Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2016 - X ZR 3/14

bei uns veröffentlicht am23.08.2016
vorgehend
Bundespatentgericht, 1 Ni 36/12, 30.10.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 3/14
vom
23. August 2016
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2016:230816BXZR3.14.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. August 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Von den Kosten des erstinstanzlichen Nichtigkeitsverfahrens tragen die Klägerin 80 % und die Beklagte 20 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 400.000 Euro festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 976 174 (Streitpatents), das am 16. April 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 197 15 971 vom 17. April 1997 international angemeldet wurde und 16 Ansprüche umfasst. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache (in Klammern und Fettdruck die Merkmale, um die der Anspruch in der durch das patentgerichtliche Urteil erhaltenen Fassung ergänzt ist [im Folgenden nur: Patentanspruch 1]): "1. Zugfederklemme mit einer Stromschiene (1) und einer aus einem Federblatt gebogenen Klemmfeder (2), mittels der ein elektrischer Leiter gegen die Stromschiene (1) unter Kontaktierung verspannbar ist und die von einer Stütz- oder Befestigungsstelle (3) bis zu einer Kraftableitungsstelle (6), an der an der Klemmfeder (2) ein den elektrischen Leiter gegen die Stromschiene (1) verspannendes Klemmstück (7) angeordnet ist, mit stetigen Krümmungen verläuft, (wobei das Klemmstück (7) ein Fenster (8) mit einer Klemmkante (9) aufweist und wobei die Kraftableitungsstelle (6) zwischen der Stütz- und Befestigungsstelle (3) und dem Fenster (8) angeordnet ist,) d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Klemmfeder (2) in ihren (zwischen der Stütz- oder Befestigungsstelle und der Kraftableitungsstelle angeordneten) Bereichen mit höherer Federspannung verstärkt und/oder in ihren Bereichen mit niedrigerer Federspannung geschwächt ist."
2
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat das Streitpatent in erster Linie in der erteilten Fassung verteidigt, jedoch ohne Anspruch 2, den sie fallengelassen hat, und hilfsweise mit einem weiter beschränkten Anspruchssatz mit Patentanspruch 1 in der vorstehend wiedergegebenen Fassung.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent nur insoweit für nichtig erklärt, als es über die Fassung gemäß Hilfsantrag I hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung hat die Klägerin zunächst ihren Antrag auf vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents weiterverfolgt; nachdem das Streitpatent wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr erloschen ist, haben die Parteien den Rechtsstreit mit widerstreitenden Kostenanträgen übereinstimmend für erledigt erklärt.
4
II. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91a ZPO nur noch nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Parteivorbringens über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 10/05, juris Rn. 9). Die Kosten sind einer Seite aufzuerlegen, soweit sie absehbar unterlegen wäre. Nachdem die Beklagte das patentgerichtliche Urteil nicht angegriffen hat, entspricht es der Billigkeit, es hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten bei der pa- tentgerichtlichen Kostenentscheidung zu belassen und die Kosten des Berufungsverfahrens der Klägerin aufzuerlegen, weil ihr Rechtsmittel voraussichtlich erfolglos geblieben wäre.
5
1. Das Streitpatent betrifft eine Zugfederklemme mit einer aus einem Federblatt gebogenen Klemmfeder. Seiner Beschreibung zufolge ist eine solche Feder bei den im Stand der Technik bekannten Zugfederklemmen über den gesamten Biegebereich hinweg gleich breit und gleich dick. Daraus ergebe sich in dem die Klemmfeder bildenden Federblatt entlang des Biegebereichs ein ungleichmäßiger Spannungsverlauf. Vornehmlich werde der nahe der Befestigungsstelle liegende Bereich der Feder, an der eines ihrer Enden fest eingespannt sei, stärker beansprucht als die zur Kraftableitungsstelle hin liegenden Bereiche. Die Bereiche höherer Beanspruchung mit entsprechend höherer Federspannung trügen hauptsächlich zur Aufbringung der Federkraft bei, während die Bereiche geringerer Federspannung daran gar nicht oder nur in geringem Maße beteiligt seien. Dementsprechend hätten bei den bekannten Zugfederklemmen die Klemmfedern bezogen auf ihre Baugröße keine optimale Federkapazität. Sie seien größer dimensioniert als nötig; außerdem ergebe sich in den stark beanspruchten Bereichen eine größere Auslenkung, durch die sich partielle Materialermüdungen zeigen könnten. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, die Klemmfedern von Zugfederklemmen zu verbessern. Die mit Patentanspruch 1 vorgeschlagene technische Lösung lässt sich in Anlehnung an die Merkmalszuordnung im angefochtenen Urteil wie folgt gliedern: a Zugfederklemme mit b einer Stromschiene 1 c1 und einer aus einem Federblatt gebogenen Klemmfeder 2, d11 mittels deren ein elektrischer Leiter unter Kontaktierung gegen die Stromschiene 1 verspannbar ist und c2-c3 die von einer Stütz- oder Befestigungsstelle 3 zu einer Kraftableitungsstelle 6 mit stetigen Krümmungen verläuft; d12, d21-d23 an der Kraftableitungsstelle 6 ist an der Klemmfeder 2 ein den elektrischen Leiter gegen die Stromschiene 1 verspannendes Klemmstück 7 angeordnet, e das ein Fenster 8 mit einer Klemmkante 9 aufweist, f1 die Kraftableitungsstelle 6 ist zwischen der Stützund Befestigungsstelle 3 und dem Fenster 8 angeordnet ; c4, f2 die Klemmfeder 2 ist in ihren zwischen der Stützoder Befestigungsstelle 3 und der Kraftableitungsstelle 6 angeordneten Bereichen c41 mit höherer Federspannung verstärkt, und/oder c42 mit niedrigerer Federspannung geschwächt.
6
2. Patentanspruch 1 ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht deshalb unzulässig erweitert, weil die Beklagte bei Beschränkung der Lokalisierung der Kraftableitungsstelle auf den Bereich zwischen Stütz- oder Befestigungsstelle und Fenster keine weiteren, von der Klägerin als wesentlich bezeichnete Merkmale des aus Figur 6 ersichtlichen Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufgenommen hat. Die Beklagte hat den Anspruch wie geschehen beschränkt, um den Bedenken des Patentgerichts gegen die Neuheit des Gegenstands von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung Rechnung zu tragen. Ob diese aus der Auslegung des Merkmalselements "Kraftableitungsstelle" herrührenden Bedenken gerechtfertigt waren und die Fensterkante 7 im Gebrauchsmuster 295 14 509 (NK5) als Kraftableitungsstelle im Sinne des Patentanspruchs bewertet werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls konnte die Beklagte ihnen zulässig dadurch Rechnung tragen, dass sie die Anordnung dieser Kraftableitungsstelle wie geschehen eingrenzte. Des Rückgriffs auf Figur 6 bedurfte es dafür nicht. Abgesehen davon sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Verallgemeinerungen in der Weise zugelassen, dass von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen werden müssen, solange die daraus resultierende Ausführung noch ursprungsoffenbart ist (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 - X ZR 107/12, BGHZ 200, 63 Rn. 23 - Kommunikationskanal ). Dafür ist das von der Klägerin angeführte Kriterium der Wesentlichkeit nicht maßgeblich.
7
3. Die Angriffe der Klägerin gegen die vom Patentgericht bejahte Ausführbarkeit der erfindungsgemäßen Lehre hätten voraussichtlich ebenfalls nicht durchgegriffen.
8
a) Dies gilt zunächst für den Gegenstand des Patentanspruchs 1. Der Fachmann versteht die Lehre des Streitpatents ungeachtet der bei isolierter Betrachtung möglicherweise missverständlichen Formulierung der Merkmale c41 und c42 dahin, dass die Feder zu dem Bereich hin, wo die Federspannung bei einer Biegefeder am größten ist, also zu der Stelle hin, wo sie eingespannt ist (Stütz- bzw. Befestigungsstelle), im Verhältnis zu den davon entfernteren Stellen stärker sein soll, verstärkte und geschwächte Bereiche also mehr oder minder gleitend aufeinander folgen bzw. ineinander übergehen.
9
Die Anweisung in den Merkmalen f2, c41 und c42, die Feder in ihren zwischen der Stütz- oder Befestigungsstelle 3 und der Kraftableitungsstelle 6 angeordneten Bereichen mit höherer Federspannung zu verstärken und/oder in den Bereichen mit niedrigerer Federspannung zu schwächen, bezeichnet lediglich die konkreten Bereiche, die verstärkt oder geschwächt sein sollen. Dem Anspruch ist aus der maßgeblichen fachmännischen Sicht aber nicht zu entnehmen , dass (bereits) verstärkte Bereiche nochmals verstärkt und (bereits) geschwächte Bereiche nochmals geschwächt werden sollen oder Ähnliches. Deshalb bedurfte es auch nicht des von der Berufung vermissten Bezugspunkts oder einer dritten Bezugskategorie.
10
b) Aus dem in der Berufungsbegründung in Bezug genommenen knappen erstinstanzlichen Vorbringen zur geltend gemachten mangelnden Ausführbarkeit von Anspruch 8 hätte die mangelnde Rechtsbeständigkeit dieses Anspruchs nicht hergeleitet werden können. Durch Rückbezug auf den erteilten Anspruch 6 ist klar, dass es um einen höheren oder niedrigeren Elastizitätsmodul des einzusetzenden Materials geht. Wenn Federmaterial gemäß dem erteilten Anspruch 8 verwendet wird, soll eine Abfolge von Metallabschnitten mit unterschiedlichem E-Modul (Federsteifigkeit) gewählt werden.
11
4. Die Angriffe gegen die Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 hätten der Berufung voraussichtlich ebenso wenig zum Erfolg verholfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der mit einer Erfindung beschrittene Lösungsweg nahegelegt, wenn hinreichend konkrete Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstige Anlässe dafür gegeben sind, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung). Beim gegebenen Sach- und Streitstand lässt sich nicht die Wertung treffen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
12
a) Das Streitpatent will sich vom Stand der Technik dadurch abheben , dass die Federkraft zumindest im Wesentlichen nur in dem Bereich zwischen Stütz- oder Befestigungs- und Kraftableitungsstelle nach Maßgabe der Merkmale c41-c42 aufgebracht wird. Nach seiner Lehre ist das Klemmstück 7 nicht oder nur in vernachlässigbarer Weise an der Aufbringung der Klemmkraft beteiligt (Beschreibung Abs. 18). Es gehört also trotz einstückiger Ausgestaltung nicht zu den Bereichen mit höherer oder zumindest niedrigerer Federspannung im Sinne der Merkmale c41-c42. Einen für die Verneinung der erfinderischen Tätigkeit hinreichend konkreten Anlass oder eine Anregung für eine solche Gestaltung der Klemmfeder vermag die Berufung nicht aufzuzeigen.
13
Der Hinweis auf das aus dem Handbuch "Federn" von Meissner/Wanke (NK6) und der Arbeit von Geisel (Draht 1971, 376, NK7) ersichtliche allgemeine Fachwissen reicht dafür nicht aus. Daraus ist zwar bekannt, dass die gleichmäßige Biegebeanspruchung einer Feder über deren gesamte Länge hinweg durch konische Formgebung in der Breite oder Dicke gefördert werden kann (NK7 S. 378 unter 2.2). Darauf lässt sich die Lehre des Streitpatents aber nicht reduzieren. Sie ist nicht darauf beschränkt, der Zugfeder insgesamt eine konische Form zu verleihen. Während NK5 eine Feder in rechteckiger Form zeigt, bei der die Federwirkung über die gesamte Länge des Federkörpers erzeugt und eine Schwächung in Bereichen mit niedrigerer Federspannung nur durch die für die Klemmfunktion notwendige Ausstanzung des Fensters erreicht wird, gestaltet das Streitpatent die Feder grundlegend um und sieht einen Federbereich mit zunehmender Schwächung der Federspannung vor, der integral in einen Bereich ohne (spürbare) Federspannung übergeht.
14
b) Beim gegebenen Sach- und Streitstand kann die Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 auch nicht mit der Begründung verneint werden, die gefundene Lösung habe ihrer Art nach als generelles Mittel zum allgemeinen fachmännischen Wissen gehört und Anlass für die Heranzie- hung dieser Lösung habe bereits deshalb bestanden, weil die Nutzung im konkreten Zusammenhang funktional objektiv zweckmäßig sei und aus fachlicher Sicht nichts gegen eine Anwendung im konkreten Fall spreche (BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 - Farbversorgungssystem

).

15
c) Dass das Patentgericht nicht die Wertung zu treffen vermocht hat, der Gegenstand des beschränkten Patentanspruchs 1 sei dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen, wird auch dadurch gestützt, dass die vorbekannte, in allen Bereichen gleiche Form der Federn nach den getroffenen Feststellungen im Stand der Technik über Jahrzehnte hinweg nicht wesentlich infrage gestellt worden ist. Nach den gesamten Umständen stützt dieses Indiz (Hilfskriterium) die Annahme, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann nicht durch den Stand der Technik nahegelegt war (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 - X ZR 49/09, GRUR 2010, 992 - Ziehmaschinenzugeinheit

II).


16
5. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte Patentanspruch 1 wie geschehen beschränken musste, um sich vom Stand der Technik abzugrenzen. Jedenfalls ist das Verhältnis des Obsiegens der Klägerin zu ihrem Unterliegen mit eins zu vier angemessen bewertet. Meier-Beck Gröning Grabinski Hoffmann Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 30.10.2013 - 1 Ni 36/12 (EP) -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

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(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

23
dabei in einer Weise angewendet werden, die berücksichtigt, dass die Ermittlung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Erfindung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der Voranmeldung vermeidet. Insoweit ist zugrunde zu legen, dass das Interesse des Anmelders regelmäßig erkennbar darauf gerichtet ist, möglichst breiten Schutz zu erlangen , also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise vorzustellen und nicht auf aufgezeigte Anwendungsbeispiele zu beschränken. Soweit in der Anmeldung bereits Ansprüche formuliert sind, haben diese vorläufigen Charakter. Erst im Verlauf des sich anschließenden Prüfungsverfahrens ist herauszuarbeiten, was unter Berücksichtigung des Standes der Technik schutzfähig ist und für welche Ansprüche der Anmelder Schutz begehrt. Erst mit der Erteilung des Patents mit bestimmten Ansprüchen erfolgt eine endgültige Festlegung des Schutzgegenstands. aa) Dieser Gesichtspunkt liegt der Rechtsprechung des Senats zugrunde, wo24 nach bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen werden. Danach ist ein "breit" formulierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum). Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (ständige Rechtsprechung seit BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; aus jüngerer Zeit BGHZ 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum; BGH, GRUR 2012, 1133 Rn. 31 f. - UV-unempfindliche Druckplatte). bb) Nach vergleichbaren Maßgaben ist die Prüfung vorzunehmen, ob der Ge25 genstand der Erfindung im Prioritätsdokument identisch offenbart ist. Die Priorität einer Voranmeldung kann in Anspruch genommen werden, wenn sich die dort anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 139/10 Verkündet am:
11. März 2014
Beširović
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Farbversorgungssystem
EPÜ Art. 56
Gehört eine maschinenbautechnische Lösung als ein generelles, für eine
Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art
nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs, kann
Veranlassung zu ihrer Heranziehung bereits dann bestehen, wenn sich die
Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als
objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar
sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit
Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen.
BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 11. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Hoffmann, die Richterin Schuster, den
Richter Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. November 2010 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 796 665 (Streitpatents), das am 18. März 1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 18. März 1996 angemeldet wurde. Patentanspruch 1, dem die Patentansprüche 2 bis 10 nachgeordnet sind, lautet: "Verfahren zur Farbversorgung einer Beschichtungsanlage für die Serienbeschichtung von Werkstücken, insbesondere Fahrzeugkarossen, wobei auswechselbar an einer Sprühvorrichtung montierbare oder mit ihr verbindbare Behälter (2, 42) mit Beschichtungsmaterial wählbarer Farbe an einer Befüllstelle (4) bereitgestellt oder gefüllt werden, während sie von der Sprühvorrichtung abgekoppelt und getrennt sind, wobei die Behälter von der Befüllstelle zu einer davon entfernten Übergabestelle (10) transportiert werden, von wo sie anschließend der Sprühvorrichtung zugeführt werden, und wobei die Behälter nach Gebrauch zu der Übergabestelle zurückgebracht und von dort zu der Befüllstelle zurücktransportiert werden."
2
Patentanspruch 11, dem Patentansprüche 12 bis 41 nachgeordnet sind, betrifft eine Vorrichtung (ein System) zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1.
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel einer Klageabweisung weiter, hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit ihrem ersten Hilfsantrag durch Streichung der Wörter "bereitgestellt oder" in den Patentansprüchen 1 und 11 sowie mit ihrem zweiten Hilfsantrag durch die Hinzufügung von Merkmalen aus den Patentansprüchen 15 und 27 in den Patentansprüchen 1 und 11.
4
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. J. D. , Hochschule E. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


5
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und ein System von Einrichtungen zur Farbversorgung einer Beschichtungsanlage für die Serienbeschichtung von Werkstücken.
6
1. Sprühvorrichtungen zum Beschichten von Werkstücken, insbesondere von Fahrzeugkarossen, werden entweder direkt aus Leitungen oder aus einem in der Nähe der Sprühvorrichtung angeordneten Behälter mit Farbe versorgt. Für das Beschichten kommen insbesondere auch elektrostatische Auftragssysteme in Betracht, wobei jedoch elektrisch leitende Beschichtungsmaterialien Probleme bereiten können, wenn das Material direkt über Schläuche mit der Sprühvorrichtung verbunden ist. Das im Streitpatent unter Bezugnahme auf die europäische Patentschrift 274 322 (Anl. K2) als Stand der Technik beschriebene System vermeidet solche Probleme, indem die Sprühvorrichtung mit auswechselbaren Farbbehältern in einer Sprühkabine von einem Lackierroboter getragen ist und sich Zapfstellen in der Sprühkabine befinden, von denen der Lackierroboter die mit Farbe befüllten Farbbehälter nach Bedarf abholt. Dafür hat der Roboter, so bemängelt die Streitpatentschrift, zum Ankoppeln der Behälter an den Zapfstellen aufwendig gesteuerte Bewegungen durchzuführen (Abs. 2).
7
Nach dem Streitpatent war es im Stand der Technik ebenfalls bekannt , einen Lackierroboter mit auswechselbar am Roboterarm montierbaren Behältern dadurch mit der für eine Karosse benötigten Farbmenge zu versorgen, dass befüllte Behälter nacheinander auf einem Förderband zu einer Übergabestelle transportiert werden, wo sie von einem Hilfsroboter entnommen und dem Lackierroboter übergeben werden (Abs. 3).
8
2. Vor diesem Hintergrund liegt dem Gegenstand des Streitpatents das Problem zugrunde, beim Befüllen der Farbbehälter die Verluste möglichst gering zu halten, den Beschichtungsvorgang insgesamt möglichst verzögerungsfrei zu gestalten und dabei vorzugsweise mit einem möglichst geringen Steuerungsaufwand auszukommen.
9
Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sowie gemäß den beiden Hilfsanträgen ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich - im Wesentlichen mit dem Patentgericht - wie folgt gliedern lassen (durchgestrichene Wörter befinden sich nur in der erteilten Fassung, kursiv gesetzte Merkmale befinden sich allein in der Fassung gemäß Hilfsantrag II): 1 Das Verfahren dient der Farbversorgung einer Anlage zur Serienbeschichtung von Werkstücken. 2 Es sind auswechselbar an einer Sprühvorrichtung montierbare oder mit ihr verbindbare Behälter (2, 42) vorgesehen , die 2.1 - von der Sprühvorrichtung abgekoppelt und getrennt - an einer Befüllstelle (4) mit Beschichtungsmaterial wählbarer Farbe bereitgestellt oder gefüllt werden, 2.2 von der Befüllstelle zu einer davon entfernten Übergabestelle (10) transportiert werden, 2.3 anschließend von der Übergabestelle (10) der Sprühvorrichtung zugeführt werden, 2.4 nach Gebrauch zu der Übergabestelle zurückgebracht werden und 2.5 von der Übergabestelle zu der Befüllstelle zurücktransportiert werden. 3 Eine Vorrichtung führt die Behälter an der Befüllstelle einer von mindestens einer Versorgungsleitung gespeisten Einrichtung zu und ist dabei in der Lage, gleichzeitig mindestens zwei Behälter zu halten. 4 Eine Linearbewegungsvorrichtung kuppelt den Behälter an der Befüllstelle längs einer geradlinigen Bahn mit der von mindestens einer Versorgungseinrichtung gespeisten Einrichtung.
10
Patentanspruch 11 ist auf ein Farbversorgungssystem gerichtet, dessen Merkmale in der Sache im Wesentlichen mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 übereinstimmen; zur Erfüllung der Transportfunktion dient eine Transportvorrichtung, mit der die Behälter von einer Befüllstelle (4) zu einer von der Befüllstelle entfernten Übergabestelle transportierbar sind (vgl. Merkmal 2.2), von wo der jeweils ausgewählte Behälter der Sprühvorrichtung zugeführt (vgl. Merkmal 2.3) und nach Gebrauch zu der Befüllstelle zurücktransportiert wird (vgl. Merkmal 2.5), wobei die Behälter während der Materialentnahme bei der Beschichtung von den Versorgungseinrichtungen getrennt sind und beim Befüllen von der Sprühvorrichtung abgekoppelt und entfernt sind (vgl. Merkmal 2.1).
11
Ein Ausführungsbeispiel des patentgemäßen Gegenstands zeigt die nachfolgende Figur 1 des Streitpatents:
12
3. Zwei Merkmale bedürfen einer kurzen Erläuterung:
13
a) Die Befüllstelle (Merkmale 2.1, 2.2 und 2.5) bezeichnet in den Patentansprüchen 1 und 11 in der Fassung des erteilten Patents nicht zwingend die Stelle, an der die Behälter mit Farbe befüllt werden. Gemeint ist damit vielmehr die Stelle, ab der die Transportvorrichtung einen (wieder -)befüllten Behälter transportiert, sei es, dass der Behälter an dieser Stelle mit Farbe befüllt wird oder sei es, dass der Behälter dort nur von der Transportvorrichtung aufgenommen wurde, nachdem er an einer anderen Stelle befüllt und auf andere Weise zu dieser Befüllstelle verbracht wurde. Das in Anspruch 1 beschriebene Verfahren bringt eine solche Bestückung mit bereits befüllten Behältern (Abs. 11 aE und Figur 1) in Merkmal 1.2 mit der Alternative eines (bloßen) Bereitstellens der Behälter zum Ausdruck. Wie die eigentliche Befüllung der Lackbehälter erfolgt, lassen die Patentansprüche 1 und 11 offen; sie kann auch manuell erfolgen (Abs. 41).
14
b) Offen lässt das Streitpatent auch die Ausgestaltung der Transportvorrichtung , die für den Transport der Behälter von der Befüllstelle zur Übergabestelle und zurück sorgt (Merkmale 2.2 und 2.5). Beschrieben und in Figur 1 gezeigt wird etwa ein drehbares Magazin; Figur 4 zeigt einen Band- oder Kettenförderer (Abs. 32). Die Beschreibung erläutert, dass der Transport "in Sonderfällen auch manuell, gegebenenfalls auf dem (in Figur 5) dargestellten Wagen" erfolgen könne (Abs. 37 aE), der wiederum auch manuell beladen werden kann (Abs. 41).
15
II. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents für nicht patentfähig erachtet, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, und dies wie folgt begründet:
16
Aus der japanischen Offenlegungsschrift Sho 60-1220773 (Anl. K3 - vorgelegt in deutscher Übersetzung) sei ein Verfahren zur Farbversorgung einer Beschichtungsanlage bekannt gewesen, das für die Serienbeschichtung vorgesehen sei (Merkmal 1). Die K3 ziele ähnlich wie das Streitpatent auf die Schaffung eines Farbversorgungssystems ab, das einen sparsamen Umgang sowohl mit Lack als auch mit Verdünner und eine Verkürzung der Farbwechselzeit ermögliche. Hierfür verwende die K3 anstelle langer Schläuche einen Lackmaterialbehälter, der sich am Arm des Lackierroboters hinter der Spritzpistole abnehmbar anordnen lasse (Merkmal 2).
17
Zur Vermeidung langer Zuführschläuche schlage die K3 vor, außerhalb des Lackierbereichs eine Vorrichtung zur Zuführung von Lackmaterialbehältern anzuordnen, die sich gemäß dem gezeigten Ausführungsbeispiel aus einem Fördersystem für mehrere Behälter, nämlich einem Band- oder Kettenförderer (Merkmal 2.2) und einem Roboter zum Behälterwechsel , zusammensetze. Der Roboter sei dazu bestimmt, den Behälter zu greifen, der mit dem vorher festgelegten Lackmaterial gefüllt sei, und an den Arm des Lackierroboters zu stecken (Merkmal 2.3); entspre- chend Merkmal 2.1 seien die Behälter beim Befüllen mit wählbarer Farbe von der Sprühvorrichtung getrennt.
18
Gemäß den weiteren Ausführungen der K3 solle der Behälterwechselroboter den Behälter wieder vom Roboterarm entfernen und auf den Förderer zurückbringen. Folglich würden die Behälter nach Gebrauch entsprechend den Merkmalen 2.4 und 2.5 zur Übergabestelle zurückgebracht und von dort zurücktransportiert.
19
Eine Befüllstelle zur Befüllung oder Bereitstellung der Behälter mit Beschichtungsmaterial und die in Patentanspruch 11 erwähnten Versorgungseinrichtungen für Beschichtungsmaterial unterschiedlicher Farbe seien in dem Ausführungsbeispiel der K3 nicht ausdrücklich beschrieben. Eine entsprechende Ausgestaltung habe für den Fachmann, einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit besonderen Kenntnissen und Erfahrung auf dem Gebiet der Materialbeschichtung insbesondere mittels Sprühvorrichtungen und elektrostatischen Aufbringungsverfahren , jedoch nahegelegen. Die K3 erwähne zum Hintergrund der dort beschriebenen Erfindung Farbwechselventile, die es ermöglichen, mehrere Lackmaterialien von unterschiedlicher Farbe selektiv der Spritzpistole zuzuführen. Ohne eine Versorgungseinrichtung könne kein Farbmaterial zu solchen Ventilen gelangen. Dies spreche dafür, dass auch eine Befüllstelle für die Behälter vorhanden sei, um diese mit Beschichtungsmaterial wählbarer Farbe befüllen zu können. Weiterhin werde eine solche Befüllstelle durch die Angabe in der Beschreibung der K3 nahegelegt , dass der Behälter nur mit der für eine Karosserie erforderlichen Lackmenge befüllt werden müsse, wenn Beschichtungsobjekte gleicher Form wie zum Beispiel Fahrzeugkarosserien nacheinander unter entsprechendem Wechsel mit unterschiedlichen Lackschichten beschichtet werden sollen.
20
Auch die Ausgestaltung nach den weiteren Merkmalen der Unteransprüche habe für den Fachmann nahegelegen.
21
III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand. Der Gegenstand des Streitpatents ist weder in der erteilten Fassung des Streitpatents noch in der Fassung eines der beiden Hilfsanträge patentfähig.
22
1. Die technische Lehre der Patentansprüche 1 und 11 beruht sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung gemäß Hilfsantrag I nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung kann insoweit auf die zutreffende und eingehende Begründung des angegriffenen Urteils und die Ausführungen im schriftlichen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen verwiesen werden; auch die Beklagte hat am Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Zweifel gezogen, dass der Fachmann bei einem Verfahren zur Farbversorgung einer Beschichtungsanlage , wie es in der vom Patentgericht herangezogenen Entgegenhaltung K3 offenbart wird, naheliegenderweise eine Befüllstelle vorgesehen hätte, an der die Behälter mit Beschichtungsmaterial wählbarer Farbe befüllt und von dort mittels einer Transportvorrichtung zu den Lackiereinrichtungen transportiert werden.
23
2. Die Patentansprüche 1 und 11 erweisen sich auch in ihrer Fassung gemäß Hilfsantrag II, mit dem in zulässiger Weise beschränkende Merkmale aus den Unteransprüchen 15 und 27 in die beiden Hauptansprüche einbezogen werden, nicht als rechtsbeständig.
24
a) Mit Merkmal 3 werden das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und eine Vorrichtung gemäß Patentanspruch 11 dahin konkretisiert, dass die beim Zuführen der Behälter an oder von der Befüllstelle zu einer von mindestens einer Versorgungsleitung gespeisten Einrichtung (Farbversorgungseinrichtung ) eingesetzte Vorrichtung gleichzeitig zwei Behälter hal- ten kann. Eine solche Handlungsweise war dem vom Patentgericht zutreffend definierten Fachmann gleichfalls nahegelegt.
25
In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten , die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben und auch nichttechnische Vorgaben eine Rolle spielen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10, GRUR 2012, 378 = BlPMZ 2012, 260 - Installiereinrichtung

II).

26
Es steht daher der Annahme, der Fachmann habe Anlass gehabt, bei der Ausgestaltung einer Anlage zur Serienbeschichtung von Werkstücken in Übereinstimmung mit Merkmal 3 verfahren, nicht notwendigerweise entgegen, dass die Klägerin ein Vorbild hierfür auf dem Gebiet der Beschichtungsanlagen nicht hat aufzeigen können. Gehört eine maschinenbautechnische Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs, kann Veranlassung zu ihrer Heranziehung vielmehr bereits dann bestehen, wenn sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (vgl.
zu ärztlichen Standardmaßnahmen BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 - X ZB 5/13, juris Rn. 38 - Kollagenase I).
27
So verhält es sich hier. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten (Seite 28) und in seiner Anhörung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das parallele Zuführen von zwei Behältern zur Farbversorgungseinrichtung ebenso wie das Zuführen eines befüllten Behälters zur Transporteinrichtung in einem Vorgang zusammen mit dem Zuführen eines leeren Behälters zur Farbversorgungseinrichtung eine Verfahrensweise betrifft, die der Grundidee nach dem Fachmann als Mittel bekannt war, um ein Handhabungsverfahren oder -system effizienter und damit objektiv zweckmäßiger zu gestalten und auf diese Weise zu optimieren. Das parallele Handhaben von zwei Objekten statt einem zählt damit zum allgemeinen Fachwissen des hier berufenen Ingenieurs im Sinne eines "Standardrepertoires", auf das er regelmäßig bei der Weiterentwicklung vorhandener Anlagen insbesondere dann zurückgreifen kann und zurückzugreifen Anlass hat, wenn es ihm um möglichst effektive, effiziente und zeitsparende Abläufe zu tun sein muss.
28
Diese Feststellung wird von den Entgegenhaltungen der Klägerin gestützt, die insbesondere in der US-amerikanischen Patentschrift 3 242 568 (Anl. E6) - dort vor allem in den Figuren 7 bis 21 -, aber auch in der deutschen Offenlegungsschrift 1 652 699 (Anl. E5) - dort Figuren 12 bis 12F - und der internationalen Patentanmeldung 91/18135 (Anl. E4) - dort Figuren 6 und 14 - eine parallele Handhabung der gleichzeitigen Entnahme und Zuführung von Objekten belegen. Sie zeigen damit zugleich , dass eine solche Ausgestaltung eines automatisierten Vorgangs dem Fachmann als eine objektiv zweckmäßige Zeitoptimierung von Handhabungsvorgängen im Maschinenbau allgemein bekannt war, ohne dass es darauf ankäme, ob der Fachmann die betreffenden, außerhalb des technischen Gebiets des Streitpatents liegenden Entgegenhaltungen für konkrete Überlegungen zu einer Weiterentwicklung einer Farbbeschichtungsanlage insbesondere für Fahrzeugkarosserien heranziehen würde.
29
Da Umstände, die das parallele Halten von zwei Behältern bei deren Zuführung zur Farbversorgungseinrichtung als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen ließen, weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen wurden und das Streitpatent im Übrigen auch keine Hinweise zur Überwindung derartiger Probleme enthält, ist es nicht zu beanstanden, dass das Patentgericht einen Anlass für den Fachmann bejaht hat, das im Übrigen nahegelegte Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und das System nach Patentanspruch 11 entsprechend Merkmal 3 auszugestalten. Damit konnte der Fachmann insbesondere , wie in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien und dem gerichtlichen Sachverständigen erörtert, den Zeittakt für den Transport und die Befüllung der Behälter so optimieren, dass zwei Lackierroboter von derselben Transportvorrichtung mit befüllten Behältern versorgt werden können.
30
b) Ebenso lag es nahe, entsprechend Merkmal 4 die Behälter an der Befüllstelle mittels einer Linearbewegungsvorrichtung längs einer geradlinigen Bahn mit einer Farbversorgungseinrichtung zu kuppeln.
31
Entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Patentgerichts waren Linearbewegungsvorrichtungen dem Fachmann insbesondere durch sein Studium und aus der Fachliteratur allgemein als Standardwerkzeuge bekannt, um definierte lineare Bewegungen durchzuführen. Um Handlungsbewegungen möglichst auf ein Minimum zu reduzieren und damit Zeit zu sparen, war es objektiv zweckmäßig, eine geradlinige Bahn vorzusehen und hierfür Linearbewegungsvorrichtungen einzusetzen. Da hierfür keine Schwierigkeiten oder Hindernisse bei der Anwendung an einer Transportvorrichtung nebst Behältern und Farbversorgungseinrichtungen entsprechend dem Gegenstand des Streitpatents ersichtlich waren, bot es sich dem Fachmann deshalb an, diesen Gegenstand entsprechend dem Merkmal 4 zu gestalten.
32
c) Da beide Merkmale 3 und 4 jeweils für sich genommen objektiv zweckmäßig mit Standardmitteln den Gegenstand des Streitpatents ergänzen und sich auch aus ihrer Kombination keine Hinderungsgründe ergeben , lag ein entsprechendes Vorgehen auch in der Kombination beider Merkmale für den Fachmann nahe.
33
d) Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 11 beruhen folglich auch in der Fassung des Hilfsantrags II nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
34
3. Schließlich sind auch die Gegenstände der Unteransprüche 2 bis 10 und 12 bis 41 sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung der beiden Hilfsanträge nicht patentfähig.
35
Zur Begründung kann insoweit zunächst auf die zutreffende und sorgfältige Begründung des angegriffenen Urteils sowie hinsichtlich der Patentansprüche 15 und 27 ergänzend auf die vorstehenden Ausführungen zu den Merkmalen 3 und 4 verwiesen werden.
36
Zu Unteranspruch 25, dem gemäß bei einer Beschichtungsanlage entsprechend den vorangehenden Ansprüchen die Behälter an der Übergabestelle wahlweise mindestens zwei von einander getrennten Sprühvorrichtungen , mithin Lackierrobotern, zugeführt werden können, ist im Hinblick auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung zu ergänzen, dass ein solches paralleles Vorgehen dem allgemeinen verfahrens- und systemtechnischen Optimierungsbestreben des Fachmanns entsprach. Es gehörte zu seinem allgemeinen Fachwissen und -können, Verfahrensschritte und -komponenten nach Möglichkeit in einer Weise und in einer Anzahl miteinander zu verknüpfen, dass keine Komponente unnötige Still- standszeiten aufweist. Wenn eine Komponente bei den von ihr zu vollziehenden Verfahrensschritten aufgrund der für sie maßgeblichen Leistungskapazität mit mehr als einer anderen Komponente in Interaktion treten kann, hat der Fachmann - jedenfalls bei einem zeitkritischen Verfahren wie dem Lackieren von Fahrzeugkarossen - grundsätzlich Anlass, ein solches paralleles Interagieren zur Erhöhung der Effizienz des Systems auch vorzusehen (vgl. Sachverständigengutachten Seite 28 unten). Die Anhörung des Sachverständigen hat hierzu bestätigt, dass die Transportvorrichtung und die Befüllung der Behälter bei einer Bestückungsanlage entsprechend dem Gegenstand des Streitpatents es gestatten, jedenfalls zwei Lackierroboter an nur einer Übergabestelle der Transportvorrichtung mit befüllten Behältern zu versorgen. Die Beschreibung des Streitpatents und der Vortrag der Beklagten lassen auch keine Schwierigkeiten erkennen , die hierfür zu überwinden gewesen wären. Für den Fachmann lag ein solches paralleles Interagieren an der Übergabestelle der Transportvorrichtung daher nahe und erforderte keine erfinderische Tätigkeit.
37
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO. Meier-Beck Hoffmann Schuster Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.11.2010 - 4 Ni 101/08 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 49/09 Verkündet am:
29. Juni 2010
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ziehmaschinenzugeinheit II
Hat das Patentgericht die Nichtigkeitsklage als unbegründet abgewiesen, kann sich
die Beklagte der Berufung des Nichtigkeitsklägers mit dem Ziel der Abweisung der
Klage als unzulässig und der Begründung anschließen, der Kläger sei als Strohmann
einer früheren Nichtigkeitsklägerin mit den von ihm erhobenen Einwendungen in
gleichem Maße ausgeschlossen, wie diese selbst es wäre.
PatG § 4; EPÜ Art. 56

a) Hat der Stand der Technik vor dem Prioritätstag einer neuen Erfindung über lange
Zeit stagniert, ist es eine Frage der Umstände des Einzelfalls (hier: zu verzeichnende
lange Entwicklungszyklen auf dem betroffenen technischen Gebiet), ob
dies darauf hindeutet, dass die neue Erfindung dem Fachmann durch den Stand
der Technik nahegelegt war oder nicht.

b) Der zum Ingenieur ausgebildete Fachmann bezieht in seine Recherche solchen
gattungsfremden Stand der Technik ein, bei dem nach Art der sich dort stellenden
Probleme vom Prinzip her Lösungen zu erwarten sind, wie er sie benötigt, auch
wenn die Anforderungen im Detail durchaus erheblich differieren (hier: Maßnahmen
zur Reibungsverminderung zwischen Maschinenelementen bei Vorrichtungen
zum Formen und Komprimieren von Kabeln bzw. Bohrlochwerkzeugen zur Einführung
von Rohrabschnitten in Bohrlöcher hinein einerseits und bei Zugeinheiten
zum Ziehen metallischer Zugrohlinge andererseits).
BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 - X ZR 49/09 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter
Gröning, Dr. Berger, Dr. Grabinski und Hoffmann

für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten das Urteil des 10. Senats (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts vom 13. November 2008 abgeändert. Das Europäische Patent 548 723 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Patentansprüche hinausgeht: 1. Ziehmaschinenzugeinheit, die zum kontinuierlichen Transport und Ziehen eines metallischen Zugrohlings dient, mit einem Ziehwerkzeug (14) zur Querschnittsreduzierung des metallischen Rohlings stromab des Ziehwerkzeugs zusammenwirkt und zumindest zwei Triebketten (12) mit Zuggliedern aufweist, welche auf derselben Ebene liegen und welche aus einer Mehrzahl von Gliedern (16) bestehen, die Triebketten (12) mit den Ziehgliedern mit lasttragenden Rollen und mit einer starren Führung (19) zusammenwirken, die Ziehwirkung durch eine Vorwärtsbewegung der Triebketten (12) mit den Ziehgliedern sowie durch den gegenseitigen Kontakt erreicht wird, der zwischen den Triebketten (12) mit den Ziehgliedern in ihren gegenüberliegenden Zugabschnitten (15) stattfindet, und die Einheit dadurch gekennzeichnet ist, dass die lasttragenden Rollen einer gelenkigen Kette (26), bestehend aus Mitlaufrollen (17), zugeordnet sind und dass diese in einer Schleife angeordnete Mitlaufrollen (17) sind, wobei die aus Mitlaufrollen (17) bestehende gelenkige Kette (26) durch Gleiten bewegt werden kann und zwischen der inneren Oberfläche der Glieder (16) und der starren Führung (19) angeordnet ist, und die Einheit auch dadurch gekennzeichnet ist, dass der Gliedkörper (24) in sich und auf seiner Mittellinie eine Gleitfläche (18) mit einer Breite aufweist, die im Wesentlichen der Länge einer Mitlaufrolle (17) gleich ist, wobei jede Gleitoberfläche (18) zusammen mit den Gleitoberflächen der benachbarten Glieder eine einzige Gleitoberfläche bilden, die der Gleitoberfläche der starren Führung (19) gegenüberliegt, und weiter dadurch gekennzeichnet ist, dass das Glied (16) an den äußeren Seiten seitliche Mitlaufrollen (20) besitzt, wobei ein Gliedkörper (24) mit einem Verbindungs- und Positionierzapfen (25) zusammenwirkt , der in einer mittleren Lage vorgesehen ist, und weiter dadurch gekennzeichnet ist, dass die innen liegende Höhe der Sicherungsplatten (23) die Nähe der Mittellinie der Mitlaufrollen (17) erreicht, wogegen die Breite des Gliedkörpers (24) größer ist als die Gesamtlänge der Verbindungen der Mitlaufrollen

(17).

2. Ziehmaschinenzugeinheit nach Anspruch 1, bei welcher Sicherungsplatten (23) zwischen den seitlichen Mitlaufrollen (20) und dem Gliedkörper (24) vorgesehen sind.
3. Ziehmaschinenzugeinheit nach einem der vorgehenden Ansprüche , bei welcher die Höhe der seitlichen Zugstücke (22) größer ist als der Durchmesser der seitlichen Mitlaufrollen

(20).

4. Ziehmaschinenzugeinheit nach einem der vorgehenden Ansprüche , bei welcher die Breite der Gleitoberfläche (18) der starren Führung (19) im Wesentlichen gleich der Länge einer Mitlaufrolle (17) ist. 5. Ziehmaschinenzugeinheit nach einem der vorgehenden Ansprüche , bei welcher die Höhe der äußeren Verbindungen (28) der Mitlaufrollen (17) größer ist als der Durchmesser der Mitlaufrollen

(17).

6. Ziehmaschinenzugeinheit nach einem der vorgehenden Ansprüche , bei welcher die seitlichen starren Führungen mit den seitlichen Mitlaufrollen (20) zusammenwirken und eine Breite besitzen, die im Wesentlichen gleich der Länge der seitlichen Mitlaufrollen (20) ist. 7. Ziehmaschinenzugeinheit nach einem der vorgehenden Ansprüche , bei welcher zumindest die starre Führung (19) die Nivelliermittel (30) und Gleitführungen (31) besitzt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 20 Hundertstel und die Beklagte 80 Hundertstel. Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 14. Dezember 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität einer italienischen Anmeldung vom 24. Dezember 1991 angemeldeten, auch für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 548 723 (Streitpatent), das im Einspruchsverfahren geändert wurde. Patentansprüche 1 und 2 haben in der dort erhaltenen Fassung in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut: "1. Traction unit for a drawing machine, the unit cooperating with a drawing die (14) and comprising at least two drive chains (12) with drawing links lying on the same plane and consisting of a plurality of links (16), the drive chains (12) with drawing links cooperating with load bearing rollers and with a rigid guide (19), the drawing action being obtained by the forward movement of the drive chains (12) with drawing links and by the reciprocal contact taking place between the drawing chains (12) with drawing links in their opposed drawing segment (15), the unit being characterized in that the load bearing rollers are associated with a linked chain (26) of idler rollers (17) and are idler rollers (17) positioned in a ring, the linked chain (26) of idler rollers (17) being able to be moved by sliding and being placed between the inner surface of the links (16) and the rigid guide (19), the unit also being characterised in that the link body (24) comprises within itself and on its centre line a sliding surface (18) having a width substantially equal to the length of an idler roller (17), each sliding surface (18) forming together with the sliding surfaces of the adjacent links one single sliding surface opposite to the sliding surface of the rigid guide (19). 2. Traction unit as in Claim 1, in which the link (16) has at its two outer sides lateral drawing links (22) and, on the inner side of the lateral drawing links (22), lateral idler rollers (20), a link body (24) cooperating with a connecting and positioning pivot (25) being included in an intermediate position."
2
Das Streitpatent wurde von der S. AG, A. (im Folgenden: S. ), die aus ihm in Anspruch genommen wird, mit der Nichtigkeitsklage angegriffen (Bundespatentgericht 3 Ni 12/01). Die Beklagte hat das Streitpatent in jenem Nichtigkeitsverfahren eingeschränkt in der Weise verteidigt, dass sie Merkmale des bisherigen Patentanspruchs 2 in den Hauptanspruch aufgenommen hat. Durch rechtskräftiges Urteil vom 17. Dezember 2002 hat das Bundespatentgericht das Streitpatent dementsprechend und unter Abweisung der weiter gehenden Nichtigkeitsklage teilweise für nichtig erklärt. Patentanspruch 1 hat folgende Fassung erhalten (im Folgenden: Patentanspruch 1; im Nichtigkeitsverfahren vorgenommene Ergänzung kursiv): "1. Ziehmaschinenzugeinheit zum Transport eines metallischen Zugrohlings, die mit einem Ziehwerkzeug (14) zusammenwirkt und zumindest zwei Triebketten (12) mit Zuggliedern aufweist, welche auf derselben Ebene liegen und welche aus einer Mehrzahl von Gliedern (16) bestehen, die Triebketten (12) mit den Ziehgliedern mit lasttragenden Rollen und mit einer starren Führung (19) zusammenwirken, die Ziehwirkung durch eine Vorwärtsbewegung der Triebketten (12) mit den Ziehgliedern sowie durch den gegenseitigen Kontakt erreicht wird, der zwischen den Triebketten (12) mit den Ziehgliedern in ihren gegenüberliegenden Zugabschnitten (15) stattfindet, und die Einheit d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ist, dass die lasttragenden Rollen einer gelenkigen Kette (26), bestehend aus Mitlaufrollen (17), zugeordnet sind und dass diese in einer Schleife angeordnete Mitlaufrollen (17) sind, wobei die aus Mitlaufrollen (17) bestehende gelenkige Kette (26) durch Gleiten bewegt werden kann und zwischen der inneren Oberfläche der Glieder (16) und der starren Führung (19) angeordnet ist, und die Einheit auch d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ist, dass der Gliedkörper (24) in sich und auf seiner Mittellinie eine Gleitfläche (18) mit einer Breite aufweist, die im wesentlichen der Länge einer Mitlaufrolle (17) gleich ist, wobei jede Gleitoberfläche (18) zusammen mit den Gleitoberflächen der benachbarten Glieder eine einzige Gleitoberfläche bilden, die der Gleitoberfläche der starren Führung (19) gegenüberliegt, und weiter d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ist, dass das Glied (16) an den äußeren Seiten seitliche Mitlaufrollen (20) besitzt, wobei ein Gliedkörper (24) mit einem Verbindungs- und Positionierzapfen (25) zusammenwirkt, der in einer mittleren Lage vorgesehen ist."
3
Der Kläger ist seit Oktober 2007 als Mitglied des Vorstands für den Maschinenbereich von S. verantwortlich. Zuvor war er bei diesem Unternehmen Geschäftsbereichsleiter Maschinenbau mit Prokura. Mit seiner Nichtigkeitsklage hat der Kläger geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, er sei nicht neu, beruhe jedenfalls aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dafür hat er sich auf drei Schriften berufen, die bereits Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens 3 Ni 12/01 waren (US-Patentschriften 2 212 132, 2 742 144 und 3 045 886 = NK 10 bis 12). Das Bundespatentgericht hat angenommen, dass der Klage die Rechtskraft des Urteils vom 17. Dezember 2002 nicht entgegenstehe, sie aber als unbegründet abgewiesen.
4
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, die er zusätzlich unter anderem auf die amerikanische Patentschrift 4 655 291 (Anlage H 3) stützt. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung des Rechtsmittels und verteidigt das Streitpatent mit den aus dem Protokoll ersichtlichen Hilfsanträgen. Sie hat außerdem Anschlussberufung eingelegt, mit der sie bekämpft, dass das Patentgericht die Klage als zulässig erachtet hat, und die der Kläger seinerseits für unzulässig erachtet, jedenfalls aber für unbegründet hält.

Entscheidungsgründe:


A.


5
Die Anschlussberufung bleibt ohne Erfolg.
6
I. Den Bedenken des Klägers gegen die Zulässigkeit dieses Angriffs kann unabhängig davon nicht beigetreten werden, dass dem Streitpatent im Berufungsrechtszug nicht ausschließlich dieselben Schriften entgegengehalten werden, wie im von S. geführten Vorprozess. Selbst wenn Letzteres der Fall wäre, wäre sein Einwand nicht stichhaltig, die mit der Anschlussberufung insoweit erstrebte Abweisung der Klage als unzulässig lasse Raum für eine eventuelle neuerliche Klageerhebung nach Behebung der Umstände, die der Zulässigkeit gegenwärtig entgegenstünden, weshalb dieser Angriff hinter der erstinstanzlich bereits erreichten Klageabweisung als unbegründet zurückbleibe.
7
Die Beklagte macht mit der Anschlussberufung geltend, der in keinen eigenen Interessen berührte und von S. von jedem Kostenrisiko freigestellte Kläger habe als Strohmann dieses Unternehmens rechtsmissbräuchlich Nichtigkeitsklage erhoben. Wäre der Kläger als Strohmann von S. anzusehen , bliebe ihm eine Klageerhebung als solche zwar unbenommen, jedoch wäre er mit dem dem Streitpatent im Vorprozess entgegengehaltenen Stand der Technik genauso ausgeschlossen, wie diese selbst (vgl. Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 3. Aufl. Rdn. 104 m.w.N.), und zwar nicht nur im vorliegenden Prozess, sondern auch in etwaigen zukünftigen Auseinanderset- zungen. Insoweit stünde die Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils seiner Klageerhebung entgegen und führte zu deren Abweisung als unzulässig. Darin läge kein Minus gegenüber der Abweisung mangels Begründetheit, weil die Beklagte dann den mit der Begründetheitsprüfung verbundenen Risiken gar nicht erst ausgesetzt wäre. Ein Angriff, der, wie im Streitfall, in diesem Sinne darauf zielt, dass der Kläger mit bestimmten Entgegenhaltungen dauerhaft ausgeschlossen ist, kann im Nichtigkeitsberufungsverfahren mit der Anschlussberufung geführt werden. Auf die Frage, inwieweit die Beschwer einer beklagten Partei überhaupt mit der Begründung verneint werden kann, die - hier erstinstanzlich erfolgte - Sachabweisung der Klage reiche weiter als das in der Berufungsinstanz angestrebte Prozessurteil (vgl. hierzu Zöller/Heßler, 28. Aufl., Vor § 511 Rdn. 20) und inwieweit dieser Gesichtspunkt für ein Anschlussrechtsmittel gilt (vgl. zu dessen Zulässigkeit BGH, Urt. v. 31.05.1995 - VIII ZR 267/94, MDR 1996, 522, III der Entscheidungsgründe), kommt es in einer solchen Konstellation nicht an.
8
II. In der Sache bleibt die Anschlussberufung ohne Erfolg. Die Ausgestaltung der Patentnichtigkeitsklage als Popularklage setzt der Möglichkeit, einem Kläger den Zutritt zum Nichtigkeitsverfahren aus in seiner Person liegenden Gründen zu versagen, von vornherein enge Grenzen. Zulässig ist eine solche Klage jedenfalls dann, wenn die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Klägers aus einem von ihm mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patent besteht. Diese Möglichkeit hat das Patentgericht bejaht. Es hat nicht auszuschließen vermocht , dass der Kläger im Hinblick auf seine leitende Funktion bei S. oder bei anderen auf dem Gebiet der Metallziehmaschinen tätigen Unternehmen Ansprüchen, die im Zusammenhang mit künftigen gewerblichen Betätigungen stehen, ausgesetzt sein könnte. Dies würde selbst dann gelten, wenn die Beklagte - wozu sie nach Angaben ihres Vertreters in der mündlichen Ver- handlung vor dem Patentgericht unter Umständen bereit sein soll - auf eine Inanspruchnahme des Klägers förmlich verzichten sollte. Ein solcher Verzicht könnte nämlich zumindest dessen Inanspruchnahme durch einen etwaigen künftigen Erwerber des Streitpatents nicht ohne weiteres verhindern.
9
Die Stichhaltigkeit dieser Erwägungen vermag die Beklagte nicht zu entkräften. Sie beruft sich insoweit darauf, eine Haftung des Klägers könne zum einen in Betracht kommen, wenn er schuldhaft die Verletzung eines Schutzrechts bei Freigabe bestimmter Produkte in Kauf nehme, wofür nichts ersichtlich sei. Das mag zwar richtig sein, geht aber insoweit am Kern des Problems vorbei , als die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage nur dann verneint werden kann, wenn lediglich ein theoretisches Risiko für eine Inanspruchnahme besteht. Das Patentgericht hat aber insoweit zu Recht ein reales Risiko nicht ausgeschlossen.
10
Soweit die Beklagte zum anderen ausführt, einer Haftung des Klägers stehe entgegen, dass er bei Herstellung und Vertrieb der im Verletzungsprozess angegriffenen Ausführungsform nicht Vorstand von S. gewesen sei, übersieht sie, dass das Bundespatentgericht auf die Möglichkeit abgestellt hat, dass der Kläger im Zusammenhang mit künftiger gewerblicher Betätigung Ansprüchen ausgesetzt sein könnte und ihm die Rechtsschutzmöglichkeit im vorliegenden Prozess deshalb nicht versagt werden kann.

B.


11
Die Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg; das Streitpatent ist lediglich im Umfang der beschränkten Verteidigung gemäß dem 5. Hilfsantrag der Beklagten aufrechtzuerhalten. Soweit es darüber hinausgeht, ist es für nichtig zu erklären.
12
I. 1. Das Streitpatent betrifft eine Zugeinheit für eine Ziehmaschine zum Einsatz auf dem Gebiet des kontinuierlichen Metallziehens. Bei kontinuierlichen Ziehmitteln wirkt die Zugeinheit, wie in der Streitpatentschrift erläutert und in der nachfolgend abgebildeten Figur 1 ihrer Zeichnung schematisch illustriert, in der Weise mit einem Ziehwerkzeug (Bezugszeichen 14) zusammen, dass der aus dem Ziehwerkzeug (14) heraustretende Metallrohling (11) zwischen zwei gegenüberliegend angeordnete, nach Art von Raupenketten endlos umlaufende Triebketten (12) geleitet, zwischen den einander gegenüberliegenden Außenseiten der Kettenglieder entlang der Zugzone (15) beidseitig ergriffen und durch die Vorwärtsbewegung der Triebketten bei gleichzeitig senkrecht wirkenden Anpresskräften (Normalkraft) unter Verringerung seines Querschnitts in die Länge gezogen wird. Zur Erzeugung des erforderlichen hohen Anpressdrucks - die Streitpatentschrift spricht von einem senkrechten Druck, der Werte von mehr als des Zehnfachen des in die Längsrichtung für den Ziehvorgang aufzubringenden Werts erreicht - wirken die Triebketten mit (starren) Führungen zusammen , die innerhalb der von den umlaufenden Ketten gebildeten Ovale entlang der Zugzone vorgesehen sind (insoweit in Figur 1 nicht abgebildet).
13
Hätten die starren Führungen und die umlaufenden Ketten direkten Kontakt , führte die dann an den Oberflächen dieser Bauteile auftretende große Gleitreibung zu erheblichen Abnutzungserscheinungen. Um dies zu vermeiden, sind der Beschreibung zufolge im Stand der Technik verschiedene Lösungen bekannt, die hauptsächlich darauf hinauslaufen, die Gleitreibung durch eine Rollreibung von wesentlich geringerem Wert zu ersetzen. Die Beschreibung erörtert in diesem Zusammenhang vier Veröffentlichungen (US-Patentschriften 2 642 280, 2 797 798 und 3 945 547, japanische Patentanmeldung sho 58-154412), verwirft die dort unterbreiteten Vorschläge aber aus den in der Beschreibung dargelegten Gründen als nachteilig und will zur Vermeidung dieser Nachteile ein System schaffen, das gegen nicht koaxiale oder nicht ausgerichtete Belastungen, ungleichmäßige Abnutzung und Mängel in Konstruktion, Installierung und Einstellung bei reduziertem Erneuerungs- und Serviceaufwand sehr unempfindlich ist. Dazu schlägt Patentanspruch 1 in der Fassung des rechtskräftigen Urteils des Bundespatentgerichts vom 17. Dezember 2002 eine Ziehmaschinenzugeinheit vor, die (Gliederungspunkte des Bundespatentgerichts in Klammern; Ergänzungen gemäß Hilfsantrag 1 kursiv; zusätzliche Ergänzungen gemäß Hilfsantrag 5 unterstrichen) 1. zum kontinuierlichen Transport und Ziehen eines metallischen Zugrohlings (1.1), 2. die mit einem Ziehwerkzeug zur Querschnittsreduzierung des metallischen Rohlings stromab des Ziehwerkzeugs zusammen- wirkt (1.2), 3. zumindest zwei Triebketten (12) mit einer Mehrzahl von Zuggliedern (16) aufweist (1.3 und 2.2), die 3.1 auf derselben Ebene liegen (2.1), wobei 4. die aus den Ziehgliedern bestehenden Triebketten (4.1 und 4.2) mit 4.1 lasttragenden Rollen und 4.2 mit einer starren Führung (19) zusammenwirken, 5. die Ziehwirkung durch eine Vorwärtsbewegung der Triebketten (12) mit den Ziehgliedern sowie durch den gegenseitigen Kontakt, der zwischen den Triebketten (12) mit den Ziehgliedern in ihren gegenüberliegenden Abschnitten (15) stattfindet, erreicht wird (3) und 6. die lasttragenden Rollen einer gelenkigen Kette (26) zugeordnet sind (5.1), 6.1 die aus Mitlaufrollen besteht, welche in einer Schleife angeordnet sind (5.1), 6.2 durch Gleiten bewegt werden kann (5.2) und 6.3 zwischen der inneren Oberfläche der Glieder (16) und der starren Führung angeordnet ist (5.3), wobei 7. der Gliedkörper in sich und auf seiner Mittellinie (18) eine Gleitfläche aufweist (7.1), 7.1 deren Breite im Wesentlichen der Länge einer Mitlaufrolle (17) gleich ist (7.2) und 7.2 die innen liegende Höhe der Sicherungsplatten (23) die Nähe der Mittellinie der Mitlaufrollen (17) erreicht, wogegen die Breite des Gliedkörpers (24) größer ist als die Gesamtlänge der Verbindungen der Mitlaufrollen (17), 8. jede Gleitoberfläche (18) zusammen mit den Gleitoberflächen der benachbarten Glieder eine einzige Gleitoberfläche bildet (8.1), 8.1 die der Gleitoberfläche der starren Führung gegenüberliegt (8.2) und wobei 9. jedes Glied (16) 9.1 an den äußeren Seiten seitliche Mitlaufrollen (20) besitzt (6.1), 9.2 ein Gliedkörper (24) in einer mittleren Lage vorgesehen ist (6.2) und 9.3 mit einem Verbindungs- und Positionierzapfen zusammenwirkt (6.3).
14
2. Das Zusammenwirken von Gliedketten, Mitlaufrollen und starren Führungen zeigt die Figur 4 des Streitpatents in schematischem Querschnitt durch die Achse des Verbindungsbolzens eines Triebkettenglieds (25), wobei es sich bei den mit dem Bezugszeichen 119 versehenen Elementen um die in Patentanspruch 7 genannten seitlichen starren Führungen handelt.


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3. Maßgeblich für den Gegenstand von Patentanspruch 1 und das Verständnis der von ihm vermittelten technischen Lehre ist die Fassung, die der Anspruch durch das Urteil des Bundespatentgerichts vom 17. Dezember 2002 erhalten hat. Soweit in diese Fassung das zuvor nicht enthaltene Merkmal aufgenommen ist, dass die Ziehmaschinenzugeinheit zum Transport eines metallischen Zugrohlings vorgesehen ist, handelt es sich um eine Zweckangabe, die nicht mehr als die Eignung der Maschine für den genannten Transportzweck festlegt.
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Die Lösung des Streitpatents für das Problem der Reibung zwischen den Triebketten und den starren Führungen ergibt sich vornehmlich aus den Merkmalsgruppen 6 bis 8. Das Streitpatent sieht insoweit zwischen den Ketten und den starren Führungen lasttragende Mitlaufrollen vor, die zu einer Endloskette (in einer Schleife) zusammengefügt sind und die in dieser Formation der Bewegung der Triebketten - mit im Wesentlichen halber Geschwindigkeit - folgen, wobei sie zwischen den Gleitoberflächen der Gliedkörper und der starren Führungen angeordnet sind (Merkmalsgruppe 7).
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Gemäß Unteranspruch 6 in der Fassung des patentgerichtlichen Urteils vom 17. Dezember 2002 (Merkmal 7.2 gemäß Hauptanspruch in der Fassung des Hilfsantrags 5) sind Sicherungsplatten (23) zwischen den Gliedkörpern und den seitlichen Mitlaufrollen vorgesehen, die auf der den Gliedkörpern zugewandten Seite der Höhe nach die Nähe der Mittellinie der Mitlaufrollen (17) erreichen , wobei die Breite des Gliedkörpers (24) größer ist, als die Gesamtlänge der Verbindungen der Mitlaufrollen (17). Durch eine diesen Anweisungen gemäße Ausgestaltung erhalten die lasttragenden Rollen gleichsam seitliche Leitschienen , was seitlichem Verschieben und damit einhergehendem ungleichmäßigem Anpressdruck entgegenwirkt. Die Zentrierung der lasttragenden Mitlaufrollen in ihrem Lauf durch die Zugzone und die möglichst gleichmäßige Verteilung des Anpressdrucks unterstützen die erwünschte (verformende) Bewegung des Ziehguts allein in Zugrichtung. Alle anderen Bewegungsrichtungen (Vertikal - bzw. Querverschiebung, Drehbewegungen) sind, wie auch der im Verletzungsprozess beauftragte Sachverständige Prof. Dr. S. in seinem schriftli- chen Gutachten überzeugend dargelegt hat, einem ungestörten Produktionsprozess abträglich.
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Der vom Streitpatent erstrebten Vermeidung nicht koaxialer und nicht ausgerichteter Bewegungen dienen vor allem auch die Anweisungen in der Merkmalsgruppe 9 (Merkmalsgruppe 6 im Urteil des Patentgerichts). Soweit es deren Verständnis, namentlich des Merkmals 9.2 betrifft, tritt der Senat der Auslegung des Bundespatentgerichts bei. Es hat bezüglich dieser aus dem ursprünglichen Patentanspruch 2 stammenden Merkmalsgruppe, deren Wortlaut ("…link body (24) cooperating with a connecting and positioning pivot (25) being included in an intermediate position) der Kläger für auslegungsbedürftig hält, angenommen, dass sich das Merkmalselement "intermediate position" ("mittlere Lage") auf die Position der Gliedkörper (mittig) auf der Achse des Verbindungsund Positionierzapfens bezieht. Allein dieses Verständnis wird den technischfunktionalen Bedingungen gerecht, denen die Zugeinheit für eine erfolgreichen Einsatz zu genügen hat (voriger Absatz am Ende). Um diesen Anforderungen zu genügen, drängt sich aus fachmännischer Sicht ein Verständnis dieser Anweisung auf, die Zugglieder so auszugestalten, dass sie, bezogen auf eine mittig durch das Ziehgut führend gedachte Vertikalachse, in horizontaler Richtung spiegelsymmetrisch gebaut sind. Unter diesen Voraussetzungen ist der Gliedkörper zwangsläufig mittig zwischen den auf den Positionierzapfen aufgesteckten seitlichen Mitlaufrollen anzuordnen, um beim Betrieb der Einheit, bei dem die Antriebskettenräder in diese Mitlaufrollen eingreifen, eine Vorwärtsbewegung exakt in Zugrichtung zu unterstützen. In Anbetracht der technischen Erfordernisse eines optimalen Kettenzugs liegt es hingegen fern, das Merkmalselement "mittlere Lage" dem Positionierzapfen zuzuordnen und auf dessen Höhenlage zwischen den zentralen Mitlaufrollen und dem Ziehwerkzeug (14) oder auf seine Lage zwischen der starren Führung (19) und der (äußeren) Oberflä- che (21) der Gliedkörper zu beziehen, wie die Berufung es in der Anlage H 1 illustriert und in der Berufungsbegründung ausführt. Eine technische Sinnhaftigkeit erschließt sich bei diesem Verständnis nicht und dafür fehlt es, wie die Berufung selbst auch nicht verkennt, an jeglichen Anhaltspunkten in der Beschreibung. Deshalb ist der Hinweis auf den Wortlaut des Anspruchs in der Verfahrenssprache ebenso wenig stichhaltig, wie derjenige auf die im Senatsurteil vom 17. April 2007 enthaltene Merkmalsgliederung, die im Übrigen vom dortigen Berufungsgericht stammt (BGHZ 172, 88 Tz. 8) und in diesem Punkt für die dort zu treffende Entscheidung nicht erheblich war.
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Wegen des Verständnisses von Patentanspruch 1 im Übrigen wird auf das zwischen den Parteien ergangene Senatsurteil vom 17. April 2007 Bezug genommen (BGHZ 172, 88 Tz. 16 ff. - Ziehmaschinenzugeinheit I).
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II. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig (Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ; Art. II § 6 Nr. 1 IntPatÜbkG). Er ist zwar, was der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht infrage gestellt hat, neu (Art. 54 Abs. 1 EPÜ); sein Gegenstand war dem Fachmann aber durch den Stand der Technik nahegelegt (Art. 56, 138 Abs. 1 lit. a EPÜ; Art. II § 6 Nr. 1 IntPatÜbkG).
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1. Das Bundespatentgericht hat die Patentfähigkeit der von Patentanspruch 1 vermittelten Lehre im Wesentlichen an der Merkmalsgruppe 9 festgemacht und sich dabei im Kernn auf folgende Erwägungen gestützt:
22
Soweit der Gegenstand des amerikanischen Patents 2 212 132 seitliche Mitlaufrollen erkennen lasse (vgl. Figur 2, Bezugszeichen 39), seien diese separat vom zentralen Bereich der Gliedkörper (38) angeordnet und eigens Laschen und Bolzen zugeordnet, wobei letztere durch die Laschen hindurchträten und die Mitlaufrollen drehbar trügen. Dagegen sehe das Streitpatent für jedes Glied einen einzigen Verbindungs- und Positionierzapfen (25) vor, der durch den Gliedkörper hindurch geführt werde und auf den daneben die seitlichen Mitlaufrollen aufgesteckt würden. Damit verlasse das Streitpatent den in der genannten Schrift und im Übrigen auch den in der US-Patentschrift 3 045 886 vorgezeichneten Lösungsweg, wonach jede seitlich außen vorgesehene Mitlaufrolle auf einem eigenen Führungszapfen bzw. -bolzen getragen wird.
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2. Diese Beurteilung schöpft den Erkenntnisgehalt des dem Fachmann zur Verfügung stehenden, in das Verfahren eingeführten schriftlichen Stands der Technik nicht aus. Dieser belegt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 Lösungsprinzipien folgt, die sich sowohl im gattungsgemäßen, wie auch im gattungsfremdem, aber vom Fachmann gleichwohl berücksichtigten Stand der Technik finden, so dass Patentanspruch 1 nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gelten kann.
24
a) Der einschlägige Fachmann, ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit einigen Jahren Berufserfahrung auf dem Gebiet der Ziehmaschinen , der zum Prioritätszeitpunkt nach Möglichkeiten suchte, das Zusammenwirken der Zugketten und der starren Führungen hinsichtlich der Reibungsproblematik , der koaxialen Ausrichtung und der Abnutzung servicefreundlich zu verbessern, fand bei seinen Recherchen die auch in der Streitpatentschrift abgehandelte amerikanische Patentschrift 2 797 798 vor, die mit einem Raupenmaterialvorschub für Rundstahl gattungsgemäßen Stand der Technik darstellt. Die nachfolgend abgebildete Figur 5 zeigt einen vertikalen Schnitt durch das Zugwerkzeug:
25
Der Raupenvorschub sieht als Zugketten Doppelrollenketten (24, 24'; 26, 26') vor, die, wie beim Streitpatent, einander gegenüberliegend angeordnet sind und synchron gegeneinander laufen und die zwischen den Innengliedern Vorschubblöcke (30) tragen. Diese weisen an ihrer Außenseite Nuten (32) auf, um Rundstahl zu erfassen und durch den Raupenvorschub zu führen (Sp. 3 Z. 67 ff.). Diese Doppelrollenketten kommen im Aufbau den Gliedern der Triebkette des Streitpatents prinzipiell gleich. Die Vorschubblöcke entsprechen deren zentral angeordneten Gliedkörpern (24), während die beidseitig daneben angeordneten Rollen sowohl funktional als auch von der räumlichen Anordnung her den seitlichen Mitlaufrollen des Streitpatents vergleichbar sind. Wie beim Streitpatent greifen in diese Rollen Zwillings-Antriebskettenräder ein, mit denen der Vorschub bewerkstelligt wird (vgl. Figur 6 Bezugszeichen 16 und 20). Während an der Ausgestaltung dieser Vorrichtungselemente aus fachmännischer Sicht nichts Wesentliches auszusetzen sein mochte, erschien das Problem der Reibungsverminderung zwischen den Vorschubblöcken und den starren Führungen in dieser Schrift nicht zur fachmännischen Zufriedenheit gelöst. Danach ist im Oval der unteren Raupenkette eine Abstützung (Kettenspur) vorgesehen, die funktional den starren Führungen des Streitpatents entspricht und die eine Nut (124) enthält, in die von Lastbolzen (126) getragene Rollen bzw. Walzen (102) eingelegt sind, gegen die sich die Kette auf ihrer Innenseite abstützt. Die Abstützung der oberen Umlaufkette unterscheidet sich davon nur insoweit, als die Nut für die Rollen dort batterieweise segmentiert ist und die Segmente insgesamt eine Vielzahl von Rollen (202) tragen, die funktional den Rollen (102) der unteren Abstützung entsprechen (vgl. zu den Modalitäten Beschreibung Sp. 5 Z. 36 ff.). Bei dieser Lösung besteht der Streitpatentschrift zufolge die Gefahr , dass sich das System festfrisst; nach der Beurteilung des im Verletzungsprozess beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. S. sind jedenfalls die Wälzlager zu klein und eine ungleichmäßige Abnutzung der Walzen zu erwarten.
26
b) Eine Alternativlösung zur Reibungsverminderung konnte der Fachmann der amerikanischen Patentschrift 2 742 144 (NK 11) entnehmen, die sich auf eine Maschine für das Ziehen von Material, insbesondere von massivem Material wie Draht oder hohlem Rohrmaterial bezieht (Sp. 2 Z. 4 ff.). Dabei handelt es sich entgegen der Ansicht der Beklagten und wie beim Streitpatent um eine Maschine für kontinuierliches Ziehen. Als diskontinuierlich mag allenfalls - wie dieses Problem beim Streitpatent gelöst ist, ist dessen Beschreibung nicht zu entnehmen - die Art und Weise aufgefasst werden, auf die der Ziehprozess durch Erfassen der aus dem Ziehwerkzeug austretenden Materialspitze mittels Spannhaken eingeleitet wird; ist dieses Material erst einmal zwischen den Umlaufketten eingespannt, wird es dagegen kontinuierlich gezogen (Sp. 7 Z. 4 f.).
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aa) Zur Verminderung der Reibung zwischen Umlaufketten und starren Führungen unter Anpressdruck bedient sich die Schrift einer Anordnung von gehärteten Rollen (32), die innerhalb jedes Kettenovals zu einer Kette (31) verbunden werden können (Sp. 2 Z. 50 ff.). Damit die Segmente der Triebketten (26) den erforderlichen Druck auf das Ziehgut ausüben können, stützen sie sich gegen die gehärteten Rollen ab, die ihrerseits gegen Führungen (33) laufen , welche im Inneren jedes der beiden Ovale der Zugketten vorgesehen sind, wodurch Druck von den Führungen auf die Rollen und schließlich auf die Ketten übertragen wird (Sp. 2 Z. 57 ff.). In der Figur 1 sieht der Fachmann angedeutet, dass die Ketten (31) im Innern der Triebkettenumläufe ebenfalls endlos (in Schleifen) um die Antriebsräder geführt werden. Die Schrift offenbart ihm somit eine Lösung, die prinzipiell derjenigen in der Merkmalsgruppe 6 entspricht.
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bb) Der Ansicht der Beklagten, der Fachmann hätte zur Prioritätszeit eine Schrift wie die amerikanische Patentschrift 2 742 144 schon deshalb nicht zurate gezogen, weil er sich von einem so alten Dokument - das auf eine Anmeldung aus dem Jahre 1949 zurückgehende Patent ist 1956 erteilt worden - keine Anregungen für eine Weiterentwicklung versprach - kann nicht beigetreten werden. Hat der Stand der Technik vor dem Prioritätstag einer neuen Erfindung über lange Zeit stagniert, ist es eine Frage der Umstände des Einzelfalls, die umfassend zu würdigen sind, ob dies darauf hindeutet, dass die neue Erfindung dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht. Im Streitfall stützen diese Umstände die Annahme einer erfinderischen Tätigkeit nicht. Der Kläger hat vorgetragen, dass sich die Entwicklungszyklen auf dem hier betroffenen technischen Gebiet über sehr lange Zeiträume erstrecken. Dieses Vorbringen, dem die Beklagte nicht widersprochen hat, findet seine Bestätigung in den Veröffentlichungsdaten der Schriften, die in der Streitpatentschrift als relevanter Stand der Technik referiert sind. Es handelt sich dabei um drei amerikanische Patentschriften aus den Jahren 1953 (US 2 642 280; angemeldet 1945), 1957 (US 2 797 798, angemeldet 1952) und 1976 (US 3 945 547, angemeldet 1974), was bestätigt, dass es sich vorliegend um ein technisches Gebiet handelt, auf dem sich die Weiterentwicklung nur zögerlich vollzogen hat.
29
c) Der Fachmann musste, nachdem er sich mit der Lösung der amerikanischen Patentschrift 2 742 144 vertraut gemacht hatte, nur den aus der amerikanischen Patentschrift 2 797 798 bekannten Antrieb mit Doppelrollenketten für Zwillings-Antriebsräder und streitpatentähnlichen Vorschubblöcken gedanklichkonstruktiv von der dort gezeigten Lösung stationär gelagerter reibungsvermindernder Rollen trennen und diesen Antrieb stattdessen mit den umlaufenden, reibungsvermindernden Rollenketten der erstgenannten amerikanischen Schrift verknüpfen. Dafür musste der Fachmann keine erfinderische Tätigkeit aufbringen. Eine auf Doppelantriebsrädern basierende Zugeinheit für die Reibungsverminderung mit einer Rollenkette zu koppeln, wie sie in der amerikanischen Patentschrift 2 742 144 gezeigt ist, ist für den Fachmann das Ergebnis naheliegender technisch-konstruktiver Überlegungen, weil eine solche Rollenkette sich dafür anbietet, in den Antriebs- und Arbeitsablauf einer so konstruierten Zugeinheit integriert zu werden.
30
d) Es kommt hinzu, dass dem Fachmann entsprechende RollenkettenLösungen in Verbindung mit Doppel-Antriebskettenrädern in weiteren Schriften, deren Auswertung von ihm zu erwarten war, begegneten.
31
aa) Gemäß der amerikanischen Patentschrift 2 212 132 (NK 10), die ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Formen und Komprimieren von Kabeln betrifft, werden die aus einer Ziehform heraustretenden Kabel, ähnlich wie bei der Zugeinheit des Streitpatents, zwischen gegenüberliegend angeordnete, in einem Oval laufende Endlosketten geführt und von diesen Ketten unter vertikalem Anpressdruck kontinuierlich weitertransportiert, wobei mit dem dabei durchgeführten Verformungsvorgang allerdings kein zusätzliches Längsziehen der Kabel unter Querschnittsverringerung verbunden ist. Wie aus Figur 2 der Schrift ersichtlich und auf S. 1 re. Spalte Z. 5 ff. der Beschreibung ausgeführt, sieht diese Konstruktion Kettenräderpaare (25, 26; 30, 31) vor, über die Ketten laufen, deren Glieder für das Erfassen, Formen und Transportieren der Kabel Tragelemente (38) und Formblöcke (Gesenkblöcke, 44) aufweisen, die miteinander verbunden werden. Im Innern der beiden Ovale dieser Zugketten verlaufen ebenfalls oval geführte Rollenketten (40) i. S. der Merkmalsgruppe 6 des Streitpatents, gegen deren Rollen (41) sich die Tragelemente der Zugglieder abstützen, während die Rollen ihrerseits gegen Führungsschienen laufen, die prinzipiell den starren Führungen des Streitpatents entsprechen.
32
bb) Gemäß der amerikanischen Patentschrift 4 655 291 (H 3, Patenterteilung 1987), die ein Bohrlochwerkzeug zur Einführung von durch Muffen miteinander zu verbindenden Rohrabschnitten in Bohrlöcher hinein und aus solchen heraus betrifft, wird der Rohrstrang (26) zwischen zwei einander gegenü- berliegenden, endlos umlaufenden Antriebsketten (28, 28 a) geführt. Die nachfolgend abgebildete (um 90 Grad gedrehte) Figur 3 der Schrift zeigt im Querschnitt, wie ein Rohr patentgemäß von Kettengliedern, die ein dem Gliedkörper (24) des Streitpatents entsprechendes Mittelteil und seitlich daneben angeordnete Rollen (Lager 29, vgl. Beschreibung, Übers. S. 36) aufweisen , erfasst wird. Der erforderliche Anpressdruck der Ketten zum Halten des Rohres wird über paarweise innerhalb der Antriebskettenovale angeordnete obere und untere Druckbalken (71, 72; 74, 75) erzeugt, die funktional den starren Führungen des Streitpatents entsprechen, Anpressdruck aber entsprechend der Gesamtkonstruktion und den spezifischen Anforderungen der Vorrichtung nur abschnittsweise aufbringen. Um den Umfang eines jeden Druckbalkens wird je eine aus Laschen und Bolzen zusammengesetzte Rollenkette geführt, die aus Rollen (64, 64a) bestehen, welche der Reibungsverminderung dienen, wenn die Antriebsketten durch die Druckbalken gegeneinander gepresst werden. Diese Lösung entspricht sowohl hinsichtlich der Gestaltung der Kettenglieder den Ziehglieder der Triebketten als auch hinsichtlich der Rollen 64 den in einer Schleife geführten lasttragenden Rollen des Streitpatents.
33
e) Auch wenn diese Schriften gattungsfremden Stand der Technik betreffen , bezog der auf eine Verbesserung von Ziehmaschinenzugeinheiten am Prioritätstag bedachte Fachmann sie in seine Überlegungen ein. Nach seiner Ausbildung und Qualifikation ist von ihm eine systematische Vorgehensweise zu erwarten, die sich nicht auf die Recherche des unmittelbar gattungsgemäßen Stands der Technik beschränkt, sondern darin solchen gattungsfremden Stand der Technik einbezieht, bei dem nach Art der sich dort stellenden Probleme vom Prinzip her Lösungen zu erwarten sind, wie er sie benötigt, auch wenn die Anforderungen im Detail durchaus erheblich differieren können. Das findet seine Bestätigung darin, dass in der noch zu erörternden amerikanischen Patentschrift 3 045 886 betreffend das Verschweißen von Schienensträngen unter anderem die sich mit der Verformung von Kabeln befassende US-Patentschrift 2 212 132 und die sich auf das Ziehen von Material beziehende amerikanische Schrift 2 742 144 erwähnt werden.
34
Die amerikanische Patentschrift 2 212 132 berücksichtigt der Fachmann deshalb, weil dort in Übereinstimmung mit dem Streitpatent Material kontinuierlich in eine Richtung zu transportieren und dabei senkrecht zur Bewegungsrichtung unter Anpressdruck zu setzen ist und dabei - wie beim Streitpatent - das Problem der Reibung zwischen den dem Transport und den der Erzeugung von Anpressdruck dienenden Mitteln zu lösen ist. Dass beim Metallziehen ein viel höherer Anpressdruck aufgebracht werden muss, als etwa bei der in dieser Schrift gelehrten Kabelumformung, führt nicht dazu, dass der Fachmann dieses Dokument gar nicht erst einer näheren Auswertung unterzieht. Vielmehr prüft er, ob sich die dort gefundene Lösung prinzipiell für eine Übertragung auf das eigene Problemfeld eignet, was augenscheinlich der Fall ist, weil sich zylindrisch geformte Rollkörper grundsätzlich als ein Mittel eignen, um das Problem der Reibung zwischen Vorrichtungsteilen zu lösen, die, wie Zugketten und starre Führungen gegeneinander unter Anpressdruck laufen sollen. Entsprechend verhält es sich in Bezug auf die amerikanische Patentschrift 4 655 291. Dass im gattungsgemäßen wie gattungsfremden Stand der Technik zu Ketten zusammengefügte zylindrische Rollen eingesetzt werden, belegt, dass das Streitpatent ein Lösungsprinzip anwendet, das im Stand der Technik bereits spartenübergreifend als Problemlösung erkannt und dementsprechend nahegelegt war.
35
3. Keinen Bestand hat Patentanspruch 1 auch in der Fassung der Hilfsanträge 1 bis 4.
36
a) Hilfsantrag 1 präzisiert lediglich die in den Merkmalen 1 und 2 der obigen Merkmalsgliederung (B I 1, dort kursiv) enthaltenen Zweck- und Wirkungsangaben , ohne dass darin zusätzliche Ansatzpunkte für eine erfinderische Tätigkeit zutage träten.
37
b) Hilfsantrag 2 ergänzt den Hauptantrag über die gemäß Hilfsantrag 1 hinzugefügten Merkmalselemente hinaus um diejenigen des bisherigen Unteranspruchs 7, wonach die seitlichen starren Führungen mit den seitlichen Mitlaufrollen zusammenwirken und deren Breite im Wesentlichen der Länge der seitlichen Mitlaufrollen entspricht. Für den Gegenstand dieses Hilfsantrags gab die amerikanische Patentschrift 3 045 886 eine Anregung, so dass diese Ausgestaltung ebenfalls nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gelten kann.
38
Diese Schrift beschreibt eine Vorrichtung zum Verschweißen von Schienensträngen auf eine Länge bis zu einer Viertelmeile, bei der die zu verschweißenden Schienenabschnitte zwischen einem unteren Antriebs- und einem oberen Andrücklaufband (660, 661), die mit endlos umlaufenden Ketten (682, 683; 709, 710) fest verbunden sind, hindurchgeführt werden. Wie aus der nachfolgend abgebildeten vertikalen Schnittzeichnung durch eine entsprechende Vorrichtung ersichtlich, wird das Antriebslaufband an seitlich angebrachten Rollen 682 und 683 von Ketten geführt, die auf der Oberseite der horizontalen Winkelarme 692 und 693 ablaufen. In der Breite und Allgemeinheit, in der Unteranspruch 7 von "starren Führungen" spricht, stellen die Elemente 692 und 693 der Schrift ebenfalls solche Führungen dar, so dass sich das diesem Anspruch zugrunde liegende Lösungsprinzip für den Fachmann aus dieser Entgegenhaltung ergab. Die in der dortigen Figur 2 gezeigten Führungen mögen zwar hinsichtlich ihrer Abmessungen im Verhältnis zur Breite der Mitlaufrollen nicht den zusätzlichen Voraussetzungen von Hilfsantrag 2 genügen; sie entsprechend auszugestalten erforderte indes nicht mehr als handwerkliches Können.
39
c) Nicht patentfähig ist des Weiteren der Hauptanspruch gemäß Hilfsantrag 3, bei dem Patentanspruch 1 um die Merkmale von Hilfsantrag 1 sowie Unteranspruch 2 ergänzt ist, der zwischen den seitlichen Mitlaufrollen und dem Gliedkörper Sicherungsplatten vorsieht. Bei diesen Platten handelt es sich um eine technische Ergänzung, welche die Gliedkörper in sinnvoller, aber naheliegender Weise, vergleichbar Unterlegscheiben, die beim Verspannen von Flächen mit Schrauben zwischen diese und die Muttern gelegt werden, von den seitlichen Mitlaufrollen trennen.
40
d) Hilfsantrag 4 ergänzt Patentanspruch 1 kumulativ um die Merkmale aller vorgehenden Hilfsanträge. Die Summe dieser Merkmale verleiht Patentanspruch 1 keinen zusätzlichen Gehalt, der dessen Patentfähigkeit begründete.
41
4. Dagegen erweist sich die Ausgestaltung nach Hilfsantrag 5, die den Hauptanspruch um die Merkmale des Hilfsantrags 1 und des Unteranspruchs 6 ergänzt, als patentfähig. Die aus dem Stand der Technik nicht herzuleitende besondere Ausgestaltung der Sicherungsplatten (23; vgl. oben B I 3, 3. Abs.) unterstützt, dass das Ziehgut exakt und ausschließlich in Zugrichtung bewegt wird. Wie auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, kann insoweit nicht die Wertung getroffen werden, dass diese Ausgestaltung dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
42
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO.
Scharen Gröning Berger
Grabinski Richter am Bundesgerichtshof Hoffmann ist wegen Urlaubs gehindertzuunterschreiben. Scharen
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 13.11.2008 - 10 Ni 30/07 (EU) -