Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03

bei uns veröffentlicht am24.07.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 8/03
vom
24. Juli 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Maßgeblich für die Zeitbestimmung, die erforderlich ist, um die Einhaltung von
prozessualen Fristen zu beurteilen, ist die gesetzliche Zeit im Sinne von §§ 1
und 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung vom 25. Juli 1978 (BGBl. I 1110,
ber. 1262).

b) Zur Bedeutung des Zeitnachweises in Abrechnungen von Telekommunikationsverbindungen
der Telekom für die Ermittlung der gesetzlichen Zeit, wenn die
Zeitangabe der Abrechnung von der Zeitangabe eines gerichtlichen Telefaxgerätes
abweicht.
BGH, Beschluß vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - OLG München
LG München I
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2003 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer,
Prof. Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Februar 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.

1. Die Beklagte hat gegen ein Endurteil des Landgerichts M. Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist bis zum 9. Dezember 2002 verlängert worden. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat die Berufung mit Telefax begründet. Nach seiner Behauptung ist das Fax am 9. Dezember 2002 um 23.58 Uhr beim Oberlandesgericht M. vollständig eingegangen. Zum Beleg hat er eine Abrechnung der Telekom übergeben, wonach mit der Sendung um 23:46:49 Uhr begonnen wurde und die Sendung 11:14 Minuten dauerte. Das Empfangsjournal des Oberlandesgerichts weist als Empfangsbeginn 23:53 Uhr, eine Sendedauer von 11:15 Minuten und als Ende des Ausdrucks 00:04 Uhr aus. Der Aufdruck auf der Kennung des Telefaxge-
rätes des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten weist als Sendebeginn 00:52 und als Sendeende 01:02 auf. Auf diesem Gerät war noch die Sommerzeit eingestellt. 2. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Berufung sei rechtzeitig eingegangen. Hilfsweise hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Bürokraft ihres Prozeßbevollmächtigten habe das Faxgerät ohne seine Kenntnis auf eine langsamere Datenübertragung umgestellt. Dieser habe das beim ersten Versuch, die Berufungsbegründung per Telefax zu übersenden , alsbald gemerkt, den Vorgang abgebrochen, das Gerät zurückgestellt und sodann die Berufungsbegründung vollständig übersandt. Eine eventuelle Überschreitung der Begründungsfrist sei auf das nicht autorisierte Verhalten der Bürokraft zurückzuführen und von der Beklagten bzw. ihrem Prozeßbevollmächtigten nicht zu vertreten.

II.

1. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Die Berufung sei erst am 10. Dezember 2002 eingegangen. Das ergebe sich aus den Journalen sowohl des Faxgerätes des Oberlandesgerichts als auch des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten. Die Abrechnung der Telekom könne nicht überzeugen, weil es insoweit nur auf die Sendedauer, nicht aber auf die genaue Zeiterfassung des Vorgangs ankomme. Die Zeiten der Telekom stimmten auch nicht mit der Zeitangabe eines anderen Faxgerätes des Oberlandesgerichts überein. 2. Das Berufungsgericht hat auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Der Prozeßbevollmächtigte, der die Beru-
fungsbegründung in letzter Minute abgesendet habe, hätte sich von dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Telefaxgerätes überzeugen müssen. Er hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, daß Einstellungen noch vorhanden gewesen seien, die ca. 4 bis 5 Tage zuvor vorhanden waren.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung. Denn es ist zu klären, welche Anforderungen an die Ermittlung der Zeit zu stellen sind, die für die Einhaltung von Fristen maßgeblich ist. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß es darauf ankommt , ob der vollständige Schriftsatz am 9. Dezember 2002 eingegangen ist. Eine Übermittlung ist durch Telefax möglich. Vorausgesetzt wird allerdings, daß das Fernschreiben unmittelbar von der Fernschreibestelle des Gerichts aufgenommen wird, daß es seinem Inhalt nach den Anforderungen entspricht, die die Prozeßordnung an bestimmende Schriftsätze stellt und daß es abschließend - als Ersatz der an sich erforderlichen, technisch aber nicht möglichen Unterschrift - den Namen des Erklärenden anführt (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 5. April 2000 - GmS-OBG 1/98, BGHZ 144, 160, 164).

b) Maßgebend ist dabei, ob der Inhalt des Telefaxes vollständig bis zur abschließenden Namenskennzeichnung am 9. Dezember 2002 eingegangen ist. Auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die abschließende Namenskennzeichnung durch eine Unterschrift zu erfolgen hat, kommt es nicht an. Denn die Begründung ist unterschrieben. Die vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob es auf den Eingang der elektronischen Signale oder den Ausdruck ankommt, stellt sich nach der Auskunft der Einlaufstelle des Oberlandesgerichts M. nicht. Danach erfolgt der Empfang der Sendung zeitgleich mit dem Ausdruck.
c) Ob ein Schriftsatz binnen einer bestimmten Frist eingegangen ist, richtet sich danach, ob er vor Beginn desjenigen Tages eingeht, der dem Fristende folgt. Dieser Tag beginnt um 00:00 Uhr. Maßgeblich ist die gesetzliche Zeit, denn im amtlichen und geschäftlichen Verkehr werden Datum und Uhrzeit nach der gesetzlichen Zeit verwendet. Die gesetzliche Zeit ist die mitteleuropäische Zeit. Diese wird von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt dargestellt und verwaltet, vgl. §§ 1 und 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung (ZeitG) vom 25. Juli 1978 (BGBl I S. 1110, ber. S. 1262).
d) Die Beklagte hat zu beweisen, daß die Berufung rechtzeitig begründet worden ist. Das Berufungsgericht hat von Amts wegen alle entscheidungserheblichen Umstände, wie sie sich aus dem Akteninhalt ergeben, zu prüfen (BGH, Urteil vom 14. März 2001 - XII ZR 51/99, ZIP 2001, 718, 719). Dem genügt die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts nicht. Es würdigt den Umstand , daß die Telekom in ihrer Abrechnung das Ende des Sendevorgangs mit 23:58 Uhr angegeben hat, nur unvollständig. Mangels entgegenstehender Feststellungen ist davon auszugehen, daß die Zeitangabe der Telekom auf ihrer Kundenabrechnung sich aus einer Zeit-
ermittlung ergibt, die unter regelmäßiger Abgleichung mit einem amtlichen Zeitnormal erfolgt. Die Telekom ist nach § 5 Nr. 1 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) vom 11. Dezember 1997 (BGBl. I 2910), geändert durch die Erste Verordnung zur Änderung der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung vom 14. April 1999 (BGBl. I 705), verpflichtet, bei der Abrechnung die Dauer zeitabhängig tarifierter Verbindungen von Telekommunikationsleistungen für die Öffentlichkeit unter regelmäßiger Abgleichung mit einem amtlichen Zeitnormal zu ermitteln. Diese Voraussetzungen für die Abrechnung sind durch ein Qualitätssicherungssystem sicherzustellen oder einmal jährlich durch vereidigte, öffentliche bestellte Sachverständige oder vergleichbare Stellen überprüfen zu lassen, § 5 Nr. 3 TKV. Diese Regelungen gewährleisten eine möglichst genaue Zeiterfassung. Es spricht deshalb alles dafür, daß eine nach diesen Grundsätzen ermittelte Sendezeit dem amtlichen Zeitnormal entspricht. Anderweitig ermittelte Uhrzeiten haben demgegenüber geringeren Beweiswert, wenn nicht dargelegt wird, daß sie sich ebenfalls vom amtlichen Zeitnormal ableiten. Es fehlen jegliche Feststellungen dazu, daß die Uhrzeiten, auf die das Berufungsgericht zurückgreift, sich vom amtlichen Zeitnormal ableiten. Insbesondere ist nicht festgestellt, daß die Uhren des Oberlandesgerichts M. in einer Weise mit dem amtlichen Zeitnormal verglichen werden, daß die von der Telekom angegebene Zeit dadurch erschüttert würde. Auch der Umstand, daß nicht nur die Uhr des Empfangsgerätes, sondern auch die eines anderen Gerätes und die Uhr des Sendegerätes andere Zeiten auswiesen als die von der Telekom angegebene Zeit, vermögen den Beweiswert der Telekomangaben nicht ohne weiteres zu erschüttern. Uhren, die sich nicht an dem amtlichen Zeitnormal orientieren, sind unzuverlässig. Das ist eine allgemeine Lebenserfahrung und zeigt sich auch daran, daß die Zeitangaben aller drei Uhren nicht übereinstimmen.
Die Überlegungen, mit denen das Berufungsgericht eine Heranziehung der in der Abrechnung der Telekom genannten Zeit zurückweist, sind nicht tragfähig. Sie setzen voraus, daß die Telekom trotz der ihr auferlegten Verpflichtung in der Abrechnung eine Zeitangabe aufnimmt, die der von ihr unter Abgleichung am amtlichen Zeitnormal ermittelten Zeit nicht entspricht. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Dagegen spricht die Verfügung 168/199 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Amtsblatt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 1999, 4101). Soweit das Berufungsgericht meint, für die Abrechnung komme es nur auf die Sendedauer, nicht aber auf die genaue Zeiterfassung an, kann ihm schon deshalb nicht gefolgt werden, weil es vom Zeitpunkt der Telekommunikationsdienstleistungen abhängige Tarife gibt, so daß auch der genaue Sendebeginn wichtig ist. Im übrigen hätte die Auffassung des Berufungsgerichts nur dann Überzeugungskraft, wenn die Telekom zwar die Zeitdauer nach dem vorgeschriebenen System erfassen würde, nicht aber den Sendeanfang oder das Sendeende oder wenn die Telekom zwar die Zeit der Verordnung entsprechend erfassen würde, diese Erfassung jedoch auf der Abrechnung nicht erschiene. Beides ist so fernliegend, daß es ohne eine weitere Aufklärung nicht unterstellt werden konnte. Nach dem augenblicklichen Stand des Verfahrens besteht eine hinreichende Sicherheit, daß die Berufungsbegründung um 23:58 Uhr beim Berufungsgericht eingegangen ist. Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden , so daß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird. Soweit das Berufungsgericht seine Zweifel hinsichtlich der Zeitangaben in der Abrechnung trotz der im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegten Auskunft aufrecht erhält, wird es eine weitere Auskunft der Telekom einzuholen haben. Außerdem erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, amtliche Auskünfte darüber einzuholen, wie die Zeitangaben auf den Telefaxgeräten des Gerichts zustande gekommen sind und ob gewährleistet ist, daß sie mit dem amtlichen Zeitnormal
übereinstimmen. Schließlich wird das Berufungsgericht den weiteren Einwendungen der Klägerin nachgehen können.

IV.

Soweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt worden ist, ist der Beschluß ebenfalls aufzuheben. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist hilfsweise gestellt worden. Eine Entscheidung ergeht nur, wenn die Berufung als unzulässig verworfen wird. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, daß er die Auffassung des Berufungsgerichts zum Wiedereinsetzungsantrag teilt.
Dressler Thode Kuffer Kniffka Bauner

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 51/99 Verkündet am:
14. März 2001
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO § 519 Abs. 2; § 519 b Abs. 1
Zur Behandlung einer per Telekopie übermittelten, unvollständig zu den Akten gelangten
Berufungsbegründung.
BGH, Urteil vom 14. März 2001 - XII ZR 51/99 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick und Weber-Monecke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 23. Dezember 1998 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ausgleichsansprüche geltend, weil er nach der Trennung der Parteien Zahlungen auf Verbindlichkeiten geleistet habe, die die Parteien vor dem Scheitern der Ehe gemeinsam eingegangen seien. Außerdem verlangt er die Erstattung von Auslagen, die er für die Beklagte getätigt haben will. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an den Kläger 53.845,36 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen. Gegen dieses ihr am 10. Dezember 1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 9. Januar
1998 eingegangenen Schriftsatz ihrer damaligen Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist wurde durch Verfügung des Vorsitzenden des Berufungssenates verlängert bis 14. April 1998. Am letzten Tag der Frist (Dienstag nach Ostern) fertigte die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten eine Berufungsbegründung von vier Seiten und unterschrieb diese. Anschließend sandte sie selbst gegen 12.46 Uhr diesen Schriftsatz per Telefax an das Berufungsgericht. Bei ihrem Faxgerät muß man die Seiten einzeln von Hand eingeben. Das Sendeprotokoll verzeichnete die Übertragung als "ok", wies aber nur drei Seiten als übertragen aus. Die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten maß dem keine besondere Bedeutung bei, weil ihr bekannt war, daß ihr Gerät, wenn zwei Seiten zu schnell hintereinander eingegeben werden, diese beiden Seiten als eine zusammenfaßt und entsprechend eine Seite weniger im Protokoll ausweist. Zu den Akten des Berufungsgerichts sind mit dem Eingangsstempel des 14. April 1998 nur die beiden ersten - nicht unterschriebenen - Seiten der Berufungsbegründung gelangt. Das Journal der Eingangsstelle des Berufungsgerichts weist für den 14. April 1998, 12.46 Uhr den Eingang eines Telefax aus, das als Absenderangabe die Fax-Nummer der früheren Prozeßbevollmächtigten der Beklagten trägt. Ausweislich des Journals bestand das gesendete Schriftstück aus drei Seiten. Die Berufungsbegründung ging im Original - mit der Unterschrift der Prozeßbevollmächtigten - am 16. April 1998 beim Berufungsgericht ein. Am 16. November 1998 hat die Berichterstatterin des Berufungsgerichts den (neuen) Prozeßbevollmächtigten der Beklagten telefonisch darauf hingewiesen , daß per Telefax nur zwei Seiten der Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen seien. Daraufhin hat die Beklagte durch Schriftsatz ihres Prozeß-
bevollmächtigten vom 17. November 1998 wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Durch das angefochtene Urteil hat das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie eine Entscheidung des Berufungsgerichts in der Sache und die Abweisung der Klage erreichen will.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist gemäß § 547 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht als unzulässig verworfen. 1. Das Berufungsgericht führt aus, die beiden vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist per Telefax zu den Akten gelangten Seiten des Schriftsatzes vom 14. April 1998 erfüllten die Anforderungen an eine Berufungsbegründung nicht, weil sie nicht unterschrieben seien. Der Beklagten könne wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Ihre frühere Prozeßbevollmächtigte treffe nämlich ein Verschulden an der Versäumung der Frist, das sie - die Beklagte - sich nach § 85 ZPO zurechnen lassen müsse. Da das Sendeprotokoll lediglich die Übertragung von drei Seiten ausgewiesen, der Schriftsatz aber aus vier Seiten bestanden habe, habe ihre Prozeßbevollmächtigte sich nicht ohne Nachfrage bei dem Gericht darauf verlassen dürfen, daß die Übermittlung vollständig er-
folgt sei. Es spreche "eine ganz überwiegende Vermutung dafür", daß die drei ersten Seiten der Berufungsbegründung per Telefax eingegangen seien, nicht die vierte Seite mit der Unterschrift. Jedenfalls habe die Beklagte nicht glaubhaft gemacht, daß die vierte Seite eingegangen sei. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 2. Die von dem Berufungsgericht in den Vordergrund gestellte Frage, ob der Beklagten wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, stellt sich nur, wenn zuvor festgestellt worden ist, daß die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist versäumt hat. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Versäumung der Berufungsbegründungsfrist tragen die Entscheidung jedoch nicht.
a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die beiden zu den Akten gelangten Seiten der Telekopie die Anforderungen an eine Berufungsbegründungsschrift nicht erfüllen, weil sie nicht unterschrieben sind und weil deshalb die Urheberschaft des Schriftsatzes nicht hinreichend belegt ist. Daran hat sich durch den Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 (GmS-OGB 1/98 - BGHZ 144, 160 f. = NJW 2000, 2340) nichts geändert. Nach dieser Entscheidung , die sich ausschließlich mit dem sogenannten Computerfax beschäftigt, können bestimmende Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden. Der Begründung der Entscheidung ist zu entnehmen, daß es eventuell auch ausreichend sein kann, wenn anstelle der eingescannten Unterschrift auf andere Weise belegt wird, wer die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt und wer seine Übermittlung als bestimmenden Schriftsatz an das Gericht veranlaßt hat. Im vorliegenden Fall handelt es
sich nicht um die Übermittlung eines Computerfaxes. Es sollte vielmehr ein normaler, unterschriebener Schriftsatz mit einem normalen Faxgerät als Telekopie übermittelt werden. Es reicht jedenfalls nicht aus, wenn ein solcher Schriftsatz unvollständig bei Gericht eingeht und die Unterschrift sich nur auf einer nicht eingegangen Seite befindet. Daß der Schriftsatz den Briefkopf einer Rechtsanwaltskanzlei trägt, reicht nicht aus, um den Autor des Schriftsatzes hinreichend zu identifizieren.
b) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht aber davon aus, bei der Prüfung der Frage, ob die Berufungsbegründungsfrist eingehalten ist oder nicht, seien nur die beiden zu den Akten gelangten Seiten der Telekopie zu berücksichtigen. Wird der Inhalt einer Berufungsbegründungsschrift mittels Telefax vollständig durch elektrische Signale vom Sendegerät des Prozeßbevollmächtigten zum Empfangsgerät des Rechtsmittelgerichts übermittelt, dort aber infolge technischer Störungen (etwa eines Papierstaus) nicht vollständig und fehlerfrei ausgedruckt, so ist dennoch von einem im Zeitpunkt der Telefaxübermittlung erfolgten Eingang des Schriftsatzes auszugehen, wenn der Gesamtinhalt des Schriftsatzes auf andere Weise einwandfrei zu ermitteln ist (BGH, Beschluß vom 19. April 1994 - VI ZB 3/94 - NJW 1994, 1881 f.). Daß im vorliegenden Fall deutliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß mehr elektronische Daten empfangen worden sind, als dem Ausdruck auf den beiden bei den Akten befindlichen Seiten entspricht, ergibt sich schon daraus, daß das Empfangsprotokoll des Berufungsgerichts den Empfang von drei Seiten ausweist. Der Gesamtinhalt des Schriftsatzes läßt sich ermitteln, weil der Schriftsatz zwei Tage nach der Telekopie im Original eingegangen ist und sich bei den Akten befindet.
Zwar trägt im Grundsatz der Berufungskläger die Beweislast dafür, daß seine Berufungsbegründungsschrift rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist (BGH, Urteil vom 18. April 1977 - VIII ZR 286/75 - VersR 1977, 721; Zöller /Gummer, ZPO 22. Aufl. § 518 Rdn. 20 m.w.N.). Gemäß § 519 b Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht jedoch von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung fristgerecht begründet worden ist. Prüfung von Amts wegen in diesem Sinne bedeutet zwar nicht, daß uneingeschränkt der Untersuchungsgrundsatz gilt und daß deshalb der entscheidungserhebliche Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln ist. Das Berufungsgericht muß aber alle aus dem Akteninhalt ersichtlichen Anhaltspunkte prüfen und würdigen, die für die Entscheidung der Frage von Bedeutung sein können, ob die Berufungsbegründung rechtzeitig eingegangen ist oder nicht (BGH, Beschluß vom 19. April 1994 aaO; Beschluß vom 25. Oktober 1979 - III ZB 13/79 - VersR 1980, 90 f., jew. m.N.). Das Berufungsgericht geht selbst zutreffend davon aus, daß bezüglich des Eingangs der Telekopie am 14. April 1998 erhebliche, nicht aufgeklärte Unklarheiten bestehen. Es geht davon aus, daß die damalige Prozeßbevollmächtigte der Beklagten vier Seiten einzeln in ihr Faxgerät eingegeben hat, daß bei dem Empfangsgerät laut Protokoll drei Seiten angekommen sind und daß nur zwei Seiten zu den Akten gelangt sind. Bei dieser Sachlage mußte das Berufungsgericht jedenfalls versuchen, diese Unklarheiten möglichst aufzuklären. Es hätte die Parteien auf die aufklärungsbedürftigen Punkte hinweisen und ihnen die Möglichkeit geben müssen, die zur Aufklärung erforderlichen Tatsachen vorzutragen und unter Beweis zu stellen (BGH, Beschluß vom 25. Oktober 1979 aaO m.N.; Beschluß vom 19. April 1994 aaO). Aufklärungsbedürftig war zunächst, ob an dem Empfangsgerät des Berufungsgerichts am 14. April 1998 gegen 12.46 Uhr ein Fehler - etwa ein Papierstau - aufgetreten ist, der erklären würde, daß nur zwei Seiten ausgedruckt
und drei Seiten als empfangen protokolliert worden sind. Aus den Unterlagen des Empfangsgeräts dürfte ersichtlich sein, ob unmittelbar nach 12.46 Uhr Fernkopien empfangen und ordnungsgemäß ausgedruckt worden sind. Weiter war aufzuklären, wie das (damalige) Empfangsgerät des Berufungsgerichts reagiert hat, wenn ein Sendegerät, wie das der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, wegen des zu schnellen manuellen Einzugs zwei Seiten als eine behandelt und entsprechend gesendet hat. Es ist jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen, daß bei dem Empfangsgerät - je nachdem um welchen Typ es sich handelt - in einem solchen Fall ein "Datenstau" aufgetreten ist, der zur Folge hatte, daß das Gerät nicht mehr in der Lage war, die als Seite drei empfangene übermäßige Datenmenge ordnungsgemäß auszudrucken. Unter Umständen könnte das auch der Grund dafür sein, daß im Protokoll drei Seiten als empfangen ausgewiesen worden sind. Gegebenenfalls wäre weiter zu klären, ob das Empfangsgerät in einem solchen Falle eine Fehlermeldung ausdruckt. 3. Da das Berufungsgericht diesen entscheidungserheblichen Fragen nicht nachgegangen ist, kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Da die aufzuklärenden Fragen tatsächlicher Art sind und am besten an Ort und Stelle geklärt werden können, ist es zweckmäßig, die weitere Sachaufklärung und Entscheidung dem Berufungsgericht zu übertragen und deshalb die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Beschluß vom 25. Oktober 1979 aaO S. 91). Blumenröhr Krohn Gerber Sprick Weber-Monecke