Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Sept. 2007 - X ZR 81/06

bei uns veröffentlicht am18.09.2007
vorgehend
Bundespatentgericht, 2 Ni 53/04, 23.03.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 81/06
vom
18. September 2007
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. September 2007
durch die Richter Scharen, Keukenschrijver, Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und
Gröning

beschlossen:
Das gegen den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. H. H. gerichtete Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 0 461 646, das u.a. eine Vorrichtung zur Herstellung von Reifen für Fahrzeugräder betrifft. Die Klägerin hat vor dem Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage erhoben, mit der sie in erster Instanz Erfolg hatte.
2
Im Berufungsverfahren hat der Senat Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet und Prof. Dr. H. H. in G. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt, der dem Senat zuvor mitgeteilt hatte, er sei 33 Jahre lang bei der C. in H. in der Reifenindustrie tätig gewesen. Die Beklagte hat den Sachverständigen mit der Begründung abgelehnt, dass dieser bei einer bedeutenden Konkurrentin tätig gewesen sei, die einen Motorradreifen herstelle, der demjenigen der Klägerin entspreche, woraus sich die Besorgnis ergebe, der Sachverständige sei befangen.
3
Die Klägerin hat dem Ablehnungsgesuch widersprochen.
4
II. Das Ablehnungsgesuch bleibt ohne Erfolg.
5
Ein Sachverständiger kann nach § 406 ZPO, der auch im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen anwendbar ist, abgelehnt werden, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die in den Augen einer vernünftigen Partei geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken (Sen.Beschl. v. 4.12.2001 - X ZR 199/00, GRUR 2002, 369 - Sachverständigenablehnung; v. 13.1.1987 - X ZR 29/86, GRUR 1987, 350 f. - Werkzeughalterung).
6
Die von der Beklagten geltend gemachten Gründe rechtfertigen - auch unter Berücksichtigung des Vortrags im Schriftsatz vom 7. September 2007 - bei verständiger Würdigung nicht die Annahme, der gerichtliche Sachverständige werde nicht die erforderliche Unparteilichkeit aufbringen.
7
Vorangegangene Industrietätigkeiten als solche sind bei Hochschullehrern auf dem Gebiet der Technik und der Naturwissenschaften allgemein zu erwarten und schon deshalb für sich allein nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Sie sind sogar im Interesse der Qualifikation des Sachverständigen erwünscht (Sen.Beschl. v. 26.7.2005 - X ZR 108/04, Umdruck S. 5, im Druck nicht veröffentlicht).
8
Auch eine Tätigkeit für einen nicht am Verfahren beteiligten und auch nicht mit einem Verfahrensbeteiligten verflochtenen Konkurrenten (zu diesem Fall Sen.Beschl. v. 10.12.1998 - X ZR 64/97, abgedruckt bei Bausch, Nichtig- keitsrechtsprechung in Patentsachen 1994 - 1998, 551 - Sachverständigenablehnung 05; v. 24.7.2007 - X ZR 1/06, im Druck nicht veröffentlicht) rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch nicht (vgl. Sen.Beschl. v. 11.7.1995 - X ZR 99/93, Schulte-Kartei PatG 26-29 Nr. 39 - Sachverständigenablehnung 01; vgl. auch Sen.Beschl. v. 5.11.2002 - X ZR 136/99, Schulte-Kartei PatG 110-122 Nr. 59 - Sachverständigenablehnung 07, Umdruck S. 5, nicht im Druck veröffentlicht, und zwei Parallelentscheidungen vom gleichen Tag). Derartige Umstände hat die Beklagte indessen nicht ausreichend dargelegt, auch wenn das Streitpatent einen Geschäftsbereich betrifft, auf dem sowohl die Beklagte als auch die frühere Arbeitgeberin des Sachverständigen tätig sind. Dass ein Erzeugnis, das der Konkurrent der Öffentlichkeit vorgestellt hat, gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Gegenstand des Streitpatents aufweisen soll, ist keine ausreichende Grundlage für die von der Beklagten zudem nur in vager Form geäußerte Vermutung, dass eine Patentverletzung durch den Konkurrenten in Betracht kommen könnte ("schließt die Möglichkeit nicht aus, dass der … Reifen eine Verletzung des Streitpatents darstellen könnte"). Objektiv greifbare Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung die Annahme stützen können, dass der Sachverständige befangen sei, ergeben sich hieraus nicht.
9
Der gerichtliche Sachverständige hat seine frühere Industrietätigkeit zudem nicht verschwiegen, sondern dem Senat vor seiner Bestellung auf Anfrage offenbart. Damit kann sich bei verständiger Würdigung auch aus seinem Verhalten kein hinreichender Grund ergeben, an seiner Unbefangenheit zu zweifeln.
Scharen Keukenschrijver Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 23.03.2006 - 2 Ni 53/04 (EU) -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 406 Ablehnung eines Sachverständigen


(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist. (2) Der A

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(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 199/00 Verkündet am:
30. März 2004
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und
die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 5. September 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des am 24. August 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 24. August 1989 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 417 928 (Streitpatents ), das während des Rechtsstreits auf die M. , Inc. in S. R. umgeschrieben worden ist. Das Streitpatent betrifft "endovascular support device and method" (Einrichtung und Verfahren zur endovaskulären Abstüt-

zung) und umfaßt neun Patentansprüche. Die im Berufungsverfahren allein im Streit stehenden Patentansprüche 1 bis 8 lauten in der Verfahrenssprache Englisch :
"1. An endovascular support device suitable for implantation within a coronary or other vessel within the human body comprising a unitary member (10) configured to provide a plurality of upper and lower peaks (12, 14), the unitary member being capable of being compressed onto the outer surface of a catheter for delivery to an affected area of a vessel and then expanded by inflation of the catheter to maintain the affected area of a vessel at a diameter larger than if the support device were not implanted , characterised in that the unitary member is of wire-like material and has no joints. 2. The device of claim 1 wherein the wire-like material is surgical stainless steel. 3. The device of claim 2 wherein the stainless steel is plated with platinum. 4. The device of claim 1, 2, or 3 wherein the number of peaks is between 3 and 10. 5. The device of claim 4, wherein the number of peaks is four. 6. The device according to any one of the preceding claims wherein said number comprises a plurality of N substantially straight segments (16) of wire-like material, each segment having first and second ends wherein the first end of the first segment is connected to the first end of a second segment, the second end of the second segment is connected to the second end of the third segment, the first rend of the third segment is connected to the first end of the fourth segment, and so on until the second end of the Nth segment is connected to the second end of the first segment, with no segment overlapping any other segment and the plurality of segments being capable of being compressed to a catheter for delivery to an affected area of a

vessel and then forcibly expanded to maintain the affected area of a vessel at a diameter larger than if the support device were not implanted. 7. The device of claim 6, wherein the value of N is between six and twenty. 8. The device of claim 6 or 7, wherein the plurality of segments of wire-like material are formed as a single unit and then bent to form the plurality of segments." In der deutschen Fassung der europäischen Patentschrift lauten diese Patentansprüche:
"1. Endovaskuläre Abstützvorrichtung, die für eine Implantation in ein Koronar- oder anderes Blutgefäß im menschlichen Körper geeignet ist, aus einem einheitlichen Bauteil (10) besteht, das so ausgelegt ist, daß es mehrere obere und untere Spitzen (12, 14) aufweist, wobei das einheitliche Bauteil auf der äußeren Oberfläche eines Katheters zusammengedrückt werden kann, um zu einem betroffenen Bereich eines Blutgefäßes befördert zu werden, und dann durch Aufpumpen des Katheters aufgeweitet werden kann, um den betroffenen Bereich eines Blutgefäßes auf einem Durchmesser zu halten, der größer ist, als wenn die Abstützvorrichtung nicht implantiert worden wäre, dadurch gekennzeichnet, daß das einheitliche Bauteil aus drahtähnlichem Material besteht und keine Fugen aufweist. 2. Vorrichtung nach Anspruch 1, wobei das drahtähnliche Material ein chirurgischer rostfreier Stahl ist. 3. Vorrichtung nach Anspruch 2, wobei der rostfreie Stahl mit Platin beschichtet ist. 4. Vorrichtung nach Anspruch 1, 2 oder 3, wobei die Anzahl der Spitzen zwischen 3 und 10 liegt.

5. Vorrichtung nach Anspruch 4, wobei die Anzahl der Spitzen vier beträgt. 6. Vorrichtung nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Bauteil mehrere, nämlich N, im wesentlichen gerade Segmente (16) aus drahtähnlichem Material aufweist, jedes Segment erste und zweite Enden besitzt, wobei das erste Ende des ersten Segments mit dem ersten Ende eines zweiten Segments verbunden ist, das zweite Ende des zweiten Segments mit dem zweiten Ende des dritten Segments verbunden ist, das erste Ende des dritten Segments mit dem ersten Ende des vierten Segments verbunden ist, und so weiter, bis das zweite Ende des Nten Segments mit dem zweiten Ende des ersten Segments verbunden ist, wobei sich kein Segment mit irgendeinem anderen Segment überschneidet und die mehreren Segmente auf einem Katheter zusammengedrückt werden können, um zu einem betroffenen Bereich eines Blutgefäßes befördert und dann gewaltsam aufgeweitet zu werden, um den betroffenen Bereich eines Blutgefäßes auf einem Durchmesser zu halten, der größer ist, als wenn die Abstützvorrichtung nicht implantiert worden wäre. 7. Vorrichtung nach Anspruch 6, wobei der Wert N zwischen sechs und zwanzig liegt. 8. Vorrichtung nach Anspruch 6 oder 7, wobei die mehreren Segmente aus drahtähnlichem Material als einzelne Einheit geformt und dann gebogen sind, um die mehreren Segmente zu bilden." Die Klägerinnen haben mit ihren vor dem Bundespatentgericht verbundenen Klagen geltend gemacht, daß das Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn insbesondere die US-Patentschriften 4 733 665, 4 214 587, 4 800 882 sowie die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 177 330 und der Aufsatz von Josef Rösch u.a., Experimental Intrahepatic Portacaval Anastomosis: Use of Expandable Gianturco Stents, Radiology 1987, 481 - 485, bildeten, nicht patentfähig sei. Die Klägerin zu 2 hat zu-

dem unzulässige Erweiterung und mangelnde Ausführbarkeit geltend gemacht. Die Klägerinnen haben beantragt, das Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 7 (Klägerin zu 1) bzw. 1 bis 8 (Klägerin zu 2) mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat in erster Linie beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise hat sie sich mit einem eingeschränkten Patentanspruch 1 verteidigt, an den die Worte "the peaks (12, 14) being rounded with a diameter of curvature greater than the diameter of the wire-like material" angefügt werden sollen.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 8 für nichtig erklärt.
Mit ihrer Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent in seiner erteilten Fassung, hilfsweise in seiner vor dem Bundespatentgericht hilfsweise verteidigten Fassung. Sie macht außerdem einen eigenständigen erfinderischen Gehalt des Gegenstands des Patentanspruchs 6 geltend. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil.
Im Auftrag des Senats hat der Sachverständige für Medizintechnik Dipl.-Ing. Dr. med. H. H. , W. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat eine schriftliche Stellungnahme von Prof. Dr. med. C. H. , , Abteilung Kardiologie, in B. N. , vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg; der Wechsel der Rechtsinhaberschaft am Streitpatent während des laufenden Verfahrens ist auf den Verfahrensgang ohne Einfluß (§ 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 265 ZPO; BGHZ 117, 144, 146 - Tauchcomputer). Das Bundespatentgericht hat zu Recht das Streitpatent in dem Umfang, in dem es angegriffen ist, für nichtig erklärt. Daß die Klägerin zu 1 Patentanspruch 8 des Streitpatents nicht angegriffen hat, steht wegen der Gestaltungswirkung der Nichtigerklärung (vgl. Benkard/Rogge, PatG, 9. Aufl. 1993, § 84 PatG Rdn. 5; Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, § 84 PatG Rdn. 41) dem Nichtigkeitsausspruch auch hinsichtlich dieses Patentanspruchs insgesamt - und nicht nur im Verhältnis zur Klägerin zu 2 - nicht entgegen.
I. 1. Das Streitpatent betrifft, soweit es mit den Nichtigkeitsklagen angegriffen ist, eine medizinische Vorrichtung zur Behandlung der Verengung koronarer oder peripherer menschlicher Gefäße. Die Beschreibung des Streitpatents schildert eine Anzahl von Behandlungsmethoden für koronare Herzerkrankungen als bekannt, darunter die perkutane transluminale Koronarangioplastie , bei der das Lumen der betroffenen Koronararterie durch radiale hydraulische Expansion erweitert werde. In einigen Fällen restenosiere das Gefäß chronisch oder erleide einen akuten Verschluß (Beschr. Sp. 1 Z. 14 - Sp. 2 Z. 19). Zur Verminderung der Restenosegefahr seien verschiedene Vorrichtungen zum mechanischen Offenhalten des geschädigten Gefäßes vorgeschlagen worden. Derartige allgemein als Stents bezeichnete Vorrichtungen würden typischerweise in das Gefäß eingeführt, über die Läsion hinweg positioniert und dann expandiert (Beschr. Sp. 2 Z. 20 - 31). Das Streitpatent beschreibt sodann

einen Stent mit einem Rohr aus Edelstahlgeflecht, das während des Einsetzens längs einer Einführvorrichtung in gestreckter Form positioniert werde. Nach der Positionierung über der Läsion werde der Stent expandiert, wobei sich die Länge des Rohrs kontrahiere. Ein derartiger Stent könne ein selbstexpandierendes Edelstahldrahtgeflecht, aber auch ein durch Ballondilatation expandierbarer Metallzylinder sein; derartige Vorrichtungen seien aus den US-Patentschriften 4 733 665 und 4 776 337 bekannt ("Palmaz-Stent"). Auch sei eine wärmeexpandierbare Vorrichtung vorgeschlagen worden. Bei dem Palmaz-Stent habe der Edelstahlzylinder eine Anzahl von Schlitzen in seinem Umfang, was bei Expandieren zur Ausbildung eines Gitters führe. Der Zylinder werde mittels eines Ballonkatheters in den geschädigten Bereich verbracht und dann durch Inflatieren des Ballons auf die geeignete Größe expandiert (Beschr. Sp. 2 Z. 32 - Sp. 3 Z. 11). Eine andere Form von Stents offenbare die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 177 330. Diese bestehe aus einem zu einer geschlossenen Zickzackkonfiguration geformten Draht, der eine endlose Reihe von durch Biegungen verbundenen geraden Abschnitten aufweise, wobei er federnd in eine kleinere erste Gestalt zusammendrückbar sei, in der die geraden Abschnitte zur Einführung in einen Durchgang nebeneinander und nahe benachbart zueinander angeordnet seien, wobei der Stent federnd in eine zweite Gestalt expandierbar sei, in der die geraden Abschnitte gegen die Wand des Durchgangs drückten und ihn offen hielten (Beschr. Sp. 3 Z. 12 - 25). Die Beschreibung stellt weiter dar, daß bei all diesen Stents erhebliche Schwierigkeiten aufgetreten seien, die zu einem niedrigen Akzeptanzgrad geführt hätten.
2. Durch das Streitpatent soll, wie dessen Beschreibung - unter Weglassung eines Lösungselements (selektive Bemeßbarkeit gemäß der durch die Läsion diktierten anatomischen Konfiguration) - angibt, ein leicht und zuverläs-

sig implantierbarer Stent zur Verfügung gestellt werden, der das Thromboserisiko minimiert.
3. Hierzu schlägt Patentanspruch 1 des Streitpatents eine für die Implantation in ein Koronar- oder anderes Blutgefäß im menschlichen Körper geeignete endovaskuläre Abstützvorrichtung vor, die
(1)
aus einem einheitlichen Bauteil besteht, das (1.1) mehrere obere und untere Spitzen aufweist, (1.2.) zur Beförderung zu einem betroffenen Teil eines Blutgefäßes auf der äußeren Oberfläche eines Katheters zusammengedrückt und (1.3) durch Aufpumpen des Katheters aufgeweitet werden kann, (1.3.1) um den betroffenen Teil des Blutgefäßes auf einem Durchmesser zu halten, der größer ist, als wenn die Abstützvorrichtung nicht implantiert worden wäre,
(2)
aus drahtähnlichem Material besteht und
(3)
keine Verbindungen ("joints") aufweist.
Dabei besteht Einigkeit zwischen den Parteien darüber und auch der gerichtliche Sachverständige hat bestätigt, daß die Übersetzung des maßgeblichen englischen Begriffs "joints" mit "Fugen" in der - nach Art. 70 EPÜ für das Verfahren nicht maßgeblichen - deutschen Fassung des Patentanspruchs 1 irreführend ist. Der gerichtliche Sachverständige hat insoweit die Übersetzung "ist nahtlos" vorgeschlagen. Dem vermag der Senat nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht beizutreten. Danach hat sich ergeben, daß sich der auch in dem nicht angegriffenen Patentanspruch 9 des Streitpatents ver-

wendete Begriff "joints" in Patentanspruch 1 zum einen nicht notwendig und jedenfalls nicht allein auf die Fugen- oder Nahtlosigkeit des nach Patentanspruch 9 gebildeten toroidförmigen Körpers bezieht, für die in Patentanspruch 6 des Streitpatents der allgemeinere Begriff "is connected" (ist verbunden) verwendet wird, sondern die insbesondere aus den Figuren 1, 6a und 6b der Zeichnungen ersichtliche Ausgestaltung dahin betrifft, daß der unter Schutz gestellte Gegenstand überhaupt keine festen (körperlichen) Verbindungen etwa an (im Streitpatent nicht beschriebenen) Kreuzungsstellen oder sonstige Verbindungsteile aufweist. Figur 1 zeigt dies wie folgt:

Auf der anderen Seite sind - wie es schon das allgemeine Verständnis des Begriffs "joints" im Sinn von Verbindung, Nahtstelle, Fuge oder Gelenk nahelegt - die in Patentanspruch 6 angesprochenen Fälle des bloßen SichÜberschneidens von Segmenten der Vorrichtung ohne körperliche Verbindung, für die das Streitpatent den Bergiff "overlapping" verwendet, nicht von dem Begriff "joints" erfaßt. Auch der gerichtliche Sachverständige hat bestätigt, daß für solche Überschneidungen der Begriff "crossing parts" gebräuchlich war.

II. 1. Es kann dahinstehen, ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinausgeht , weil er jedenfalls im Sinn der Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ für den Fachmann , als den der Senat in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen einen anwendungsorientierten Techniker mit Kenntnissen auf dem Gebiet biomedizinischer Werkstoffe, der sich die notwendigen medizinischen Kenntnisse durch Zusammenarbeit mit einem auf dem einschlägigen Gebiet tätigen Arzt erschließt, ansieht, durch den Stand der Technik nahegelegt war. Dies füllt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ aus. Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob dieser Gegenstand neu war.
2. a) Aus der im Jahr 1986 veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 0 177 330 (Gianturco I) war ein selbstaufweitender endovaskulärer Stent aus Stahldraht bekannt, der aus Stahldraht besteht, der in einer geschlossenen Zickzack-Gestalt geformt ist, wobei die geraden Abschnitte durch spitzwinklige Biegestellen miteinander verbunden sind. Dies zeigt Figur 1 der Entgegenhaltung :

Der Stent ist federelastisch und kann in eine erste Gestalt zusammengedrückt werden, die Figur 4 der Entgegenhaltung zeigt. In dieser Gestalt wird der Stent in eine rohrförmige Patrone eingesetzt, die wiederum in den Adapter einer Hülse eingesetzt wird. Der Stent wird sodann durch die Hülse vorgeschoben und dehnt sich an Ort und Stelle durch das Zurückziehen der Hülse aus und drückt gegen die Gefäßwand (Beschreibung Seite 8 mittlerer Absatz). Die Stents hielten im Tierversuch die Gefäße, in denen sie implantiert waren, im dilatierten Zustand offen. Die Entgegenhaltung beschreibt als klinische Anwendungen des Stents die Bekämpfung des Vena-cava-superior-Syndroms, die Aufrechterhaltung der Gefäßdurchgängigkeit nach perkutaner Ballondilatation und die Korrektur einer Gefäßstenose (Seite 11 vorletzter Absatz). Den aufgeweiteten Zustand des Gefäßes zeigt z.B. Figur 6. Weder die Beschreibung noch die Zeichnungen der Entgegenhaltung enthalten einen Hinweis auf Verbindungen ("joints") im vorstehend erläuterten Sinn; der Fachmann kann der Darstellung deshalb entnehmen, daß solche Verbindungen fehlen. Anders als nach dem Streitpatent findet sich in der Entgegenhaltung kein Hinweis auf eine

Aufweitung durch Aufpumpen im Sinn einer Ballondilatation, vielmehr handelt es sich ersichtlich um selbstexpandierendes Material. Damit beschreibt diese Veröffentlichung eine Vorrichtung, die die Merkmale (1), (1.1), (1.2), (1.3.1) und (3) des Streitpatents aufweist und sich von Merkmal (2) nur durch die Verwendung von Draht und nicht von drahtähnlichem Material unterscheidet. Nicht verwirklicht ist demgegenüber das die Art und Weise der Aufweitung betreffende Merkmal (1.3).

b) Der nur wenige Monate nach der Veröffentlichung dieser europäischen Patentanmeldung erschienene Aufsatz von Rösch u.a. beschreibt die experimentelle Verwendung von solchen selbstaufweitenden Gianturco-Stents des Herstellers C. Inc., B. (Indiana), der Anmelderin der europäischen Patentanmeldung, in Gefäßen der Leber von Schweinen. Dabei wurden mehrere bereits freigesetzte und selbstexpandierte Stents weiter mit einem Angioplastieballon aufgeweitet. Die Diskussion der Versuchsergebnisse stellt die gute Eignung des Gianturco-Stents heraus und verweist auf die Bedeutung einer (zusätzlichen) Ballonaufweitung des Stents nach dessen Positionierung für das Erreichen einer guten Durchgängigkeit in bestimmten näher beschriebenen Fällen; die intrinsische Expansionsspannung des Stents habe nicht hinreichend Kraft besessen, ihm im Lebertrakt ein ausreichendes Lumen zu öffnen. Damit ist die Verwendung eines selbstaufweitenden Gianturco-Stents in einer Weise beschrieben, wie dies Merkmal (1.3) des Patentanspruchs 1 des Streitpatents vorsieht. Eine Einschränkung der Lehre dieses Patentanspruchs dahin, daß nicht mit selbstexpandierenden Stents gearbeitet werden solle, ist dem Streitpatent nicht zu entnehmen. Eine Zusammenschau der europäischen Patentanmeldung 0 177 330 und der Veröffentlichung von Rösch u.a. offenbart daher den Gegenstand des Streitpatents in vollständiger Weise. Zu einer solchen Zu-

sammenschau hatte der Fachmann auch allen Anlaß, weil der Aufsatz von Rösch u.a. die Verwendung eines Stents nach der europäischen Patentanmeldung beschreibt. Dieses Ergebnis deckt sich mit der den Senat überzeugenden und von der beklagten Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nicht ernsthaft angegriffenen Äußerung des gerichtlichen Sachve rständigen, daß zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents keine Vorbehalte gegen eine zusammenschauende Betrachtung der verschiedenen Entwicklungen auf dem Gebiet der Stents bestanden und daß es insoweit mehrere Übersichtsveröffentlichungen gab. Auch der Aufsatz von Rösch u.a. diskutiert die Verwendung von ballonaufweitbaren Stents (Palmaz; vgl. die US-Patentschrift 4 733 665) und von selbstexpandierenden Stents (Gianturco) gemeinsam. Demnach können Vorbehalte der Fachwelt, beide Arten von Stents nebeneinander zu beurteilen, ausgeschlossen werden. Es kommt hinzu, daß nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Stents zur Aufrechterhaltung von Körperöffnungen wie der blutführenden Gefäße im Prioritätszeitpunkt des Streitpatents Gegenstand intensiver Forschungen waren, mit denen auch bis dahin nicht befriedigenden Ergebnissen entgegengewirkt werden sollte. Im Rahmen dieser Forschungen hatten die beteiligten Fachleute umfassend den bisher erzielten Ergebnissen bei allen Alternativen der Aufrechterhaltung der Größe des Lumens durch Implantate Aufmerksamkeit geschenkt. Der bereits angeführte Aufsatz von Rösch u.a. bestätigt diese Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen. Der Fachmann hatte deshalb Anlaß, die Lehren beider Entgegenhaltungen zu kombinieren, und gelangte auf diese Weise jedenfalls in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.

III. Einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der Patentansprüche 2 bis 5 des Streitpatents hat die Patentinhaberin nicht geltend gemacht. Für einen solchen haben sich in der mündlichen Verhandlung auch keine Anhaltspunkte ergeben.
IV. Patentanspruch 6 des Streitpatents entspricht dem in Figur 1 dargestellten Ausführungsbeispiel. Die Ausgestaltung der Vorrichtung entspricht der in der europäischen Patentanmeldung (Fig. 1), wobei dort die Zahl der Segmente N nach Patentanspruch 6 des Streitpatents 10 beträgt. Wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, kommt es auch bei dem in Figur 1 der europäischen Patentanmeldung dargestellten Stent nicht zur Ausbildung von Verbindungen ("joints"), wie sie das Streitpatent ausschließt, wohl aber zu Überschneidungen im Sinn von Patentanspruch 6 des Streitpatents. Damit weist Patentanspruch 6 gegenüber der Zusammenschau der europäischen Patentanmeldung und des Aufsatzes von Rösch u.a. jedenfalls keinen erfinderischen Überschuß aus.
V. Für die Patentansprüche 7 und 8 des Streitpatents, die dessen Patentanspruch 6 weiter ausbilden, ist ein selbständiger erfinderischer Gehalt ebenfalls weder geltend gemacht noch erkennbar.
VI. Die hilfsweise verteidigte Fassung des Patentanspruchs fügt diesem die weitere Merkmalsgruppe hinzu
(4)
daß die Spitzen gerundet sind (4.1) mit einem Krümmungsdurchmesser, der größer ist als der Durchmesser des drahtähnlichen Materials.

Es kann dahinstehen, ob die Aufnahme dieses lediglich in den Zeichnungen offenbarten Merkmals zur Verteidigung des Streitpatents zulässig ist (vgl. zum Streitstand Busse, aaO, § 34 PatG Rdn. 248 m.w.N.; Schulte, PatG, 6. Aufl. 2001, § 34 Rdn. 281 ff.; Benkard/Schäfers, aaO, § 35 Rdn. 30; vgl. schon zur früheren Rechtslage nach § 26 PatG 1968 Sen.Beschl. v. 17.11.1987 - X ZB 15/87, GRUR 1988, 197 - Runderneuern). Jedoch besagt die zusätzlich eingefügte Merkmalsgruppe im Ergebnis, wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung eingehend und überzeugend erläutert hat, nicht mehr als daß der Winkel zwischen den durch die Drahtschenkel an den Spitzen gebildeten Winkeln größer als 0° sein soll. Dabei handelt es sich nicht um mehr als eine Trivialität, die erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann. (vgl. Sen.Urt. v. 24.9.2003 - X ZR 7/00, GRUR 2004, 47 - blasenfreie Gummibahn I, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

VII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 108/04
vom
26. Juli 2005
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juli 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver,
die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Kirchhoff

beschlossen:
Das gegen den vom Senat zum gerichtlichen Sachverständigen bestellten Prof. Dr. G. W. gerichtete Ablehnungsgesuch der Beklagten wird zurückgewiesen.

Gründe:


I. Die Beklagte lehnt den gerichtlichen Sachverständigen, der an der Fachhochschule E. im Fachbereich Angewandte Naturwissenschaften tätig ist, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Als Ablehnungsgründe macht sie geltend, daß zwei ehemalige Studenten der Fachhochschule E. bei ihr speziell mit dem Härter "P. " befaßt seien und daß an der Fachhochschule E. ein Hochschullehrer im Fachbereich Betriebswirtschaft tätig sei, der in der Zeit von 1997 bis 2000 als Leiter der Planung und Kontrolle sowie des Beteiligungscontrollings im Geschäftsbereich D. der D. AG gearbeitet habe.
II. Das Ablehnungsgesuch ist zurückzuweisen, weil die Klägerin keine Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen glaubhaft gemacht hat.
Nach ständiger Rechtsprechung besteht Besorgnis der Befangenheit, wenn objektive Umstände vorliegen, die aus der Sicht einer vernünftig denkenden Partei an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zweifeln lassen. Das ist hier nicht der Fall.
1. Der bloße Umstand, daß ein Mitarbeiter einer Partei an der Hochschule studiert hat, an der der Sachverständige tätig ist, kann bei objektiver Betrachtung aus der Sicht der anderen Partei kein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen begründen. Nähere Beziehungen zu einer Partei, die ein derartiges Mißtrauen rechtfertigen, haben in einem solchen Fall lediglich die von ihr beschäftigten Studenten, nicht aber alle Hochschullehrer der Hochschule, an der diese studiert haben, oder auch nur diejenigen Hochschullehrer , deren Lehrveranstaltungen sie besucht haben, wozu ohnehin nichts vorgetragen ist. Selbst aus der Teilnahme eines nahen Angehörigen einer Partei an einem von einem Sachverständigen veranstalteten Seminar folgt kein Ablehnungsgrund (Musielak/Huber, § 406 Rdn. 11; OLG München OLGR 2001, 60). Zu berücksichtigen ist auch, daß einer willkürlichen Ablehnung von Sachverständigen durch die Parteien Tür und Tor geöffnet wäre, könnte schon allein durch die Einstellung eines früheren Studenten des Sachverständigen oder sogar nur seiner Hochschule ein Ablehnungsgrund geschaffen werden.
2. Die Ablehnung eines Sachverständigen kann auch nicht damit begründet werden, daß ein anderer Hochschullehrer seiner Hochschule in frühe-
ren Jahren in leitender Stellung im Unternehmen einer Partei beschäftigt war. Daraus einen Ablehnungsgrund abzuleiten, erscheint im vorliegenden Fall auch deshalb besonders fernliegend, weil der Kollege in einer fachlich entfernten Fakultät (Betriebswirtschaft) tätig ist und sich in dem Unternehmen der Klägerin auch mit gänzlich anderen Produkten als P. , nämlich D. produkten , befaßt hat. Wie der Senat kürzlich entschieden hat, folgt aus geschäftlichen Kontakten der wissenschaftlichen Einrichtung, an der der Sachverständige tätig ist, mit Wirtschaftsunternehmen des betreffenden Gebiets für sich allein kein Ablehnungsgrund (Sen.Beschl. v. 01.02.2005 - X ZR 26/04). Ebensowenig besteht ein Näheverhältnis des Sachverständigen zu einer Partei, das eine Ablehnung rechtfertigen könnte, wenn ein Hochschullehrer aus einem völlig anderen Bereich derselben Hochschule früher für diese Partei tätig war, und sei es auch in leitender Stellung. Die wechselseitige Durchdringung von Lehre und Praxis ist erwünscht. Sie führt keineswegs dazu, daß mit der Berufung eines zuvor für ein Wirtschaftsunternehmen tätigen Hochschullehrers gleichsam die Hochschule in das Lager dieses Unternehmens eintritt mit der Folge, daß der
gesamte Lehrkörper der Hochschule nicht mehr als gerichtlicher Gutachter in Verfahren in Betracht käme, an denen dieses Unternehmen beteiligt ist. Auch der zweite von der Beklagten geltend gemachte Grund kann daher eine Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen nicht rechtfertigen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Kirchhoff

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 1/06 Verkündet am:
23. Februar 2010
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und
die Richter Gröning, Dr. Berger, Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. September 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des am 25. November 1985 angemeldeten, mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 524 657 (Streitpatents), das neun Patentansprüche umfasst , deren erster in der Verfahrenssprache lautet: "A winder for thread, comprising a first chuck upon which packages of thread can be wound and a second chuck upon which packages of thread can be wound, means operable to transfer a thread from a package wound on the first chuck to the second chuck to start winding of a package thereon and screening means movable from a retracted position into an operating position between the completed package on the first chuck and the newley -forming package on the second chuck characterised by an auxiliary guide means for deflecting a thread during changeover of winding form the first to the second chuck, said guide means (44, 440) cooperating with the screening means (110) to screen a package (40) on the first chuck (24) from a winding operation on the second chuck (26)."
2
Dieser Anspruch ist in der Streitpatentschrift wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt: "Filament-Spulaggregat mit einem ersten Spulendorn, auf welchem Fadenpackungen aufgespult werden können, und mit einem zweiten Spulendorn, auf welchem Fadenpackungen aufgespult werden können, und mit Mitteln zum Übertragen eines Fadens von einer auf dem ersten Spulendorn aufgespulten Spulenpackung auf den zweiten Spulendorn zum Beginnen des Aufspulens einer Spulenpackung darauf, und mit Abschirm-Mitteln, die aus einer Ruhelage in eine Arbeitsstellung zwischen der fertig gestellten Spulenpackung auf dem ersten Spulendorn und der neu begonnenen Spulenpackung auf dem zweiten Spulendorn bewegbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass Hilfs-Führungsmittel vorgesehen sind zum Auslenken eines Fadens während des Wechsels der Aufspulung vom ersten auf den zweiten Spulendorn, wobei die genannten Führungs-Mittel (44, 440) mit Abdeck-Mitteln (110) zusammenwirken , um eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulen- dorn (24) von einem Aufspulvorgang auf dem zweiten Spulendorn (26) abzuschirmen."
3
Patentanspruch 5 lautet in der deutschen Übersetzung: "Spulaggregat gemäß einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Abschirm-Mittel (110) und die Führungs-Mittel (44, 440) je eine Kante aufweisen, wobei diese Kanten nebeneinander liegen, wenn sich die Abschirm-Mittel (110) und die Führungs-Mittel (44, 440) in ihrer Abdeckposition befinden."
4
Wegen des Wortlauts der übrigen Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
5
Die Klägerin, die aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird, hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht neu sei, jedenfalls aber gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und Gleiches für die Unteransprüche gelte. Die Klägerin hat sich hierzu auf die europäischen Patentanmeldungen 73 930 und 161 385 (nachveröffentlicht ), die US-amerikanischen Patentschriften 3 165 274, 3 409 238 und 4 327 872 sowie 4 613 090 (Anmeldungsdatum: 26. Februar 1985; Datum der Patentierung: 23. September 1986), auf die deutschen Offenlegungsschriften 25 44 365 und 22 12 505, auf die deutsche Patentschrift 24 49 912 sowie auf die japanischen Patentanmeldungen sho 60-15369 und 54-64148 berufen. Das Patentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß in vollem Umfang für nichtig erklärt. Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung, deren Zurückweisung die Klä- gerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent dahin, dass Patentanspruch 1 die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 5 hinzugefügt werden.
6
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. W. Hochschule N. , Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik, M. , ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
8
I. 1. Ohne Einfluss auf das Berufungsverfahren ist der Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents; der Klägerin ist nach ständiger Rechtsprechung ein weiter bestehendes Rechtsschutzbedürfnis für die Verfolgung ihres Begehrens zuzubilligen, weil sie aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird.
9
2. Das Streitpatent betrifft Entwicklungen an Spulaggregaten für synthetische Filamente. Der Beschreibung zufolge können beim Aufspulen solcher Filamente Probleme auftreten, wenn das Fadenende einer fertig gestellten Spulenpackung in der Phase des Herabbremsens des Spulendorns bis zum Stillstand infolge der Zentrifugalkraft radial nach außen nachgeschleppt wird und in den Arbeitsbereich hineinragt. Zur Bewältigung der daraus resultierenden, der Streitpatentschrift zufolge im Stand der Technik des Filamentspulens allgemein bekannten Probleme seien verschiedene Lösungen vorgeschlagen worden. Die US-amerikanischen Patente 3 165 274 und 3 409 238 beschrieben Abschirmungen , die zwischen eine fertiggestellte Spulenpackung und das Reibantriebselement eingeschoben werden könnten, um zu verhindern, dass ein Fadenende auf dem Antriebselement aufgewickelt wird. Die US-Patentschrift 4 327 872 zeige ein schwenkbares Fadenrückhalteelement. Die japanische Patentanmeldung sho 60-15369 offenbare ein Spulaggregat für synthetische Fäden , das zwei auf einem Revolver angebrachte Spulendorne und AbschirmMittel umfasse, die aus einer zurückgezogenen Ruhelage in eine Arbeitsstellung zwischen einer fertiggestellten Spulenpackung auf dem ersten und einer auf dem zweiten Spulendorn neu im Aufbau begriffenen Spulenpackung bewegt werden könnten.
10
3. Die Streitpatentschrift bezeichnet es als Ziel der vorliegenden Erfindung , eine Lösung der genannten Probleme vorzuschlagen, die der Verwendung auf einem Spulaggregat angepasst ist, das eine Mehrzahl von Spulendornen und Mittel zur Fadenübertragung von einem Spulendorn auf den anderen aufweist, und schlägt ein Filament-Spulaggregat vor (zusätzliche Merkmale gemäß dem Hilfsantrag der Beklagten kursiv gedruckt), mit 1. einem ersten und einem zweiten Spulendorn, auf welche Fadenpackungen aufgespult werden können, 2. mit Mitteln zum Übertragen eines Fadens von einer auf dem ersten Spulendorn aufgespulten Spulenpackung auf den zweiten Spulendorn zum Beginnen des Aufspulens einer Spulenpackung darauf, und 3. mit Abschirm-Mitteln, die aus einer Ruhelage in eine Arbeitsstellung zwischen der fertiggestellten Spulenpackung auf dem ersten Spulendorn und der neuen Spulenpackung auf dem zweiten Spulendorn bewegbar sind, 4. mit vorgesehenen Hilfs-Führungsmitteln (44, 440) zum Auslenken eines Fadens während des Wechsels der Aufspulung vom ersten auf den zweiten Spulendorn, die 5. mit Abdeck-Mitteln (110) zusammenwirken, um eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulendorn (24) von einem Aufspulvorgang auf den zweiten Spulendorn (26) abzuschirmen; wobei 6. die Abschirm-Mittel (110) und die Führungsmittel (44, 440) je eine Kante aufweisen, 7. und wobei diese Kanten nebeneinander liegen, wenn sich die Abschirm-Mittel (110) und die Führungsmittel (44, 440) in ihrer Abdeckposition befinden.
11
4. Die nachstehend abgebildete Figur 1 des Streitpatents zeigt schematisch die Draufsicht auf ein Spulaggregat mit zwei Spulendornen und Reibwalzenantrieb :
12
Die um ihre Längsachse (20) rotierende Reibantriebswalze (18) ragt starr aus dem Antriebskopf-Gehäuse (16) vor, während zwei Spulendorne (24, 26) drehbar auf Schwenkarmen (28, 30) gelagert sind. Auf sie sind Spulenhülsen (102) aufgesteckt, auf die der Faden mit Hilfe einer herkömmlichen Changiervorrichtung (22) gespult wird, und zwar indem der Faden (14) um die Reibantriebswalze geführt und unter Druckkontakt zwischen Antriebswalze und Spulenpackung so lange auf die Spulenhülse aufgespult wird, bis die vorgesehene Größe erreicht ist. Dabei wandern die Achsen der Spulendorne, auf die jeweils eine Spulenpackung aufgespult wird, entsprechend ihrem zunehmenden Umfang auf den Kurven (29 bzw. 31) in Richtung auf die jeweiligen Endpositionen (36, 250). Die patentierte Erfindung soll sich, der Streitpatentschrift zufolge, weder auf die beschriebene Antriebsart durch Reibwalzen beschränken - die Spulendorne können auch durch Einzelmotoren angetrieben werden -, noch auf die Lagerung der Spulendorne auf Schwenkachsen (stattdessen: Aufnahme der Spulendornpaare auf Revolver, Anspruch 3, vgl. auch Streitpatentschrift, Übersetzung S. 16 f.).
13
Die Mittel zum Abtrennen des Fadens und dessen Übertragung von einer auf dem ersten Spulendorn aufgespulten Packung auf den zweiten Spulendorn zum Beginn des Aufspulvorgangs auf diesem (Merkmal 2) werden in der Streitpatentschrift nicht erläutert, sondern dafür wird auf die europäische Patentanmeldung 73 930 verwiesen. Soweit die Figur mit der Bezugsziffer 14A ein vom oberen Spulendorn herabhängendes Fadenende zeig t, ist unstreitig, dass dieses in Anbetracht der gegen den Uhrzeigersinn gerichteten Laufrichtung des oberen Spulendorns mit falscher Ausrichtung eingezeichnet ist.
14
5. Figur 2 zeigt den Einsatz eines Hilfs-Führungsmittels (44) bei der Vorbereitung des Wechsels des Fadens von einer ausschwenkenden vollen Spulenpackung (40) zum Aufwinden auf dem einschwenkenden Spulendorn (26):
15
Das Hilfs-Führungsmittel, in der Streitpatentschrift auch als (Hilfs-)Führungselement , (Hilfs-)Auslenkelement (44) oder Fadenauslenk- bzw. -auslenkungsmittel bezeichnet, ist ein Bauteil, das zwischen einer zurückgezogenen Lage (mit durchgezogenen Linien in Figur 2 dargestellt) und einer Arbeitsstellung (strichpunktierte Linien in Figur 2) wechseln kann. Es lenkt in der Arbeitsstellung den Faden (18) zur Einleitung des Fadenwechsels von der fertiggestellten Spulenpackung (40) auf dem oberen Spulendorn (24) aus, damit der Faden vom einschwenkenden Spulendorn leichter abgefangen werden kann, so dass auf diese Weise der Beginn der Aufwicklung des Fadenendes auf die auf dem unteren Spulendorn (26) aufgebrachte Hülse sichergestellt ist. Diese Funktion ist in der europäischen Patentanmeldung 73 930 offenbart und beschrieben.
16
Dem Auslenkelement ist im Streitpatent eine zweite Funktion zugewiesen , und zwar die der Abschirmung. In dieser Funktion tritt es zu dem außerdem vorzusehenden Abschirmmittel (110) und ergänzt den von diesem verwirklichten Schutz vor einer Übertragung des von einer vollen Spulenpackung abstehenden Fadenendes auf die Reibantriebswalze oder die neue Spulenpackung. Die Streitpatentschrift bezeichnet die beiden Abschirmelemente als Haupt- und Hilfs-Abschirmmittel. Zu Letzterem ist das Fadenauslenkungsmittel der Streitpatentschrift zufolge "vorzugsweise" ausgebildet (Übersetzung S. 3); andere Hilfs-Abschirmmittel als die in der Doppelfunktion wirkenden Fadenauslenkungsmittel (44 i.V. mit 440) sind in der Streitpatentschrift allerdings nicht offenbart.
17
Das Auslenkelement besteht, worauf in der Beschreibung unter Bezugnahme auf die Figur 2 hingewiesen wird, aus einem Stück, wobei seine nach vorn vorstehende Partie als auswechselbare Leiste (440) ausgebildet sein kann, die sich im Wesentlichen über die gesamte Länge der auf einem Spulendorn aufzubringenden Spulenpackungen erstreckt.
18
6. Das Auslenkelement wirkt mit Abdeck-Mitteln zusammen, um eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulendorn (24) von einem Aufspulvorgang auf den zweiten Spulendorn abzuschirmen (Merkmal 5). Patentanspruch 1 verwendet den Begriff "Abdeck-Mittel" als Synonym für "(Haupt-)AbschirmMittel". Das ergibt sich aus der übereinstimmenden Zuordnung des Bezugszeichens 110 und der Beschreibung sowie den Figuren.
19
Zu dem Zusammenwirken des Auslenkelements mit dem Abdeck-Mittel verhält sich Patentanspruch 1 nur insoweit, als er mit dem Auslenkelement und den Abschirm-Mitteln die Vorrichtungselemente benennt, mit denen die Ab- schirmwirkung erzielt werden soll. Diese Elemente müssen nur ganz allgemein die Eignung aufweisen, eine Spulenpackung (40) auf dem ersten Spulendorn (24) von einem Aufspulvorgang auf den zweiten Spulendorn abzuschirmen. Als Ausführungsbeispiel illustriert Figur 3 dieses Zusammenwirken.


20
Figur 3 zeigt als Kreisbogen den untersten Teil einer fertig gestellten oberen Spulenpackung (40) und den Beginn des Aufspulvorgangs auf der auf den unteren Spulendorn (26) aufgesteckten Spulenhülse (102 L), die sich dementsprechend in Kontakt mit der Reibantriebswalze (18) befindet. Die Platte (110) des Haupt-Abschirmmittels ist in diesem Ausführungsbeispiel gebogen und kann mit Hilfe einer Konstruktion aus weiteren Platten, Schienen, Gleitern und Rollen (116, 118, 120, 122, 126) von der Ruhestellung bei der Wand (114) in die Arbeitsstellung verfahren werden. Die Befestigung und der Bewegungs- mechanismus für die Abschirmplatte sind der Streitpatentschrift zufolge jedoch nicht für die Erfindung wesentlich, sondern nur beispielhaft gezeigt. Entscheidend ist ganz allgemein, dass sie bewegbar ist. Auch ansonsten beinhaltet Patentanspruch 1 außer der zuvor abgehandelten Funktion keine weiteren Vorgaben. Die Abschirmplatte muss nicht gekrümmt ausgebildet sein, sondern kann, je nach Platzverhältnissen, auch längs einer Geraden hin- und herbewegbar sein; sie braucht nicht starr zu sein, sondern kann als flexibles, aufrollbares Blatt wie beispielsweise in der US-Patentschrift 3 165 274 ausgestaltet sein, entscheidend ist allein, dass das unter Einfluss von Zentrifugalkräften auf und ab wehende Fadenende der fertiggestellten Spulenpackung am AbschirmElement wie an einem Schild abprallt.
21
In Figur 3 ist des Weiteren das Zusammenwirken des Haupt-Abschirmmittels mit dem in eine Arbeitsstellung ausgefahrenen Auslenkelement (44), das mit einer auswechselbaren Leiste (440) ausgebildet ist, schematisch dargestellt. Der Abstand l kann aufgrund von Versuchen gewählt werden und ist vorzugsweise so schmal wie möglich, ohne dass die Platte (110) und die Leiste (440) sich berühren; der Spalt kann aber auch faktisch zum Verschwinden gebracht werden, indem die Platte und die Leiste so übereinander angeordnet werden, dass sie sich überlappen (Übersetzung S. 10, 11).
22
II. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist neu (Art. 54 EPÜ).
23
1. Die deutsche Offenlegungsschrift 22 12 505, die deutsche Patentschrift 24 49 912 und die deutsche Offenlegungsschrift 25 44 365 betreffen allesamt die Aufwicklung von metallischen Drähten und damit gänzlich anders geartete Materialien als Garne. Die offenbarten Maschinen weisen im Übrigen entweder keine (Hilfs-)Führungs-Mittel zum Auslenken des Drahtes (eines Fa- dens) auf, die mit den Abschirm- oder Abdeck-Mitteln zusammenwirkten, um eine Abschirmfunktion zu erfüllen, oder vorhandene Führungs-Mittel sind nicht dazu vorgesehen, mit den Haupt- und Hilfs-Abdeckungen zusammenzuwirken, um eine Spulenpackung auf dem ersten Spulendorn von einem Aufspulvorgang auf dem zweiten Spulendorn abzuschirmen (Merkmal 5).
24
2. Die US-amerikanischen Patentschriften 3 165 274, 3 409 238 und 4 327 872 sowie die japanischen Offenlegungsschriften sho 54-64148 und 60-15369 betreffen verschiedene Gestaltungen von Garnaufwickelmaschinen, die alle über verschiedene Abschirm-Mittel (Merkmal 3) verfügen, bei denen jedoch durchweg keine Auslenkmittel (Merkmal 4) vorgesehen sind.
25
Soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten in Bezug auf die US-amerikanische Patentschrift 3 165 274 von einem Fadenauslenkungssystem gesprochen hat, das über Rollen funktioniere, handelt es sich dabei nicht um ein Auslenkelement i.S. des Streitpatents; denn darunter versteht der Fachmann, wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend ergänzt hat, ein zusätzliches Element. Ein solches weist die genannte amerikanische Patentschrift nicht auf; vielmehr erfolgt die Fadenauslenkung dort allein infolge des durch das Verschwenken des Revolvers ausgelösten Fadenlaufs.
26
3. Die europäische Patentanmeldung 73 930 zeigt keine Abschirm-Mittel (Merkmal 3), die als Abdeck-Mittel (110) mit Führungs-Mitteln zusammenwirken (Merkmal 5).
27
III. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme (§ 286 ZPO) kann der Gegenstand von Pa- tentanspruch 1 nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden.
28
1. a) Wie sich aus der Beschreibung des Streitpatents ergibt, war dem Fachmann bekannt, dass beim Filamentspulen tunlichst Abschirmungen vorzusehen sind, um zu verhindern, dass sich von fertiggestellten Spulenpackungen infolge der Zentrifugalkraft radial nach außen nachgeschleppte Fadenenden auf der Reibantriebswalze oder der neuen Spulenpackung verfangen und dort aufgespult werden bzw., dass von der fertigen Spulenpackung herrührende Flusen oder Fadenstücke fehlerhaft mitaufgespult werden. Für die herkömmlichen Spulmaschinensätze mit auf Revolvern aufgesetzten Spulendornen waren im Stand der Technik verschiedene Lösungen bekannt. Dem Streitpatent ging es ersichtlich darum, eine Lösung nicht nur für solche Systeme vorzuschlagen, sondern ganz allgemein für Spulaggregate mit mehreren Spulendornen (vgl. Beschreibung Übersetzung S. 2 Mitte), also auch für auf Schwenkarmen gelagerte Aufspulvorrichtungen, wie sie Gegenstand der europäischen Patentanmeldung 73 930 sind. Aus dieser Anmeldung sind Auslenkelemente, wie sie das Streitpatent zur Fadenauslenkung (Merkmal 4) und als (Hilfs-)Abschirmmittel vorsieht (Merkmal 5), bekannt. Für den Fachmann war offenkundig, dass auch solche Aggregate mit einer wirksamen Abschirmung ausgestattet werden mussten , weil bei ihnen die Gefahr der Aufwicklung von Fadenenden, die von einer vollen Spulenpackung nachgeschleppt werden, gleichermaßen bestand. Die Schrift (Übersetzung S. 20 f.) erörtert im Zusammenhang mit den aus der Geometrie der Maschine resultierenden Zwängen und möglichen Störungsquellen zwar, dass, wenn keine Vorkehrung für die rasche Entfernung eines vollen Spulenkörpers getroffen würde, dieser weiter entfernt vom Reibantriebselement angeordnet sein müsse, um Störwirkungen zwischen dem fertiggestellten und dem neuen Spulkörper zu vermeiden. Der Fachmann wird eine wirtschaftlich- technisch annehmbare Abschirmung aber nicht darin sehen, einfach nur die Endpositionen der Spulendorne so weit voneinander entfernt anzuordnen, dass allein durch die Distanz die Gefahr der unerwünschten Fadenaufwicklung gebannt wird. Denn die Anwender drängen normalerweise darauf, die größtmöglichen Spulkörperdurchmesser innerhalb der kleinstmöglichen Gesamtabmessungen zu erhalten (Übersetzung S. 20). Um die Dimensionierung der Aggregate in für die Abnehmer weiterhin attraktiven Grenzen zu halten, wird der Fachmann deshalb eine wie ein Schild wirkende Abschirmung vorziehen, die zwischen eine volle Spule und die Reibantriebswalze und den Spulendorn mit der noch leeren Packung geführt werden kann, weil der für eine wirksame Abschirmung erforderliche Abstand zwischen den genannten Teilen auf diese Weise verkleinert werden kann. Für die Ausgestaltung solcher Abschirmungen findet der Fachmann im Stand der Technik verschiedene Vorbilder, an die er anknüpfen kann. Dass diese durchweg für revolvergelagerte Spulendorne konzipiert sind, steht dem nicht entgegen, weil daraus keine prinzipiellen Abweichungen hinsichtlich der Funktion der Abschirmung und deren Ausgestaltung resultieren. Der Fachmann erkennt insbesondere, dass die Abschirmung bei beiden Konstruktionsprinzipien zumindest zeitweilig aus einer Arbeitsposition in eine Ruhestellung bewegbar sein muss, um den Fadenwechsel nicht zu stören.
29
b) Aufgrund der geometrisch-konstruktiven Gegebenheiten bei einem mit einem Auslenkelement ausgestatteten Spulmaschinensatz wird der Fachmann die Aufhängung für ein Abschirmelement, technisch zwangsläufig, an der dem Auslenkelement gegenüberliegenden Seite vorsehen. Die theoretisch vorstellbare Einführung einer Abschirmung von der vorderen Seite würde eine Konstruktion erfordern, die einen deutlich höheren konstruktiven Aufwand erforderte , als die Lösung mit einer seitlichen Aufhängung. Wie sich aus der Erörterung mit dem Sachverständigen ergeben hat, misst der Fachmann der Gewährleis- tung eines kontinuierlichen, ungestörten Produktionsablaufs höchste Priorität bei, weshalb er bestrebt ist, die Abschirmung so vollkommen wie möglich auszuführen. Darum wird er die vom Streitpatent vorgesehene Abschirmplatte so nahe an das Auslenkelement heranführen, wie dies möglich ist, ohne dass beide Teile sich in der Arbeitsstellung des Auslenkelements berühren und durch den Kontakt beschädigt werden könnten. Damit gelangt der Fachmann zu einer Vorrichtung, wie das Streitpatent sie unter Schutz stellt, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.
30
c) Das gilt ungeachtet des von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hervorgehobenen Umstands, dass dem Auslenkelement gemäß Patentanspruch 1 eine zusätzliche Funktion zugewiesen ist, die weder in der europäischen Patentanmeldung 73 930 noch sonst im in das Verfahren eingeführten Stand der Technik offenbart ist. Die Auffindung dieser zusätzlichen Funktion rechtfertigt im Rahmen des Vorrichtungsanspruchs, als der Patentanspruch 1 formuliert ist, nicht die Gewährung von Patentschutz. Patentrechtlich maßgeblich ist insoweit, dass Patentanspruch 1 (lediglich) eine Vorrichtung unter Schutz stellt, die mit dem Auslenkmittel ein im Stand der Technik vorhandenes, mechanisches Vorrichtungselement einsetzt. Dass dem Fachmann abverlangt war zu erkennen, dass dem Auslenkelement (auch) die Eignung als (Hilfs-)Abschirmelement innewohnt und es deshalb eine Doppelfunktion übernehmen kann, ändert nichts daran, dass es sich um ein bekanntes Vorrichtungselement handelt. Die technisch-intellektuelle Leistung, die in der Auffindung der Einsatzmöglichkeit des Auslenkelements in einer weiteren Funktion stecken mag, findet keine Entsprechung in den Merkmalen des Vorrichtungsanspruchs und kann in diesem Rahmen deshalb auch nicht als erfinderische Leistung honoriert werden.
31
d) Dass mit dem (Haupt-)Abschirm-Mittel ein Element vorgesehen ist, das mit dem Auslenkmittel zusammenwirkt, um die Abschirmung insgesamt zu gewährleisten, stellt für sich ebenfalls keine den Schutz der Vorrichtung rechtfertigende erfinderische Leistung dar, weil sich dem Fachmann, wie ausgeführt, auch bei einem mit einem Fadenauslenkelement versehenen Spulaggregat die Erforderlichkeit einer (weiteren) Abschirmung aufdrängt.
32
e) Zur Schutzfähigkeit gereicht es dem Gegenstand von Patentanspruch 1 ferner nicht, dass für die Funktion der Auslenkung das vordere Ende des geknickten Elements (44) im Vordergrund steht, über das der Faden ausgelenkt wird, während die Abschirmfunktion von der Oberseite des Elements in seiner gesamten Länge ausgeübt wird. Dieser Umstand ist kein besonderes Merkmal des Vorrichtungsanspruchs und deshalb für die Frage der Schutzfähigkeit der Vorrichtung nicht heranzuziehen. Ebenso wenig fällt es unter dem Gesichtspunkt der erfinderischen Tätigkeit ins Gewicht, dass das Auslenkelement (44) nach Patentanspruch 1 mit einer Leiste (440) versehen ist, die in der europäischen Patentanmeldung 73 930 noch nicht vorgesehen ist.
33
f) Nichts anderes gilt schließlich für den Umstand, dass das Auslenkelement für diese Funktion gemäß der Beschreibung der europäischen Patentanmeldung 73 930 so geschaltet wird, dass es nach Abschluss des Fadenwechselvorgangs in eine zurückgezogene Stellung bewegt wird, in welcher es nicht irgendeinen der normalen Vorgänge der Maschine stört - worunter nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen namentlich der Aufspulvorgang zu verstehen ist (vgl. Beschreibung, Übersetzung S. 33, 62 ff.). Dass diese Schaltung abgewandelt werden muss, wenn das Auslenkelement Abschirmfunktionen jedenfalls bis zum Stillstand der vollen Spulenpackung übernehmen soll, ist evident, aber ebenfalls nicht Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs.

34
2. Der Senat hält im Übrigen dafür, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann auch unabhängig von dem vorstehend unter IV 1 Ausgeführten durch den Stand der Technik nahegelegt war, sobald er die Aufgabe , eine wirkungsvolle Abschirmung bereitzustellen, allgemein auf Spulmaschinenaggregate mit mehreren Spulendornen bezog und nicht nur auf solche mit Revolverwechselvorrichtungen. Denn unter dieser Voraussetzung hatte er auch die in der europäischen Patentanmeldung 73 930 offenbarte Lösung mit auf Schwenkarmen gelagerten Spulendornen und mit einer Fadenauslenkung ausgestatteten Maschinensätzen im Blick. Wie ausgeführt, war für den Fachmann von der Maschinengeometrie her ebenso vorgegeben, eine seitlich montierte Abschirmung vorzusehen, wie, diese - im Interesse eines annähernd lückenlosen Schutzes - so nahe wie möglich an die Arbeitsstellung des Auslenkelements heranzuführen. Die konstruktionszeichnerische Skizzierung der in Betracht kommenden, das vorhandene Auslenkelement in seiner maximalen Auslenkposition berücksichtigenden Lösungsmöglichkeiten führte dem Fachmann unweigerlich vor Augen, dass sich das - zeichnerisch in Arbeitsstellung fixierte - Auslenkelement als Verlängerung der durch die Abschirmplatte verwirklichten Abschirmung anbot. Dass es für die Auslenkfunktion nur auf die schmale Stirnseite dieses Elements ankam und dass es in der Funktion als Auslenkelement nur während eines vergleichsweise kleinen Zeitfensters in dieser Stellung verblieb, um anschließend in die Ruhestellung verschwenkt zu werden, ändert nichts daran, dass es von der gesamten Gerätegeometrie her vom Fachmann als eine ideale Verlängerung und Ergänzung des Hauptabschirmmittels erkannt wird. Unter diesen gegebenen Voraussetzungen stellt die dafür erforderliche fachmännische Loslösung von der reinen Auslenkfunktion und der auf sie abgestimmten Steuerschaltung keine das Vermögen des Durchschnittfachmanns übersteigende Leistung dar.

35
3. Die Aufnahme der Merkmale des erteilten Unteranspruchs 5 in den Hauptanspruch dient, wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt worden ist, der prägnanteren Herausstellung der Vorteile der Erfindung; eine die Gewährung des Patentschutzes rechtfertigende eigenständige erfinderische Maßnahme ist darin ebenso wenig zu erkennen, wie in den Gegenständen der Unteransprüche.
36
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V. mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Scharen Gröning Berger
Grabinski Hoffmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.09.2005 - 2 Ni 12/04 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 136/99 Verkündet am:
1. April 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 1. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 23. Februar 1999 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in der Verfahrenssprache Deutsch erteilten europäischen Patents 0 344 815 (Streitpatents), das beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer 589 00 904 geführt wird und "Verfahren und Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut, insbesondere Stückgutstapeln, mit
einer Stretchfolienhaube" betrifft. Das Streitpatent ist am 5. Juni 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Voranmeldung P 38 18 973.9-27 vom 3. Juni 1988 angemeldet und am 4. März 1992 veröffentlicht worden.
Im Einspruchsbeschwerdeverfahren wurde das Streitpatent beschränkt aufrechterhalten. Gemäß der am 15. Oktober 1997 veröffentlichten "neuen europäischen Patentschrift" EP 0 344 815 B2 umfaßt es 20 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet: "Verfahren zum vollständigen Umhüllen von Stückgut (2) mittels Stretchfolien, insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel (2), die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen, wobei ein schlauchförmiger Folienabschnitt (3'), dessen Umfang kleiner ist als der Umfang des zu umhüllenden Stückgutes (2), von einem (Schlauch-)Folienvorrat (3) abgezogen und an seinem freien Ende durch Aufspreizen geöffnet wird; die Seitenwände des Schlauchfolienabschnittes (3') durch Reffen in im wesentlichen konzentrisch zur vertikalen Mittelachse des zu umhüllenden Stückgutes verlaufende Falten gelegt werden; der Schlauchfolienabschnitt (3') an seinem dem Faltenvorrat zugekehrten Ende abgeschweißt und die so gebildete Folienhaube (3'') vom Folienvorrat (3) abgetrennt wird; die Folienhaube (3'') in horizontaler Querrichtung quergestretcht wird; und die quergestretchte Folienhaube (3'') unter das Folienmaterial glättender, über das Stückgut ziehender Längsspannung über das zu umhüllende Stückgut gezogen wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Folienhaube (3'') vor dem Überziehen wenigstens im Bereich der Haubenseitenwände zusätzlich in vertikaler Längsrichtung um mindestens 5 % ihrer vertikaler Ausgangslänge im quergestretchten Zustand längsgestretcht wird."
Die Patentansprüche 2 bis 11 sind auf den Verfahrensanspruch 1 zurückbezogen. Wegen ihres Wortlauts wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Patentanspruch 12 lautet:
"Vorrichtung (1) zum Umhüllen von Stückgut (2) mittels Stretchfolie (3'), insbesondere von gestapelten Stückgutteilen, wie bspw. und insbesondere mittels einer Palettiervorrichtung gebildeter Stückgutstapel , die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen mit einer (Schlauch-)Folien-Abzugseinrichtung (5), mittels welcher schlauchförmige Stretchfolie (3) abschnittsweise von einem (Schlauch-)Folienvorrat abzuziehen ist, einer der Abzugseinrichtung (5) nachgeordneten Aufspreizeinrichtung (6), mittels welcher die schlauchförmige Stretchfolie an ihrem freien Endabschnitt aufzuspreizen ist; einer der Aufspreizeinrichtung (6) nachgeordneten Reffeinrichtung (9) zum Reffen des Folienabschnittes über eine vertikale Strecke, die kleiner ist als die Länge des Folienabschnittes; einer Schweißeinrichtung (10) zum Abschweißen eines von dem Folienvorrat abgezogenen Schlauchfolienabschnittes (3') an dessen dem Folienvorrat zugekehrten Endabschnitt ; einer Schneideeinrichtung (12), mittels welcher jeweils eine beim Abschweißen gebildete Folienhaube (3'') von dem Folienvorrat abzutrennen ist, einer Quer-Stretcheinrichtung (13; 14), mittels welcher der Folienabschnitt in horizontaler Querrichtung zu stretchen ist; und einer (Haubenüberzieh-)Hubeinrichtung, mittels welcher die quer gestretchte Haube (3'') über das zu umhüllende Stückgut (2) zu ziehen ist, zur Durchführung des Verfahrens nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 - 11 gekennzeichnet durch eine Längsstretcheinrichtung (14, 24), mittels welcher der Folienabschnitt /die Folienhaube (3'') in vertikaler Längsrichtung (25) um mindestens 5 %, vorzugsweise 10 - 15 % längszustretchen ist." Die Ansprüche 13 bis 20 sind auf Anspruch 12 rückbezogen. Wegen ihres Wortlauts wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents stelle im Hinblick auf die deutschen Offenlegungsschriften 27 06 955,
31 01 310, 30 03 052 und 37 07 877 sowie die US-Patentschrift 4 050 219 kei- ne patentfähige Erfindung dar oder könne nicht nachgearbeitet werden. Zudem sei er offenkundig vorbenutzt.
Die Klägerin hat beantragt,
das europäische Patent 0 344 815 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1 bis 5, 7 bis 11, soweit nicht auf Anspruch 6 rückbezogen, und 12 bis 20 für nichtig zu erklären.
Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Klägerin erstrebt mit ihrer Berufung die Abänderung dieses Urteils und die Nichtigerklärung des Streitpatents. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das Streitpatent hilfsweise mit vier Anträgen gemäß Schriftsatz vom 3. März 2003.
Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Prof. Dr.-Ing. D. G. F., eingeholt, das der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Die Beklagte hat ein schriftliches Gutachten von Prof. Dr. D. A., vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


I. 1. Gegenstand des Streitpatents ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zum vollständigen Umhüllen von Stückgut mit einer Stretchfolienhaube.
Solche Verpackungsverfahren und Maschinen haben die Aufgabe, auf einer Palette gestapeltes Stückgut durch eine Folie zu umhüllen, die sich nach dem Umwickeln oder Überziehen fest an das Stückgut anlegt und dieses einschließlich der Palette zu einer in sich dauerhaft formstabilen Ladeeinheit macht. Dabei wird gefordert, daß das feste Anliegen der Folie an dem Stückgutstapel ohne Beaufschlagung mit Wärme erreicht und die Folie mit einer solchen Spannung in horizontaler und in vertikaler Richtung versehen wird, daß sich die Stückgutteile beim Wirken von Massenkräften nicht verschieben, und zwar auch nicht bei nachträglicher Volumenverringerung des Stückguts. Durch diese Maßnahmen der Ladeeinheitensicherung wird eine Ladeeinheit geschaffen , die den vielfältigen Beanspruchungen während des Transports, beim Umschlagen und beim Lagern ausreichend standhalten kann.
2. Die Streitpatentschrift schildert einleitend, daß man wegen der bekannten Nachteile der Verpackung von Stückgut mit Schrumpffolie dazu übergegangen sei, Stretchfolien zu benutzen. Dabei werde das Material vor dem Umhüllen des Stapels gestretcht. Nach der Umhüllung ziehe es sich wieder zusammen und lege sich - wie gewünscht - an das Stückgut fest an. Bei ausreichend großem "Stretchen" des Folienmaterials würden nach dem Zusam-
menziehen große Kräfte erzeugt, die bei gestapeltem Stückgut für eine ausreichende Stapelfestigkeit sorgten.
Im Stand der Technik seien Verfahren und Vorrichtungen bekannt gewesen , bei denen der Stückgutstapel durch Wickelstretchen von Verpackungsfolie umhüllt werde. Als nachteilig werde beim Wickelstretchen angesehen, daß das Handling umständlich und zeitaufwendig sei und daß der Folienverbrauch, der insbesondere durch Überlappen benachbarter Lagen entstehe, aus Kostengründen als unbefriedigend empfunden werde. Beim Wickeln mit bahnförmiger Stretchfolie in nur einer Richtung (horizontal) werde keine befriedigende Stapelfestigkeit erreicht, da keine erheblichen Normalkräfte zwischen einander benachbarten Stückgutlagen erzeugt würden, die ein Verschieben sicher verhindern könnten. Bei diagonaler Umwicklung entstünden innere Vertikalkräfte, die aber nicht ausreichten, die erforderlichen Reibkräfte zu erzeugen. Vertikales Wickeln ermögliche zwar die Erzeugung der erforderlichen Kräfte, um ein Verschieben der Teile gegeneinander zu verhindern. Das dann erforderliche Abdecken der Seitenflächen mit Blattfolien sei aber aufwendig und schwierig. Das in der europäischen Offenlegungsschrift 0 081 328 vorgeschlagene HandWickelstretchen mit einer zweidimensional gestretchten Folie (d.h. Dehnen der Folie in zwei senkrecht zueinander stehenden Richtungen) sei nicht praktikabel. Wickelstretchen führe häufig nicht zu einer hinreichend witterungsbeständigen Verpackung, da an den Folienrändern Feuchtigkeit in die Verpackungseinheit eindringen könne. Die Sicht auf das verpackte Gut sei nur unvollkommen , wenn es beim Umwickeln zu kaum vermeidbarer Knitterbildung komme (Sp. 2 Z. 9 bis Sp. 3 Z. 6).
Der Beschreibung der Streitpatentschrift zufolge sind deshalb Überlegungen dahin angestellt worden, das zu verpackende Stückgut - wie bei den Schrumpffolien-Verpackungsverfahren bekannt - mit einer Folienhaube aus Stretchfolie zu überziehen. Als nachteilig wird hierbei angesehen, daß diese Verfahren mit großem Aufwand und Platzbedarf verbunden seien. Von Hand müsse - so wird weiter ausgeführt - zunächst eine Stretchfolienhaube in eine Reffvorrichtung eingeführt werden, um einen Reffvorgang (ein ziehharmonikaartiges Zusammenlegen der Haubenseitenabschnitte) zu bewerkstelligen; sodann müsse der Reffrahmen samt Folienhaube zu einem zweiten Stell- bzw. Arbeitsplatz überführt werden, damit die gereffte und vorgestretchte Folienhaube über einen Stückgutstapel gezogen werden könne. Zudem sei bei diesem Verfahren lediglich eine geringe Arbeitsleistung zu erzielen (Sp. 3 Z. 7 bis 32).
Zur Vermeidung dieser Nachteile schlügen die deutschen Offenlegungsschriften 27 06 955, 31 01 310 und 30 03 052 Vorrichtungen vor, die sich auch zum Umhüllen von Stückgut(stapeln) mit einer Stretchfolienhaube eigneten. Daran wird bemängelt, durch das planmäßige Stretchen der Folienhaube in horizontaler Querrichtung werde eine (scheinbar) befriedigende (da glatte) Verpackungseinheit erzielt, die den Anforderungen an die Stapelfestigkeit und an die Dichtigkeit der Umhüllung zunächst genüge. Insbesondere bei Stückgutstapeln , die aus nicht vollständig mit Schüttgut gefüllten Säcken bestünden, komme es aber bei wiederholtem Umschlag mit verhältnismäßig stoßartigem Aufsetzen des Stapels zu einer verzögerten Nachentlüftung. Diese führe bei eindimensional gestretchtem Folienmaterial zwangsläufig zumindest in Vertikalrichtung zu einer Erschlaffung und sogar zur Faltenbildung. Zwar werde beim Überziehen der Folienhaube über den Stückgutstapel eine gewisse Verti-
kaldehnung erzielt. Diese sei aber unerheblich und ungenügend, um eine hinreichende Stapelfestigkeit zu schaffen (Sp. 3 Z. 33 bis Sp. 4 Z. 28).
3. Demgegenüber verfolgt die Erfindung das Ziel, die bekannten Verfahren und Vorrichtungen unter Vermeidung der genannten Nachteile so zu verbessern , daß unter Einsatz von Stretchfolienhauben Verpackungseinheiten geschaffen werden können, die auch bei "Problemstückgütern" und wiederholtem Umschlag ihre Formbeständigkeit nicht verlieren (Sp. 4 Z. 29 bis 40).
4. Nach Patentanspruch 1 wird das technische Problem verfahrensmäßig durch folgende Merkmale gelöst:
1. Verfahren zum vollständigen Umhüllen von Stückgut (2) mittels Stretchfolien, 1.1 von gestapelten Stückgutteilen, 1.2 die mittels einer Palettiervorrichtung gebildet werden und 1.3 die aus mehreren übereinander angeordneten Stückgutlagen bestehen;
in folgenden Schritten:
2. Verwendung eines schlauchförmigen Folienabschnitts (3') zur Bildung einer Folienhaube, 2.1 wobei der Umfang des Folienabschnitts kleiner ist als der Umfang des zu umhüllenden Stückguts (2),
2.2 der Folienabschnitt (3) von einem (Schlauch-)Folienvorrat abgezogen und 2.3 der Folienabschnitt (3) an seinem dem Folienvorrat zuge- kehrten Ende abgeschweißt und abgetrennt wird;
3. der Folienabschnitt wird an seinem freien Ende durch Aufspreizen geöffnet;
4. die Seitenwände des Schlauchfolienabschnittes (3') werden durch Reffen in Falten gelegt, 4.1 die im wesentlichen konzentrisch zur vertikalen Mittelachse des zu umhüllenden Stuckguts verlaufen;
5. die Folienhaube (3'') wird in horizontaler Querrichtung quergestretcht ;
6. die Folienhaube (3'') wird in vertikaler Längsrichtung längsgestretcht 6.1 vor dem Überziehen über den Gutstapel 6.2 zusätzlich zur Querstretchung 6.3 wenigstens im Bereich der Haubenseitenwände 6.4 um mindestens 5 % ihrer Ausgangslänge im quergestretchten Zustand;
7. die quergestretchte Folienhaube (3’’) wird unter das Folien- material glättender, über das Stückgut ziehender Längsspannung über das zu umhüllende Stückgut gezogen.
5. a) Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ist der hier einschlägige Durchschnittsfachmann ein Diplom-Ingenieur mit einer Fachhochschul - oder Universitätsausbildung im Maschinenbau, der über Praxiserfahrungen im Bereich der Stückgut-Fördertechnik mit Schwerpunkt auf dem Gebiet von Maschinen zur Handhabung von festen, pulverförmigen und flüssigen Gütern verfügt und der bei Bedarf einen Werkstoffachmann zu Rate zieht, wenn es um spezifische Eigenschaften von Folien geht. Dieser Fachmann entnimmt dem Streitpatent ein im Stand der Technik bekanntes Verfahren und eine entsprechend ausgestaltete Vorrichtung zum vollständigen Umhüllen von Stückgut mit einer Stretchfolienhaube. Das in Patentanspruch 1 beschriebene erfindungsgemäße Verfahren unterscheidet sich dem Wortlaut nach von dem Vorbekannten dadurch, daß die Folienhaube "vor dem Überziehen über den Gutstapel zusätzlich zur Querstretchung wenigstens im Bereich der Haubenseitenwände" in vertikaler Längsrichtung "um mindestens 5 % ihrer Ausgangslänge im quergestretchtem Zustand" längsgestretcht wird (Merkmalsgruppe 6).

b) Dem Wortlaut des Anspruchssatzes und der Beschreibung in der Streitpatentschrift (insbesondere Sp. 8 Z. 6 bis 8) entnimmt der Fachmann, daß im Unterschied zum Stand der Technik zusätzlich zu der bekannten Querstretchung der Folienhaube erfindungsgemäß ein definierter Längsstretch des Folienmaterials vorgeschlagen wird, um auch bei problematischen Stückgutstapeln ein gegenseitiges Verschieben einander benachbarter Stückgutlagen zu ver-
hindern (Sp. 8 Z. 27 bis 30). Durch zweidimensionales Stretchen der Folien- haube sollen ausreichend große Kräfte in horizontaler und in vertikaler Richtung erzielt werden, um eine formstabile Ladeeinheit auch bei Problemgütern zu schaffen.
Dem einschlägigen Fachmann war aus dem Stand der Technik bekannt, daß sich das Folienmaterial bei der Verwendung von Schrumpfhauben nicht nur in horizontaler, sondern auch in vertikaler Richtung zusammenzieht und dadurch eine formstabile Ladeeinheit erzielt wird. Ferner wußte er, daß bei dem bekannten Haubenstretchverfahren die Ladungssicherung vornehmlich durch Stretchen der Haube in horizontaler Richtung erzeugt wurde und daß es beim Überziehen der Haube über das Stückgut zwangsläufig zu einer gewissen vertikalen Dehnung des Folienmaterials kommt. Hiervon ausgehend versteht der Fachmann das Merkmal 6 des Patentanspruchs 1 dahin, daß die elastischen Eigenschaften der Folienwerkstoffe in zwei (Stretch-)Richtungen ausgenutzt werden sollen und hierfür eine Bemessungsregel in Form der Angabe von Wertebereichen formuliert wird: Zu dem horizontalen Stretchen (bevorzugt um 15 bis 20 %, Sp. 4 Z. 56) soll das zusätzliche definierte vertikale Stretchen der Folienhaube um mindestens 5 % (vorzugsweise etwa 10 bis 15 %, Sp. 4 Z. 59 und Sp. 5 Z. 1) ihrer Ausgangslänge in quergestretchtem Zustand hinzutreten. Lehre des Patentanspruchs 1 ist damit die Anweisung, die Formbeständigkeit auch bei Problemstückgütern selbst bei wiederholtem Umschlag und längerer Lagerzeit nachhaltig (Sp. 5 Z. 1) durch Stretchen der Folienhaube in zwei im rechten Winkel zueinander stehenden Richtungen zu sichern.
Bei Studium des Anspruchssatzes des Verfahrensanspruchs 1 des Streitpatents erkennt der Fachmann, daß die Anordnung in Merkmal 6, die Folienhaube "vor dem Überziehen über den Gutstapel" vertikal zu stretchen, in sich nicht schlüssig ist und deshalb weiterer Aufklärung bedarf. Zwar wird er den einzelnen Verfahrensschritten entnehmen, daß es unter Würdigung der mit dem Verfahren gefundenen Lösung des technischen Problems prinzipiell denkbar ist, das Längsstretchen der Folienhaube entsprechend dem strengen Wortlaut des Merkmals 6.1 vollständig "vor dem Überziehen" durchzuführen; denn es kommt, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, bei dem das Verfahren betreffenden Teil des Streitpatents letzten Endes allein darauf an, in der umhüllenden Stretchfolie einen hinreichenden Spannungszustand in den beiden genannten Richtungen zu erzeugen, der auch dann noch in ausreichender Größe erhalten bleibt, wenn die Folie sich allseitig an das Stückgut bzw. am einem Stückgutstapel angelegt hat.
Der Fachmann wird aber auf Grund der Beschreibung des Ausführungsbeispiels und durch die Zeichnungen Figur 5 bis Figur 7 zu der Erkenntnis gelangen , daß die Aussage "vor dem Überziehen" nicht wörtlich, sondern in dem Sinn von "vor dem vollständigen Überziehen" bzw. "während des Überziehens" zu verstehen ist, wobei der Überziehvorgang, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat, anfängt, wenn die Folienhaube in senkrechter Richtung die Oberkante des Gutstapels zu überfahren beginnt, dem dann der weitere Verfahrensschritt des Einhüllens, des Anlegens der Folienhaube an die Seitenwände des Gutstapels mit (zeitlicher) Verzögerung folgt. Nach der Beschreibung wird zunächst die Folienhaube hergestellt (Sp. 5 Z. 18 bis 36, Figuren 1 bis 4). Sodann wird die Folie gerefft und
horizontal mittels der Reffeinrichtung gestretcht (Figur 5), wobei der das Reffen bewirkende Teil der Vorrichtung ausgeschwenkt wird (Sp. 5 Z. 36 bis 40; Sp. 7 Z. 2 bis 11). Figur 6 wird dahin beschrieben, daß die (horizontal) gestretchte Folienhaube über einen darunter befindlichen Stückgutstapel gezogen wird, "wobei zugleich ein vertikales Stretchen der Seitenwände der Folienhaube erfolgt" (Sp. 5 Z. 39 bis 44). Der Fachmann erfährt aus der weiteren Beschreibung , daß ein vertikales Stretchen der Folien auch beim Abziehen vom Schlauchvorrat erfolgen kann, also vor dem Querstretchen (Sp. 7 Z. 16 bis 19), daß dies allerdings als unzweckmäßig angesehen wird. Vorteilhaft soll hingegen ein Längsstretch um mindestens 5 % nach dem Horizontalstretchen der Folie beim Überziehen der Folienhaube über den Gutstapel sein, weil sich die Folie beim Querstretchen ohne vorausgehenden Längsstretch einfacher handhaben lasse (Sp. 7 Z. 16 bis 23). Das zusätzliche vertikale Stretchen der bereits gerefften und in Horizontalrichtung quergestretchten Folienhaube (3'') erfolgt beim Überziehen der Folienhaube über den Stückgutstapel. Dabei wird die Folie über die einen Widerstand bildenden (Längs-)Stretchbügel (24) gezogen und beim Absenken der Reffeinheit (16) in vertikaler Längsrichtung (gemäß Pfeil 25 der Figur 5) gestretcht. Da die Haube mit ihrem (oben liegenden ) Boden fest am Stückgutstapel zu halten ist und auch insoweit ein entsprechendes Widerlager bildet, ist es auch ohne weiteres möglich, den gewünschten , zweckmäßigen Längsstretch durch Reibrollen, Reibwalzen oder dergleichen aufzubringen, die auf die an einem Widerlager anliegende Haube einwirken (Sp. 8 Z. 40 bis 43). Hierdurch erfolgt ein definiertes Längsstretchen um ca. 12 % der bereits quergestretchten Folie (Sp. 7 Z. 24 bis 31).
Dieses Verständnis sieht der Fachmann durch Unteranspruch 5 bestätigt , der auf Patentanspruch 1 zurückbezogen ist. Danach kann das Längsstretchen der Folienhaube wenigstens teilweise beim Überziehen der Folienhaube über das zu umhüllende Stückgut erfolgen.

c) Der vertikale Längsstretch soll nach den Merkmalen 6.3 und 6.4 wenigstens im Bereich der Haubenseitenwände um mindestens 5 % ihrer Ausgangslänge im quergestretchten Zustand aufgebracht werden. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen entnimmt der Fachmann daraus, daß die vertikale Dehnung der Folie um wenigstens 5 % im gesamten Bereich der Haubenseiten während des Überziehvorgangs, d.h. vor dem vollständigen Anliegen der Folie am Stückgut eingebracht werden soll. Diese Wertangabe verstehe der Fachmann als Anweisung dahin, bei einer bekannten , für das jeweilige Stückgut geeigneten Folie über die übliche vertikale Dehnung hinaus, eine erhebliche weitere Stretchung von mindestens 5 % der infolge der Querstretchung entstandenen Ausgangslänge aufzubringen, um eine Kraft zu erhalten, die ausreiche, um formstabile Ladeeinheiten auch bei Problemstückgut zu erhalten.
II. Der Gegenstand des so verstandenen Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist für den Fachmann auch so deutlich und vollständig offenbart, daß er ihn ausführen kann.
Eine Möglichkeit, wie die Folienhaube vor dem Überziehen in vertikaler Längsrichtung gestretcht werden kann, erwähnt die Streitpatentschrift beispielsweise in dem nicht angegriffenen Anspruch 6 und in Spalte 7 Zeilen 16
bis 19. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen entnimmt der Fachmann aus der Beschreibung und den Zeichnungen der Streitpatentschrift hinreichende Anhaltspunkte dafür, wie er den vertikalen Stretch der Folienhaube bewerkstelligen kann. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, daß die Beschreibung zwar keine konkrete Anweisung dahin entfalte, mit welchen Maßnahmen ein Längsstretch von mindestens 5 % vor dem Anlegen der Folie auf dem Stückgut erreicht werden könne. Auf diese Frage gehe die Streitpatentschrift ebensowenig wie auf die Frage ein, wie der gewünschte, zweckmäßige Längsstretch durch die in der Beschreibung genannten Reibrollen, Reibwalzen oder dergleichen (Sp. 8 Z. 40 bis 44) in die Folie einzubringen ist. Solche Angaben benötige der Fachmann aber zur Ausführung nicht zwingend. Er sei aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres in der Lage, Möglichkeiten für eine vorrichtungsgemäße Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 des Streitpatents zur Verfügung zu stellen.
III. Es kann nicht festgestellt werden, daß Nichtigkeitsgründe nach § 22 Abs. 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG und Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG , Art. 138 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit Art. 54 und 56 EPÜ vorliegen.
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Keine der Entgegenhaltungen zeigt ein Verfahren zum Umhüllen von Stückgut mit einer Stretchfolienhaube mit sämtlichen Merkmalen seines Gegenstandes.
2. Der Senat ist nicht davon überzeugt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in naheliegender Weise ohne erfinderisches Bemühen aus dem Stand der Technik aufzufinden war.


a) Die Anweisung, in eine Folienhaube zusätzlich zu einem Horizontalstretch einen Stretch in vertikaler Richtung einzuprägen, um die Ladung auf einer Palette unverrutschbar zu sichern, war dem Fachmann allerdings auf Grund seines Fachwissens geläufig. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gehörte zu den Grundkenntnissen der technischen Mechanik die Erkenntnis, daß Verschiebekräfte in horizontaler Richtung durch ausreichend große Reibkräfte kompensiert werden müssen und diese Reibkräfte durch Normalkräfte auf die relativ zueinander beweglichen Flächen erzeugt werden müssen. Ebenso gehörte zu diesen Grundkenntnissen , daß die Reibkräfte erzeugenden Normalkräfte durch Spannungen in Längsrichtung der Folienhaube zu erzeugen sind und daß sie anfänglich, d.h. beim Überziehen der Haube über den Gutstapel größer als in diesem Zustand notwendig sein müssen, damit bei einer späteren Volumenverringerung des Stapelguts oder auch nur bei einer Stapelhöheverringerung auch bei dem dadurch verursachtem Nachlassen der Spannung ausreichend große Kräfte in vertikaler Richtung verbleiben.

b) Einen Hinweis darauf, dies gezielt bei der Verwendung von Folienhauben im Stretchverfahren neben dem Horizontalstretchen der Haube durch eine in ihrem Umfang bestimmte Längsstretchung vorzunehmen, erhielt der Fachmann jedoch nicht aus der US-Patentschrift 4,050,219 (Higgins).
Diese Druckschrift befaßt sich mit einer Haubenverpackungsmaschine zum automatischen Anbringen einer Haube über einem Frachtstück, insbesondere mit einer Haube aus elastischer Folie über einer beladenen Palette mit
veränderlichen Abmessungen. Dabei legt die Schrift, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, ihren Schwerpunkt auf die Beschreibung der maschinen- und steuerungstechnischen Aspekte und weniger auf die verfahrenstechnischen Fragen und die zu erzielenden vorteilhaften Ergebnisse.
Bei dieser Vorrichtung wird von einem (Schlauch-)Folienvorrat (38) ein schlauchförmiger Folienabschnitt abgezogen und durch Vakuumköpfe geöffnet. Vier Finger werden in den Schlauch eingeführt. Mit diesen wird die Wand des Schlauchmaterials zwischen den Sammelwalzen und den Fingern positioniert. Die Sammelwalzen drehen sich so lange, bis sie eine ausreichende Menge an Schlauchmaterial auf die Finger geleitet haben, worauf ein Schneid- und Verschweiß -Mechanismus in Gang gesetzt wird, um die Herstellung der Haube abzuschließen. Die richtige Menge an Schlauchmaterial, die auf die Finger aufzubringen ist, wird von dem Sensor bestimmt, der die Maße der beladenen Palette mißt. Nachdem die Haube hergestellt und auf den Fingern gesammelt worden ist, wird über eine Bewegung der Finger die Haube so gedehnt, daß sie über das Frachtstück gezogen werden kann. Anschließend wird eine vertikale Bewegung des Frachtstücks und der Finger zueinander ausgeführt, so daß die Haube auf dem Frachtstück aufgebracht wird. Beim Überziehen über das Frachtstück wird die Haube allerdings auch in vertikaler Richtung gestretcht (Übersetzung S. 1 Abs. 3 bis S. 2 Abs. 1). Das geschieht infolge des Widerstandes der Motoren (76) der Andruckrollen bzw. -zylinderstangen (30), welche die Folie beim Abziehvorgang gegen die Finger (28) drücken und so einen Zug auf die Haube (24) ausüben. Eine gezielte Stretchung im Sinne der Lehre des Streitpatents ist damit nicht verbunden.

Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, daß sich sowohl die Beschreibung als auch die Zeichnungen auf eine Vorrichtung zur Verwendung von Schrumpffolienhauben beziehen. Aus den Figuren 12, 13, 15 und 16, welche die Verfahrensschritte des Sammelns und Überziehens der Haube über das Frachtgut betreffen, ist zu entnehmen, daß das um die Finger gesammelte und gereffte Folienmaterial nicht unter Querspannung steht und daß auch vor und beim Überziehen der Haube über den Frachtgutstapel kein horizontaler Stretch eingebracht wird. Da die Sammelwalzen beim Überziehen der Haube "umgekehrt leer laufen", wird ein gewisser Widerstand erzeugt, wodurch eine "vertikale Stretchkraft" auf die Haube (24) ausgeübt wird (Übersetzung S. 14 Abs. 3). Der Fachmann, dem das Schrumpffolienverfahren bekannt ist und der daher weiß, daß die Folie bei Wärmebeaufschlagung in horizontaler wie auch vertikaler Richtung schrumpft, wird - so der gerichtliche Sachverständige - diese "vertikale Stretchkraft" nicht primär mit der Sicherung der Ladeeinheit in Verbindung bringen. Vielmehr wird er aus der Anordnung schließen, daß die vertikale Dehnung bei der Verwendung von Schrumpfhauben allein dazu dient, Kraft aufzubringen, um ein glattes Anliegen der Folie an dem Stapelgut zu bewirken.
Die Druckschrift erwähnt einleitend, die beschriebene Haubenverpakkungsmaschine könne nicht nur für Wärmeschrumpf-Verpackungsverfahren, sondern auch für Stretchverfahren eingesetzt werden, wobei die Haube sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung gestretcht werden könne (Übersetzung S. 2 Abs. 2). Geht der Fachmann dem Gedanken nach, die Maschine für Verpackungen mit Stretchfolienhauben zu verwenden, so wird er die Ma-
schine entsprechend den Erfordernissen von Stretchmaterial umgestalten müssen. Er sieht sich aber durch die US-Patentschrift 4,050,219 allein gelassen mit der Frage, wie er den Umbau bewerkstelligen muß, um mit dem Stretchverfahren eine formstabile Ladeeinheit zu schaffen. Die Druckschrift enthält zwar den Hinweis, die vorgeschlagene Maschine auch für Stretchverfahren anzuwenden, gibt dem Fachmann aber keine Hilfen an die Hand, auf welche Weise die gereffte Folienhaube in horizontaler und vertikaler Richtung gestretcht werden könnte.

c) Über den Einsatz einer Haubenverpackungsmaschine im Stretchverfahren belehrt hingegen der Prospekt des US-amerikanischen Unternehmens C. in H., M., der an die US-Patentschrift 4,050,219 anknüpft. Der Fachmann erfährt, daß beim Stretch-Haubenverpackungsverfahren durch horizontale Stretch-Kräfte Frachtgutstapel zusammengehalten und durch vertikale StretchKräfte die Fracht auf der Palette gesichert werden kann. Es wird beschrieben, daß zu Beginn des Umhüllungsvorgangs das Schlauchmaterial mit Vakuumköpfe geöffnet wird. Vier Finger greifen sodann in den Schlauch hinein. Die passende Länge an Schlauchmaterial wird auf den Fingern gesammelt und das obere Ende der Haube vollständig oder teilweise verschlossen. Die Haube wird auf die Oberseite des Frachtstücks abgesenkt. Die Finger werden in zwei Richtungen ausgefahren, um die Haube entsprechend den Umrissen des Frachtstücks zu dehnen. Wenn die Haube auf der Oberseite des Frachtstücks aufgebracht wird, kommt das verschlossene Ende mit der Fracht in Kontakt. Das Polymaterial wird beim Überziehen von den Fingern abgezogen, "so daß vertikaler Stretch erzeugt wird".
Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen entnimmt der Fachmann dieser Schrift, daß der vertikale Stretch der Sicherung des Gutstapels dient und daß er erhebliche Kraft in vertikaler Richtung aufbringen muß, um eine solche Sicherung gewährleisten zu können. Angaben zum Maß des aufgewendeten Zugs fehlen hingegen. Mangels solcher Angaben wird der Fachmann geneigt sein, einen möglichst hohen Stretch aufzubringen, soweit das Verpackungsgut und die Folie dies erlauben. Damit offenbart der Prospekt lediglich die Lehre, überhaupt mittels Stretch des Materials eine vertikale Kraft aufzubringen, mit der die Fracht auf der Palette gesichert werden soll. Nicht angesprochen wird das Problem des Streitpatents, auch bei Problemgütern, die beim Umschlagen ihre Gestalt verändern, eine formstabile Ladeeinheit dadurch zu gewährleisten, daß zusätzlich und in Abhängigkeit zu einem Stretch in horizontaler Richtung ein definierter Längsstretch von mindestens 5 % des Ausgangsmaßes eingesetzt wird.

d) Eine weitergehende Offenbarung enthält auch nicht der zu den Akten gereichte Video-Film über das "T. ..."-Verpackungssystem. Nach dem VideoText werden die Kanten der fertigen Stretchhaube an der Maschine befestigt. Ein Rahmen stretcht die Haube so weit, daß sie über das Frachtgut paßt. Sodann hebt der Rahmen die gestretchte Haube über die Palette. Der gerichtliche Sachverständige hat zur Funktionsweise der Maschine glaubhaft ausgeführt, die Folienhaube müsse beim Überziehen über den Stapel in allen Richtungen gespannt werden, um eine gleichmäßige Spannung an allen Seiten und der Oberseite der Palettenladung auszuüben. Um die Ladung auf der Palette festzuhalten , müsse eine signifikante Spannung in vertikaler Richtung aufgebracht werden. Das Einprägen einer Längsdehnung in die Haubenseitenwände erfol-
ge zwangsläufig, wenn die Folie unter der Wirkung von Reibkräften von dem Vorratsrahmen abgezogen werde. Die Folienhaube werde damit zwar gezielt in vertikaler Richtung gestretcht, ein definierter Längsstretch werde aber nicht vorgeschlagen. Als Vorteil schildert der Video-Text, man könne die Stretchund Shrink-Folie aufschneiden, um einzelne Kartons zu entnehmen; man könne sie mit den Spitzen eines Gabelstaplers durchdringen. Die Folie reiße nicht weiter auf und halte das Packgut weiterhin sicher auf der Palette.
Das T. ...-Verpackungssystem gibt dem Fachmann damit keinen Hinweis , wie bei Problemgütern verfahren werden könnte. Soweit eine allseitige 15 %ige Spannung der Folie zur Sicherung des Frachtgutes auf der Palette angesprochen wird, erkennt der Fachmann, daß diese Spannung möglicherweise Folge von aufgebrachten Stretch-Maßnahmen ist. Daraus ergibt sich für ihn aber kein Hinweis dahin, eine solche vertikal gerichtete Kraft aufzubringen, um auch bei Problemgütern eine sichere Ladeeinheit zu gewährleisten.

e) Auch aus der Zusammenschau der genannten Druckschriften folgt für den Fachmann kein Hinweis in Richtung auf die Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, bei einem Folienhauben-Stretchverfahren neben der bekannten Horizontalstretchung eine definierte, in ihrem Umfang durch den nach dem Querstretchen entstandenen Zustand bestimmte vertikale Stretchung der Folie von mindestens 5 % ihrer Ausgangslänge in quergestretchtem Zustand vorzusehen. Die weiter in das Verfahren eingeführten Druckschriften liegen weiter ab.
3. Neben dem Patentanspruch 1 des Streitpatents haben auch die auf ihn zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 und 7 bis 11 Bestand.
4. Dies gilt auch für den auf eine Vorrichtung gerichteten Patentanspruch 12, weil nicht festgestellt werden kann, daß er nicht neu und erfinderisch ist (Art. 54, 56 EPÜ). Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen sind bei der Vorrichtung nach der Lehre des Patentanspruchs 12 zwar die meisten Merkmale der in der US-Patentschrift 4,050,219 beschriebenen Haubenverpackungsmaschine verwirklicht. Abweichend von diesem Stand der Technik sind bei der Vorrichtung nach dem Streitpatent Mittel zum Längsstretchen und Querstretchen der Haube (14, 24, Figur
1) vorgesehen, wobei beide Stretchvorgänge von denselben Mitteln ausgeführt werden. Die Stretchvorrichtung besteht aus den Reffbacken (13) und dem Reffrahmen (14) (Figuren 1 und 3). Der (Längs-)Stretchbügel (24) (Figuren 1 und 6) ist ein integraler Bestandteil des Reffrahmens. Der Längsstretch wird dadurch erzeugt, daß die Folienhaube (3) beim Überziehen des Stückgutstapels (2) über die einen Widerstand bildenden (Längs-)Stretchbügel (24) gezogen wird (Sp. 7 Z. 25 bis 28). Aus den Figuren der Streitpatentschrift geht - abgeleitet aus der Bewegungsmöglichkeit der Reffeinheit (16) - hervor, daß die Folie nur an vier Ecken von der Reffeinheit 16 aufgenommen oder erfaßt wird.
Eine Anordnung von Fingern bzw. Elementen, auf denen die gereffte Folie gehalten wird und die auseinandergefahren werden können, damit die Haube über den Gutstapel gezogen werden kann, zeigt die US-Patentschrift 4,050,219. Die Finger (28), dargestellt in den Figuren 1, 2, 4, 10, 12, 13, 15
und 16, dienen allerdings nicht zum Stretchen der Folie in vertikaler Richtung. Nach den glaubhaften Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen sind sie infolge ihrer konkreten Ausgestaltung hierzu nicht geeignet. Der Längsstretch wird dadurch erzeugt, daß die Folie in der aus Figur 15 ersichtlichen Weise über die leerlaufenden Sammelwalzen (30) und die querverlaufenden Oberkanten der Finger (28) abgezogen wird. Finger, die so angeordnet sind, daß sie die Haube an den Ecken halten, zeigt die C.-Maschine auf der Abbildung Seite 3 des Prospekts. Einzelheiten ihrer Gestaltung sind aber weder aus der Abbildung ersichtlich, noch wird ihre Funktion in dem Text des C.Prospekts angesprochen. Winkelförmige Eckelemente, über welche die Folie abgezogen wird, offenbaren Abbildungen der Maschine im "T. ..."-Prospekt. Ob beide Maschinen allerdings geeignet sind, neben dem Querstretch einen definierten Längsstretch von mindestens 5 % der Ausgangslänge zu erzeugen, konnte nicht festgestellt werden. Zwar kann aufgrund der Gestaltung der Maschinen nicht ausgeschlossen werden, daß beim Überziehen der Haube über das Stapelgut ein Längsstretch erzeugt wird. Daß dabei gezielt ein Längsstretch von mindestens 5 % der Ausgangslänge entsprechend der Lehre des Streitpatents tatsächlich erreicht wird, konnte der gerichtliche Sachverständige nicht angeben.
5. Mit dem Vorrichtungsanspruch 12 haben auch die Unteransprüche 13 bis 20 Bestand.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 ZPO.

Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck