Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2017 - X ZR 28/15

published on 12/06/2017 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2017 - X ZR 28/15
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Landgericht Bonn, 1 O 165/13, 11/04/2014
Oberlandesgericht Köln, 19 U 75/14, 27/02/2015

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 28/15
vom
12. Juni 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:120617BXZR28.15.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 27. Februar 2015 wird dieses Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagten zu 1 bis 7 zur Zahlung von mehr als 267.210,45 € zuzüglich Zinsen sowie zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von mehr als 1.702,30 € zuzüglich Zinsen verurteilt worden sind. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 327.961,87 € festgesetzt.

Gründe:


I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten, den Erben des am
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18. Dezember 1997 verstorbenen W. (Erblassers), einen Anteil an dem Verwertungserlös für verschiedene Grundstücke.
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Am 4. August 1994 verkaufte der Erblasser notariell beurkundet verschiedene Immobilienwerte an Grundstücken in P. zum Gesamtkaufpreis von 800.000 DM an die I. gesellschaft mbH & Co. KG (I. ), ohne zugleich die Auflassung zu erklären. Mit notariellem Vertrag vom 6. Oktober 1995 schenkte der Erblasser im Wege der Abtretung die Hälfte seines Kaufpreisanspruchs aus dem Grundstückskaufvertrag bis zu einer maximalen Höhe von 800.000 DM dem Traditionsverein P. e.V. Nachdem die I. Eigentümer eines der ihr verkauften Grundstücke wurde, zahlte sie im Jahre 2000 an die Beklagten 430.000 DM, wovon später der Klägerin die Hälfte als Rechtsnachfolgerin des Traditionsvereins P. e.V. zugute kam. Im Jahre 2007 verlangte die I. von den Beklagten zu 1 bis 7 (künftig: die Beklagten) klageweise unter anderem die Auflassung der weiteren im Grundstückskaufvertrag aufgeführten Grundstücke. Am 25. Oktober 2007 schlossen die Parteien einen Vertrag, in dem sich
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die Klägerin damit einverstanden erklärte, dass die Beklagten sich gegen die begehrte Auflassung der weiteren Grundstücke verteidigten und den Rücktritt von dem Grundstückskaufvertrag durchsetzten, und sich verpflichtete, sich hälftig an den dadurch entstehenden Prozesskosten zu beteiligen. Im Erfolgsfalle sollten die Grundstücke freihändig veräußert und die Klägerin an dem Veräußerungserlös entsprechend den Maßgaben beteiligt werden, wie sie im Schenkungsvertrag vom 6. Oktober 1995 für den Kaufpreisanspruch gegen die I. bestimmt worden waren. Aufgrund dieser Vereinbarung leistete die Klägerin für die jeweils zu erwartenden Kosten insgesamt 36.983,86 € an die Beklagten. Die Klage der I. gegen die Beklagten wurde mit Urteil des Ober4 landesgerichts Brandenburg vom 21. Oktober 2010 abgewiesen. Den Beklagten erwuchsen aus diesem Rechtsstreit Kostenerstattungsansprüche in Höhe von 60.315,62 €. Im Jahre 2011 begehrten die Beklagten von der I. klageweise - soweit möglich - das lastenfreie Eigentum (Löschung von Vormerkungen ) an den im Grundstückskaufvertrag aufgeführten Grundstücken sowie Wertersatz für die übrigen Grundstücke. Dieser Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet, nach dem die I. zum Ausgleich aller wechselseitigen Ansprüche an die Beklagten 650.000 € zahlte. Die Klägerin hat von den Beklagten zu 1 bis 7 die Hälfte der diesen er5 statteten Prozesskosten (30.157,81 €) sowie von sämtlichen Beklagten - einschließlich der Beklagten zu 8 - die Zahlung der Differenz zwischen dem mit der Schenkung vereinbarten Höchstbetrag von 800.000 DM und den bereits im Jahre 2000 erhaltenen 215.000 DM, mithin 299.105,75 € (≙ 585.000 DM) begehrt. Die Beklagten haben demgegenüber hilfsweise aufgerechnet mit einem Anspruch auf Rückerstattung der im Jahre 2000 geleisteten 215.000 DM, mit einem Anspruch auf hälftige Erstattung ihrer Rechtsanwaltskosten aus dem im Jahre 2011 gegen die I. angestrengten Rechtsstreit (LG Potsdam 1 O 302/11) in Höhe von 27.442,12 €, mit einem Anspruch auf hälftige Erstattung der Gerichtskosten für den Rechtsstreit vor dem Landgericht Potsdam mit dem Aktenzeichen 6 O 240/11 in Höhe von 1.414 € sowie mit einem Anspruch auf hälftige Erstattung von weiteren Prozessführungskosten in Höhe von 41.437,04 €. Das Landgericht hat die Klage aufgrund der Aufrechnungen abgewiesen.
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Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage gegen die Beklagten in Höhe von 297.368,29 € stattgegeben. Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Beklagten mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
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II. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Zuerkennung eines Zahlungsanspruchs der Klägerin in Höhe von 299.105,75 € aus der Vereinbarung vom 25. Oktober 2007 sowie gegen die Aberkennung des zur Aufrechnung gestellten Anspruchs auf Erstattung von Gerichtskosten in Höhe von 1.414 € für den Rechtsstreit 6 O 240/11 wendet, da die Rechtssache insoweit weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert; von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO). III. Im Übrigen ist die Beschwerde begründet und führt gemäß § 544
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Abs. 7 ZPO wegen der Aberkennung des hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Erstattungsanspruchs in Höhe von 27.442,12 € und wegen der Zuerkennung einer Forderung der Klägerin im Zusammenhang mit diesem Verfahren in Höhe von 2.715,71 € insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils. 1. In dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Tatbestand
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des erstinstanzlichen Urteils wird unter anderem die hilfsweise Aufrechnung der Beklagten mit einem Anspruch auf hälftige Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 27.442,12 € für den Rechtsstreit vor dem Landgericht Potsdam (Az.: 1 O 302/11) dargestellt. In den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils hingegen wird zur Berechnung der Klageforderung im Hinblick auf die hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Positionen ausgeführt, der Klägerin stehe hinsichtlich dieses Verfahrens eine Forderung gegen die Beklagten in Höhe von 2.715,71 € zu.
2. Dies rügt die Nichtzulassungsbeschwerde mit Erfolg. Die angefoch10 tene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
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a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht unter anderem, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit zu prüfen (st. Rspr., BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133; BGH, Beschlüsse vom 15. April 2010 - Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950; vom 12. April 2011 - X ZB 1/10, GRUR 2011, 656; vom 16. Juni 2011 - X ZB 3/10, GRUR 2011, 851; vom 28. November 2012 - X ZB 6/11, GRUR 2013, 318 Rn. 9).
b) Mit der Annahme, der Klägerin (nicht den Beklagten) stehe hinsicht12 lich des genannten Verfahrens eine Forderung in Höhe von 2.715,71 € gegen die Beklagten zu, lässt das Berufungsgericht den von den Beklagten gehaltenen Vortrag zu den ihnen entstandenen außergerichtlichen Kosten, deren hälftige Erstattung sie hilfweise mit der Aufrechnung begehrt haben, ungeprüft. Die Annahme des Berufungsgerichts, nicht den Beklagten, sondern der
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Klägerin stehe aus dem vor dem Landgericht Potsdam geführten Rechtsstreit eine solche Forderung zu, beruht weder auf Feststellungen des Berufungsurteils oder des erstinstanzlichen Urteils noch auf wiedergegebenem Parteivortrag zu den Parteien in diesem Rechtsstreit entstandenen Kosten. Die Angabe im Berufungsurteil, der Betrag stehe der Klägerin "nach deren auch in der Berufungsverhandlung unwidersprochen gebliebener Darstellung" für dieses Verfahren zu, lässt eine Tatsachengrundlage nicht erkennen. Die Annahme, der Klägerin stehe eine Forderung aus diesem Verfahren in Höhe von 2.715,71 € zu, steht vielmehr in Widerspruch zu dem Vortrag der Beklagten, ihnen seien im Zusammenhang mit diesem Verfahren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 54.884,23 € entstanden, deren hälftige Erstattung (= 27.442,12 €) die Klägerin schulde. Wenn das Berufungsgericht diesen Vortrag sowie die darauf gestützte Hilfsaufrechnung nicht berücksichtigt und statt dessen zu einem gänzlich anderen Ergebnis hinsichtlich der Kosten dieses Verfahrens gelangt, lässt dies nur den Schluss zu, dass es den Vortrag der Beklagten bei der Entscheidungsfindung nicht zur Kenntnis genommen hat. 3. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben, soweit es die Beklag14 ten zu einer Zahlung von mehr als 267.210,45 € nebst Zinsen sowie zu einer Zahlung von vorgerichtlichen, den Streitfall betreffenden Rechtsanwaltskosten von mehr als 1.702,30 € nebst Zinsen verurteilt hat, die angefallen wären, wenn die Klägerin nur jene Hauptsumme beansprucht hätte. Der Zahlungsanspruch der Klägerin aus der Vereinbarung vom
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25. Oktober 2007 in Höhe von 299.105,75 € ist in Höhe der bereits vom Berufungsgericht berücksichtigten Prozesskosten von (5.199,47 + 36.237,57 =) 41.437,04 €, von denen die darauf geleistete Zahlung der Klägerin in Höhe von 36.983,86 €, jedoch nicht der vom Berufungsgericht als Forderung der Klägerin berücksichtigte Betrag von 2.715,71 € abzuziehen ist, durch Aufrechnung erloschen. Steht den Beklagten der weiterhin zur Aufrechnung gestellte Anspruch auf hälftige Erstattung von außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht Potsdam 1 O 302/11 in Höhe von 27.442,12 € zu, verbleibt eine begründete Klageforderung in Höhe von 267.210,45 €.
Meier-Beck Richter am Bundesgerichtshof Gröning Grabinski kann wegen Urlaubsabwesenheit nicht unterschreiben. Meier-Beck
Hoffmann Kober-Dehm
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 11.04.2014 - 1 O 165/13 -
OLG Köln, Entscheidung vom 27.02.2015 - 19 U 75/14 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.