Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2013 - StB 15/13

05.09.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
__________
StB 15/13
vom
5. September 2013
in der Strafvollstreckungssache
gegen
wegen Annahme eines Erbietens zum Mord u.a.
hier: Sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen die Aussetzung
der Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Verurteilten und seiner Verteidiger am 5. September
2013 gemäß § 454 Abs. 3 Satz 1, § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 StPO beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 2013 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Verurteilten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

1
Durch Urteil vom 17. Dezember 2012, rechtskräftig seit 11. Januar 2013, hatte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Verurteilten der Annahme eines Erbietens zum Mord in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (der S. -Organisation "K. "), mit Erwerb, Besitz, Führen und Überlassen einer Schusswaffe sowie mit Erwerb, Besitz und Überlassen von Munition schuldig gesprochen und deswegen gegen ihn eine Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Nach Anrechnung seit 29. Juli 2010 vollzogener Untersuchungshaft waren zwei Drittel davon am 27. März 2013 verbüßt. Mit Beschluss vom 4. Juli 2013 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe ab 15. Juli 2013 zur Bewährung ausgesetzt, eine Bewährungszeit von drei Jahren bestimmt, den Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und ihm weitere Weisungen erteilt. Die gegen die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung gerichtete sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts bleibt ohne Erfolg.
2
Aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung kann die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).
3
Das Oberlandesgericht hat sich auf Grund des in der Anhörung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Verurteilten davon überzeugt, dass dessen Erklärungen, er habe durch die Hafterfahrung das Unrecht seines Handelns eingesehen, wolle sich politisch nicht mehr betätigen und beabsichtige nur noch, die deutsche Sprache zu erlernen sowie in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nachgehen, glaubhaft sind. Bestätigt sieht das Oberlandesgericht dies darin, dass in Kreisen der S. der Rückhalt für Organisationen, die in militanter Weise die Errichtung eines eigenen Staates fordern, infolge der politischen Entwicklung in Indien zunehmend schwindet.
4
Danach kommt, wie auch der Sachverständige Prof. Dr. L. in seinem in der Anhörung erstatteten ergänzenden mündlichen Gutachten ausgeführt hat, letztlich der Frage ausschlaggebende Bedeutung zu, ob der Verurteilte mit hinreichender Sicherheit vor einer Rückkehr in das bisherige, aus militanten Anhängern eines unabhängigen "K. " bestehende persönliche Umfeld bewahrt werden kann. Zu Recht hat das Oberlandesgericht hier zunächst bedacht, dass der Verurteilte lediglich über einen Wohnsitz in einem Asylheim verfügt und der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Es hat jedoch auf Grund des in der Anhörung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Verurteilten dessen Zusicherung für glaubhaft gehalten, er werde Kontakte zum bisherigen persönlichen Umfeld meiden und dem auch bei Tempelbesuchen Rechnung tragen. Hinzu kommt, dass der Verurteilte seit seiner Verlegung nach Hamburg in der Haft von Landsleuten betreut und auch finanziell unterstützt wird, hinsichtlich derer keine Anhaltspunkte für eine solche Verstrickung ersichtlich werden. Im Rahmen der nach § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB gebotenen Gesamtabwägung hat das Oberlandesgericht auch die Art und die Schwere der Tat - im Urteil mit "eher als dilettantisch und nur in Ansätzen als professionell" bezeichnet - in den Blick genommen. Wenn es deshalb zu dem Ergebnis gelangt ist, noch verbleibenden Risiken könne durch die Unterstellung des Verurteilten unter die Aufsicht und die Leitung eines Bewährungshelfers hinreichend entgegengewirkt werden, so ist dies nicht zu beanstanden.
Schäfer Hubert Mayer

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 304 Zulässigkeit


(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig,

Strafgesetzbuch - StGB | § 57 Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der

Strafprozeßordnung - StPO | § 454 Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung


(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten un

Referenzen

(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn

1.
die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,
2.
der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung
a)
bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,
b)
bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre
der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder
3.
der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches).
Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird.

(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes

1.
der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
2.
einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, daß Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.

(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(4) Im Übrigen sind § 246a Absatz 2, § 268a Absatz 3, die §§ 268d, 453, 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.