Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2003 - VII ZB 55/02

bei uns veröffentlicht am18.12.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 55/02
vom
18. Dezember 2003
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2003 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Wiebel,
Prof. Dr. Kniffka und Dr. Kuffer

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 7. Zivilsenats des Kammergerichts vom 29. November 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 321,76

Gründe:

I.

Die Klägerin hat für die Beklagte zu 1, deren Gesellschafter die Beklagten zu 2 und 3 sind, Bauleistungen erbracht. Zur Ablösung des Gewährleistungseinbehaltes übersandte die Klägerin der Beklagten zu 1 drei Bürgschaftsurkunden. Die Beklagte zu 1 beanstandete, daß die Bürgschaften unter mehreren unzulässigen Bedingungen ständen und wies den Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des Gewährleistungseinbehalts zurück. Die Bürgschaftsurkunden behielt sie zunächst trotz Fristsetzung seitens der Klägerin zurück.
Mit der Klage hat die Klägerin ursprünglich die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe näher bezeichneter Bürgschaftsurkunden geltend gemacht. Nach Einreichung der Klage haben die Beklagten den Anspruch erfüllt. Die Klägerin hat daraufhin die Klage, die noch nicht zugestellt war, zurückgenommen und beantragt, den Beklagten die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldnern aufzuerlegen. Diesen Antrag hat das Landgericht mit Beschluß vom 18. Oktober 2002 zurückgewiesen. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO erfordere, daß die Klage, gegebenenfalls auch nachträglich, zugestellt und mit der dadurch eingetretenen Rechtshängigkeit ein Prozeßrechtsverhältnis zwischen den Parteien begründet worden sei. Eine vor Zustellung der Klage erklärte Rücknahme löse für keine Seite eine Kostenerstattungspflicht nach § 269 Abs. 3 ZPO aus. Sofern die Klägerin einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch habe, könne sie diesen mit einer neuen Klage bei Gericht geltend machen.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. 1. Gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird. Diese durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) neu eingeführte Vorschrift ist auch auf den Fall einer Erklärung der Rücknahme vor der Klagezustellung, die deshalb nachfolgend unterbleibt, anwendbar. Dies hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluß vom 18. November 2003 (VIII ZB 72/03, zur Veröffentlichung bestimmt ), dem der Senat sich anschließt, ausgesprochen. Die Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auf Fälle der vorliegenden Art entspricht dem Gebot der Prozeßökonomie und steht mit dem Wortlaut der Vorschrift in Einklang, während nichts dafür ersichtlich ist, daß der Gesetzgeber eine prozeßökonomisch und auch kostenrechtlich naheliegende Entscheidung von der Rechtshängigkeit abhängig machen wollte.
2. Das Beschwerdegericht wird nunmehr nach Gewährung rechtlichen Gehörs über die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zu entscheiden haben.
Dressler Hausmann Wiebel Kuffer Kniffka

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(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden. (2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, a

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(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.