Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 266/01
vom
13. November 2001
in Sachen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ist in dem durch § 17 a GVG
eröffneten Instanzenzug festzulegen. Ein Ausspruch zur Zulässigkeit des
Rechtswegs entsprechend § 36 ZPO kommt allerdings ausnahmsweise in Betracht
, wenn dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der
Rechtssicherheit notwendig ist.
BGH, Beschl. v. 13. November 2001 - X ARZ 266/01 - AG Cottbus
ArbG Cottbus
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. November 2001
durch die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und die
Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Als das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges wird das Amtsgericht Cottbus bestimmt.

Gründe:


A. Der beklagte Steuerberater erledigte steuerliche Angelegenheiten für den klagenden Rechtsanwalt. Der Beklagte ist der Ansicht, aus dem beendeten Mandatsverhältnis stünden noch Honoraransprüche offen.
Die Tochter des Klägers war Mitarbeiterin des Beklagten. Sie beansprucht hierfür noch Lohn und hat diese Forderung an den Kläger abgetreten. Nach dessen Darstellung soll die Lohnforderung die berechtigte Honorarforderung des Beklagten übersteigen.
Der Kläger hat vor dem Amtsgericht Cottbus Klage erhoben mit dem Antrag ,

den Beklagten zu verurteilen, bestimmte, den Kläger betreffende und im Besitz des Beklagten befindliche Steuerunterlagen herauszugeben.
Der Beklagte hat sich wegen der Honoraransprüche auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen und beantragt,
einen Teil der Steuerunterlagen nur Zug um Zug gegen Zahlung des seiner Meinung nach noch ausstehenden Honorars herausgeben zu müssen und im übrigen die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist demgegenüber der Meinung, daß dem Beklagten wegen der Honorarforderung ein Zurückbehaltungsrecht nicht zustehe, weil er mit den Lohnansprüchen der Tochter und einem Erstattungsanspruch wegen anwaltlicher Beratung aufgerechnet habe.
Das Amtsgericht Cottbus hat nach mündlicher Verhandlung durch den Parteien am 1. bzw. 13. September 1999 zugestellten Beschluß vom 30. August 1999 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Cottbus als ausschließlich zuständiges Gericht verwiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht Cottbus ausgeführt, bei der zur Aufrechnung gestellten, der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte unterliegenden Lohnforderung handele es sich um einen nicht abtrennbaren Teil des Rechtsstreits.
Vor dem Arbeitsgericht Cottbus hat der Kläger, gestützt auf die Lohnabtretung , klageerweiternd zusätzlich beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.985,76 DM netto zu zahlen.
Über diesen Klageantrag ist im arbeitsgerichtlichen Rechtszug durch Teilurteil rechtskräftig entschieden. Hinsichtlich des auf Herausgabe von Steuerunterlagen gerichteten Klagebegehrens hat das Arbeitsgericht Cottbus sich hingegen seinerseits für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Cottbus verwiesen. Diese zusammen mit dem Teilurteil vom 21. Juni 2000 getroffene Entscheidung ist den Parteien am 20. Juli bzw. 3. August 2000 zugestellt worden.
Das Amtsgericht Cottbus hat die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt , worauf das Arbeitsgericht Cottbus das Landesarbeitsgericht Brandenburg um Bestimmung des zuständigen Gerichts gebeten hat. Das Landesarbeitsgericht Brandenburg wiederum hat angeregt, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Daraufhin hat durch Beschluû vom 7. September 2001 das Amtsgericht Cottbus sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.
B. 1. Hinsichtlich der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges trifft § 17 a GVG eine eigenständige Regelung, die einen Streit von Gerichten verschiedener Rechtswege von vornherein ausschlieûen soll. Das angerufene Gericht kann hierzu seine eigene Zuständigkeit aussprechen. Wenn es hingegen den zu ihm führenden Rechtsweg für unzulässig hält, hat es dies auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zuläs-
sigen Rechtswegs zu verweisen. Auûerdem sieht das Gesetz vor, daû beide Entscheidungen auf ihre Richtigkeit hin in einem Instanzenzug überprüft werden können. Das Nähere hierzu ist in § 17 a Abs. 4 Satz 2 ff. GVG geregelt. Anders als die Verweisung wegen örtlicher und sachlicher Unzuständigkeit eines ordentlichen Gerichts (§ 281 ZPO) kann also insbesondere der nach § 17 a Abs. 2 GVG ergehende Verweisungsbeschluû auf sofortige Beschwerde einer Partei im Rechtsmittelzug überprüft werden. Hieraus kann abgeleitet werden , daû ein nach § 17 a Abs. 2 GVG ergangener Beschluû, sobald er rechtskräftig geworden ist, einer weiteren Überprüfung entzogen ist. Die Regelung in § 17 a Abs. 5 GVG bestätigt dies. Angesichts dieser Rechtslage kommt die Bindungswirkung, die § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG verleiht, grundsätzlich auch einem Verweisungsbeschluû zu, der nicht hätte ergehen dürfen (BAG, Beschl. v. 22.07.1998 - V AS 17/98, NZA 1998, 1190 ff.). Die gesetzliche Bindungswirkung fehlt deshalb auch einem Rückverweisungsbeschluû grundsätzlich nicht (BGHZ 144, 21). Wenn ein solcher Beschluû miûachtet, daû das beschlieûe nde Gericht bereits seinerseits rechtskräftig als das zuständige des zulässigen Rechtswegs bestimmt worden ist, muû das hingenommen werden, weil entweder die Parteien nicht durch Einlegung des zulässigen Rechtsmittels eine Korrektur ermöglicht haben oder der Fehler trotz Rechtsmittels in dem vom Gesetz hierfür vorgesehenen Instanzenzug nicht korrigiert worden ist. Wenn verschiedene Gerichte unterschiedlicher Rechtswege sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben, bedarf es deshalb einer Bestimmung durch ein übergeordnetes Gericht nicht mehr. Dem trägt § 36 ZPO Rechnung, indem es eine Bestimmung durch ein Obergericht im Falle eines Streits zwischen Gerichten unterschiedlicher Rechtswege über die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht vorsieht.
Auch der Streit des Amtsgerichts Cottbus und des Arbeitsgerichts Cottbus ist hiermit entschieden. Nach dem Vorgesagten ist das Amtsgericht Cottbus das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges, weil der noch anhängige Rechtsstreit durch zusammen mit dem Teilurteil vom 21. Juni 2000 ergangenen, unangefochtenen und unanfechtbaren Beschluû des Arbeitsgerichts Cottbus an das Amtsgericht Cottbus mit der sich aus § 17 b Abs. 1 GVG ergebenden Folge verwiesen worden ist, daû der Rechtsstreit nunmehr bei diesem Gericht anhängig ist.
Für den vorliegenden Fall kann dabei unentschieden bleiben, ob trotz des in § 17 a Abs. 4 Satz 2 ff. GVG eigens für die Frage des zulässigen Rechtsweges vorgesehenen Instanzenzugs ein rechtskräftiger Beschluû nach § 17 a Abs. 2 GVG ausnahmsweise das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges nicht bindet (so BAG, aaO). Eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung wäre in Anbetracht der durch § 17 a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeit allenfalls bei "extremen Verstöûen" denkbar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.11.1994 - IX AV 1.94, DVBl. 1995, 572 m.w.N.; auch BAG, aaO), etwa wenn der Beschluû jeder Grundlage entbehrt oder dazu führt, daû die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maûgeblichen Normen sich in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 24.02.2000 - III ZB 33/99, NJW 2000, 1343, 1344; auch BVerwGE 29, 45, 49 m.w.N.; BFH, Beschl. v. 23.04.1991 - VII B 221/90, Rechtspfleger 1992, 82 f.). Das kann hier hinsichtlich des Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Cottbus vom 21. Juni 2000 nicht festgestellt werden. Das Herausgabeverlangen des Klägers, über das (noch) zu entscheiden ist, hat einen Streitgegenstand, der gemäû § 13
GVG - wie von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen wird - vor die ordentlichen Gerichte gehört. Nur wenn (und soweit) der zivilrechtliche Herausgabeanspruch bejaht werden kann und deshalb zu prüfen ist, ob das vom Beklagten als Gegenrecht geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht gleichwohl nur zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung führen kann, kann ein arbeitsrechtlicher Anspruch überhaupt Bedeutung erlangen. Eine in diesem Rahmen zu treffende Entscheidung des Amtsgerichts Cottbus über diesen - als Klageforderung - in einen anderen Rechtsweg gehörenden Anspruch hätte zudem nicht teil an der Rechtskraft der vom Amtsgericht Cottbus zu erlassenden, die Instanz beendenden Entscheidung (BGH, Urt. v. 11.11.1994 - V ZR 46/93, NJW 1995, 967). Das weist den (noch) anhängigen Rechtsstreit sogar eindeutig der ordentlichen Gerichtsbarkeit und damit dem Amtsgericht Cottbus zu.
2. Gleichwohl spricht der Senat die Rechtswegzuständigkeit des Amtsgerichts Cottbus hier in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ausdrücklich aus. Der neuerliche Beschluû des Amtsgerichts Cottbus vom 7. September 2001, der seinerseits nicht den Anforderungen des § 17 a Abs. 2 GVG genügt (vgl. BVerwG, aaO), rechtfertigt die Annahme, daû der Rechtsstreit von dem Amtsgericht Cottbus nicht prozeûordnungsgemäû betrieben werden wird, obwohl er gemäû § 17 b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist. Im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit ist es deshalb geboten, ausnahmsweise die sich aus § 17 a GVG ergebende Rechtswegzuständigkeit auszusprechen. § 36 ZPO bietet die für einen solchen Fall sachgerechte Norm (Sen.Beschl. v. 26.07.2001 - X ARZ 132/01, Umdr. S. 2 f, zur Veröffentlichung vorgesehen; v. 26.03.1994 - X ARZ 902/93, NJW 1994, 2032; vgl. auch schon BGHZ 104, 363 ff.). Da bei einem Streit von Gerichten unterschiedlichen Rechtswegs ein im Rechtszuge zunächst höheres
Gericht
nicht existiert, führt die deshalb gebotene entsprechende Anwendung von § 36 ZPO dazu, daû zur Entscheidung der Oberste Gerichtshof des Bundes berufen ist, der zuerst um die Bestimmung angegangen wurde (Sen.Beschl. v. 26.07.2001, aaO; BAG, aaO; vgl. auch BT-Drucks. 13/9124, S. 46).
Jestaedt Scharen Mühlens
Meier-Beck Asendorf

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2001 - X ARZ 266/01

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2001 - X ARZ 266/01

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2001 - X ARZ 266/01 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 36 Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit


(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt: 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;2. wenn es mit Rücksich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 281 Verweisung bei Unzuständigkeit


(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17


(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht w

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2001 - X ARZ 266/01 zitiert oder wird zitiert von 24 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2001 - X ARZ 266/01 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2001 - X ARZ 132/01

bei uns veröffentlicht am 26.07.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ARZ 132/01 vom 26. Juli 2001 in dem Verfahren zur Bewilligung der Prozeßkostenhilfe Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; GVG § 17a Abs. 2 a) Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten d

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2000 - III ZB 33/99

bei uns veröffentlicht am 24.02.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 33/99 vom 24. Februar 2000 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ------------------------------------ GVG § 17 a Abs. 2 Satz 3 Auch eine gesetzwidrige Rückverweisung entfalt
22 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2001 - X ARZ 266/01.

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13

bei uns veröffentlicht am 14.05.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ARZ 167/13 vom 14. Mai 2013 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GVG § 17a Abs. 2 Die Verweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs ist hinsichtlich des Rechts

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Aug. 2011 - X ARZ 263/11

bei uns veröffentlicht am 10.08.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ARZ 263/11 vom 10. August 2011 in der Sache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. August 2011 durch den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens, die Richter Gröning, Dr. Bacher und die Rich

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2004 - X ARZ 101/04

bei uns veröffentlicht am 25.05.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ARZ 101/04 vom 25. Mai 2004 in dem Rechtsstreit Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richte

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2003 - X ARZ 197/03

bei uns veröffentlicht am 11.11.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ARZ 197/03 vom 11. November 2003 in dem Rechtsstreit Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf a

Referenzen

(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.

(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 33/99
vom
24. Februar 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
------------------------------------
GVG § 17 a Abs. 2 Satz 3
Auch eine gesetzwidrige Rückverweisung entfaltet, wenn sie in
Rechtskraft erwächst, die Bindungswirkung nach § 17 a Abs. 2 Satz 3
BGH, Beschluß vom 24. Februar 2000 - III ZB 33/99 - OLG Nürnberg
LG Regensburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Februar 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und
Galke

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Beschlüsse des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 2. Juni 1999 - 4 W 3190/98 - und der 4. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 21. August 1998 - 4 O 1147/98 - aufgehoben.
Im Umfang der durch den Beschluß der 13. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. April 1998 ausgesprochenen Verweisung ist der ordentliche Rechtsweg zulässig.
Die Sache wird an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen , dem auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerde - und des weiteren Beschwerdeverfahrens vorbehalten bleibt; jedoch werden Gerichtskosten insoweit nicht erhoben.
Der Streitwert für das Beschwerde- und das weitere Beschwerdeverfahren wird auf 2.160 DM festgesetzt (1/3 des Hauptsachewerts ; vgl. Senatsbeschluß vom 19. Dezember 1996 - III ZB 105/96 = BGHR GVG § 17 a Streitwert 1 = NJW 1998, 909 f).

Gründe


I.


Der Kläger erhob gegen den beklagten Zweckverband für Wasserversorgung , eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, Klage zum Amtsgericht Cham mit den Anträgen:
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn einwandfreies und gesundes Leitungswasser zu liefern;
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von 6.480 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Den Schadensersatzanspruch begründete er damit, daß der Beklagte das zwischen ihnen bestehende öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis verletzt habe.
Durch Beschluß vom 1. Juli 1997 erklärte das Amtsgericht den ordentlichen Rechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Regensburg. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht stützte der Kläger seinen Schadensersatzanspruch zusätzlich auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). Daraufhin trennte das Verwaltungsgericht das Verfahren, soweit es die Lieferung von einwandfreiem Trinkwasser betraf, ab, erklärte hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs durch Beschluß vom 20. April 1998 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit insoweit an das Landgericht Regens-
burg. Dieses verwies durch Beschluß vom 21. August 1998 die Sache an das Verwaltungsgericht mit der Begründung zurück, dessen Verweisungsbeschluß könne keine Bindungswirkung entfalten, da das Verwaltungsgericht seinerseits an die frühere Verweisung durch das Amtsgericht Cham gebunden gewesen sei.
Gegen den Beschluß des Landgerichts legte der Kläger sofortige Beschwerde ein. Auf einen entsprechenden Antrag des Klägers legte das Oberlandesgericht die Sache dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach §§ 36, 37 ZPO vor. Mit Beschluß vom 15. März 1999 lehnte das Bayerische Oberste Landesgericht es ab, eine Entscheidung über die Zuständigkeit zu erlassen, und gab die Sache zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde an das Oberlandesgericht zurück. Dieses wies durch Beschluß vom 2. Juni 1999 die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Landgerichts Regensburg zurück. Mit der zugelassenen weiteren sofortigen Beschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Aufhebung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Regensburg weiter.

II.

Die weitere sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 17 a Abs. 4 Satz 3-6 GVG i.V.m. §§ 567 Abs. 4 Satz¸2, 577 ZPO) und auch begründet. Für den Rechtsstreit ist in dem hier in Rede stehenden Umfang der ordentliche Rechtsweg eröffnet, da der Verweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichts Regensburg für die ordentlichen Gerichte bindend ist.
1. Allerdings ist beiden Vorinstanzen im rechtlichen Ausgangspunkt darin zuzustimmen, daß jener Rückverweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichts gesetzwidrig gewesen ist. Das Verwaltungsgericht war nämlich seinerseits an den ursprünglichen Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Cham gebunden (§ 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG). Diese Bindungswirkung entfiel nicht etwa deswegen , weil der Kläger im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht seinen Schadensersatzanspruch zusätzlich auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung gestützt hatte. Zwar war die Prüfung dieses Anspruchs dem Verwaltungsgericht verwehrt (§ 17 Abs. 2 Satz 2 GVG); dies änderte aber nichts daran , daß es berufen blieb, den Rechtsstreit unter allen übrigen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere demjenigen eines Schadensersatzanspruchs aus dem zwischen den Parteien bestehenden öffentlich -rechtlichen Schuldverhältnis, zu entscheiden (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG).
2. Indessen ist der Rückverweisungsbeschluß von keiner der Parteien angefochten worden und dementsprechend in Rechtskraft erwachsen. Dies hat die Konsequenz, daß er nunmehr seinerseits die Bindungswirkung nach § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG zu Lasten der ordentlichen Gerichte entfaltete. Zwar wird im wissenschaftlichen Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, daß eine Rückverweisung nicht bindend sei, wenn in einen Rechtsweg zurückverwiesen werde, der bereits rechtskräftig für unzulässig erklärt worden sei. In einem solchen Falle finde die Bestimmung des zuständigen Gerichts analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statt (Meyer-Ladewig, SGG 6. Aufl. 1998 § 51 Rn. 59; vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 58. Aufl. 2000 § 17 a GVG Rn. 8). Dieser Auffassung vermag sich der Senat indessen nicht anzuschließen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß das Verfahren der Rechtswegverweisung in §§ 17 a, 17 b GVG abschließend geregelt ist (vgl. zum Vorrang der
Rechtswegverweisung in § 17 a GVG vor einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch: BGH, Beschluß vom 24. März 1994 - X ARZ 902/93 = NJW 1994, 2032). Abgesehen davon, daß die Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auf einen negativen Kompetenzkonflikt von Gerichten innerhalb desselben Gerichtszweiges zugeschnitten ist und deshalb bereits zweifelhaft ist, ob sie überhaupt auf einen Konflikt zwischen Gerichten verschiedener Rechtswege paßt, betrifft sie lediglich die Fälle, in denen sich die betreffenden Gerichte rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Daraus ist zu folgern, daß dann, wenn die Unzuständigerklärung anfechtbar ist, die Entscheidung über ein eingelegtes Rechtsmittel den Vorrang vor einer Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO haben muß. In diesem Sinne hat auch das Bayerische Oberste Landesgericht im vorliegenden Verfahren mit Recht entschieden.
3. Die Bindungswirkung besteht auch bei gesetzwidrigen Verweisungen (Zöller/Gummer, ZPO 21. Aufl. 1999 § 17 a GVG Rn. 13; Musielak/Wittschier, ZPO, 1999, § 17 a GVG Rn. 9; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO; jew. m.w.N.). Dafür ist die Art des Rechtsfehlers, auf dem die Gesetzwidrigkeit beruht, grundsätzlich unerheblich. Insoweit bestehen Berührungspunkte mit dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere des Senats , hervorgehobenen Grundsatz, daß sich die Rechtskraft einer auf ein unzulässiges Rechtsmittel ergangenen Sachentscheidung gegenüber der Unzulässigkeit durchsetzt; dies gilt sogar bei absoluten Verfahrensmängeln (Senatsurteil vom 30. November 1995 - III ZR 240/94 = BGHR ZPO § 559 Abs. 2 Verfahrensmangel, absoluter 5 = NJW 1996, 527 f). Auf den vorliegenden Fall übertragen, bedeutet dies, daß die Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen
Rückverweisungsbeschlusses den Vorrang vor der Bindungswirkung der durch das Amtsgericht ausgesprochenen Ursprungsverweisung hat.
4. Der hier zu beurteilende Fall gibt keinen Anlaß zur Klärung der Frage, ob - auch im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG - etwas anderes gilt, wenn die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen sich so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, daß sie nicht mehr zu rechtfertigen ist, wenn sie also objektiv oder auch verfahrensrechtlich willkürlich zustande gekommen ist (vgl. Zöller/Gummer aaO m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hatte seine Entscheidung im wesentlichen auf die Erwägung gestützt, die Ursprungsverweisung entfalte deswegen keine Bindungswirkung, weil sie den Anspruch aus Amtspflichtverletzung überhaupt nicht betroffen habe. Deswegen eröffne die Rückverweisung dem ordentlichen Gericht die Möglichkeit, den streitigen Schadensersatzanspruch unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, einschließlich der Amtshaftung, zu entscheiden. Damit wird zwar der Umfang der Bindungswirkung verkannt; andererseits können die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht als völlig sachfremd oder gar willkürlich angesehen werden.
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ARZ 132/01
vom
26. Juli 2001
in dem Verfahren zur Bewilligung der Prozeßkostenhilfe
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten der ordentlichen
Gerichtsbarkeit und Arbeitsgerichten ist für die Bestimmung
des zuständigen Gerichts auch nach der seit 1. Januar 1998 geltenden
Fassung des § 36 ZPO derjenige oberste Gerichtshof des Bundes
zuständig, der zuerst darum angegangen wird.

b) Auch eine im Verfahren über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe
ausgesprochene Verweisung an ein Gericht eines anderen Rechtswegs
ist grundsätzlich für dieses Gericht bindend.
BGH, Beschl. v. 26. Juli 2001 - X ARZ 132/01 - AG Neuruppin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juli 2001
durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Prof. Dr. Jestaedt,
Dr. Melullis, Keukenschrijver und die Richterin Mühlens

beschlossen:
Zuständig ist das Arbeitsgericht Neuruppin.

Gründe:


I. Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht Neuruppin beantragt, ihr Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen den Antragsgegner zu bewilligen. Das Amtsgericht hat das Verfahren an das nach seiner Ansicht zuständige Arbeitsgericht Neuruppin verwiesen. Dieses hat darauf verwiesen, daß eine Verweisung an ein Gericht eines anderen Rechtswegs im Verfahren über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nicht statthaft sei, und eine Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Das Amtsgericht hat daraufhin die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung der Zuständigkeitsfrage vorgelegt.
II. Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist zulässig.
1. Der Antrag ist statthaft.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entsprechend anwendbar (BGHZ 17, 168, 170; BAGE 23, 167, 169).
Die §§ 17a, 17b GVG stehen dem nicht entgegen. Zwar hat der Bundesgerichtshof vor kurzem entschieden, daß das Verfahren der Rechtswegverweisung in den genannten Vorschriften abschließend geregelt ist (BGH, Beschl. v. 24.02.2000 - III ZB 33/99, NJW 2000, 1343, 1344). Hieraus folgt indes nur, daß die Parteien sich nicht auf das Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verweisen lassen müssen, solange eine Entscheidung nach § 17a GVG noch mit Rechtsmitteln angefochten werden kann (BGH aaO). Wenn solche Rechtsmittel nicht mehr zur Verfügung stehen, ist ein Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO hingegen möglich. Auch die Regelung in § 17a GVG kann nicht vollständig verhindern , daß es im Einzelfall innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten. Für diese - nicht sehr häufigen - Fälle bietet eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die geeignete Handhabe , um den Streit über die Rechtswegzuständigkeit möglichst schnell zu beenden.
2. Der Bundesgerichtshof ist für die hier zu treffende Entscheidung zuständig.

a) Zuständig für die Bestimmung ist derjenige oberste Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGHZ 44, 14, 15; BAG, Beschl. v. 06.01.1971 - 5 AR 282/70, BAGE 23, 167, 170; BAG, Beschl. v.

25.11.1983 - 5 AS 20/83, NJW 1984, 751, 752). In gleichem Sinne haben das Bundesverwaltungsgericht und das Bundessozialgericht für die § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechenden Vorschriften in § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO und § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG entschieden (BVerwG, Beschl. v. 05.03.1993 - 11 ER 400/93, NJW 1993, 3087; BSG, Beschl. v. 11.10.1988 - 1 S 14/88, MDR 1989, 189).

b) Die Neufassung des § 36 ZPO durch Artikel 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (SchiedsVfG) vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) hat an der Rechtslage insoweit nichts geändert (ebenso BAG, Beschl. v. 22.07.1998 - 5 AS 17/98, AP Nr. 55 zu § 36 ZPO unter I 1; BAG, Beschl. v. 14.12.1998 - 5 AS 8/98, AP Nr. 38 zu § 17a GVG unter II 3; Baumbach/ Lauterbach/ Albers/ Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 36 Rdn. 35 a.E.; MünchKomm/Patzina, ZPO, 2. Aufl., § 36 Rdn. 44; Musielak/ Smid, ZPO, 2. Aufl., § 36 Rdn. 9; Zöller/ Vollkommer , ZPO, 22. Aufl., § 36 Rdn. 32; Kemper, NJW 1998, 3551, 3552).
Zwar sieht § 36 Abs. 2 ZPO n.F. nunmehr vor, daß die Zuständigkeitsbestimmung durch ein Oberlandesgericht erfolgt, wenn das für die Bestimmung an sich zuständige zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof wäre. In Kompetenzkonflikten zwischen verschiedenen Gerichtszweigen ist diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach aber schon deshalb nicht anwendbar, weil es hier kein zunächst höheres gemeinschaftliches Gericht gibt (so auch BayObLG, Beschl. v. 15.03.1999 - 1 Z AR 99/98, BayObLGZ 1999, 78; Kemper, NJW 1998, 3551, 3552).
Eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 2 ZPO - etwa dergestalt , daß das Obergericht des zuerst angerufenen Rechtswegs (also das Oberlandesgericht bzw. das Landesarbeitsgericht) über das zustän-

dige Gericht entscheidet und die Sache nur in den Fällen des § 36 Abs. 3 ZPO an den übergeordneten Gerichtshof vorlegt - ist nach Auffassung des Senats weder erforderlich noch zweckmäßig.
Die Regelung in § 36 Abs. 2 ZPO verfolgt den Zweck, den Bundesgerichtshof von belastender Routinetätigkeit zu befreien. Vor der Neuregelung waren zuletzt über 1000 Verfahren pro Jahr beim Bundesgerichtshof anhängig gemacht worden (s. dazu Bundestags-Drucksache 13/9124, S. 46). Eine vergleichbare Situation ist bei Kompetenzkonflikten zwischen verschiedenen Gerichtszweigen nicht gegeben. Solche Fälle kommen eher selten vor. Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß es insoweit bei der Zuständigkeit der obersten Gerichtshöfe des Bundes verbleibt.

c) Der Rechtsgedanke des § 36 Abs. 2 ZPO gebietet auch keine Ä nderung der Rechtsprechung dahin, daß nur derjenige oberste Gerichtshof des Bundes zuständig ist, zu dessen Bereich das zuerst mit der Sache befaßte Gericht gehört.
Eine solche Ä nderung der bisherigen Rechtsprechung würde zwar einen gewissen Gewinn an Rechtssicherheit bringen, weil es nicht mehr der Wahl des vorlegenden Gerichts oder des Antragstellers überlassen bliebe, welches Gericht über die Zuständigkeit entscheidet. Andererseits würde dies dem allgemeinen Zweck des Rechts der Zuständigkeitsbestimmung zuwiderlaufen. Sinn des § 36 ZPO ist es, jedem langwierigen Streit der Gerichte untereinander über die Grenzen ihrer Zuständigkeit ein Ende zu machen (BGHZ 17, 168, 170) und eine Ausweitung von solchen Streitigkeiten tunlichst zu vermeiden (BGHZ 44, 14, 15). Zu solchen Ausweitungen könnte es kommen, wenn nur einer der in Frage kommenden

Gerichtshöfe des Bundes zuständig ist. Die anderen beteiligten Gerichtshöfe müßten ein Gesuch auf Zuständigkeitsbestimmung dann nämlich zunächst an diesen weiterleiten, wenn es - aus welchen Gründen auch immer - bei ihnen eingereicht worden ist.
Die damit verbundenen Komplikationen sprechen für eine Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung, zumal es auch bei einer entsprechenden Anwendung von § 36 Abs. 2 ZPO letztlich in der Hand der Beteiligten läge, bei welchem Ausgangsgericht die Sache zuerst anhängig gemacht wird.
3. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Das Amtsgericht und das Arbeitsgericht haben jeweils rechtskräftig entschieden, daß der zu ihnen beschrittene Rechtsweg unzulässig sei.
III. Als zuständiges Gericht ist das Arbeitsgericht Neuruppin zu bestimmen. Dieses ist durch die nach Gewährung rechtlichen Gehörs ergangene und nicht offensichtlich gesetzwidrige Rechtswegentscheidung des Amtsgerichts gebunden (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG), wenn auch nur für das Verfahren über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe. Zwar wird in Schrifttum und Rechtsprechung nicht nur vereinzelt die Auffassung vertreten, daß die Regelung in § 17a GVG im Verfahren über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nicht anwendbar sei, jedoch wird in der Rechtsprechung auch die Gegenansicht bejaht (Nachw. bei Zöller /Gummer, ZPO, 22. Aufl. 2001, vor § 17-17b GVG Rdn. 12). Aus dem Wortlaut der zitierten Bestimmungen wie aus dem Sinnzusammenhang der Regelungen folgt

nicht, daß eine Auslegung unvertretbar wäre, nach der diese Bestimmungen auch im Verfahren über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe anzuwenden sind. Damit muß aber - schon zur Vermeidung langwieriger Zuständigkeitsstreitigkeiten (vgl. E. Schneider, MDR 2000, 599) - von einer bindenden Wirkung des Verweisungsbeschlusses ausgegangen werden, aus der sich hier die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts für die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung der Prozeßkostenhilfe unabhängig davon ergibt, ob die Auffassung des Amtsgerichts zutreffend ist.
Rogge Jestaedt Melullis
Keukenschrijver Mühlens

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.