ablehnung der Abtrennung einer Scheidungsfolgensache kein Rechtsmittel gegeben ist.
a) Nach § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder wenn es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die Voraussetzungen beider Alternativen sind hier nicht gegeben. Die Vorschriften der §§ 622 ff. ZPO sehen eine sofortige Beschwerde gegen die verweigerte Abtrennung einer Scheidungsfolgensache nicht vor. Ob ein solcher Beschluß gleichwohl der Anfechtung unterliegt, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Teilweise wird angenommen, die Anfechtbarkeit ergebe sich aus § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Zumindest dann, wenn die Entscheidung über bloße prozeßleitende Maßnahmen hinausgehe und die Rechtsposition einer Partei in bezug auf den Streitgegenstand unmittelbar berührt werde, müsse das Begehren auf Abtrennung als ein Gesuch im Sinne der vorgenannten Bestimmung verstanden werden (Rolland 1. EheRG 2. Aufl. § 628 Rdn. 15 f.; Schwab/Maurer Handbuch des Scheidungsrechts 4. Aufl. Kap. I Rdn. 396; so wohl auch Stein/Jonas/ Schlosser ZPO 21. Aufl. § 628 Rdn. 17; OLG Hamm - 4. Familiensenat - FamRZ 1986, 1121). Ferner wird die Auffassung vertreten, die sofortige Beschwerde sei in analoger Anwendung des § 252 ZPO statthaft, weil die versagte Abtrennung einen erheblichen Eingriff in die Rechtsposition der Partei darstelle, der im Ein-
zelfall einer Verfahrensaussetzung gleichkommen könne (OLG Frankfurt FamRZ 1979, 62; einschränkend in FamRZ 1997, 1167, 1168; OLG Naumburg FamRZ 2002, 331, 332; Zöller/Philippi ZPO 24. Aufl. § 628 Rdn. 11; MünchKomm -ZPO/Finger 2. Aufl. § 628 Rdn. 19; Schwab/Maurer aaO Kap. I Rdn. 397). Die überwiegende Meinung hält ein ordentliches Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Abtrennung dagegen nicht für statthaft (OLG Düsseldorf FamRZ 1978, 123; FamRZ 1994, 1121; FamRZ 2002, 1574; OLG Stuttgart Justiz 1980, 415, 416, OLG-Report 1998, 433; OLG Bamberg FamRZ 1986, 1011, 1012; OLG Koblenz FamRZ 1991, 209; OLG Dresden FamRZ 1997, 1230, 1231; OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 98, 99; OLG Oldenburg FamRZ 2001, 167, 168; OLG Hamm - 11. Familiensenat - FamRZ 2002, 333, 334; OLG Köln FamRZ 2003, 1197; OLG Zweibrücken FamRZ 2003, 1197, 1198; Musielak/Borth ZPO 3. Aufl. § 628 Rdn. 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 61. Aufl. § 628 Rdn. 9; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber Eherecht 4. Aufl. § 628 Rdn. 16; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozeßrecht 16. Aufl. § 166 Rdn. 17; FAFamilienrecht /von Heintschel-Heinegg 4. Aufl. 1. Kap. Rdn. 185; Bergerfurth /Rogner Der Ehescheidungsprozeß 14. Aufl. Kap. II Rdn. 14).
b) Der Senat verneint mit der überwiegenden Meinung die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde. aa) Mit der Ablehnung der Abtrennung einer Scheidungsfolgesache wird - von den noch zu erörternden Ausnahmen des § 623 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO abgesehen - kein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Das Gericht prüft vielmehr von Amts wegen, ob eine Abtrennung aus den in § 628 Abs. 1 ZPO genannten Gründen veranlaßt ist. Dem Antrag eines Ehegatten, in dieser Weise zu verfahren, kommt deshalb nur die Be-
deutung einer Anregung zu. Soweit zur Begründung der gegenteiligen Auffassung darauf hingewiesen wird, diese formale Betrachtung lasse unberücksichtigt , daß zumindest § 628 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Äußerun g eines auf Abtrennung gerichteten Willens voraussetze und die Belastungen der Ehegatten durch ein Hinausschieben der Scheidung wegen deren Koppelung an die Folgesache beträchtlich sein könnten, rechtfertigen diese Umstände keine andere Beurteilung. Denn auch dann bleibt es dabei, daß rechtstechnisch lediglich eine Anregung vorliegt, eine - im Ermessen des Gerichts stehende (vgl. hierzu Senatsurteil vom 29. Mai 1991 - XII ZR 108/90 - FamRZ 1991, 1043, 1044) - Abtrennung vorzunehmen. Deren Ablehnung bedeutet allein, daß der vom Gesetzgeber in § 623 ZPO grundsätzlich angeordnete Verbund von Scheidungs- und Folgesachen beibehalten wird. Die um Abtrennung nachsuchende Partei wird durch die Versagung im Vergleich zu ihrer Ausgangsposition nicht schlechter gestellt. Allein die Ablehnung verletzt die Partei zudem nicht in ihren Rechten, denn sie hat keinen Anspruch auf Auflösung des Scheidungsverbunds. Daß das Gesetz danach einen Eingriff des Beschwerdegerichts in das erstinstanzliche Verfahren insoweit nicht zuläßt, erscheint auch sachgerecht. Eine Entscheidung darüber, ob der in erster Instanz anhängige Scheidungsantrag entscheidungsreif ist, würde einen unzulässigen Eingriff in die Kompetenz des erstinstanzlichen Gerichts darstellen (vgl. OLG Stuttgart Justiz 1980 aaO, OLG Oldenburg und Musielak/Borth, jeweils aaO). bb) Die Nichtabtrennung kann in ihren Auswirkungen auch nicht einem Verfahrensstillstand gleichgesetzt werden mit der Folge, daß eine sofortige Beschwerde hiergegen in entsprechender Anwendung des § 252 ZPO statthaft wäre. Für eine Analogie ist nur dann Raum, wenn die in den §§ 622 ff. ZPO nicht vorgesehene Anfechtbarkeit auf einer planwidrigen Regelungslücke beruht. Das ist indessen nicht der Fall.
Der Verbund der Entscheidungen über Scheidungs- und Folgesachen ist vom Gesetz gewollt. Dementsprechend kann eine einheitliche Entscheidung regelmäßig erst ergehen, wenn alle Teile entscheidungsreif sind. Diesem System sind aber Entscheidungsverzögerungen bezüglich des einen oder des anderen Teils immanent und deshalb grundsätzlich hinzunehmen. Nur soweit sich eine gleichzeitige Entscheidung außergewöhnlich verzögern würde, sieht § 628 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Möglichkeit der Abtrennung von Folgesachen vor, ohne allerdings zugleich ein Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Abtrennung zu eröffnen. Wenn aber die außergewöhnliche Verzögerung des Verbundverfahrens und damit in der Regel auch eine mittelbar eintretende Aussetzungswirkung eine besondere gesetzliche Regelung ohne Rechtsmittelmöglichkeit gefunden haben, kann für den Regelfall nicht auf eine entsprechende Anwendung der allgemeinen Bestimmung des § 252 ZPO zurückgegriffen werden (ebenso OLG Oldenburg aaO; OLG Düsseldorf FamRZ 2002, 1574). Diese Beurteilung findet in dem durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I 2942) neu gefaßten §§ 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Bestätigung. Danach sind Entscheidungen über das Sorge- und Umgangsrecht sowie die Herausgabe eines Kindes nunmehr auf Antrag eines Ehegatten vom Scheidungsverbund abzutrennen, die Folgesache elterliche Sorge gegebenenfalls erweitert um die Folgesachen Ehegattenunterhalt (§ 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) und Kindesunterhalt (§ 621 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO), § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Damit ist - in Kenntnis des seit Jahren bestehenden Streits um die Anfechtbarkeit der Ablehnung der Abtrennung einer Folgesache - nur für die vorgenannten Folgesachen ein Antragsrecht auf Abtrennung und damit im Fall der Ablehnung eine Beschwerdemöglichkeit nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vorgesehen worden (so auch Zöller/Philippi aaO § 623 Rdn. 32 i). Auch im Rahmen der umfassenden Zivilprozeßrechtsreform ist eine darüber hinausgehende Rechtsmittelmöglichkeit nicht eröffnet worden (vgl. auch OLG Düsseldorf aaO).
3. Auch eine außerordentliche Beschwerde kommt nicht in Betracht. Nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozeßreformgesetz können Beschlüsse der Beschwerdegerichte ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angefochten werden. Ein außerordentliches Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof ist auch dann nicht statthaft, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt oder aus sonstigen Gründen greifbar gesetzwidrig ist. In einem solchen Fall ist die angefochtene Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen hat, auf (fristgebundene) Gegenvorstellung zu korrigieren. Wird ein Verfassungsverstoß nicht beseitigt, kommt allein eine Verfassungsbeschwerde in Betracht (BGHZ 150, 133, 135 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat durch Plenarbeschluß vom 30. April 2003 (NJW 2003, 1924) dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2004 eine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit für den Fall zu schaffen, daß ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Für den Fall, daß der Gesetzgeber keine rechtzeitige Neuregelung trifft, hat es angeordnet, daß das Verfahren auf Antrag einer beschwerten Partei von dem Gericht fortzusetzen ist, dessen Entscheidung wegen der behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör angegriffen wird. Daraus ergibt sich, daß selbst in Fällen fehlerhafter Ermessensausübung eine außerordentliche Beschwerde nicht mehr zuzulassen ist, zumal dem Ausgangsgericht die Möglichkeit eröffnet wird, greifbaren Verfahrensverstößen selbst abzuhelfen. 4. Die Versagung eines Rechtsmittels gegen die Ablehnung der Abtrennung begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Rechtsschutz gegen Akte eines Richters muß nicht zwingend zur Befassung einer höheren Instanz führen, sofern die rechtsstaatlich notwendige Kontrolle des behaupteten Verfahrensfehlers anderweitig in hinreichender Weise gesichert werden kann
(BVerfG aaO 1926). Diese Kontrollmöglichkeit wird zum einen durch die (fristgebundene ) Gegenvorstellung eröffnet. Wenn das Familiengericht eine Abtrennung weiterhin ablehnt und die betreffende Folgesache mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht zur Entscheidungsreife führt, sind zum anderen die dann in Betracht kommenden gerichtlichen Maßnahmen - etwa Vertagung auf unbestimmte Zeit, die Ablehnung einer Terminsbestimmung oder eines Beweisbeschlusses - nach § 252 ZPO anfechtbar (so auch OLG Zweibrücken aaO). Damit wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Eine andere Beurteilung ist auch nicht mit Rücksicht auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26. Oktober 2000 (NJW 2001, 2694) veranlaßt. Danach garantiert Art. 13 EMRK eine wirksame Beschwerde zu einer innerstaatlichen Instanz wegen einer behaupteten Verletzung der Verpflichtung nach Art. 6 Abs. 1 EMRK zu einer Verhandlung innerhalb angemessener Frist. Solange hieraus keine innerstaatlichen gesetzgeberischen Konsequenzen gezogen werden, muß es indessen bei den vorgenannten Rechtsschutzmöglichkeiten bewenden. Die Verweigerung der Abtrennung von Folgesachen einem Rechtsmittel zugänglich zu machen, ist jedenfalls kein geeignetes Mittel, den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu entsprechen. Denn die Vorabentscheidung über die Scheidung
würde nicht zu einer Beschleunigung des Verfahrens insgesamt führen, weil die abgetrennte Folgesache anhängig bliebe. Ohne den Druck des Verbundverfahrens dürfte sich deren Dauer sogar eher verlängern.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Fuchs