Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2008 - X ZR 60/06

bei uns veröffentlicht am30.01.2008
vorgehend
Landgericht Düsseldorf, 4b O 247/04, 03.05.2005
Oberlandesgericht Düsseldorf, 2 U 60/05, 04.05.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 60/06
vom
30. Januar 2008
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Januar 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Keukenschrijver, Prof.
Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

beschlossen:
Die Anhörungsrüge wird auf Kosten der Klägerin nach einem Wert von 200.629,27 € zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Klägerin hatte die Beklagte wegen Verletzung ihrer eine Zerkleinerungsvorrichtung betreffenden Schutzrechte auf - nach der Lizenzanalogie berechneten - Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hatte ihr unter Abweisung der weitergehenden Klage 280.473,60 DM zugesprochen. Gegen das Urteil hatte nur die Beklagte Berufung eingelegt, dieses Rechtsmittel aber zurückgenommen, nachdem die Klägerin die Klage im Wege der Anschlussberufung - nunmehr nach dem Verletzergewinn berechnet - auf insgesamt 410.569,73 € erweitert hatte.
2
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin beantragt, die Beklagte über den im Vorprozess ausgeurteilten Betrag hinaus zur Zahlung von 405.235,51 € nebst Zinsen zu verurteilen. Die Beklagte hat die Klage für unzu- lässig erachtet, weil das der Klägerin ursprünglich zustehende Wahlrecht bezüglich der Berechnungsmethode durch die rechtskräftige Entscheidung im Vorprozess verbraucht sei. Das Landgericht hat die Zulässigkeit der Klage durch Zwischenurteil bejaht, das Oberlandesgericht die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Durch Urteil vom 25. September 2007 hat der Senat die Klage als unzulässig abgewiesen.
3
Mit ihrer am 7. November 2007 erhobenen Anhörungsrüge macht die Klägerin geltend, dieses Urteil verletze sie in entscheidungserheblicher Weise in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Sie habe sich in den Tatsacheninstanzen hilfsweise für den Fall, dass eine rechtskräftige Entscheidung über ihren gesamten Schadensersatzanspruch im Vorprozess bejaht werde, darauf berufen, ihr sei aufgrund einer vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung seitens der Beklagten ein Schaden in Höhe der Differenz (200.629,27 €) zwischen dem von dieser angegebenen und ihrem tatsächlich erzielten Gewinn entstanden. Der Senat hätte die Klage nicht abweisen dürfen, ohne sich mit diesem hilfsweise geltend gemachten Anspruch aus § 826 BGB auseinanderzusetzen.
4
Die Klägerin beantragt zunächst, das Senatsurteil vom 25. September 2007 aufzuheben, das Verfahren fortzusetzen und die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
5
II. Die nach § 321 a Abs. 1 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Anhörungsrüge ist in der Sache nicht gerechtfertigt. Das als übergangen gerügte Vorbringen unterlag nicht der Beurteilung durch den Senat.
6
Welchen Prozessstoff die revisionsgerichtliche Entscheidung zum Gegenstand hat, ergibt sich - abgesehen von hier nicht erhobenen Verfahrensrügen (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. d ZPO) - aus § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Danach unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen der Beurteilung des Revisionsgerichts, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Es ist dem Bundesgerichtshof verwehrt, Vorbringen, das darin - bzw. in Vorentscheidungen des Berufungsgerichts (vgl. § 557 Abs. 2 ZPO) - nicht enthalten ist, aus den Akten zu entnehmen und seiner rechtlichen Prüfung zugrunde zu legen (vgl. Gaier, Urteilstatbestand und Mündlichkeitsprinzip, S. 205 ff. zu dem § 559 Abs. 1 ZPO entsprechenden § 561 ZPO a.F.). § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO gilt für alle in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile, gegen die die Revision stattfindet. Dazu gehören auch die auf ein Zwischenurteil ergangenen Berufungsurteile (§ 280 Abs. 2 ZPO).
7
Im angefochtenen Urteil ist kein tatsächliches Vorbringen der Klägerin mit Bezug zu der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dokumentiert, auf die sie sich hilfsweise stützen will. Als für den Zwischenstreit maßgebliches tatsächliches Vorbringen ergibt sich aus dem Berufungsurteil lediglich, dass die Klägerin im Verlaufe der Anspruchsverfolgung im Vorprozess, während des dortigen Berufungsrechtszugs, zunächst angekündigt hatte, die Berechnungsmethode für den Schadensersatzanspruch wechseln und nunmehr die Herausgabe des Verletzergewinns verlangen zu wollen und dass sie, gestützt auf diese Berechnungsmethode , ihre Klageforderung auf insgesamt 410.569,73 € erweitert hatte. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin sich hilfsweise darauf stützen wollte, die Beklagte habe ihren Gewinn viel niedriger angegeben, als es tatsächlich der Fall gewesen war und dass darin eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu sehen sei, die sie nunmehr unabhängig von Rechtskraftsgesichtspunkten dazu berechtige, den entgangenen Gewinn einzuklagen, ergaben sich daraus nicht.

8
In Anbetracht der gesetzlichen Regelungen in § 559 Abs. 1 ZPO hatte der Senat keine Veranlassung und keine Handhabe, das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Klägerin in den Tatsacheninstanzen auf etwaige Relevanz für die Entscheidung des Zwischenstreits zu überprüfen (vgl. Gaier, aaO, S. 208 ff.). Dagegen ließe sich nicht einwenden, die Klägerin hätte die unterbliebene tatbestandliche Dokumentation ihres Hilfsvorbringens im Revisionsverfahren gar nicht - durch eine Verfahrensrüge - zur Geltung bringen können, nachdem sie in den Vorinstanzen obsiegt hatte. Hat das Berufungsgericht Teile des Vortrags des in der Berufungsinstanz obsiegenden Revisionsbeklagten übersehen oder übergangen, ohne dass sich das im Ergebnis nachteilig für ihn ausgewirkt hat, obliegt es dem Revisionsbeklagten, den Verfahrensfehler mit einer Gegenrüge geltend zu machen, um zu vermeiden, dass das Revisionsgericht allein wegen des unvollständig im Tatbestand beurkundeten Vorbringens eine ihm ungünstige Entscheidung trifft (vgl. Gaier, aaO, S. 210; Zöller/ Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 557 Rdn. 12). Eine solche Gegenrüge hat die Klägerin nicht erhoben; der hilfsweise angeführte Klagegrund der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung ist im Revisionsverfahren, was die Anhörungsrüge auch nicht geltend macht, weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochen worden.
Melullis Keukenschrijver Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 03.05.2005 - 4b O 247/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 04.05.2006 - I-2 U 60/05 -

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2008 - X ZR 60/06 zitiert 6 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 559 Beschränkte Nachprüfung tatsächlicher Feststellungen


(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt

Zivilprozessordnung - ZPO | § 557 Umfang der Revisionsprüfung


(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. (2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den

Zivilprozessordnung - ZPO | § 280 Abgesonderte Verhandlung über Zulässigkeit der Klage


(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird. (2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur H

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Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar sind.

(3) Das Revisionsgericht ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf das angefochtene Urteil nur geprüft werden, wenn die Mängel nach den §§ 551 und 554 Abs. 3 gerügt worden sind.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

(2) Ergeht ein Zwischenurteil, so ist es in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen. Das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, dass zur Hauptsache zu verhandeln ist.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.